Wintersemester 2016/2017 Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene. 20. Januar Dr. Sönke E. Schulz
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1 Wintersemester 2016/2017 Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene 20. Januar 2017 Dr. Sönke E. Schulz
2 Begriff des Kommunalrechts Staats- und Selbstverwaltung Aufbau der Landesverwaltung in SH/Rolle der Kommunen Rechte und Pflichten der Einwohner und Bürger Unterscheidung Öffentliche Einrichtungen Begriff und Abgrenzung Widmung Organisationsform Zulassungsanspruch der Einwohner Rechtsschutz Weitere Anspruchsgrundlagen Das Benutzungs- und Entgeltverhältnis Anschluss- und Benutzungszwang 142
3 Aufbau der Landesverwaltung Europa Bund Oberste Landesbehörden Land Landesoberbehörden Mittelbehörden (in SH nicht vorhanden) Selbstverwaltung Weisungsaufgaben Landrat als Landesbehörde Kreis Selbstverwaltung Weisungsaufgaben Amt Selbstverwaltung Weisungsaufgaben Selbstverwaltung Weisungsaufgaben Amtsangehörige Gemeinden Amtsfreie Gemeinden
4 Rechte und Pflichten der Einwohner Einwohner 6 Abs. 1 GO SH: wer in der Gemeinde wohnt Bürger 6 Abs. 2 GO SH: und das aktive Wahlrecht besitzt öffentliche Einrichtungen Einwohnerantrag Einwohnerversammlung Anregungen und Beschwerden Hilfe in Verwaltungsangelegenheiten Wahlrecht Bürgerbegehren Bürgerentscheid Lastentragung Übernahme eines Ehrenamtes
5 Übersicht Öffentliche Einrichtungen Begriff Widmung eine Zusammenfassung personeller Kräfte und sächlicher Mittel, die von der Gemeinde zu Zwecken der Daseinsvorsorge durch Widmung bereit gestellt und sodann unterhalten wird zum Zwecke der bestimmungsgemäßen Nutzung (jedenfalls) durch die Einwohner kann erfolgen durch: Satzung Allgemeinverfügung durch einfachen Beschluss der Gemeindevertretung (nicht des Bürgermeisters) konkludent durch Bereitstellung Zulassungsanspruch Öffentliche Einrichtung natürliche Personen Anspruchsberechtigung Grundbesitzer Gewerbetreibende Kapazität Nutzung im Rahmen der bestehenden Vorschriften Widmung Weitere Aspekte? Anspruchsgrundlagen neben 18 GO SH Spezialgesetzlich Grundrechte
6 Übersicht Öffentliche Einrichtungen Öffentliche Einrichtung Wahlrecht Organisationsform öffentlich-rechtlich privatrechtlich Wahlrecht Benutzungs- und Entgeltverhältnis öffentlich-rechtlich privatrechtlich
7 Fall 1: Der Streit um die Zulassung E, ein Einwohner der Gemeinde G, möchte die dortige Stadthalle für einen Wohltätigkeitsball nutzen. Er hat gehört, dass die Halle recht häufig zu diesem Zweck vergeben wurde. Sein Antrag wurde jedoch abgelehnt. Man könne daher mit ihm keinen Mietvertrag über die Benutzung mit ihm schließen. E ist empört möchte gerichtlich gegen die Versagung vorgehen und den Abschluss eines Mietvertrages erzwingen. Er ist sich jedoch unsicher, welches das zuständige Gericht sei. Für Mietverträge müsse wohl die ordentliche Gerichtsbarkeit, also das Amts- oder Landgericht zuständig sein. Frage 1: Vor welchem Gericht und mit welchem Rechtsbehelf kann E gegen die Entscheidung vorgehen. Frage 2: Welche Auswirkungen hat der Umstand der begrenzten Kapazität einer öffentlichen Einrichtung auf den gebundenen Zulassungsanspruch? 147
8 Konkurrentenklagen Anwendungsfälle: vor allem im Beamtenrecht und bei öffentlichen Einrichtungen negative Konkurrentenklage gerichtet gegen die Zulassung eines anderen Bewerbers Klageart: Anfechtungsklage positive Konkurrentenklage gerichtet auf die eigene Zulassung Klageart: Verpflichtungsklage verdrängende / ausschließende Konkurrentenklage gerichtet gegen die Zulassung eines oder mehrerer Mitbewerber und eigene Zulassung Klageart: str. E. A. Verpflichtungsklage ausreichend (arg. Behörde sei bei Erfolg zur Aufhebung der Zulassung des anderen Bewerbers verpflichtet) A. A. Stufenklage, bestehend aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (objektive Klagehäufung) A. A. Verpflichtungsklage dann ausreichend, wenn sich die Anfechtungsklage gegen eine Vielzahl von Mitbewerbern richten müsste 148
9 Fall 2: Eine Halle, zwei Bewerber E, ein Einwohner der Gemeinde G, möchte die dortige Stadthalle für einen Wohltätigkeitsball nutzen. Er hat gehört, dass die Halle recht häufig zu diesem Zweck vergeben wurde. Sein Antrag wurde jedoch abgelehnt. Man habe bereits einen Mietvertrag mit M geschlossen, so dass die Halle zu dem beabsichtigten Zeitpunkt gar nicht zur Verfügung stünde. E hält dies für einen Vorwand und möchte gerichtlich dagegen vorgehen. Er fragt sich allerdings, ob sein Rechtsbehelf überhaupt Aussicht auf Erfolg haben könne, wenn die Halle bereits dem M überlassen worden sei. Frage 1: Mit welchem Rechtsbehelf kann E gegen die Entscheidung vorgehen. Frage 2: Welche Auswirkungen hat der Umstand der begrenzten Kapazität einer öffentlichen Einrichtung auf den gebundenen Zulassungsanspruch? 149
10 Lösung Fall 2: keine abstrakten Vorüberlegungen A. Anfechtungsklage I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg, 40 Abs. 1 VwGO (P) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit Zwei-Stufen-Theorie II. Zulässigkeit 1. Statthafte Klageart hier: (P) ausschließende Konkurrentenklage 2. Klagebefugnis, 42 Abs. 2 VwGO (P) drittschützende Norm 3. Vorverfahren / Klagefrist etc. III. Beiladung, 65 VwGO IV. Begründetheit 1. Gesetzliche Grundlage 2. Formelle Rechtmäßigkeit 3. Materielle Rechtmäßigkeit (1) Öffentliche Einrichtung Zusammenfassung personeller Kräfte und sächlicher Mittel, die durch Widmung bereit gestellt und sodann unterhalten wird zum Zwecke der bestimmungsgemäßen Nutzung (jedenfalls) durch die Einwohner 150
11 Lösung Fall 2: (2) Einwohner (3) Im Rahmen der bestehenden Vorschriften (4) Ermessensausübung (P) Handelt es sich überhaupt um eine Ermessensvorschrift (P) Verteilungskriterien B. Objektive Klagehäufung 44 VwGO C. Verpflichtungsklage I. Zulässigkeit der Verpflichtungsklage II. Begründetheit der Verpflichtungsklage 1. Anspruchsgrundlage 2. Formelle Rechtmäßigkeit idr nur Antrag erforderlich 3. Materielle Rechtmäßigkeit (P) idr nur Bescheidungsurteil 151
12 Fall 3: Der "rechte" Parteitag Die Partei A, eine am rechten politischen Rand stehende Organisation, sucht bisher vergeblich nach einem Veranstaltungsort für ihren Bundesparteitag. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate mit ihren Landesparteitagen hat sie sich von Anfang an verschiedenen Orte ausgesucht, für die sie eine Zulassung begehren möchte. Die Gemeinde A verwehrt den Zugang zu ihrer Multifunktionshalle, da diese was den Tatsachen entspricht seit 10 Jahren nicht mehr für Parteiveranstaltungen vergeben worden sei. Dies wolle man auch so beibehalten. Die Gemeinde B, deren Halle oft Veranstaltungsort von Parteitagen war, befürchtet Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und verweigert daher den Zugang. Die Gemeinde C, deren Halle ebenfalls oft Veranstaltungsort von Parteitagen war, meint, man könne verfassungsfeindliche Bestrebungen nicht noch unterstützen und versagt daher den Zugang. Die Gemeinde D findet keinen Ablehnungsgrund, ist aber Ansicht, dass die "rechten Idioten" bestimmt wieder ein Chaos hinterlassen würden. Daher ist man zur Überlassung der Halle nur bereit, wenn eine "Kaution" von 5000,00 hinterlegt werde, um etwaige Schäden abzudecken. Die Partei A ist mit diesem Ergebnis naturgemäß nicht zufrieden. Sie fühlt sich in ihrer Partei- und Versammlungsfreiheit aus dem Grundgesetz verletzt. Frage 1: Auf welche Anspruchsgrundlage kann die Partei ihr Begehren stützen? Frage 2: Sind die Entscheidungen der Gemeinden rechtmäßig? 152
13 Lösungshinweise zu Fall 3: Zugunsten von Parteiveranstaltungen kommt ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, gestützt auf den Widmungsakt i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 21 GG in Betracht. Infolge der ständigen Vergabepraxis kann der das Ermessen auf null reduziert sein. 1. Die Versagung durch die Gemeinde A ist nicht zu beanstanden, da ein Anspruch auch außerhalb des 18 GO SH immer nur im Rahmen der Widmung vorliegen kann. 2. Die Versagung der Gemeinde B ist nur ausnahmsweise zulässig. Grundsätzlich reichen ordnungsrechtliche Aspekte, die nicht von der eigentlichen Veranstaltung ausgehen nicht aus es ist auf die Grundsätze der Inanspruchnahme von Nichtstörern aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zurückzugreifen. Daher ist in der Regel zunächst gegen die Störer vorzugehen. 3. Die Gemeinde C wird mit ihrem Ablehnungsgrund keinen Erfolg haben. Das Parteienprivileg und der Umstand, dass Parteien nur durch das BVerfG verboten werden kann, führt dazu, dass der Verwaltung alle Benachteiligungen aufgrund einer (vermeintlichen) Verfassungswidrigkeit untersagt sind, so lange nicht ein Verbot durch das BVerfG vorliegt. 4. Das Vorgehen der Gemeinde D ist zulässig. Es handelt sich bei einer solchen Bestimmung um eine Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt, entweder als Auflage oder als Bedingung. Rechtsgrundlage dieser Nebenbestimmung ist 107 Abs. 1 LVwG (wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des VA erfüllt werden); diese verweist darauf, dass eine Nutzung der öffentlichen Einrichtung nur im Rahmen der bestehenden Vorschriften gefordert werden kann. Dazu gehörten Beschädigungen gerade nicht, so dass die Hinterlegung von Sicherheiten oder der Abschluss von Versicherungen gefordert werden kann. 153
14 Fall 4: Die teure Fernwärme Die Stadt S hat mit erheblichen Investitionen ein als Eigenbetrieb organisiertes Fernheizwerk errichtet, dessen Kapazität so groß ist, dass es auch Privathaushalte mit Fernwärme versorgen kann. Die Gemeindevertretung beschließt daher eine Satzung, durch die alle Hauseigentümer eines in der Nähe gelegenen ländlichen Stadtteils zum Anschluss und zur Benutzung gezwungen werden. Bislang wurden diese Häuser mit Gas, Öl oder Elektrizität beheizt. Um eine weitere Luftund Umweltverschmutzung zu verhindern, sollen die Haushalte daher auf Fernwärme umgestellt werden. Der Hauseigentümer H hält die Satzung für unwirksam. Frage 1: Auf welche Rechtsgrundlage kann die Satzung der Gemeinde gestützt werden? Frage 2: Welche formellen Voraussetzungen müssen beim Satzungserlass beachtet werden? Frage 3: Wonach beurteilt sich die materielle Rechtmäßigkeit einer Satzung? 154
15 Lösungshinweise zu Fall 4: Wesentliches muss aufgrund des Wesentlichkeitsgedanken vom Parlament (durch Gesetz) geregelt werden. Daher ist zu differenzieren zwischen Satzungen, die auf die Generalermächtigung des 4 Abs. 1 GO SH gestützt werden können und solchen, für die es eine spezielle Ermächtigung bedarf. Dies ist z. B. bei Eingriffen in die Freiheit und das Eigentum des Einzelnen der Fall. Da der Anschluss- und Benutzungszwang des 17 GO SH in das Grundrecht aus Art. 14 GG eingreift, muss auf die spezielle Ermächtigung des 17 Abs. 2 GO SH zurückgegriffen werden. Zuständigkeit: Verbandskompetenz (sachliche und örtliche Zuständigkeit), Organkompetenz (Gemeindevertretung 27 I, 28 I Nr. 2 GO) Verfahren: ordnungsgemäßer Beschluss der Gemeindevertretung Form: Schriftform, Ausfertigung 4 II GO Materielle Rechtmäßigkeit: Vereinbarkeit mit EGL und höherrangigem Recht, ordnungsgemäße Ermessensausübung 155
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