Chemische Oszillationen
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1 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Chemische Oszillationen. Chemische (Formal-)Kinetik Die chemische Kinetik untersucht die Geschwindigkeit und den Mechanismus chemischer Reaktionen. In der Regel laufen chemische Reaktionen über eine Vielzahl von Zwischenprodukten ab, die Gesamtreaktion ist also eine Folge von Teilschritten, die als Elementarreaktionen bezeichnet werden. Unterschied zwischen Molekularität einer Reaktion und der Ordnung einer Reaktion: Die Molekularität bezieht sich immer nur auf Elementarreaktionen: Anzahl der Atome/Moleküle, die während eines Reaktionsschrittes kollidieren: monomolekulare Reaktion bimolekulare Reaktion trimolekulare Reaktion schon trimolekulare Reaktionen sind sehr unwahrscheinlich! 7-
2 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Die Ordnung einer Reaktion bezieht sich auf experimentell ermittelte Reaktionsgeschwindigkeiten: Summe der Potenzen der Konzentrationen im Ausdruck für die Reaktionsgeschwindigkeit r = -k [A] Reaktion erster Ordnung r = -k [A][B] Reaktion zweiter Ordnung r = -k [A] [B] Reaktion dritter Ordnung Wenn es sich um Elementarreaktionen handelt, so sind Ordnung und Molekularität einer Reaktion zahlenmäßig gleich (in Gasen und verdünnten Lösungen): Die Kollisionswahrscheinlichkeit ist proportional zu den Konzentrationen der beteiligten Spezies. Bei stärkeren Drücken bzw. Konzentrationen müssen die Konzentrationen durch die Fugazitäten bzw. Aktivitäten ersetzt werden. Bei zusammengesetzten Reaktionen läßt sich die Reaktionsordnung im allgemeinen nicht aus der Bruttokinetik ableiten! Auch gibt es Reaktionen mit komplizierteren Zeitgesetzen, für die es keine ganzzahlige Reaktionsordnung gibt. 7-
3 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007. Parallelreaktionen, Folgereaktionen und das Bodenstein-Prinzip Jede zusammengesetzte Reaktion kann sich aus Folgereaktionen, A B C, Parallelreaktionen A B, A F und möglichen Verzweigungen A B, B C, C D B F, F Z zusammensetzen. Für jedes Zwischenprodukt muß eine kinetische Gleichung aufgestellt werden System von DGL Die Lösung dieses Systems ergibt das gewünschte Zeitgesetz aller beteiligten Konzentrationen, z.b.: A da B, d. h. = ka mit A(t) = A(0)exp(-kt) oder bei z.b. bei A B C: A B C t 7-3
4 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Geschwindigkeitsbestimmende Teilschritte: Bei Folgereaktionen bestimmt der langsamste Schritt die Geschwindigkeit der Bruttoreaktion. Beispiel: A B C: ) k >> k : A 0, B A(0) C A(0) ( - exp (- k t)) d.h dc ka ) k << k : B k A/k 0, C A(0) ( - exp (- k t)) d.h. dc ka Bodenstein-Prinzip (Quasistationaritätsprinzip) ) kurzlebige Zwischenprodukte: die Konzentrationen kurzlebiger Zwischenprodukte sind immer sehr klein; der Verbrauch erfolgt dann etwa genau so schnell wie ihre Bildung, d.h.: db ka kb B k = k A = 0 = dc = kb = ka 7-4
5 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 ) vorgelagerte Gleichgewichte: Folgereaktionen mit reversiblem ersten Schritt: A B + D, B C, D = const. Fall a: k << (k - + k ): db dc = kak BD kb= 0 B= = kb= kk k D+ k A k k D+ k A Fall b: k << k - : es existiert ein vorgelagertes Gleichgewicht! B dc k = k D A kb kk = = k D A = K D ka Nach diesem Muster kann auch das Auftreten hoher Reaktionsordnungen erklärt werden, so kann ein Reaktionssystem mit zwei vorgelagerten Gleichgewichten eine Autokatalyse dritter Ordnung erzeugen: A + X B B + X C C 3X hat die Bruttostöchiometrie: A + X 3X und die Kinetik dx = k eff AX 7-5
6 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS Stark nichtlineare Reaktionen: Landolt-Reaktion Landolt (886): H SO 3 + Überschuß von HJO 3 Teilreaktionen: 3H SO 3 + HJO 3 3H SO 4 + HJ (langsam) () 5HJ + HJO 3 3H O + 3J (schnell) () H SO 3 + J + H O H SO 4 + HJ (sehr schnell) (3) Bilanz: 3 H SO 3 + HJO 3 3 H SO 4 + HJ Verlauf: Erst wenn alle schweflige Säure verbraucht ist, kann (3) nicht mehr ablaufen und elementares Jod kann in nennenswerter Menge gebildet werden! [J ] t 7-6
7 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS Oszillierende Reaktionen Satz von Hanusse (97): Wenn die einzelnen Reaktionsschritte in Systemen mit zwei Zwischenprodukten nur Reaktionen bis zur zweiten Ordnung enthalten, so können keine Grenzzyklus-Oszillationen auftreten. wenn man ein chemisches -Variablen-Modell sucht, welches Grenzzyklen besitzt, so muß wenigstens eine kubische Nichtlinearität in einer der beiden DGL enthalten sein. Kriterien für das Vorliegen von (autokatalytischen) Instabilitäten: wenn die Matrixelemente des linearisierten Systems im entsprechenden stationären Punkt folgende Eigenschaften erfüllen, so ist der Punkt asymptotisch stabil: für z. B. L L L L L L 3 3 L L L gelte: stabil, wenn: bzw.bei bei Nichterfüllung: ) i: 0 direkte Autokatalyse L ii ) i: L ii < 0 in chem. Syst. immer erfüllt 3) i j: LL ij ji 0 indirekte Autokatalyse: >0: Symbiose, <0: Konkurrenz 4) i j k: LL L = 0 > 0 : autokatalytische Zyklen ij jk ki 5) detl 0 neutrale Stabilität 7-7
8 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Klassifikation von Typen der Autokatalyse! 7-8
9 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Brüsselator (Turing 95, Prigogine, Lefever, Nicolis 967) A X, B + X Y + D, X + Y 3X, X E, A, B, D, E: const. kinetische Gleichungen: dx dy ( ) = ka kb+ k X+ k X Y 4 3 = kbxkxy 3 besitzt eine einzige stationäre Lösung: (der Einfachheit halber seien alle k s gleich eins gesetzt - o.e.d.a.!) ( ) A B+ X+ X Y = 0, BX X Y = 0 stationäre Lösung: X s = A, Y s = B/A linearisiertes System: B B A A ( B A ) + A = 0 nur direkte Autokatalyse möglich: wenn (B - - A ) > 0 7-9
10 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Da nur ein stationärer Punkt existiert, so muß bei dessen Instabilität ein stabiler Grenzzyklus auftauchen: Y bzw. in der zeitlichen Darstellung: X X Zeit 7-0
11 Ludwig Pohlmann Thermodynamik offener Systeme und Selbstorganisationsphänomene SS 007 Temperaturoszillationen Prinzip: exotherme Reaktionen mit einer starken Temperaturabhängigkeit der Reaktionskonstanten kt ( ) = k0 exp( E/ RT) (Arrhenius) als positive Rückkopplung (autokatalytische Wärmeproduktion), der Wärmeabstrahlung als negativer Rückkopplung und der stetigen Nachlieferung der Reaktanden als verzögerndes Element: q X, T Q bzw. mit den kinetischen Gleichungen: dx C dt q = ( ) V X X k T X 0 ( ) ( ) = qc T T + HV k( T) X 0 Je nach Wahl der Parameter sind Oszillationen möglich 7-
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