Die betriebsbedingte Kündigung. Dr. Markus Klimsch Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht
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- Barbara Ursler
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1 Die betriebsbedingte Kündigung Dr. Markus Klimsch Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht
2 Vorbemerkung: Die Kündigung durch den Arbeitgeber ist immer ultima ratio (letztes Mittel), d. h. der Arbeitgeber muss vor jeder Kündigung prüfen, ob es nicht ein milderes Mittel für den Arbeitnehmer gibt. Im Bereich der betriebsbedingten Kündigung ist dies z. B. die Versetzung oder auch die Änderungskündigung, da eine Änderung der Arbeitsbedingungen den Arbeitnehmer weniger trifft als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
3 Die Kündigung ist jedoch nur eine Möglichkeit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Andere Beendigungsmöglichkeiten sind: Anfechtung, z. B. wg. arglistiger Täuschung Aufhebungsvertrag Zeitablauf / Befristung Eintritt in den Ruhestand Tod des Arbeitnehmers Hinweis: Kündigung, Aufhebungsvertrag und die Vereinbarung einer Befristung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform ( 623 BGB, 14 Abs. 4 TzBfG).
4 Bei den Kündigungsgründen unterscheidet man: Gründe im Betrieb des Arbeitgebers Voraussetzungen: - Unternehmerentscheidung - Sozialauswahl Gründe in der Person des Arbeitnehmers Voraussetzungen: - z. B. langanhaltende Krankheit - negative Prognose Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers Voraussetzungen: - Pflichtverletzung - i. d. R. bis zu drei Abmahnungen
5 Dabei sind zu unterscheiden: die ordentliche Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen oder (tarif-)vertraglichen Kündigungsfrist und die außerordentliche (fristlose) Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist Hinweis: Auch Arbeitnehmer, die ordentlich unkündbar sind wie Betriebsräte, Schwangere oder Arbeitnehmer in Elternoder Pflegezeit sind vor einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung nicht geschützt, z. B. im Falle der Betriebsstilllegung.
6 Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung: 1. Der Arbeitgeber trifft eine - gerichtlich nicht überprüfbare - Unternehmerentscheidung, z. B.: - Rationalisierung/Personalabbau, - Umstellung auf freie Mitarbeiter, - Auslagerung einer Abteilung oder - Teilbetriebsstilllegung, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führt. 2. Unter den hiervon betroffenen Arbeitnehmern trifft er eine Sozialauswahl (siehe unten). 3. Abschließend führt er eine Interessenabwägung durch.
7 Die Sozialauswahl beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der sozial weniger schutzwürdig ist, zuerst gekündigt werden soll. Sie vollzieht sich in mehreren Schritten: Der Arbeitgeber prüft zunächst, welche Arbeitnehmer von der geplanten Maßnahme betroffen sind, wobei befristet Beschäftigte ebenso wie Teilzeitkräfte - in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, sofern sie ordentlich kündbar sind. Nicht in diese Sozialauswahl fallen ordentlich nicht kündbare Arbeitnehmer, z. B. solche mit Sonderkündigungsschutz (Betriebsräte o. ä.) oder Mitarbeiter in der Probezeit.
8 Reichweite der Sozialauswahl (Vergleichbarkeit): Die Sozialauswahl hat nur im Betrieb, nicht im gesamten Unternehmen, zu erfolgen: Betrieb ist eine organisatorische selbstständige Einheit, d.h. eine auf Abteilungen, Filialen oder unselbstständige Betriebsteile beschränkte Sozialauswahl ist unzulässig. Die Vergleichbarkeit muss nur horizontal, d. h. hinsichtlich der auszuübenden Tätigkeit gegeben sein (Austauschbarkeit) z. B. im öffentlichen Dienst nur innerhalb derselben Vergütungsgruppe.
9 Die Folge einer fehlerhaften Sozialauswahl ist die Unwirksamkeit der Kündigung, wobei der sog. Dominoeffekt seit 2006 vom BAG aufgehoben wurde: Danach sind nun nicht mehr alle Kündigungen unwirksam, wenn nur die Sozialauswahl bei nur einem Arbeitnehmer falsch getroffen wurde. Vielmehr kommt es für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung nur noch darauf an, ob der betreffende Arbeitnehmer auch bei richtiger Sozialauswahl zur Kündigung angestanden hätte. Damit ist das Risiko des Arbeitgebers deutlich gesunken!
10 Unter den von seiner Entscheidung betroffenen Arbeitnehmern trifft der Arbeitgeber dann die Sozialauswahl nach folgenden Kriterien ( 1 Abs. 3 S. 1 KSchG): Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung, wobei der Arbeitgeber einen Wertungsspielraum bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien hat. Häufig wird ein sog. Punkteschema erstellt.
11 Zu den Auswahlkriterien: - Keines der o. g. vier Kriterien genießt Vorrang. - Ermittlung aufgrund Personalakte und Lohnsteuerkarte - Der Arbeitgeber hat einen Wertungsspielraum bei Erstellung der Punkteliste, solange die sozialen Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden. - Grundsätzlich abschließende Aufzählung der o. g. Kriterien, ausnahmsweise können auch Kriterien wie Arbeitsunfall, Alleinerziehende, schwere Vermittelbarkeit, Rentennähe, Doppelverdienst, Pflege von Angehörigen etc. berücksichtigt werden. - freiwilliger Verzicht möglich (ein geschützter Arbeitnehmer verzichtet zugunsten eines ungeschützten Arbeitnehmers auf seinen Schutz türkischer Listentausch ).
12 Privilegierung: Aus dem Kreis der betroffenen Arbeitnehmer darf der Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer ausschließen, deren Weiterbeschäftigung aufgrund ihrer Leistungen, Fähigkeiten, Kenntnisse oder zur Sicherung einer ausgewogener Personalstruktur im betrieblichen Interesse liegt ( 1 Abs. 3 S. 2 KSchG). Zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur kann der Arbeitgeber Altersgruppen bilden und innerhalb der einzelnen Gruppen die Sozialauswahl durchführen.
13 Einzelfragen zur Privilegierung: - besondere Fähigkeiten: z. B. Feuerwehrausbildung - besondere Kundenkontakte - nicht: künftige Führungsaufgaben - nicht: geringe Fehlzeiten/Krankheitsausfälle - nicht: Herstellung einer ausgewogenen Alterstruktur, nur Sicherung, z. B. 20 % in jeder Altersgruppe mit Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers bei der Bildung der Altersgruppen - Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, Leistungsträger zu sein - Keine Diskriminierung trotz AGG ( 10)
14 Fragen der Beweislast: 1. Die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlerhafte Sozialauswahl liegt beim Arbeitnehmer, allerdings trifft den Arbeitgeber eine Auskunftspflicht bzgl. der Sozialdaten der anderen Arbeitnehmer. 2. Die Darlegungs- und Beweislast für das betriebliche Interesse zur Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl liegt beim Arbeitgeber. Hinweis: Die Sozialauswahl des Arbeitgebers nach einer Kündigung wg. einer Betriebsänderung wird nur auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft, wenn sich der betreffende Arbeitnehmer auf einer sog. Namensliste wiederfindet ( 1 Abs. 5 KSchG) oder im Falle der Insolvenz ( 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO).
15 Aufgrund des ultima-ratio-prinzips muss der Arbeitgeber jedoch prüfen, ob er keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer hat, ggf. nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder zu geänderten Arbeitsbedingungen ( 1 Abs. 2 S. 3 KSchG). Achtung: Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bezieht sich nicht nur auf den Betrieb, sondern auf das ganze Unternehmen! Kommt hierüber keine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer zustande, muss der Arbeitgeber diesen im Rahmen seines Direktionsrechts versetzen oder eine Änderungskündigung aussprechen:
16 Die Versetzung: Der Arbeitgeber kann über sein Direktionsrecht dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz oder eine andere Tätigkeit zuweisen, sofern dies billigem Ermessen entspricht ( 315 BGB, 106 GewO). Hier kommt der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag entscheidende Bedeutung zu: Je weiter diese gefasst ist, desto größer ist der Spielraum für den Arbeitgeber. Erst wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht mehr über das Direktionsrecht erfolgen kann, muss der Arbeitgeber zur Änderungskündigung greifen
17 Die Änderungskündigung: Ausgangslage: Der Arbeitgeber möchte aus betrieblichen Gründen eine Änderung der Arbeitsbedingungen vornehmen, die durch sein Direktionsrecht nicht mehr gedeckt ist. Hierzu hat er grundsätzlich drei Möglichkeiten: - einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrags - Weisung/Versetzung kraft Direktionsrecht (s. o.) - Änderungskündigung, d. h. Kündigung des bestehenden Vertrags, verbunden mit dem Angebot eines neuen Vertrags zu geänderten Bedingungen. Nachteile der Änderungskündigung: - Einhaltung der Kündigungsfrist - ggf. Beteiligung Dritter (z. B. Betriebsrat) - ggf. gerichtliche Überprüfung
18 Möglichkeiten des Arbeitnehmers bei einer Änderungskündigung: Der Arbeitnehmer akzeptiert die Kündigung des alten Vertrags und verlässt das Unternehmen. Der Arbeitnehmer akzeptiert den neuen Vertrag und bleibt im Unternehmen. Der Arbeitnehmer klagt gegen die Kündigung des alten Vertrags. Der Arbeitnehmer akzeptiert den neuen Vertrag unter Vorbehalt und klagt gegen die Kündigung des alten Vertrags - Frist: 3 Wochen, 2 KSchG.
19 Prüfungsschema: betrieblich veranlasste Unternehmerentscheidung dadurch bedingter Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auf dem alten Arbeitsplatz fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz - ggf. nach Umschulung - durch Versetzung oder Änderungskündigung Zusammenstellung der vergleichbaren Arbeitnehmer Sozialauswahl unter diesen Arbeitnehmern bei Herausnahme unkündbarer oder privilegierter Arbeitnehmer evtl. Beteiligung Dritter (Integrationsamt, Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung) Interessenabwägung
20 Ende! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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