B. Neoklassische Investitions- und Finanzierungstheorie II. Arbitrage (Duplikationsprinzip) 1. Irrelevanz der Kapitalstruktur.
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1 B. Neoklassische Investitions- und Finanzierungstheorie II. Arbitrage (Duplikationsprinzip) 1. Irrelevanz der Kapitalstruktur Literatur Drukarczyk, Jochen: Theorie und Politik der Finanzierung. 2. Auflage, München 1993, S Modigliani, Franco and Merton H. Miller: The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investment. In: American Economic Review, 48. Jg. (1958), S
2 Irrelevanz der Kapitalstruktur nach Modigliani & Miller (1958) Definition Kapitalstruktur Aufteilung der gesamten zur Finanzierung benötigten Mittel in: (1) von Eigentümern bereitgestellte Mittel (= Eigenmittel) (2) von Gläubigern bereitgestellte Mittel (= Fremdmittel) Annahmen Vollkommener Kapitalmarkt bei Unsicherheit Realisierte Investitionsprogramme der Unternehmen sind unabhängig von der Unternehmenskapitalstruktur. Unternehmenserfolg wird von Investoren in Form von Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Ausschüttungen wahrgenommen, die an sie fließen. Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Unternehmen) können in Risikoklassen zusammengefasst werden. Zwei Unternehmen U 1, U 2 gehören zu der selben Risikoklasse, wenn gilt: X 1 = λ X 2 und I1 = λ I 2 mit X i: Nettoeinzahlungsüberschuss des Unternehmens i, I i: Investitionsauszahlung des Unternehmens i und λ: Proportionalitätsfaktor. In einer Risikoklasse sind die X i und die I i vollständig korreliert. 63
3 Für Fremdmittel besteht der sichere Zinssatz i. Er gilt für Individuen wie für Unternehmen als Kreditnehmer. Investoren sind indifferent zwischen Ansprüchen auf Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Erfolge von Individuen und von Unternehmen. Investoren sind risikoscheu. Die geforderte Rendite für unsichere Anlagen übersteigt i. Es gibt keine Illiquiditätsrisiken. 64
4 Die Thesen von MM im Überblick These I Der Marktwert eines Unternehmens ist unabhängig von seiner Kapitalstruktur und ergibt sich durch Diskontieren der erwarteten Gewinne (vor Abzug der FK-Zinsen) mit dem Kalkulationszinsfuß der eweiligen Risikoklasse, der das Unternehmen angehört. These Ib Die durchschnittlichen Kapitalkosten eines Unternehmens sind unabhängig von der Kapitalstruktur des Unternehmens und sind identisch mit dem Kalkulationszinssatz für den Einkommensstrom eines ausschließlich mit EK finanzierten Unternehmens einer Risikoklasse. 65
5 These II Die EK-Kosten (= Eigenkapitalrendite) eines Unternehmens sind eine linear steigende Funktion des Verschuldungsgrades. These III Der durchschnittliche Kapitalkostensatz (k d ) ist der geeignete Diskontierungssatz zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit zusätzlicher Investitionsproekte, unabhängig davon, wie diese finanziert sind, sofern sie das Investitionsrisiko des Unternehmens nicht verändern. 66
6 Die Thesen von MM im Detail These I Der Marktwert eines Unternehmens ist unabhängig von seiner Kapitalstruktur und ergibt sich durch Diskontieren der erwarteten Gewinne (vor Abzug der FK-Zinsen) mit dem Kalkulationszins k der Risikoklasse, der das Unternehmen angehört: MW = + = EK FK X k : Risikoklasse, der das Unternehmen angehört MW: Marktwert des Unternehmens EK: Marktwert des Eigenkapitals FK: Marktwert des Fremdkapitals X: Nettoeinzahlungsüberschuss des Unternehmens 67
7 alternativ formuliert: These Ib Die durchschnittlichen Kapitalkosten eines Unternehmens sind unabhängig von der Kapitalstruktur des Unternehmens und gleich dem Kalkulationszinssatz für den Einkommensstrom eines ausschließlich eigenfinanzierten Unternehmens einer Risikoklasse: k EK X + d = = FK k E 68
8 Folgerungen aus These I Kapitalstrukturentscheidung ohne Einfluss auf Reichtum der Anteilseigner Kapitalstrukturmaßnahmen ändern nicht Gesamtwert des Unternehmens auf vollkommenen Markt (MW = EK + FK) Investitions- und Finanzierungsentscheidung können getrennt werden Finanzierungsentscheidungen können ohne Rücksicht auf Risikopräferenzen der Anteilseigner getroffen werden 6 Separation auf vollkommenen Kapitalmarkt gibt es keine Finanzposition, die die Marktteilnehmer nicht auch selbst erreichen können 6 zusätzlicher Kredit/zusätzliche Anlage von Mitteln Verschiedene Kapitalstrukturen verteilen das konstante Risiko aus dem Investitionsprogramm des Unternehmens, das durch die Risikoklasse vorgegeben ist, nur unterschiedlich auf verschiedene Parteien. 69
9 Arbitragebeweis zu These I nach Drukarczyk (1993: ) Fall 1: Mehrfach besetzte Risikoklasse These I: MW Annahmen: = + = EK FK X k 1) Betrachtet seien zwei Unternehmen U E und U F einer Risikoklasse. Also gilt: X = X E = X F. Index E: vollständig eigenfinanziert Index F: teilweise fremdfinanziert 2) U E sei ausschließlich mit Eigenkapital und U F mit Eigen- und Fremdkapital finanziert. 70
10 Situation 1: MW E > MW F Der Anleger ist ursprünglich nur in U E mit einem Anteil von a investiert. Wie kann er die Relation der beiden Marktwerte zu seinem Vorteil ausnutzen? Aktion des Investors Mitteleinsatz Ertrag 1. Verkauf: a * EK E + a * EK E = a * MW E - a * X 2. Kauf: a * EK F - a * EK F = - a * (MW F FK F ) + a * (X i * FK F ) Kauf: a * FK F Summe a * FK F = - a * MW F = a * MW E - a* MW F = a * (MW E - MW F ) > 0 + a * i * FK F = 0 71
11 Ein positiver Arbitragegewinn ist möglich, wenn gilt: MW E MW F < MW E bzw. 1 MW F Der Investor verkauft den Ertrag aus U E : a * X und kauft den identischen Ertrag aus U F : a* (X i * FK) + a * i * FK Es kann also mit der in der Tabelle dargestellten Operationsfolge ein identischer Ertrag unter Einsatz eines Auszahlungsbetrages erreicht werden, der um a * (MW E - MW F ) geringer ist. Der Investor erzielt also einen Arbitragegewinn in Höhe von a * (MW E - MW F ). 72
12 Situation 2: MW E < MW F Der Anleger ist ursprünglich nur in U F mit einem Anteil von a investiert. Wie kann er die Relation der beiden Marktwerte zu seinem Vorteil ausnutzen? Aktion des Investors Mitteleinsatz Ertrag 1. Verkauf: a * EK F + a * EK F = a * (MW F - FK F ) - a * (X- i * FK F ) 2. Kauf: a * EK E - a * EK E = - a * MW E + a * X Kreditaufnahme: a * FK F + a * FK F (private Verschuldung) = - a * (MW E - FK F ) Summe = a * MW F a * MW E = a * (MW F MW E ) > 0 - a * i * FK F = 0 73
13 Ein positiver Arbitragegewinn ist möglich, wenn gilt: MW F MW F > MW E bzw. 1 MW E Anmerkungen zum Arbitragebeweis Im Originalbeweis wird der erzielte Arbitragegewinn zusätzlich in das unterbewertete Unternehmen investiert, so dass ein höherer Ertrag erzielt wird (hier: geringerer Einsatz bei gleichem Ertrag). 74
14 Fall 2: Arbitragebeweis ohne Rückgriff auf mehrfach besetzte Risikoklassen Investoren werden von den Kapitalstrukturentscheidungen von Unternehmen auch dann nicht berührt, wenn es kein weiteres Unternehmen in der Risikoklasse gibt. Denn die Investoren können den gewünschten Verschuldungsgrad ihrer Position kostenlos am Kapitalmarkt herstellen. R R: Risiko der Anteilseigner für verschiedene Verschuldungsgrade F=0 A G H F* B k F Renditeforderung der Anteilseigner für alternative Verschuldungsgrade F=0 Unternehmen hat kein Fremdkapital 0 k F F* maximaler Verschuldungsgrad, bei dem FK noch sicher ist 75
15 Beispiel: Verschuldungsaufbau Unternehmen wechselt von Position A zu Position G, indem es eine Ausschüttung D durch die Aufnahme von Fremdmitteln F finanziert. Der Investor Q hat einen Anteil a am unverschuldeten Unternehmen gehalten, mit dem er a* X pro Periode erzielt hat. Er hatte die Anlage im unverschuldeten Unternehmen gewählt, weil sie seinen Präferenzen entspricht. Wie soll sich Investor Q nach der Ausschüttung verhalten? 76
16 Q kann die an ihn ausgeschütteten Mittel a * D = a * FK G am Markt zum Zinssatz i anlegen, d.h. er wird selbst zum Kreditgeber. Zahlungsströme von Q: aus dem etzt verschuldeten Unternehmen vereinnahmt er a * (X - i * FK G ), und aus der Anlage zum Zinssatz i erhält er a * i * FK G. Insgesamt vereinnahmt er also a* (X - i * FK G ) + a * i*fk G = a * X, was genau seinem Ertrag pro Periode aus dem vorher unverschuldeten Unternehmen entspricht. Da beide Positionen (unverschuldetes Unternehmen vs. verschuldetes Unternehmen und Anlage zum risikofreien Zinssatz) den gleichen Ertrag pro Periode erbringen, müssen sie auch den gleichen Marktwert haben. Ergo muss der Marktwert der Papiere des unverschuldeten Unternehmens dem Marktwert der Papiere des verschuldeten Unternehmens entsprechen. Kauft Q Anleihen des Unternehmens, nimmt er die gleiche Position A wie vorher ein. Gewährt der Investor Q anderen Unternehmen oder Investoren Kredit, hat er eine A gleichwertige Position. 77
17 Die Verschuldung des vorher unverschuldeten Unternehmens ändert nicht die Erfolge aus dem Investitionsprogramm, sondern ändert lediglich ihre Aufteilung ( Verpackung ). Diese Darstellungsform macht besonders deutlich, dass die Irrelevanz der Kapitalstruktur für den Marktwert des Unternehmens und den Marktwert der individuellen Position der Investoren entscheidend davon abhängt, dass es einen perfekten Kapitalmarkt gibt, an dem die Investoren Effekte von Kapitalstrukturentscheidungen der Unternehmen, die ihren Präferenzen zuwiderlaufen, in ihrem Sinne ändern können. 78
18 Zahlenbeispiel: Verschuldungsabbau Investor Q hält am Unternehmen einen Anteil von a = 0,2. Ferner: Bruttoerfolg X = 100; Verschuldung FK H = 200; Kreditzins i = 0,05. k d Der durchschnittliche Kapitalkostensatz sei = 0,10. Dann beträgt der Marktwert des X Unternehmens MW = EK + FK = = Da FK d H = 200, muss EK H = 800 sein. k Das Unternehmen hat 800 Aktien ausgegeben, der Aktienkurs beträgt dann 1. Q erhält in Ausgangsposition H pro Periode: a * (X i * FK H ) = 0,2 * (100 10) = 18 Das Unternehmen ändert seine Verschuldungsposition: Es gibt 200 Aktien zum Kurs von 1 aus und löst damit das Fremdkapital ab. Es nimmt nun Position A ein. Der Marktwert des Unternehmens liegt unverändert bei
19 Position des Investors nach Fremdkapitaltilgung: Seine Beteiligungsquote ist gesunken und beläuft sich etzt auf a neu = a * (1-0,2) = 0,16. In Position A erhält er pro Periode: a neu * X = 0,16 * 100 = 16. Der Investor kann seine alte Position wieder herstellen, indem er Kredit in Höhe von a * FK H = 0,2 * 200 = 40 aufnimmt und damit 40 Aktien kauft. Sein Anteil am Grundkapital a liegt dann wieder bei 0,2. Er erhält dann pro Periode: a * (X * (1 0,2)) + a * 0,2 * X - a * i * FK H = 0,2 * (100 * 0,8) + 0,2 * (0,2 * 100) 0,2 * 0,05 * 200 = 18. Der erwartete Periodenerfolg entspricht wieder dem aus der Ausgangsposition H. Fazit: Die Irrelevanz von Kapitalstrukturänderungen lässt sich auch zeigen, wenn ede Risikoklasse nur einmal besetzt ist. 80
20 Thesen II und III Aus These I MW X = EK + FK leiten MM Folgendes ab: k = These II: Die von den Eigenkapitalgebern geforderte Rendite k F ist eine lineare Funktion des Verschuldungsgrades des Unternehmens. Der Verschuldungsgrad ist FK das Verhältnis der Marktwerte von Fremd- und Eigenkapital. EK F d d FK Es gilt mithin: k = k + ( k i) EK Herleitung: EK X k F k F = X i ( + ) k FK d = EK FK (These I) = ( + ) EK FK k EK d k F = X i FK EK i FK EK = EK k d + ( i) k d FK EK 81
21 These III: Der durchschnittliche Kapitalkostensatz k d ist der geeignete Diskontierungssatz, um zusätzliche Proekte auf ihre Vorteilhaftigkeit zu prüfen, unabhängig davon, wie sie finanziert werden. Allerdings dürfen die zusätzlichen Proekte das Investitionsrisiko des Unternehmens nicht verändern, d.h. es muss in der bisherigen Risikoklasse verbleiben. k d k F k E i k F k E = k d i FK EK 82
22 Verschuldungsumfang Gesamter Marktwert V F = 0 F = 10 F = 20 F = 40 F = 60 F = Kosten des Eigenkapitals k F 0,10 0,1021 0,1044 0,11 0,1171 0,1267 Marktwert Eigenkapital MW EK Marktwert Fremdkapital MW FK Durchschnittliche Kapitalkosten 0,10 0,10 0,10 0,10 0,10 0,10 k d X = 20; i = 0,06; k E = 0,10; + ( ) k F FK E = k E k i Drukarczyk (1993: 142) EK 83
23 Fazit Modigliani & Miller Auf vollkommenen Kapitalmärkten bei Unsicherheit haben Finanzierungsentscheidungen von Unternehmen weder Einfluss auf den Marktwert von Unternehmen noch auf die Reichtumspositionen der alten Anteilseigner. Entscheidend hierfür ist, dass die Anleger durch Mischen von Aktienanteilen und Mittelanlage oder aufnahme zum sicheren Zinssatz i kostenlos die gleiche Position erreichen können wie Unternehmen durch Finanzierungsentscheidungen. Finanzierungsentscheidungen der Unternehmensleitungen bewirken nichts, was der Anleger nicht selber am Kapitalmarkt herstellen könnte. Sie binden den Anleger nicht. MM gehen durchaus davon aus, dass Investoren Konsum- und Risikopräferenzen haben und deshalb bestimmte Anlageprofile anderen vorziehen. Aber diese Präferenzen sind hier irrelevant, weil die Unternehmensleitungen mit ihren Finanzierungsentscheidungen keine Letztentscheidungen für die Anleger treffen, sondern nur Vorentscheidungen für die individuellen Anlegerpositionen. Über Kapitalmarkttransaktionen können die Anleger das Anlageprofil realisieren, das für ihre Präferenzen optimal ist. 84
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