Klausur zu B.Che.1304 (3h)
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- Kora Schulz
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1 Klausur zu B.Che.1304 (3h) Chemisches Gleichgewicht Thermodynamische Randbedingungen zum Mpemba-Effekt Als Mpemba-Effekt wird das Phänomen bezeichnet, dass unter geeigneten Kühlbedingungen eine Probe von warmem Wasser häufig schneller gefriert als eine ansonsten vergleichbare Probe von kaltem Wasser. Diese schon von Aristoteles im Altertum gemachte Beobachtung wurde 1963 von dem tansanischen Schüler Erasto B. Mpemba wiederentdeckt und wird heute oft nach ihm benannt. Im letzten Jahr wurde von der Royal Chemical Society ein Preis von GBP 1000 für die beste und kreativste Erklärung ausgelobt und Anfang 2013 an Nikola Bregovic verliehen (unter Einsendungen, siehe Bis heute werden mögliche Erklärungen dieses Effekts kontrovers diskutiert. Wie bereits das Wort schneller nahelegt, ist die vollständige Erklärung ohne Zweifel kinetischer (oder psychologischer) Natur und liegt letztlich außerhalb der (zeitunabhängigen) Gleichgewichtsthermodynamik. Ebenso unzweifelhaft sind bei der Erklärung einige thermodynamische Randbedingungen zu beachten und genau um diese geht es im Folgenden. 1. Erhöhter Dampfdruck (15P+10ZP) Häufig wird als Erklärung für den Mpemba-Effekt angeführt, dass das warme Wasser einen höheren Dampfdruck hat als das kalte und daher bei offener Systemführung stärker verdampft. Das verbleibende flüssige Wasser hat eine geringere Masse und damit Wärmekapazität. Es kühlt daher bei gleicher Kühlleistung und gleicher Oberfläche rascher ab. Hinzu kommt die durch die Verdampfungsenthalpie abgeführte Wärme, die die externe Abkühlung unterstützt. Hierzu ein paar Modellrechnungen für Wasser bei K und bei K: a. Clausius-Clapeyron (5P+5ZP) Die Verdampfungsenthalpie von Wasser bei T = K beträgt 44.0 kj/mol. Verifizieren Sie dies anhand der angehängten JANAF-Tabellen. Der Dampfdruck p bei dieser Temperatur beträgt 3.21 kpa. Wie hoch ist er bei K? b. Interpolation (5P) Der Wert erscheint relativ hoch, überprüfen Sie ihn daher noch mit der Interpolationsformel log 10 (p/bar) = /(T/K ), die für den Temperaturbereich von 304 bis 333 K entwickelt wurde. Was erhalten Sie jetzt bei K? c. Pictet-Trouton (5ZP) Ganz ohne Tabellenwerte können Sie sich mit der Pictet-Trouton schen Regel behelfen, da Sie wissen, dass der Standardsiedepunkt von Wasser bei C liegt. Welcher Dampfdruck ergibt sich daraus bei K? d. Beurteilung (5P) Welchem der Werte würden Sie am meisten vertrauen? Begründen Sie Ihre Wahl. 1
2 2. Gaslöslichkeit (5ZP) Zwar leistet die stärkere Verdampfung des wärmeren Wassers über die Gewichtsabnahme einen Beitrag zum früheren Gefrieren, aber auch bei geschlossenen Systemen wird der Mpemba-Effekt beobachtet. Ein weiterer diskutierter Effekt ist daher die Gaslöslichkeit, die in kristallinem Eis vernachlässigbar klein ist und somit zu einer Gefrierpunktserniedrigung führt. Diskutieren Sie kurz die Richtung und Größenordnung dieses Effekts, wenn die Luftlöslichkeit in Wasser bei K im Bereich 20 mg/kg liegt und bei 320 K etwa halb so groß ist. Die kryoskopische Konstante von Wasser beträgt 1.86 K kg/mol. 3. S(T )-Diagramm (10P) Als Nächstes muss der Zeitpunkt des Gefrierens definiert werden. Handelt es sich um den Zeitpunkt (A), an dem der erste Eiskristall auftritt, oder um den Moment, in dem das letzte Flüssigkeitselement gefriert (B)? Im Folgenden wird manchmal das eine, manchmal das andere angenommen. Wie unterscheiden sich Temperatur und Entropie der Systeme qualitativ zwischen diesen beiden Zeitpunkten, wenn man stets von reinem, vollständig durchmischtem Wasser ausgeht und keine Unterkühlung der Flüssigkeit beim Phasenübergang annimmt? Skizzieren Sie den Verlauf der beiden Abkühlprozesse für warmes und kaltes Wasser zusammen in einem S(T )-Diagramm und kennzeichnen Sie die Punkte (A) und (B). Nehmen Sie dazu wieder an, dass die abkühlenden Systeme geschlossen und zu jedem Zeitpunkt im thermischen und Phasen-Gleichgewicht sind. 4. Adiabatische Abkühlung (20P) Man könnte auf die Idee kommen, den Mpemba-Effekt dadurch zu erklären, dass sich der Wasserdampf an der Wasseroberfläche von seinem Gleichgewichtsdampfdruck bei der jeweiligen Temperatur durch adiabatische Expansion auf den bei 0.00 C (also z.b. am oberen Behälterrand) herrschenden Dampfdruck von 6.1 mbar ausdehnt und abkühlt, und dabei Eiskristalle bildet, falls die Abkühlung ausreicht. Diese Eiskristalle könnten später in das unterkühlte, aber noch flüssige Wasser fallen und dort eine Kristallisation auslösen. a. Adiabatenkoeffizient (5P) Der Adiabatenkoeffizient von Wasserdampf ist im relevanten Temperaturbereich in guter Näherung 4/3. Erklären Sie dies. b. Abkühlung (10P) Der Dampfdruck von Wasser bei 25 C beträgt 32.1 mbar. Berechnen Sie daraus die adiabatische Abkühlung (ideales Gas) bei der Expansion auf 6.1 mbar. Können sich auf dem Weg dahin Eiskristalle bilden? c. Falsche Voraussetzung (5P) Was spricht im offenen System gegen diese Erklärung des Mpemba-Effekts? 5. Randkristallisation (5P+5ZP) Ein wenig diskutierter Erklärungansatz hängt ebenfalls mit der Bildung von Eiskristallen aus der Dampfphase zusammen, allerdings durch das Ausfrieren an der kalten oberen Behälterwand. Solche Kristalle bilden sich bei wärmerem Wasser durch den höheren Dampfdruck in stärkerem Umfang, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass einer davon in das inzwischen unterkühlte Wasser (T < K) fällt und spontan eine Kristallisation auslöst. a. Chemisches Potential (5P) Skizzieren und erläutern Sie die Situation in einem µ(t )-Diagramm qualitativ. 2
3 b. Dampfdruckerhöhung (5ZP) Berechnen Sie den Dampfdruck eines 1.0 nm durchmessenden (kugelförmig angenommenen) Eiskristalls (Dichte g/cm 3 ) bei 0.00 C, wenn seine Oberflächenspannung 0.11 J/m 2 beträgt und der Dampfdruck von ebenen Eisflächen 6.1 mbar. 6. Entropie als Triebkraft (10ZP) Bei oberflächlicher Betrachtung mag es verwundern, dass Wassermoleküle es überhaupt schaffen, sich bei K aus dem Wasserstoffbrückennetzwerk der Flüssigkeit zu lösen und isoliert in der Gasphase vorzuliegen. Dabei muss die Verdampfungsenthalpie von 44.0 kj/mol überwunden werden. Der Dampfdruck über dem flüssigen Wasser der Dichte kg/m 3 beträgt 32.1 hpa. Berechnen Sie das Molvolumen des flüssigen Wassers und der Dampfphase und daraus die Entropiezunahme, die Wasser pro mol durch Verdampfung erfährt, wenn dabei nur die Volumenzunahme berücksichtigt wird. 7. Geschlosssenes System (20P) In einer geschlossenen Variante des Mpemba-Experiments werden g Wasser in einem Gefäß mit dem Volumen von 0.50 L zunächst bei K untersucht. a. Stoffmengenanteile (10P) Berechnen Sie anhand des Dampfdrucks von 32.1 mbar (ideales Gas) und der flüssigen Dichte von kg/m 3, welcher Stoffmengenanteil flüssig und welcher gasförmig ist. b. Expansionsentropie (10P) Bei Abkühlung um 1.0 K erniedrigt sich der Druck im System um 1.84 mbar. Um wieviel J/K würde sich die Entropie des Systems erhöhen, wenn das Volumen isotherm um 5.0 ml erhöht wird? 8. Energiespeicherung mit Wasser... (20P) Der Mpemba-Effekt ist kaum von praktischem Interesse, aber mit Wasser lässt sich generell sehr gut Energie speichern. Wie viel flüssiges Wasser (in kg) benötigt man, um 1.0 kwh Energie zu speichern, indem man... a.... im Schwerefeld (5P)... das Wasser um 100 m im Schwerefeld der Erde (g = 9.81 m/s 2 ) anhebt? b.... durch Elektrolyse (10P)... das Wasser elektrolytisch mit maximalem Wirkungsgrad in H 2 und O 2 bei Normaldruck und K spaltet (siehe JANAF-Tabellen)? c.... durch Erwärmung (5P)... das Wasser von 25 C auf 60 C isobar erwärmt (siehe JANAF-Tabellen)? 9. Thermoquiz (10P) Zum Chillen vor der Abgabe noch ein kleines Thermodynamik-Quiz. Bitte kreuzen Sie bei den folgenden Aussagen an, ob Sie sie für richtig oder falsch halten aber beachten Sie, dass fehlerhafte Kreuze richtig gesetzte Kreuze aufheben. Im Zweifelsfall also lieber nichts ankreuzen. a. richtig oder falsch? Zucker löst sich so lange in flüssigem Wasser, bis sein chemisches Potential in Lösung gleich dem im Festkörper ist. 3
4 b. falsch oder richtig? Die Molwärme von Eis beträgt im Grenzfall des Gesetzes von Dulong und Petit 3R. c. falsch oder richtig? Im Phasendiagramm von reinem H 2 O gibt es Bereiche, in denen man Druck und Temperatur ändern kann, ohne einen Phasenwechsel zu provozieren. d. richtig oder falsch? Der gesamte Dampfdruck über einer wässrigen Lösung kann größer als der des reinen Wassers sein. e. richtig oder falsch? Beim Schmelzen von Eis macht das chemische Potential einen Sprung. f. falsch oder richtig? Ein Eiskristall hat bei 300 K ein höheres chemisches Potential als flüssiges Wasser. g. richtig oder falsch? Ein Wassermolekül hat zwei Rotationsfreiheitsgrade. h. richtig oder falsch? Für 1 mol flüssiges Wasser ist der Unterschied zwischen C V und C p ungefähr R. i. richtig oder falsch? Eine reversible isotherme Expansion eines realen Gases ist isentrop. j. richtig oder falsch? Die Symmetriezahl von Wasser ist 3. Falls Sie immer noch Zeit haben, lehnen Sie sich zurück und überlegen einmal, wie der Mpemba-Effekt sich wohl entwickeln wird, wenn die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Behältern mit flüssigem Wasser einerseits verschwindet und wenn sie andererseits größer als etwa 90 K wird. Aus dem zu erwartenden stetigen, aber stochastisch überlagerten Verhalten dazwischen keimt in Ihnen vielleicht ein genereller Verdacht hinsichtlich der psychologischen Komponente des Experiments. Was fällt einem bei Zufallsbefunden mehr auf und prägt sich mehr ein: Normalität oder Anomalie? (ohne Bewertung) 4
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