Sinnvolle Fortbildung? Arterielle Hypertonie Alexander R. Rosenkranz Medizinische Universität Graz alexander.rosenkranz@medunigraz.at ÖGIM-FLIP 10. Juni 2013, Raiffeisen Forum, Wien Warum wird immer noch über arterielle Hypertonie gesprochen? Weniger als die Hälfte der Hypertoniker erreicht den Zielwert Weniger als die Hälfte der behandelten Hypertoniker erreicht den Zielwert Daten aus den USA Daten aus UK...wobei hier nicht klar ist, ob die Therapie ausgeschöpft wurde... Hajjar, JAMA 2003...wobei hier nicht klar ist, ob die Therapie ausgeschöpft wurde... Falaschetti, Hypertension 2009 1
Fall Anamnese und Status Sind damit die Patienten schon als therapierefraktär einzustufen? 61-jähriger Patient mit DM2 seit 5a bekannt sowie 12-jähriger Hypertonieanamnese Anamnestisch kein Endorganschaden bekannt Familienanamnese: beide Eltern mit Hypertonus bekannt, keine Geschwister Physikalischer Status unauffällig, insbesondere kein Herzgeräusch, keine peripheren Ödeme RR im Sitzen re. 156/90, li. 158/90; Herzfrequenz 70/min Keine Änderung des Blutdrucks gemessen im Stehen Harn im Stix unauffällig, Symptome Müdigkeit und Mundtrockenheit Fall Medikation Ist der Patient definitionsgemäß als therapierefraktär einzustufen? RR=157/90 mmhg Name Dosis Frequenz Olmetec plus Olmesartan/ HCT 40mg/25mg 1-0-0 Amlodipin Amlodipin 10mg 0-0-1 Rilmenidin Iterium 1mg 0-1-0 Seloken retard Metoprolol 95mg 1-0-0 Simvatin Simvastatin 40mg 0-0-1 Metformin Metformin 1000mg 1-0-1 1. Definition der therapierefraktären Hypertonie a) Jeder Blutdruck > 180/110 mmhg b) Jeder Blutdruck, der unter antihypertensiver Therapie > 150/90 mmhg ist c) Nachweis, dass der Zielblutdruck trotz Verwendung eines RAS-Hemmers nicht erreicht wird d) Nachweis, dass der Zielblutdruck trotz Therapie mit drei verschiedenen Antihypertensiva in Maximaldosierung einschließlich eines geeigneten Diuretikums nicht erreicht wird e) Der Begriff therapierefraktäre Hypertonie ist veraltet und sollte nicht mehr verwendet werden 2
Therapierefraktäre Hypertonie Definition nach JNC7 erfordert den Nachweis, dass der angestrebte Zielblutdruck trotz adäquater Therapie mit mindestens 3 verschiedenen Antihypertensiva in Maximaldosierung einschließlich eines geeigneten Diuretikums nicht erreicht wird! 2. Was ist der Zielblutdruck bei einem Patienten mit Hypertonie, 61 Jahre, Kreatinin 0,9mg/dl, Proteinurie ca. 1 g/tag sowie koronarer Herzerkrankung (St.p. PTCA, Stent LAD)? a) So nieder wie möglich b) < 140/90 mmhg c) < 130/80 mmhg d) < 130/80, aber nicht < 120/70 e) 100 mg + Lebensalter für den systolischen Wert Chobanian, Hypertension 2003 Zielblutdruck Zielblutdruck und CKD Patienten mit CKD mit/ohne Proteinurie 140/90 = 130/80!!??!! http://guidance.nice.org.uk/cg 127/NICEGuidance ESH/ESC empfehlen seit 11/2009 bei Patienten mit KHK den Blutdruck nicht unter 120/70 mmhg zu senken. Upadhyay, Ann Int Med 2011 CKD und Albuminurie < 30mg/g Kreatinin: <140/90 CKD und Albuminurie > 30mg/g Kreatinin: <130/80 KDIGO Blood Pressure Guidelines, Kidney Int 2012 3
Therapierefraktäre Hypertonie Kommentar anhand des Falls Seven Steps to Heaven American Heart Association Auch wenn der Patient einen RR von 138/79 aufweisen würde, hat er aufgrund der 5-fach Kombination die Definition der therapierefraktären Hypertonie erfüllt Aufgrund des bestehenden Diabetes wäre sein Ziel-RR <140/90 Damit hat er die Definition der therapierefraktären Hypertonie erfüllt Überblick über die sieben Schritte der Evaluierung bei therapieresistenter Hypertonie in einem Ordinationssetting Chobanian, Hypertension 2003 Townsend, Clin J Am Soc Nephrol 2011 Bestätigung der Behandlungsresistenz 1. Schritt Vergleich ambulanter Blutdruck und Ordinationsblutdruck Wenn der ambulante RR <135/85 ist und der Ordinationsblutdruck >140/90 Weißkittelhochdruck Ca. 25% der Patienten unter einer Dreifachkombination qualifizieren sich für diese Kategorie Die Bestätigung der Werte (ambulant/ordination) ist der erste Schritt in der Evaluierung der Therapieresistenz Townsend, Clin J Am Soc Nephrol 2011 Bestätigung der Behandlungsresistenz 1. Schritt Townsend, Clin J Am Soc Nephrol 2011 4
Bestätigung der Behandlungsresistenz Kommentar anhand des Falls 24h-Recording Der durchschnittliche Wert der 24h-RR-Messung lag nur wenige mmhg unter dem gemessenen Ordinationsblutdruck Pickering, N Engl J Med 2006 Bestätigung der Behandlungsresistenz Kommentar anhand des Falls Der durchschnittliche Wert der 24h-RR-Messung lag nur wenige mmhg unter dem gemessenen Ordinationsblutdruck Die Symptome Mundtrockenheit und Müdigkeit lassen auf die Einnahme eines Alpha-, sowie Beta-Blockers schließen Eine Therapieadhärenz scheint daher auch gegeben zu sein, die Blutdruckmessung zu Hause und in der Ordination stimmen überein Adhärenz senkt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall Persistenz In einer antihypertensiven Therapie* lag bei nicht-persistenten Patienten das relative Risiko für einen Akuten Myokardinfarkt um 15% höher und das Schlaganfallrisiko um 28% höher als bei persistenten Patienten 1 Nicht-Persistenz Adj. ** relatives Risiko RR (98% CI) Schlaganfall RR=1.28 (1.15 1.45) Herzinfarkt RR=1.15 (1.00 1.33) -28% -15% n= 77.193; nach erstmaliger Gabe 2-jährige Therapiephase zur Bestimmung der Persistenz, weitere 2 Jahre Beobachtung bis zum Eintreten eines kardiovaskulären Ereignisses; Anteil der nichtpersistenten Patienten: 55% * Bestehend aus: 18% Diuretika; 45% ß-Blocker; 8% Kalziumkanal-Blocker; 15% ACE-Hemmer; 6% AT1-Blocker; 2% andere; 6% Kombinationstherapie ** Adjustiert nach Geschlecht, Alter, Verordner, initialen Antihypertensiva, Antithrombotika, Lipidsenkern und sonstigen kardiovaskulär wirksamen Medikamenten Breekveldt, Curr Med Res Opin 2008 5
Adhärenz senkt das Risiko für Entwicklung von CKD Kumulative Inzidenz für Dialyse (CKD5D) Pseudoresistenz 2. Schritt Ein weiterer häufiger Messfehler besteht in der Vorbereitung bei der Heimmessung 5 min ruhiges Sitzen Leere Harnblase Beide Beine am Boden Rücken durch Sessellehne unterstützt Eine extreme Variabilität der Werte gemessen zur selben Tageszeit an verschiedenen Tagen könnte ein Hinweis sein, dass die Ruhephase nicht eingehalten wurde n=185.476 Roy, Kidney Int 2013 Townsend, Clin J Am Soc Nephrol 2011 Lebensstil 3. Schritt Das ist einfach zu predigen, schwer zu leben 3. Welche ist Ihrer Meinung nach die sinnvollste und effizientes Lebensstilmodifikation? a) autogenes Training b) Gewichtsreduktion c) Scheidung d) strenge Salzrestriktion e) Alkoholkarenz Townsend, Clin J Am Soc Nephrol 2011 6
Obesity Prevalence (%) Change in BP (mm Hg) 12.06.2013 Sinnvolle Lifestylemodifikationen 3. Schritt Adipositas Gewichtsabnahme 10kg 5-20mmHg Vidt, CCJM 2003 Prävalenz der Adipositas in den USA The National Health and Nutrition Examination Survey Adults aged 20-74 years 35 30 25 20 15 10 5 0 NHANES I (n = 12911) 14.5% 1971-74 NHANES II (n = 11765) 15% Adipositas definiert als BMI 30 kg/m 2 NHANES III (n = 14468) 23.3% NHANES Continuous (n = 360175) 30.9% 1976-80 1988-94 1999-2000 2001-2010 Flegal, JAMA 2002 35.7% Flegal, JAMA 2012 Änderung des Blutdrucks unter Gewichtsänderung Trials of Hypertension Prevention (THOP) II n = 1191 Normotensive, 110-165% vom Idealgewicht als Ausgang Interventionsprogramm über 3 Jahre (Beratung, Sport, Ernährung) 4 Systolic Diastolic 2 0-2 -4-6 -8 Quintiles of Weight Change Gewichtsänderung: -8.8 kg -2.6 kg -0.1 kg +2.6 kg +7.3 kg Stevens, Ann Int Med 2001 7
Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse für die Kombination ACE-Hemmer und Calciumantagonist ACCOMPLISH RR 20%; p=0.002 Sinnvolle Lifestylemodifikationen 3. Schritt Gewichtsabnahme 10kg 5-20mmHg Ernährung low fat/obst/gemüse 8-14mmHg Kochsalzreduktion 6g 2-8mmHg 60% Diabetiker BMI >30 Jamerson, N Engl J Med 2008 Vidt, CCJM 2003 Kochsalzreduktion 24h-RR-Monitoring 5g versus 25g/d Kochsalzzufuhr Sinnvolle Lifestylemodifikationen 3. Schritt Gewichtsabnahme 10kg 5-20mmHg Ernährung low fat/obst/gemüse 8-14mmHg Kochsalzreduktion 6g 2-8mmHg Sport 30min/Tag 4-9mmHg Pimenta, Hypertension 2009 Vidt, CCJM 2003 8
Sport reduziert das Risiko Effekt des aeroben Trainings auf den Blutdruck Metaanalyse von RCTs Changes in Blood Pressure (mm Hg) 0-1 -2-3 -4-5 -6-7 -8 Hypertensives (15 Trials) Normotensives (27 Trials) Systolic Diastolic aber der richtige Whelton, Ann Int Med 2002 Sinnvolle Lifestylemodifikationen 3. Schritt Lebensstilmodifikation Kommentar anhand des Falls 3. Schritt Gewichtsabnahme 10kg 5-20mmHg Ernährung low fat/obst/gemüse 8-14mmHg Kochsalzreduktion 6g 2-8mmHg Sport 30min/Tag 4-9mmHg Alkohol 2-4mmHg Patient versichert keine extra Kochsalzzufuhr durchzuführen Überprüfung wäre mit 24h-Harnsammlung möglich (Gesamtmenge NaCl/16=g Kochsalz/24h) Größe 170cm, Gewicht 94,5kg, BMI 30,1 Bisherige Gewichtsabnahme 3kg, allerdings keinen Einfluss auf den Blutdruck bemerkt Vidt, CCJM 2003 9
Interaktionen mit anderen Substanzen 4. Schritt 4. Welche der folgenden Medikamente/Substanzen ist blutdruckneutral? a) NSAR b) Kokain c) N-Azetylcystein d) orale Kontrazeptiva e) Antidepressiva Typische Medikamente, die zu Hypertonie führen können NSAR COX 2 - Inhibitoren Orale Kontrazeptiva Antidepressiva Abschwellende Sprays Appetitzügler Kokain Anamnese des Patienten diesbezüglich bland Sekundäre Hypertonie 5. Schritt wann besteht der Verdacht? Auftreten einer arteriellen Hypertonie vor dem 30. oder nach dem 50. Lebensjahr Alter <30a ohne Familienanamnese und Normalgewicht Therapierefraktär trotz zumindest 3-fach Kombinationstherapie plötzliche Blutdruckentgleisung bei vorher stabil eingestellter Hypertonie Sekundäre Hochdruckursachen Renovaskuläre Hypertonie (NAST) Endokrine Ursachen Phäochromozytom und chromaffine Tumore Primärer Aldosteronismus Cushing Syndrom Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus Schlafapnoe Coarctatio aortae Pica-Loop-Syndrom 10
Definition renovaskuläre Hypertonie Naives Ziel es handelt sich um eine hämodynamisch signifikante Stenose einer oder beider Nierenarterien, die zur Blutdruckerhöhung führt (Goldblattmechanismus) derzeitig einziger Beweis für das Vorhandensein einer renovaskulären Ursache der Hypertonie liegt in der Beseitigung der signifikanten Stenose mit darauf einsetzender Normalisierung/Reduktion des Blutdruckes durch Beseitigung der NAST normalisiert sich der Blutdruck Erhalt der Nierenfunktion Begriffsklärung Renovaskuläre Hypertonie hämodynamisch wirksame NAST mit Hypertonie Nierenarterienstenose hämodynamisch nicht wirksame Einengung der Nierenarterie ohne begleitende Hypertonie Nierenarterienstenose + essentielle Hypertonie hämodynamisch nicht wirksame Einengung der Nierenarterie mit begleitender essentieller Hypertonie Renovaskuläre Hypertonie + essentielle Hypertonie hämodynamisch wirksame NAST mit begleitender essentieller Hypertonie Intervention PTA RR-Normalisierung kein Effekt auf RR kein Effekt auf RR RR wird besser 5. Welches der angeführten bildgebenden Verfahren stellt den Goldstandard zum Nachweis der renovaskulären Hypertonie dar? a) CT-Angiographie b) MR-Angiographie c) Captopril-Szintigraphie d) Intraarterielle Angiographie e) Sonographie der Nierenarterien 11
Renovaskuläre Hypertonie Sekundäre Hypertonie Algorithmus Klinik, die auf NAST hinweist Kommentar anhand des Falls 5. Schritt Vorhanden Nicht-invasive Evaluierung (Duplex, MR, CT) NAST Isotopennephrogramm Unilaterale NAST+ asymmetr. Perfusion Keine NAST Abwesend Klinisch beobachten Risikofaktoren behandeln Klinisch beobachten Risikofaktoren behandeln Unilaterale NAST+ symmetr. Perfusion Klinisch beobachten Risikofaktoren behandeln PTA Bilaterale NAST Safian, N Engl J Med 2001 Patient war Nichtraucher Keine abdominellen Strömungsgeräusche, keine KHK oder pavk CT-Angiographie der Nierenarterien unauffällig Metanephrin im Harn negativ, supprimiertes Renin, und Aldosteron im oberen Normalbereich Keine klinischen Symptome bzgl. Schlafstörung oder Katecholaminexzess Pharmakologische Therapie 6. Schritt Überweisung an einen Hypertoniespezialisten 7. Schritt-Spironolacton-letzte Studie! Therapierefraktäre Hypertonie >3-fach Kombination mit Chlorthalidon, Calciumkanalblocker (Amlodipin 10mg) und Angiotensinrezeptorblocker Versuch mit Spironolacton 25-50mg 12
Spironolacton Seloken red. Amlodipin red- 12.06.2013 Spironolacton Hypertoniespezialist ASCOT-Trial 7. Schritt-Spironolacton Patienten hatten definitionsgemäß eine therapierefraktäre Hypertonie n=1411 Chapman, Hypertension 2007 n=76 Segura, J Am Soc Hypertens 2011 Verlauf des Blutdruckes Kommentar anhand des Falls 7. Schritt Wie geht antihypertensive Therapie? Zusammenfasssung Renin <55 Jahre 55 Jahre oder Afroamerikaner Renin Step 1 ACEI/ARB*/ (Aliskiren)* CCB Step 2 ACEI/ARB*/(Aliskiren)* + CCB Step 3 ACEI/ARB*/(Aliskiren) + CCB + Thiaziddiuretikum A+C+D+ evtl. Weiteres Diuretikum (z.b. Spirono); Step 4 Überweisung Spezialist. http://guidance.nice.org.uk/cg *bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit 127/NICEGuidance 13
Seven Steps to Heaven American Heart Association Effekte einer antihypertensiven Therapie an der Universitätsklinik Graz Überblick über die sieben Schritte der Evaluierung bei therapieresistenter Hypertonie in einem Ordinationssetting Townsend, Clin J Am Soc Nephrol 2011 14