Deutscher Bundestag Drucksache 17/1217 17. Wahlperiode 24. 03. 2010 Gesetzentwurf des Bundesrates Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien ( StrÄndG) A. Problem und Ziel DieVerstümmelungweiblicherGenitalienisteineschwerwiegendeGrundrechtsverletzunganMädchenundFrauen.Seit1995giltsieauchinternational alsmenschenrechtsverletzung.davonbetroffensindüberwiegendfrauenin Afrika,woineinzelnenLändernbiszu90ProzentderFrauenbeschnittensind, aberauchineinzelnenländernasiensundlateinamerikas.indeutschlandsind nachschätzungenvonnichtregierungsorganisationenca.20000frauenvon Genitalverstümmelungbetroffen.Ungefähr4000MädchenundFrauenmit Migrationshintergrundsindalsgefährdetanzusehen,dieserPraxis,beispielsweisebeieinemFerienaufenthaltimHerkunftslandderFamilie,unterworfenzu werden. DerStaatistverpflichtet,diegefährdetenMädchenundFrauenvordiesem schwerwiegendeneingriffindasrechtaufkörperlicheunversehrtheitzuschützen.nebenaußerstrafrechtlichenmaßnahmenundhilfengehörtdazueineeindeutige,unmissverständlicheundinihrerhöhederschweredertatentsprechendestrafandrohung,dienichtnurdiegrundlagefüreinewirksame Strafverfolgungschafft,sondernauchentscheidenddazubeiträgt,dasnotwendigeBewusstseindafürzuschärfen,dassessichbeiderVerstümmelungder weiblichengenitalienumeineschwerwiegendemenschenrechtsverletzung handelt, die keinesfalls toleriert werden kann. DasdeutscheStrafrechtgiltgrundsätzlichnurfürimInlandbegangeneTaten ( 3desStrafgesetzbuchs StGB).HierlebendeMädchenmüssenaberauchvor demrisikogeschütztwerden,imauslandopfereinergenitalverstümmelung zuwerden,beispielsweisebeieinemferienaufenthaltimherkunftsland.deshalbistesgeboten,denstrafrechtlichenschutzaufauslandstatenauszudehnen, wenndasopferzurzeitdertatseinenwohnsitzoderseinengewöhnlichenaufenthalt im Inland hat. DieStrafverfolgungkommtvielfacherstdurcheineStrafanzeigedesOpfersin Gang.DaregelmäßigMitgliederderFamiliedesOpfersfürdieTatmitverantwortlichsind,könnensichdieminderjährigenOpferinvielenFällenerstim ErwachsenenalterzueinerStrafanzeigeentschließen,wennsiesichausder Familiegelösthaben.DiewirksameDurchsetzungdesStrafanspruchsgebietet es,dafürsorgezutragen,dassdietatendannnochnichtverjährtsind,sondern verfolgt werden können.
Drucksache 17/1217 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode B. Lösung DieVerstümmelungderäußerenGenitalieneinerFraudurchBeschneidungoder inandererweisewirdineinemeigenenstraftatbestand 226aStGB-E geregelt.dadurchwirdjederzweifelüberdiestrafrechtlicheeinordnungdertat alsschwerwiegenderverstoßgegendasrechtaufkörperlicheunversehrtheit desopfersbeseitigtundeineindeutigessignalgesetzt,dassderstaatsolche Menschenrechtsverletzungenkeinesfallstoleriert,sondernenergischbekämpft. AuslandstatenwerdenindieStrafbarkeiteinbezogen,wenndasOpferzurZeit dertatseinenwohnsitzodergewöhnlichenaufenthaltiminlandhat.das RuhenderVerjährungbiszurVollendungdes18.LebensjahresdesOpferswird angeordnet. C. Alternativen DenkbarwäredieAufnahmeeinerausdrücklichenRegelungzurBeschneidung weiblichergenitalienin 226Absatz1StGB (schwerekörperverletzung),wie siebeispielsweiseindementwurfeinesgesetzeszuränderungdesstrafgesetzbuchs StrafbarkeitderGenitalverstümmelung (Bundestagsdrucksache 16/12910)vorgeschlagenwird.AllerdingswürdedieseEinordnungnichtzur DeliktsstrukturdeserfolgsqualifiziertenDeliktspassen,dasfürdievorsätzliche KörperverletzungeinehöhereStrafevorsieht,wenndadurcheineschwereFolge fahrlässigverursachtwird.diegenitalverstümmelungisteinetat,dieaufdie vorsätzlicheherbeiführungderschwerenkörperlichenfolgeabzielt.regelmäßigwürde 226Absatz2StGBmiteinerMindeststrafandrohungvondrei JahrenFreiheitsstrafeeingreifen,weildieschwereFolgeabsichtlichoder wissentlichherbeigeführtwurde.bereitsdieverhängungdermindeststrafe würdebeiausländerndazuführen,dasssiezwingendauszuweisensind ( 53 Nummer1desAufenthaltsgesetzes).DaswürdeinvielenFällenauchdietatbeteiligtenElterndesOpferstreffen,waseinerAnzeigedurchdasOpferentgegenstehen könnte. D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand Keine Vollzugsaufwand DieentsprechendenTatensindganzüberwiegendbereitsnachgeltendemRecht strafbar.soweitdurchdasgesetzdennochingeringemumfangzusätzlicher Aufwandentsteht,seiesdurchdieVerfolgungbishernichterfassterAuslandstaten,seieswegenderdurchlängereInhaftierungverursachtenerhöhtenVollzugskosten,sinddieseimInteresseverbessertenRechtsgüterschutzeszutragen. E. Sonstige Kosten EssindwederzusätzlicheKostenfürdieWirtschaftnochAuswirkungenaufdas Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/1217
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/1217 Anlage 1 Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien ( StrÄndG) Vom Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Strafgesetzbuchs DasStrafgesetzbuchinderFassungderBekanntmachung vom13.november1998 (BGBl.IS.3322),daszuletzt durch geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1.InderInhaltsübersichtwirdnachderAngabe 226 SchwereKörperverletzung dieangabe 226aGenitalverstümmelung eingefügt. 2.Nach 5Nummer8wirdfolgendeNummer8aeingefügt: 8a.Genitalverstümmelung ( 226a),wenndieTatsich gegeneinepersonrichtet,diezurzeitdertatihren WohnsitzodergewöhnlichenAufenthaltimInland hat;. 3.In 78bAbsatz1Nummer1wirddieAngabe und225 durch die Angabe, 225 und 226a ersetzt. 4. Nach 226 wird folgender 226a eingefügt: 226a Genitalverstümmelung (1)WerdieäußerenGenitalieneinerFraudurchBeschneidungoderinandererWeiseverstümmelt,wirdmit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. (2)InminderschwerenFällenistaufFreiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. 5.In 227Absatz1wirddieAngabe ( 223bis226) durch die Angabe ( 223 bis 226a) ersetzt. Artikel 2 Änderung der Strafprozessordnung DieStrafprozessordnunginderFassungderBekanntmachungvom7.April1987 (BGBl.IS.1074,1319),diezuletzt durch geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1.In 395Absatz1Nummer3wirddieAngabe 226 durch die Angabe 226a ersetzt. 2. 397a Absatz 1 wird wie folgt geändert: a)innummer3wirdnachderangabe 226, dieangabe 226a, eingefügt. b)innummer4wirddieangabe 225,226 durchdie Angabe 225 bis 226a ersetzt. Artikel 3 Inkrafttreten DiesesGesetztrittamTagnachderVerkündunginKraft.
Drucksache 17/1217 6 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Begründung A. Allgemeines DieweiblicheGenitalverstümmelungoder-beschneidung diebegriffewerdenhiersynonymverwendet,ohnezudem Streitumdie richtige BezeichnungStellungzunehmen meintdiebeschneidungoderanderekörperlicheeingriffean denäußerenweiblichengenitalien,dieinverschiedenen Kulturen,insbesondereinAfrikasowieineinigenLändern AsiensundLateinamerikas,bisheuteangewendetwerden. InternationalwerdendieseHandlungenals FemaleGenital Mutilation (FGM) oder FemaleGenitalCutting (FGC) bezeichnet;gelegentlichwirddiekompromissformel FemaleGenitalMutilation/Cutting (FGM/C) verwendet. NacheinervonderWeltgesundheitsorganisation (WHO) verwendetentypisierungwerdenfolgendeerscheinungsformen unterschieden: 1.Klitoridektomie:teilweiseodervollständigeEntfernung der Klitoris und/oder der Vorhaut, 2.Exzision:teilweiseoderkompletteEntfernungderKlitorisundderinnerenSchamlippenmitoderohneBeschneidung der äußeren Schamlippen, 3.Infibulation:VerengungderVaginalöffnungdurcheinen NahtverschlussnachderteilweisenoderkomplettenEntfernung der Schamlippen und der Klitoris, 4.weitere,unterNummer1bis3nichterfassteVeränderungenandenweiblichenGenitalien,wieEinschnitte, Ätzungen oder Ausbrennen. IneinigenLändernAfrikas,beispielsweiseinÄgypten,SomaliaundGuinea,sindmehrals90ProzentderFrauenzwischen15und49Jahrenbeschnitten.InweitgeringeremUmfangkommenBeschneidungenweiblicherGenitalienauch ineinigenländernasiensundlateinamerikasvor.die WHOgehtvon100bis140MillionenbeschnittenenFrauen weltweitaus;rund3millionenmädchenlaufenjährlichgefahr,dieserprozedurunterworfenzuwerden.dieverstümmelungführtzuschwerenunmittelbarenundmittelbaren körperlichenundpsychischenschädenbeidenbetroffenen MädchenundFrauen,diebishinzurTodesfolgereichen können. DieVerstümmelungweiblicherGenitalienisteineschwerwiegendeGrundrechtsverletzunganMädchenundFrauen. Seit1995giltsieauchinternationalalsMenschenrechtsverletzung.EntsprechendeEingriffekönnendurchreligiöse, medizinischeoderanderevorstellungen,mitdenensiebegründetwerden,nichtgerechtfertigtwerden.siestellenunabhängigvondereinwilligungderbetroffenenstrafwürdigesunrechtdar;die Einwilligung odergarveranlassung durchdiesorgeberechtigtenisteinschwerwiegendermissbrauch des Sorgerechts. InDeutschlandsindnachSchätzungenvonNichtregierungsorganisationenca.20000FrauenvonGenitalverstümmelungbetroffen.Ungefähr4000MädchenundFrauenmit Migrationshintergrundsindalsgefährdetanzusehen,Opfer einerverstümmelungzuwerden,beispielsweisebeieinem Ferienaufenthalt im Herkunftsland der Familie. DerStaatistverpflichtet,diegefährdetenMädchenund FrauenvordiesemschwerwiegendenEingriffindasRecht aufkörperlicheunversehrtheitzuschützen.nebenaußerstrafrechtlichenmaßnahmenundhilfengehörtdazueine eindeutige,unmissverständlicheundinihrerhöheder SchwerederTatentsprechendeStrafandrohung,dienicht nurdiegrundlagefüreinewirksamestrafverfolgung schafft,sondernauchentscheidenddazubeiträgt,dasinsbesonderebeimigrantenausländernmitentsprechender PraxisnochnichtdurchgängigausgeprägteBewusstseindafürzuschaffenoderzuschärfen,dassessichbeiderVerstümmelungderweiblichenGenitalienumeineschwerwiegende,strafwürdigeMenschenrechtsverletzunghandelt,die keinesfalls toleriert werden kann. DasgeltendeRechtträgtdemnichtausreichendRechnung. ZwarsindsolcheTatenalsKörperverletzung ( 223StGB), meistauchalsgefährlichekörperverletzung ( 224StGB) anzusehen.dieeinstufungalsmisshandlungvonschutzbefohlenen ( 225StGB)istdagegenvondenUmständendes Einzelfallsabhängig;eineschwereKörperverletzung ( 226 StGB)wirdnurseltenvorliegen,wenndurchdieTatdie Fortpflanzungsfähigkeitvollständigverlorengeht.Diese UnklarheitengiltesdurcheineeindeutigestrafrechtlicheRegelungzubeseitigen.Dazudientderneueinzuführenden Straftatbestand des 226a StGB Genitalverstümmelung. DieStrafnormkannihreWirkungnurdannrichtigentfalten, wennentsprechendetatenzurkenntnisderstrafverfolgungsbehördengelangen.hinweisederopfersindamehestengeeignet,diestrafverfolgungingangzusetzen.dadie TatenvielfachvondenElternveranlasstoderunterstütztan jungenmädchenbegangenewerden,diedavorzurückscheuen,dietatenanzuzeigensolangesieminderjährigundinden Familienverbundeingegliedertsind,bestehtdieGefahr,dass Tatenverjährtsind,bevorsievondeninzwischenerwachsenenOpfernangezeigtwerden.DieseMöglichkeitbesteht insbesonderedann,wenndietatanerstwenigemonate altenmädchenbegangenwird.auchwenndasverjährungsrisikobeidemneuenstraftatbestandmitderstrafandrohung vonimhöchstmaß15jahren,daszueinerverjährungsfrist von20jahrenführt ( 78Absatz3Nummer2StGB),gering ist,istdieverjährungbiszurvollendungdes18.lebensjahres aufzuschieben. DasdeutscheStrafrechtistgrundsätzlichnuraufimInland begangenetatenanwendbar ( 3StGB).UmdenSchutzvon hierlebendenmädchenvordergefahrzuerhöhen,opfer einersogenanntenferienbeschneidungimherkunftsland derfamiliezuwerden,istesgeboten,diestrafnormauf Auslandstatenauszudehnen,wenndasOpferzurZeitderTat seinenwohnsitzoderseinengewöhnlichenaufenthaltim Inland hat. Dazu dient die Änderung des 5 StGB. ImStrafprozessrechtsindalsFolgederEinführungdes 226aStGB-EdieVorschriftenüberdieBerechtigungzur Nebenklage ( 395derStrafprozessordnung StPO)undzur BestellungeinesRechtsbeistands ( 397aStPO)anzupassen. DagegenbedarfesfürdieHaftgründekeinerRechtsanpassung.EineErweiterungdes 112Absatz3StPOistnichtgeboten;insoweitreichendieMöglichkeitenzurAnordnung
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 7 Drucksache 17/1217 vonuntersuchungshaftbeiflucht-oderverdunkelungsgefahraus. 112aAbsatz1Satz1Nummer2StPOumfasst 226aStGB-Eundstelltsomitsicher,dassbeiWiederholungsgefahr Untersuchungshaft angeordnet werden kann. B. Zu den einzelnen Vorschriften Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs) Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht) EshandeltsichumeineFolgeänderunginfolgederEinfügung der neuen Strafnorm. Zu Nummer 2 ( 5 Nummer 8a) DasdeutscheStrafrechtgiltgrundsätzlichfürimInlandbegangeneStraftaten ( 3StGB).HierlebendeTöchtervon MigrantenfamilienlaufenallerdingsGefahr,OpfereinersogenanntenFerienbeschneidunganlässlicheinesvorübergehendenAufenthaltsimHerkunftslandderFamiliezuwerden.AuchwennsichgegebenenfallsAnknüpfungspunkte findenlassen,umhierhandelndetatbeteiligte,beispielsweisediedietatveranlassendenoderjedenfallsnichtverhinderndeneltern,zurverantwortungzuziehen,istesgeboten, durcheineeindeutigegesetzlicheregelungzubestimmen, dassdasdeutschestrafrechtauchfürauslandstatengilt.ein hinreichendgewichtigeranknüpfungspunktfürdiestrafverfolgungnachdeutschemstrafrechtbestehtallerdingsnur, wenndasopferzurzeitdertatseinenwohnsitzoderseinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Zu Nummer 3 ( 78b Absatz 1 Nummer 1) DieStrafandrohungdes 226aAbsatz1StGB-Esiehtkeine ObergrenzederFreiheitsstrafevor,sodassdiesebiszu 15Jahrenreichenkann ( 38Absatz2StGB).Damitbeträgt dieverjährungsfrist,auchfürdenminderschwerenfall nach 226aAbsatz2StGB-E,20Jahre ( 78Absatz3 Nummer2,Absatz4StGB).DieTatverjährtdeshalbinjedemFallerstdann,wenndasOpfervolljährigist,selbst wennesimaltervonwenigenmonatenopferdergenitalverstümmelungwurde.dennochbestehteinbedürfnisfür dasruhenderverjährungbiszurvollendungdes18.lebensjahrsdesopfers.entschließtsichdasopferzuranzeigeerstnachdemessichimjungenerwachsenenaltervon derfamiliegelösthat,könnteansonstenderfalleintreten, dassdietatzwarnochalsgefährlichekörperverletzung ( 224StGB)oderalsMisshandlungvonSchutzbefohlenen ( 225StGB)verfolgtwerdenkönnte,weilinsoweitdurch daszweiteopferrechtsreformgesetzdasruhenderverjährungeingeführtwurde,nichtabernachdemschwererenund aufentsprechendetatenzugeschnittenentatbestanddes 226a StGB-E. Dies gilt es zu vermeiden. Zu Nummer 4 ( 226a) Zu Absatz 1 DieRegelungunterwirftdieVerstümmelungweiblicherGenitalieneinereigenständigenStrafnorm.Tatbestandliche HandlungistdieVerstümmelungderäußerenGenitalien einerfrau.davonerfasstwerdensollenerscheinungsformenderbeschneidungvonfrauen,dievonderobeninder allgemeinenbegründungwiedergegebenentypisierungumschriebensind.derstraftatbestandverstehtuntereinerfrau eineweiblichepersonjedenalters.auchwennimallgemeinensprachgebrauchmiteinerfrauvornehmlicheine erwachsenepersongemeintist,istmiteinemfehlverständnisnichtzurechnen.bereitsderfrüherestraftatbestandder Vergewaltigung ( 177StGBa.F.)inderbis1997geltenden FassungbezeichnetedasOpferderTatalsFrau,wobeiunstreitigwar,dassdamitjedeweiblichePersongemeintist, unabhängig von Volljährigkeit oder Geschlechtsreife. DieBestimmungbeschränktsichaufEingriffeandenäußerenGenitalien.DamitsollenvorallemmedizinischeEingriffeandeninnerenGenitalien,insbesonderesolche,dieEierstöcke,EileiterundGebärmutterbetreffen,vonvorneherein ausdemanwendungsbereichausgeschiedenwerden.darauf bezogenehandlungensindnichtgegenstandkulturellbedingterbeschneidungenvonfrauen.imübrigenunterfallen dieseeingriffehäufig 226Absatz1Nummer1,Absatz2 StGB,weilsiedieFortpflanzungsfähigkeitderFrauaufheben. AbgestelltwirdaufdasVerstümmelnderGenitalien.DadurchkommtzumAusdruck,dassessichumnegativeVeränderungenandenGenitalienhandelt.Damitsollenrein kosmetischmotivierteeingriffe,wieintimpiercingoderdie nachpresseberichteninneuererzeitzunehmendeerscheinungder Schönheitsoperationen imgenitalbereichvom Anwendungsbereich der Strafnorm ausgenommen bleiben. InwelcherWeisedieGenitalverstümmelungherbeigeführt wird,istfürdieerfüllungdestatbestandesgleichgültig.die häufigsteformderverstümmelungdurchbeschneidungist durchausdrücklichenennungimtatbestandbesondershervorgehoben,ohnedassdamiteineeinschränkunghinsichtlichderinsonstigerweiseherbeigeführtenverstümmelung verbundenwäre.eineverharmlosung,wiesiegelegentlich derverwendungdesbegriffsderbeschneidungunterstellt wird,weilsieassoziationenmitderbeschneidungvonknaben wecke, ist damit keinesfalls verbunden. DieNormistalsVerbrechenstatbestandausgestaltet.Die Strafandrohung,dievonzweibiszu15JahrenFreiheitsstrafereicht,trägtdemschwerwiegendenUnrechtRechnung,dassmitderVerstümmelungweiblicherGenitalien verbundenist.diestrafhöheistdamitzwischendergefährlichenkörperverletzung ( 224StGB)undderMisshandlungvonSchutzbefohlenen ( 225StGB)miteinerStrafandrohungvonjeweilssechsMonatenbiszuzehnJahren FreiheitsstrafesowiederwissentlichoderabsichtlichherbeigeführtenschwerenKörperverletzungnach 226Absatz2 StGBmiteinerStrafandrohungvondreibiszu15Jahren Freiheitsstrafe angesiedelt. DieneueStrafnormistgegenüberdemGrundtatbestanddes 223StGBspezieller.MitanderenKörperverletzungsdelikten,insbesondereden 224und225StGB,kannTateinheit bestehen.anlasszueinergesetzlichenregelungdeskonkurrenzverhältnisses besteht nicht. DasösterreichischeStrafrechtenthälteinespezielleRegelungzur (Un-)WirksamkeitderEinwilligung. 90Absatz3 desösterreichischenstrafgesetzbuchslautet: IneineVerstümmelungodersonstigeVerletzungderGenitalien,diegeeignetist,einenachhaltigeBeeinträchtigungdessexuellen Empfindensherbeizuführen,kannnichteingewilligtwerden. Eswirddavonabgesehen,eineentsprechendeRege-
Drucksache 17/1217 8 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode lungindasdeutschestrafrechteinzufügen.dieunwirksamkeiteinersolcheneinwilligungergibtsichbereitsaus 228 StGB,weildieTattrotzderEinwilligunggegendieguten Sittenverstößt.UnterwelchenVoraussetzungenmitrechtfertigenderWirkunginEingriffeandenäußerenGenitalien einerfraueingewilligtwerdenkann,dienichtmiteiner nachhaltigenbeeinträchtigungdersexuellenempfindungsfähigkeitverbundensind,beispielsweiseintimpiercingoder ästhetischmotivierteumgestaltungendurch Schönheitsoperationen,bedarfkeinergenerellengesetzlichenFestlegung,sondernkannweiterhinderRechtsprechungdurch sachgerechteauslegungdes 228StGBüberlassenbleiben. Zu Absatz 2 FürminderschwereFällewirdeineFreiheitsstrafevonsechs MonatenbiszufünfJahrenangedroht.DaruntersollenTaten fallen,dieunterberücksichtigungvontatausführungund TatfolgenvomDurchschnittsfallsostarkabweichen,dass einemilderebestrafunggebotenist.denkbaristdiesbeispielsweiseinfällen,indenendietatfolgennichtwesentlichüberdasergebnisderobengenanntenkosmetischen Eingriffe hinausreichen. Zu Nummer 5 ( 227 Absatz 1) EshandeltsichumeineFolgeänderunginfolgederEinfügung der neuen Strafnorm des 226a. Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung) Zu Nummer 1 ( 395 Absatz 1 Nummer 3) DerneueStraftatbestandderGenitalverstümmelungsoll, wiedieanderenvorsätzlichenkörperverletzungsdelikte,zur Nebenklage berechtigen. Zu Nummer 2 ( 397a Absatz 1 Nummer 3 und 4) DurchdieEinfügungdesneuen 226aStGBin 397a Absatz1Nummer3und4StPOwirdgewährleistet,dass demopferdertatimerforderlichenumfangeinrechtsanwaltalsbeistandbestelltwird,auchschonimvorbereitenden Verfahren ( 406g Absatz 3 StPO). Zu Artikel 3 (Inkrafttreten) Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 9 Drucksache 17/1217 Stellungnahme der Bundesregierung Anlage 2 DieBundesregierungnimmtzudemGesetzentwurfdes Bundesrates wie folgt Stellung: DerEntwurfdesBundesratessiehtmit 226aStGB-Eeinen neueneigenenstraftatbestandder Genitalverstümmelung vor.hiernachsollmitfreiheitsstrafenichtunterzweijahren bestraftwerden, werdieäußerengenitalieneinerfrau durchbeschneidungoderinandererweiseverstümmelt (Absatz1).InminderschwerenFällensollaufFreiheitsstrafevonsechsMonatenbiszufünfJahrenerkanntwerden (Absatz 2). WeiterhinistindemEntwurfeineErweiterungdes 5StGB vorgesehen,umdiegeltungdesdeutschenstrafrechtsfür sogenannte Ferienbeschneidungen anlässlicheinesvorübergehendenaufenthaltsimherkunftslandderfamiliezu erreichen.durcheineergänzungdes 78bAbsatz1Nummer1StGBsollbeiTatennach 226aStGB-EdasRuhen derverjährungbiszurvollendungdes18.lebensjahresdes Opfers sichergestellt werden. DieBundesregierungteiltdieEinschätzungdesBundesrates,dassessichbeiderVerstümmelungweiblicherGenitalienumeineschwerwiegendeGrund-undMenschenrechtsverletzunghandelt.WiediesemvielschichtigenProblemam bestenzubegegnenistundobesdazuüberdasam1.oktober2009inkraftgetretene2.opferrechtsreformgesetz (BGBl.IS.2280)hinausweiterergesetzgeberischerMaßnahmenbedarf,wirdderzeitauchinnerhalbderBundesregierungerörtert.DurchArtikel6diesesGesetzeswurde derkatalogdes 78bAbsatz1Nummer1StGBunteranderemumdieVorschriftdes 225StGBerweitertunddamit dasruhenderverjährungbiszurvollendungdes18.lebensjahresdesopfersauchinfällendergenitalverstümmelung sichergestellt. DieBeratungeninnerhalbderBundesregierungsindnoch nichtabgeschlossen.vordiesemhintergrundsiehtdiebundesregierungvoneinerdetailliertenbewertungandieser StelleabundwirddieweiterenparlamentarischenErörterungen konstruktiv begleiten.
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