Schlussbericht der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle. die Kollision des Zugs 3138 der Waldenburgerbahn mit einem Auto

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1 Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST Service d enquête suisse sur les accidents SESA Servizio d inchiesta svizzero sugli infortuni SISI Swiss Accident Investigation Board SAIB Bereich Bahnen und Schiffe Schlussbericht der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle SUST über vom in die Kollision des Zugs 3138 der Waldenburgerbahn mit einem Auto Donnerstag, 26. September 2013 Niederdorf (BL) Reg.-Nr.: Monbijoustrasse 51A, 3003 Bern Tel , Fax info@sust.admin.ch

2 Allgemeine Hinweise zu diesem Bericht Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Gemäss Artikel 15 des Eisenbahngesetzes (EBG, SR ) sind Schuld und Haftung nicht Gegenstand der Untersuchung. Es ist daher auch nicht Zweck dieses Berichts, Schuld- und Haftungsfragen zu klären. 0 Zusammenfassung 0.1 Kurzdarstellung Am Donnerstag, 26. September 2013, um 11:24 Uhr kollidierte der Richtung Waldenburg fahrende Zug 3138 der Waldenburgerbahn (WB) zwischen Hirschlang und Niederdorf auf dem mit einer Blinklichtanlage gesicherten Bahnübergang Bennwilerstrasse mit einem Auto. Die Lenkerin des Personenautos erlitt dabei schwere Verletzungen. Am Rollmaterial der WB entstand Sachschaden. Das Auto erlitt Totalschaden. Bei dem Zug 3138 der WB handelte es sich um einen regelmässig verkehrenden, im offiziellen Kursbuch aufgeführten Reisezug von Liestal nach Waldenburg. 0.2 Untersuchung Die Meldung traf um 12:07 Uhr ein. Die Untersuchung wurde am gleichen Tag durch die Unfalluntersuchungsstelle SUST in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei Basel-Landschaft eröffnet. 0.3 Ursache Die Kollision zwischen dem Zug 3138 und dem Auto ist darauf zurückzuführen, dass das Auto in die Hauptstrasse einbiegen wollte und wegen des dortigen Verkehrs auf dem Bahnübergang warten musste. Zum Unfall hat beigetragen, dass für die Autofahrerin eine ungehinderte Sicht auf den Verkehr auf der Hauptstrasse erst auf dem Bahnübergang möglich war; die Autofahrerin weder das Blinklichtsignal noch das akustische Signal der Bahnübergangssicherungsanlage beachtet hat. 0.4 Sicherheitsempfehlungen Keine. Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 2/14

3 1 Festgestellte Tatsachen 1.1 Vorgeschichte Der Zug 3138 der WB verliess den Bahnhof Liestal pünktlich um 11:06 Uhr. Vor der Zugsabfahrt führte der Lokführer eine vereinfachte Bremsprobe (Manometerbremsprobe) und nach der Abfahrt in Liestal eine Bremsprobe auf Wirkung durch. Die Bremsproben gaben zu keinen Bemerkungen Anlass. Die Fahrt bis zum Bahnhof Hirschlang verlief ohne besondere Vorkommnisse. Abbildung 1: Ereignisstelle beim Bahnübergang Bennwilerstrasse (Quelle: Google) Gelber Pfeil = Fahrrichtung Zug 3138 WB. Blauer Pfeil = Fahrrichtung Auto. 1.2 Ablauf des Ereignisses Der Zug 3138 WB fuhr um 11:24 Uhr in Hirschlang ab. Nach der Ausfahrweiche wird via Magnetkontakt das Blinklichtsignal des Bahnübergangs Bennwilerstrasse angesteuert. Das Kontrolllicht am Mast 254 signalisierte dem Lokführer, dass das Blinklichtsignal eingeschaltet war und einwandfrei funktionierte. Als er nach der Linkskurve das Auto auf dem Bahnübergang Bennwilerstrasse erkannte, gab er ein Achtungssignal ab und leitete eine halbe Sekunde später eine Schnellbremsung ein. Er konnte die Kollision mit dem Auto nicht verhindern. Der Zug 3138 schob das Auto etwa 60 m Richtung Waldenburg. Der Zug kam bei Bahn-km zum Stillstand. Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 3/14

4 Der Lokführer sagte vor der Kantonspolizei aus, dass er nach der Linkskurve plötzlich das Auto auf dem Bahnübergang gesehen habe. Er habe ein Achtungssignal abgegeben und danach eine Schnellbremsung eingeleitet, die Kollision aber nicht verhindern können. Die Lenkerin des Autos wurde durch die Kollision schwer verletzt. Das Auto erlitt Totalschaden. Am Triebwagen der WB entstand Sachschaden. Abbildung 2: Foto der Endlage der Fahrzeuge nach der Kollision (Quelle: SUST). 1.3 Personenschäden Bahnpersonal Reisende Drittpersonen Schwer verletzt: Sachschaden an der Infrastruktur An den Infrastrukturanlagen der WB (Oberbau) entstand ein Schaden in der Höhe von rund Fr Sachschäden am Rollmaterial Beim Triebwagen BDe 4/4 Nr. 16 wurden die Frontpartie Seite Waldenburg sowie die Zentralkupplung beschädigt. Schadenhöhe rund Fr Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 4/14

5 Abbildung 3: Foto der Schäden am Triebwagen BDe 4/4 Nr. 16 (Quelle: SUST). 1.6 Sachschäden Dritter Das Auto (Citroen C3) erlitt durch die Kollision Totalschaden. Abbildung 4: Foto des beschädigten Autos (Quelle: SUST). Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 5/14

6 1.7 Ökologische Schäden An der Umwelt entstanden keine Schäden. 1.8 Feuer Es trat kein Feuer auf. 1.9 Beteiligte Personen Bahnpersonal Beim Mitarbeiter der Verkehrsunternehmung sind keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bedingungen festgestellt worden Lokführer WB Jahrgang 1972, BAV-Ausweis vorhanden Reisende Im Zug 3138 befanden sich etwa 50 Reisende Drittpersonen Automobilistin Jahrgang Medizinische Feststellungen Es gibt keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen beim Lokführer, welche das Unfallgeschehen hätten beeinflussen können. Der Alkoholtest des Lokführers war negativ (0,00 ) Überlebensaspekte Da sich die Lenkerin des Autos auf der linken Seite (Fahrerseite) befand, der Zug 3138 aber mit der rechten Seite des Autos kollidierte, überlebte die Fahrerin die Kollision Schienenfahrzeuge Eigentümerin: Waldenburgerbahn AG, Hauptstrasse 12, 4437 Waldenburg. Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 6/14

7 Zugsformation (Spitze Schluss): BDe 4/4 Nr. 16, Steuerwagen 2. Klasse Bt Nr. 116 Steuerwagen Bt 118. Zuggewicht (brutto) 77 t, Bremsgewicht 75 t. Zugslänge 54,6 m. Keine ausgeschalteten Bremsapparate Feststellung an den Schienenfahrzeugen Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge ergab keine Hinweise auf zuvor bestandene Schäden Strassenfahrzeuge Automarke Citroen C3, Farbe blau. Amtliches Kennzeichen des Kantons Basel Landschaft Wetter, Schienenzustand Leicht bewölkt, Sicht gut. Temperatur: +21 C. Schienen trocken Bahnanlagen und Sicherungssysteme Bahnanlagen Zwischen den Bahnhöfen Hirschlang und Niederdorf verläuft das einspurige Streckengleis parallel zur Hauptstrasse. Auf der andern Seite des Bahntrassees befindet sich der Dorfbach Vordere Frenke. Die Fahrleitungsmasten der 1500 V Gleichstromfahrleitung befinden sich in Fahrtrichtung gesehen links des Gleises. Die Steigung des Gleises beträgt gemäss Gleisdiagramm 9. Die Gleise der WB weisen eine Spurweite von 75 cm auf. Abbildung 5: Foto der Sicht des Lokführers auf den Bahnübergang (Quelle: SUST). Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 7/14

8 Sicherungssysteme Infrastruktur Die Strecke ist mit einem Streckenblock ausgerüstet. Die Blinklichter des Bahnübergangs Bennwilerstrasse werden über das Magnetrelais M1 nach Ausfahrt Bahnhof Hirschlang angesteuert. Das einwandfreie Funktionieren der Blinklichtanlage wird der Lokführerin oder dem Lokführer durch das Kontrolllicht (Foto 6) bei Mast 254 angezeigt. Die Funktion wird in der Steuerung der Anlage überwacht. Beim Ausfall einer oder mehrerer Lampen wird das Kontrolllicht nicht eingeschaltet. Die Anlage ist nicht mit einer Zugsicherung ausgerüstet. Die Anlage wurde nach der Bergung der am Ereignis beteiligten Fahrzeuge durch die SUST im Beisein von Mitarbeitenden der WB und der Kantonspolizei überprüft. Sie funktionierte beim Verkehren der ersten Züge nach Beendigung der Bergungsarbeiten einwandfrei (Bahnübergang siehe Foto 5). Abbildung 6: Foto der Sicht auf den Bahnübergang Bennwilerstrasse (Quelle: SUST). Abbildung 7: Foto des Kontrolllicht am Mast 254 (Quelle: SUST). Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 8/14

9 Sicherungssysteme Fahrzeuge Der Triebwagen ist mit dem Zugsbeeinflussungssystem Integra WAA 102/8 (ZST90, früher Zugstop genannt) ausgerüstet Fahrdatenschreiber Der Triebwagen BDe 4/4 Nr. 16 ist mit einer elektronischen Geschwindigkeitsmessanlage Hasler Teloc 2200 ausgerüstet. Die Fahrdaten werden elektronisch aufgezeichnet. Sie wurden durch die Verkehrsunternehmung im Beisein der SUST ausgelesen und ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Zug unmittelbar vor dem Ereignis mit einer Geschwindigkeit von 52,5 km/h gefahren war und somit die für diesen Streckenabschnitt vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h nicht überschritten hatte. Der Lokführer leitete die Schnellbremsung bei einer Geschwindigkeit von 52 km/h ein, der Anhalteweg betrug 82 Meter Übermittlung Die Führerstände der Trieb- und Steuerwagen der WB sind mit dem Zugfunk der Waldenburgerbahn ausgerüstet. Die Funkgespräche werden aufgezeichnet. Sie waren für den Unfallablauf nicht relevant Verschiedenes Die strassenseitige Signalisation entspricht den Vorgaben der Signalisationsverordnung SSV (SR-741.2). Die Sicht für das Lokpersonal von Zügen in Fahrrichtung Hirschlang- Waldenburg wird im Bereich des Bahnübergans Bennwilerstrasse durch Gebüsche eingeschränkt. Autos, welche von der Bennwilerstrasse her kommend in die Hauptstrasse einbiegen wollen, müssen bis auf den Bahnübergang fahren. Erst hier ist die Sicht auf den Verkehr der Hauptstrasse möglich. Vor dem Bahnübergang Bennwilerstrasse ist eine Haltelinie vorhanden. Das Signal kein Vortritt gemäss Signalisationsverordnung (SSV, SR , Art. 36, Bild 3.02) ist unmittelbar vor der Einmündung in die Hauptstrasse angebracht (Abbildung 6). 2 Analyse 2.1 Technische Aspekte Die Bahnsicherungsanlage (Blinklichtanlage) des Bahnübergangs Bennwilerstrasse funktionierte normal. Die nachträgliche Kontrolle der Anlage durch die SUST ergab keine Hinweise auf eine Fehlfunktion. Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 9/14

10 2.2 Betriebliche Aspekte Gebüsche links vor dem Bahnübergang behindern die Sicht der Lokführerin oder des Lokführers auf Strassenfahrzeuge, welche sich von der Bennwilerstrasse her dem Bahnübergang nähern (Abbildungen 5 und 7). Als der Lokführer des Zugs 3138 die Gefahrensituation erkannte, gab er zuerst ein Achtungssignal ab und leitete danach eine Schnellbremsung ein. 2.3 Menschliche Aspekte Um den Überblick über den Verkehr auf der Hauptstrasse zu erhalten, müssen von der Bennwilerstrasse her kommende Autofahrer bis auf den Bahnübergang fahren. In dieser Position sind die Blinklichter nicht mehr erkennbar. Hörbar ist aber das akustische Signal. 2.4 Strassenseitige Aspekte Von der Bennwilerstrasse her kommende Autos müssen zuerst über die kleine Brücke (Dorfbach Vordere Frenke ) und danach auf das Bahngleis fahren, um den Überblick über die Verkehrssituation auf der Hauptstrasse zu erhalten. 3 Schlussfolgerungen 3.1 Befunde Die am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung. Der Zug 3138 überschritt die zulässige Geschwindigkeit für diesen Streckenabschnitt nicht. Der Lokführer gab beim Erkennen der Gefahrensituation ein Achtungssignal ab und leitete eine Schnellbremsung ein. Der Bahnübergang ist mit einem Blinklichtsignal (Wechselblinker) und einem akustischen Signal gesichert. Die Anlage funktionierte korrekt. Die Sicherungsanlage des Bahnübergangs entspricht den Vorschriften gemäss AB EBV und SSV. Die Gleisanlage war in einem guten Zustand. 3.2 Ursache Die Kollision zwischen dem Zug 3138 und dem Auto ist darauf zurückzuführen, dass das Auto in die Hauptstrasse einbiegen wollte und wegen des dortigen Verkehrs auf dem Bahnübergang warten musste. Zum Unfall hat beigetragen, dass für die Autofahrerin eine ungehinderte Sicht auf den Verkehr auf der Hauptstrasse erst auf dem Bahnübergang möglich war; die Autofahrerin weder das Blinklichtsignal noch das akustische Signal der Bahnübergangssicherungsanlage beachtet hat. Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 10/14

11 3.3 Risikoabschätzung Der Bahnübergang Bennwilerstrasse mündet unmittelbar in die Hauptstrasse Waldenburg Liestal. Je nach Verkehrsaufkommen ist das ungehinderte Einbiegen in die Hauptstrasse nicht möglich und es können längere Wartezeiten entstehen. Um die nötige Übersicht über den Verkehr auf der Hauptstrasse zu erlangen, müssen die Autos bis auf den Bahnübergang fahren. 4 Sicherheitsempfehlung 4.1 Sicherheitsdefizit Die strassenseitige Lage des Bahnübergangs Bennwilerstrasse in Bezug auf die Übersichtlichkeit über den Verkehr auf der Hauptstrasse birgt Gefahren. 4.2 Geplante Massnahme Die Waldenburgerbahn plant die Sanierung des Bahnübergangs (Bau von Schlagbäumen) bis Ende Das entsprechende Plangenehmigungsverfahren wird zurzeit bearbeitet und dürfte noch dieses Jahr ans Bundesamt für Verkehr (BAV) eingereicht werden. 4.3 Sicherheitsempfehlung Keine. Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST Bereich Bahnen und Schiffe Bern, 21. Januar 2014 Dieser Schlussbericht wurde von der Geschäftsleitung der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle SUST genehmigt (Art. 3 Abs.4g der Verordnung über die Organisation der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle vom 23. März 2011). Bern, 8. Juli 2014 Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 11/14

12 Anlage 1 Gleisplan Bahnübergang Bennwilerstrasse Seite Liestal Gelber Pfeil = Fahrrichtung Zug 3138 Blauer Pfeil = Fahrrichtung Auto Kontrolllicht am Mast 254 Ereignisstelle Bahnhübergang Bennwilerstrasse Seite Waldenburg Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 12/14

13 Anlage 2 Fahrdaten Zug 3138 Triebwagen BDe 4/4 Nr. 16 Kollisionspunkt Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 13/14

14 Anlage 3 Auszug aus den Schweizerischen Fahrdienstvorschriften FDV (SR ) FDV R Signale Schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST 14/14