Verband der Immobilienverwalter Hessen e.v. 13. Verwalterforum. Auslegung der Gemeinschaftsordnung Was hat der Notar damit wohl gemeint?
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1 Verband der Immobilienverwalter Hessen e.v. 13. Verwalterforum Auslegung der Gemeinschaftsordnung Was hat der Notar damit wohl gemeint? Rechtsanwalt Rüdiger Fritsch Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht 1
2 Viel Arbeit, wenig Lohn? V wird zum WEG-Verwalter bestellt. Später gibt es Streit mit Eigentümer Q Streit u.a. über folgende Vertragsbestimmung: Verwaltervertragsklausel: Der Verwalter erhält für die Mahnung zahlungssäumiger Wohnungseigentümer ein Sonderentgelt i.h.v. 7,50 EUR. Gemeinschaftsordnung (1978): Der Verwalter erhält je schriftlicher Mahnung eines säumigen Eigentümers 0,50 DM. 2
3 Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 4. Aufl. 2015, 10 Rn. 89 Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl. 2015, 26 Rn. 48 Bärmann/Merle/Becker, WEG, 13. Aufl. 2015, 26 Rn. 190 Nicht alles, was in der Gemeinschaftsordnung steht, hat auch Vereinbarungscharakter i.s.d. 10 Abs. 3 WEG. Ergibt die Auslegung, dass keine materiell-rechtliche Regelung der organschaftlichen Rechte des Verwalters bezweckt ist, gehen verwaltervertragliche Regelungen durch Beschluss vor (sog. Scheinvereinbarung bzw. beschlussoffene Vereinbarung). 3
4 Chef im Ring? Beiratsvorsitzender B bittet Verwalter V um seine Zustimmung zum Einbau eines Dachflächenfenters im Bereich seiner Dachgeschosswohnung. Die Gemeinschaftsordnung regelt: Die Durchführung baulicher Veränderungen am Gemeinschaftseigentum bedarf der Zustimmung des Verwalters. 4
5 LG München I v S 17062/08, ZMR 2009, 875 Soweit die Bestimmung der Gemeinschaftsordnung besagt, dass, soweit durch eine bauliche Maßnahme das gemeinschaftliche Eigentum berührt wird, es dazu der Zustimmung des Verwalters bedürfe, ersetzt eine solche Verwalterzustimmung nach zutreffender Meinung der Rechtslehre und nach der Rechtsprechung eine genehmigende Beschlussfassung der Eigentümerversammlung i.s.d. 22 Abs. 1 WEG ausdrücklich nicht. 5
6 Der böse Blick Eigentümer E möchte seine Wohnung an seinen Mieter Q veräußern. Die Gemeinschaftsordnung regelt, dass der Verwalter der Veräußerung des Wohnungseigentums zuzustimmen hat. Da die querulatorischen Neigungen des Mieters bekannt sind und dieser im ganzen Hause unbeliebt ist, wollen die übrigen Wohnungseigentümer den Verkauf an Q unbedingt verhindern. V soll die Zustimmung verweigern. 6
7 OLG Brandenburg v Wx 49/07, ZMR 2009, 703 OLG Düsseldorf v I-3 Wx 176/03, ZMR 2003, 956 Erteilt der zustimmungspflichtige Verwalter die Veräußerungszustimmung nicht oder verspätet, haftet er dem veräußernden Wohnungseigentümer wegen Pflichtverletzung gem. 280 BGB auf den entstandenen Schaden (z.b. Verzugsschaden oder, im Falle des Rücktritts des Erwerbers, auch Nichterfüllungsschaden). 7
8 BGH, Urt. v V ZR 166/10, ZMR 2011, 813 Der Verwalter kann sich durch Beschluss in der Wohnungseigentümer anweisen lassen, ob er der Veräußerung des Wohnungseigentums zuzustimmen hat oder nicht. In diesem Fall haben die Wohnungseigentümer zulässigerweise die Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Veräußerungszustimmung an sich gezogen. Im etwaigen Schadensersatzprozess ist dann der Verwalter nicht passiv-legitimiert. 8
9 Intakte Ehe? Die Gemeinschaftsordnung der Wohnanlage bestimmt, dass sich jeder Eigentümer nur durch seinen Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Eigentümer durch schriftliche Vollmacht vertreten lassen kann. Die Eigentumswohnung Nr. 12 steht im gemeinsamen Eigentum der Eheleute Huber. Zur Eigentümerversammlung am erscheint Frau Huber ohne Ehemann und ohne Vollmacht. 9
10 OLG Düsseldorf, Beschl. v I-3 Wx 317/04 ZMR 2006, 56 LG Köln, Urt. v S 91/12, IMR 2013, 192 LG München I, Urt. v S 1580/11, ZMR 2011, 838 Die gebotene enge Auslegung der vereinbarten Vertreterklausel als Ausnahmebestimmung ergibt, dass der Fall, dass ein Sondereigentum mehreren Eigentümern gemeinschaftlich (hier: Eheleuten) zusteht, nicht die Vertretung ein und desselben Wohnungseigentums geregelt werden sollte, sondern nur die Vertretung durch andere Beteiligte erschwert werden sollte. Im Fall der Bruchteilsgemeinschaft, insbesondere bei Eheleuten, kann der Verwalter davon ausgehen, dass diese sich gegenseitig vertreten, sofern nicht Umstände bekannt sind, die auf das Gegenteil schließen lassen. 10
11 Rechenexempel Die Wohnungseigentümergemeinschaft möchte den Eingangsbereich der Anlage ansprechender gestalten und einen Zierbrunnen errichten. Die Gemeinschaftsordnung regelt: Wertverbesserungen oder bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums können mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden. Für die Maßnahme stimmen 400 der in der Eigentümerversammlung vertretenen 550 von MEA (das Stimmrecht richtet sich nach MEA). 11
12 BGH, Urt. v V ZR 2/10, ZMR 2011, 808 BGH, Urt. v V ZR 162/10, ZMR 2011, 652 Da der Bezugspunkt der qualifizierten Mehrheit nicht konkretisiert wird, ist die Klausel vor dem Hintergrund der mit baulichen Veränderungen typischerweise einhergehenden erheblichen finanziellen Folgen nächstliegend dahin auszulegen, dass die Abänderung eine 2/3-Mehrheit aller und nicht nur der in der Versammlung anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümer erfordert. 12
13 20 Jahre ohne einen einzigen Beschluss? Eigentümer Q beantragt bei Gericht festzustellen, dass die in der Versammlung vom gegefassten Beschlüsse überhaupt nicht zustande gekommen sind, da Gemeinschaftsordnung regelt, dass für die Gültigkeit von Beschlüssen die Unterzeichnung des Protokolls durch von der Versammlung gewählte Eigentümer sowie die Eintragung in ein Beschlussbuch notwendig ist. Keine dieser Voraussetzungen wurde in den letzten 20 Jahren erfüllt. 13
14 BGH, Urt. v V ZR 178/11, ZMR 2012, 644 AG Essen-Steele, Urt. v C 14/13, ZWE 2014, 287 Das Fehlen einer vereinbarten Gültigkeitsvoraussetzung führt nicht zu einer schwebenden Unwirksamkeit des Beschlusses, da dieser wegen der fehlenden Gültigkeitsvoraussetzung nicht etwa unwirksam wäre, sondern lediglich rechtswidrig ist. Die fehlende Gültigkeitsvoraussetzung kann auch in der Berufungsinstanz nachgeholt werden. Dies gilt auch für die Nachholung der Bestimmung der unterschriftsberechtigen Eigentümer durch Beschluss. 14
15 Streitfall Terrasse Der Einheit des Eigentümers E ist das Sondernutzungsrecht an der vor seiner Wohnung im Erdgeschoss gelegenen Terrassenfläche zugeordnet. Die Terrassenkonstruktion ist altersbedingt zu Kosten i.h.v ,00 EUR zu erneuern. E möchte, dass die Eigentümerversammlung die Instandsetzung der Terrassenfläche auf Kosten der Gemeinschaft beschließt. 15
16 LG München I, Urt. v S 26400/11, ZMR 2013, 477 KG, Beschl. v W 362/08, ZMR 2009, 573 Enthält die Gemeinschaftsordnung keine besonderen Regelungen, so stellt eine Terrasse als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gem. 1 Abs. 5 WEG zwingendes Gemeinschaftseigentum dar, das auf Kosten sämtlicher Eigentümer instand zu setzen ist ( 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2; 16 Abs. 2 WEG). 16
17 Listige Eigentümer Die übrigen Eigentümer erinnern sich nun an die folgende Regelung der Gemeinschaftsordnung: Die Vereinbarungen dieser Gemeinschaftsordnung können durch Beschluss mit 2/3-Mehrheit aller Stimmrechte geändert werden. und beschließen mit der erforderlichen Mehrheit: Die Instandhaltung und Instandsetzung der Sondernutzungsrechten unterliegenden Flächen und Bauteile obliegt ab jetzt den jeweils sondernutzungsberechtigten Eigentümern alleine. 17
18 Kreative Kostenbeschlüsse BGH, Urt. v V ZR 315/13, ZMR 2015, 239 Die durch eine sog. Öffnungsklausel eingeräumte Beschlusskompetenz gestattet es nicht, einzelnen Wohnungseigentümern neue Leistungspflichten aufzuerlegen, da zum Kernbereich des Wohnungseigentums gehörende Rechte nicht betroffen werden dürfen. Zum unantastbaren Kernbereich des Wohnungseigentums gehört auch das Belastungsverbot. Der hiergegen verstoßende Beschluss über die Auferlegung neuer Leistungspflichten zu Lasten eines einzelnen Wohnungseigentümers ist indes lediglich schwebend unwirksam, d.h. er kann wirksam werden, sofern der nachteilig betroffene Eigentümer zustimmt. 18
19 Rätselraten 1 Die Fenster der Wohnung des Wohnungseigentümers W sind defekt und müssen komplett ausgetauscht werden. W möchte, dass die Eigentümerversammlung über die Instandsetzung beschließt. Beirat B macht geltend, dass es in der Gemeinschaftsordnung heißt: Jeder Sondereigentümer hat die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der im Bereich seines Sondereigentums befindlichen Fenster und Türen selbst zu tragen. 19
20 OLG Hamburg, Beschl. v Wx 103/01, ZMR 2002, 453 Durch Vereinbarung kann in Abweichung von der nachgiebigen Bestimmung des 16 Abs. 2 WEG ein abweichender Kostenverteilungsschlüssel für die Tragung der Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums durch den einzelnen Wohnungseigentümer im Innenverhältnis vereinbart werden, wodurch aber die Sachentscheidungsbefugnis hinsichtlich der Kompetenz zur Entscheidung sowie der Durchführung, als auch hinsichtlich der Kostentragung im Außenverhältnis bei der Gemeinschaft verbleibt. 20
21 Rätselraten 2 Die Fenster der Wohnung des Wohnungseigentümers W sind ersichtlich defekt und müssen komplett ausgetauscht werden. Da W aber rein gar nichts unternimmt, möchte Beirat B in der Eigentümerversammlung beschließen, dass die Gemeinschaft die Fenster auf Kosten des W austauscht. In der Gemeinschaftsordnung heißt es: Jeder Sondereigentümer hat die Instandhaltung und Instandsetzung der im Bereich seines Sondereigentums befindlichen Fenster und Türen auf eigene Kosten selbst vorzunehmen. 21
22 BGH, Urt. v V ZR 46/13, ZWE 2014, 899 Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer abweichend von 21 Abs. 5 Nr. 2, 16 Abs. 2 WEG die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung von Teilen der gemeinschaftlichen Eigentums und zur Tragung der damit verbundenen Kosten einzelnen Sondereigentümern auferlegen. 22
23 LG Hamburg, Urt. v S 133/13, ZMR 2014, 661 LG Itzehoe, Urt. v S 83/12, ZMR 2014, 240 LG München I, Urt. v S 1911/13, ZMR 2014, 399 Durch Vereinbarung kann die Verwaltungszuständigkeit so delegiert werden, dass dem einzelnen Eigentümer nicht (nur) die Kostentragung, sondern auch die Ausführungspflicht, also auch die Sachentscheidungsbefugnis hinsichtlich Instandsetzungen insgesamt übertragen wird. Damit geht die Verwaltungszuständigkeit als solche auf den einzelnen Wohnungseigentümer über. Eine Beschlusskompetenz der Gemeinschaft besteht dann nicht mehr, gleichwohl gefasste Beschlüsse sind mangels Beschlusskompetenz nichtig. A.A.: OLG Schleswig, Beschl. v W 191/05, ZMR 2006,
24 Rätselraten 3 Die Gemeinschaftsordnung enthält folgende Regelung: Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach ihrer Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Gemeinschaftsordnung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind, sind von diesem auf seine Kosten instand zu halten und instand zu setzen. Die Feuchtigkeitsabdichtung des dem Sondereigentum des E zugeordneten Balkons ist defekt und muss erneuert werden. 24
25 KG v. v W 362/08, ZMR 2009, 625 OLG Schlesw. v W 191/05, ZMR 2006, 963 Die Regelung der Gemeinschaftsordnung bedeutet (gerade bei Balkonen) nicht, dass der betreffende Wohnungseigentümer die Instandhaltungs- und Instandsetzungslast für die konstruktiven Bestandteile (z.b.: Betonkragplatte, Isolierschicht, Estrich, Geländer, etc.) trägt, da diese nicht dessen ausschließlich eigenem Gebrauch, sondern auch dem der Gemeinschaft dienen. 25
26 BGH, Urt. v V ZR 9/12, ZMR 2013, 290 Eine in der Teilungserklärung getroffene Regelung, wonach Balkone, die zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind, auf dessen Kosten instand zu halten und instand zu setzen sind, ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass hiervon Kosten ausgenommen sind, die die im Gemeinschaftseigentum stehenden Balkonteile betreffen. 26
27 Rätselraten 4 Der Balkon des Eigentümers W ist undicht und soll auf Gemeinschaftskosten repariert werden. Beirat B macht geltend, dass es in der Gemeinschaftsordnung heißt: Zum Sondereigentum an den Wohnungen gehören die Balkone. Alle Instandsetzungen sind vom Wohnungs- und Teileigentümer im räumlichen Bereich seines Sondereigentums, auch wenn sie zum gemeinschaftlichen Eigentum gehören, und ohne Rücksicht auf die Ursache des Schadens, auf seine Kosten zu tragen. 27
28 OLG Düsseldorf v Wx 348/01, ZMR 2002, 613 Die Sondereigentumsfähigkeit von Balkon-, Loggien- oder Dachterrassenbereichen erstreckt sich nur so weit, wie es die praktische Zugehörigkeit zum jeweils angeschlossenen Sondereigentum an einer Wohnung gebietet; demnach bezieht sich die Zuordnung von Balkonen zum Sondereigentums nur auf den durch die konstruktiven Bauteile begrenzten Raum, also lediglich auf den Luftraum der durch diese gebildet wird, nicht aber auf die Gebäudebestandteile, die konstruktiven Zwecken dienen oder für die Sicherheit und den Bestand des Gebäudes notwendig sind. 28
29 BGH, Urt. v V ZR 46/13, ZWE 2014, 125 Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer abweichend von 21 Abs. 5 Nr. 2, 16 Abs. 2 WEG die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung von Teilen der gemeinschaftlichen Eigentums und zur Tragung der damit verbundenen Kosten einzelnen Sondereigentümern auferlegen. Die Regelung der Gemeinschaftsordnung ist nicht dahingehend auszulegen, dass sich die Instandsetzungslast auf den sondereigentumsfähigen Luftraum beschränkt, sondern bezieht sich auch auf konstruktiv tragende Teile. 29
30 Rätselraten 5 Die Gemeinschaftsordnung enthält folgende Regelung: Der jeweilige Sondereigentümer ist zur Instandsetzung und Instandhaltung der im Bereich seines Sondereigentums befindlichen Fenster samt Rahmen und Rollläden verpflichtet; mit Ausnahme des Außenanstrichs, der wegen der Einheitlichkeit des Erscheinungsbilds der Anlage Sache der Gemeinschaft ist. Das Küchenfenster in der Wohnung des Eigentümers Q ist defekt und muss komplett erneuert werden. 30
31 BGH, Urt. v V ZR 174/11, ZMR 2012, 641 Weist die Gemeinschaftsordnung die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung der Fenster im räumlichen Bereich des Sondereigentums den einzelnen Wohnungseigentümern zu und nimmt dabei den Außenanstrich aus Gründen der Einheitlichkeit des optischen Erscheinungsbilds der Anlage aus, ist eine vollständige Erneuerung der Fenster im Zweifel Sache der Gemeinschaft. 31
32 WEG-Verwaltung macht Spaß! 32
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