5. Homotopie von Wegen
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- Melanie Morgenstern
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1 28 Andres Gthmnn 5. Homotopie von Wegen In der Prxis wird der Cuchysche Integrlstz meistens in einer äquivlenten Umformulierung verwendet, die wir nun genuer ehndeln wollen. Anschulich esgt sie, dss Wegintegrle f (z)dz ihren Wert nicht ändern, wenn mn den Weg innerhl des Bereiches deformiert, in dem f holomorph ist. Um eine solche Aussge mthemtisch exkt formulieren zu können, müssen wir ntürlich zunächst einml definieren, ws wir unter einer Deformtion eines Weges genu verstehen wollen. Der korrekte mthemtische Begriff hierfür ist die sogennnte Homotopie. Dieses Konzept stmmt eigentlich us der Topologie und wird normlerweise für lediglich stetige Wege formuliert; wie ülich werden wir uns in dieser Vorlesung er nur mit stückweise stetig differenzierren Wegen efssen. D wir in Bemerkung 3.7 ereits gesehen hen, dss sich jeder solche Weg sogr zu einem stetig differenzierren Weg umprmetrisieren lässt, wollen wir uns hier uf solche stetig differenzierren Wege eschränken. Definition 5. (Homotopie). Es seien D C offen und, : [,] D zwei stetig differenzierre Wege in D (mit gleichem Strtintervll). () (Reltive Homotopie) Hen und den gleichen Anfngspunkt z := () = () und den gleichen Endpunkt z := () = (), so heißen und homotop (oder genuer: homotop reltiv zu den Endpunkten {,} des Intervlls) in D, wenn es wie im folgenden Bild eine stetig differenzierre Aildung ψ : [, ] [, ] D git mit ψ(t,) = (t) und ψ(t,) = (t) für lle t [,] (d. h. die untere Rechteckseite ist der Weg und die oere der Weg ); ψ(,s) = z und ψ(,s) = z für lle s [,] (d. h. die linke Rechteckseite wird konstnt uf z und die rechte konstnt uf z geildet). ψ z D C z Anschulich sind und lso homotop, wenn sich innerhl von D und unter Festhltung der Endpunkte nch deformieren lässt: Betrchtet mn für s [,] die Wege s : [,] D mit s (t) = ψ(t,s), so ändert sich lngsm in, wenn mn s von nch lufen lässt. (In dem Bild oen sind drei der Zwischenwege /4, /2, 3/4 gestrichelt eingezeichnet.) Mn ezeichnet die Aildung ψ uch ls Homotopie von nch. () (Freie Homotopie) Sind und geschlossen (mit nicht notwendig gleichem Anfngs- zw. Endpunkt), so heißen und homotop (oder genuer: frei homotop) in D, wenn es wie im folgenden Bild eine stetig differenzierre Aildung ψ : [,] [,] D git mit ψ(t,) = (t) und ψ(t,) = (t) für lle t [,] (d. h. wie oen ist die untere Rechteckseite der Weg und die oere der Weg ); ψ(,s) = ψ(,s) für lle s [,] (d. h. jeder Punkt der linken Rechteckseite wird in D uf den gleichen Punkt wie der entsprechende Punkt der rechten Rechteckseite geildet).
2 5. Homotopie von Wegen 29 ψ D C Anschulich sind und lso homotop, wenn sich innerhl von D ls geschlossener Weg nch deformieren lässt: Betrchtet mn wieder für s [,] die Wege s : [,] D mit s (t) = ψ(t,s), so sind lle s geschlossene Wege in D, die sich für s von is lngsm von nch ändern. Auch hier wird die Aildung ψ ls Homotopie von nch ezeichnet. (c) Ein geschlossener Weg heißt zusmmenziehr in D, wenn er (frei) homotop zu einem konstnten Weg ist, d. h. nschulich wenn er sich in D zu einem Punkt zusmmenziehen lässt. Bemerkung 5.2. () Sind die Wege und in Definition 5. geschlossen mit gleichem Anfngspunkt (gilt lso () = () = () = ()), so ist sowohl Teil () ls uch Teil () der Definition nwendr. In diesem Fll knn mn zeigen, dss und genu dnn homotop reltiv {, } sind, wenn sie frei homotop sind. Es führt lso nicht zu Missverständnissen, wenn wir im Folgenden einfch von homotopen Wegen reden, sold eine der eiden Definitionen nwendr ist. () Wie ereits erwähnt verlngt mn in der Topologie von einer Homotopieildung lediglich die Stetigkeit [G3, Kpitel 6]. Für Wege in einer offenen Teilmenge von C (wie in Definition 5. vorusgesetzt) knn mn jedoch zeigen, dss unser Homotopieegriff mit dem üer stetige Funktionen definierten üereinstimmt. D wir diese eiden Aussgen im Folgenden nicht enötigen, werden wir sie hier uch nicht eweisen. Sie sollen uns nur zeigen, dss unsere Definition 5. mit der sonst ülichen verträglich und nicht mehrdeutig ist. Kominieren wir den Cuchyschen Integrlstz 4. mit unserer Definition, erhlten wir unmittelr die folgende Aussge. Folgerung 5.3 (Homotopieinvrinz des Wegintegrls). Es seien D C offen, f : D C holomorph, und, : [,] D zwei Wege in D. () Sind und (reltiv oder frei) homotop in D, so gilt f (z)dz = f (z)dz. () Ist (geschlossen und) zusmmenziehr in D, so gilt f (z)dz =. Beweis. Dies folgt sofort us dem Cuchyschen Integrlstz 4. ngewendet uf die Homotopieildung ψ us Definition 5.: Im Fll der reltiven Homotopie verschwindet ds Wegintegrl üer f entlng der seitlichen Rechteckknten, d diese konstnt uf einen Punkt geildet werden. Im Fll der freien Homotopie ist die Summe der Wegintegrle üer f entlng der seitlichen Rechteckknten Null nch Bemerkung 3.6, d die eiden Knten den gleichen Weg mit entgegengesetzter Orientierung eschreien. In eiden Fällen folgt lso us dem Cuchyschen Integrlstz, dss die Integrle entlng der oeren und unteren Rechteckknte (ei korrekter Orientierung) gleich sein müssen, lso dss wie in () ehuptet f (z)dz = f (z)dz gilt. Die Aussge () folgt ntürlich sofort us (), d ds Integrl üer einen konstnten Weg ist. Beispiel 5.4. Es sei D = C\{}. Ferner seien : [,2π] D, t r e it und : [,2π] D, t z + r e it zwei Kreislinien mit Rdius r und Mittelpunkt zw. z.
3 3 Andres Gthmnn () Ist z < r, enthält der Weg lso den Nullpunkt in seinem Inneren (siehe Bild unten links), so sind und (frei) homotop in D mit der Homotopieildung ψ : [,2π] [,] D, (t,s) sz + r e it. Ds Bild von ψ liegt nämlich in der Tt in D (enthält lso nicht den Nullpunkt), d ψ(t,s) = sz + r e it r e it sz r z > für lle t [,2π] und s [,]; und es ist offensichtlich, dss ψ stetig differenzierr ist und die geforderten Rndedingungen erfüllt: Es ist ψ(t,) = r e it = (t), ψ(t,) = z +r e it und ψ(,s) = sz + r = ψ(2π,s) für lle t [,2π] und s [,]. () Ist dgegen z > r, enthält lso nicht den Nullpunkt in seinem Inneren (wie im Bild unten in der Mitte), so gilt für die uf D holomorphe Funktion z z nch Beispiel 4.3 z dz = 2πi = z dz. Aus der Homotopieinvrinz des Wegintegrls gemäß Folgerung 5.3 folgt lso, dss und in D nicht (frei) homotop sein können. Ntürlich ist uch ohne Rechnung einleuchtend, dss mn in diesem Fll nicht innerhl von D, lso ohne den Nullpunkt zu treffen, nch deformieren knn. Letztlich liegt ds drn, dss der Weg einml um den Nullpunkt herum läuft, während dies nicht tut: Anschulich ist ein geschlossener Weg in D genu dnn zur Kreislinie deformierr, wenn er (entgegen dem Uhrzeigersinn) einml um den Nullpunkt herum läuft, wie z. B. im Bild unten rechts. Wir werden dieses Konzept der Umlufzhlen in Kpitel noch genuer untersuchen. 4 Wir sehen n diesem Beispiel er uch schon, dss der Homotopieegriff sehr wesentlich von der etrchteten Menge D hängt: So sind z. B. im Fll D = C, wenn wir die Kurven lso uch üer den Nullpunkt ziehen dürfen, die oigen Kreislinien und für jeden elieigen Punkt z C homotop in D und zwr mit der gleichen Homotopie wie in (). Aufge 5.5. Berechne ds Kurvenintegrl z dz entlng des folgenden Weges von nch i, indem du zunächst mit einer explizit ngegeenen Homotopie durch einen schöneren Integrtionsweg ersetzt. + i i Aufge 5.6. Es sei wie in der Skizze der Weg, der einml entgegen dem Uhrzeigersinn entlng des Rndes einer Ellipse mit Hlchsen und läuft. Beweise ohne Verwendung von Stmmfunktionen die Formel 2π 2 cos 2 t + 2 sin 2 t dt = 2π,
4 5. Homotopie von Wegen 3 indem du ds Wegintegrl z dz sowohl nch Definition ls uch mit Hilfe der Homotopieinvrinz erechnest. Wie sehen die enutzten Homotopien konkret us? Ds Integrl mit Stmmfunktionen uszurechnen wäre in diesem Fll zwr prinzipiell möglich, er sehr ufwändig. Wir sehen hier lso ein erstes Beispiel dfür, wie sich reelle Integrle mit Hilfe der Funktionentheorie mnchml viel einfcher erechnen lssen. Einige weitere Beispiele hierfür werden wir in Kpitel 2 untersuchen. Aufge 5.7. Es seien D C offen und : [,] D ein stetig differenzierrer Weg in D. Ferner sei : [,] D ein Weg, der wie in Bemerkung 3.6 durch eine orientierungserhltende Umprmetrisierung us entsteht, d. h. es gee eine stetig differenzierre Aildung ψ : [, ] [, ] mit ψ() = und ψ() =, so dss = ψ. Zeige, dss und dnn homotop in D sind. (Diesele Aussge gilt nlog uch für die freie Homotopie geschlossener Wege. Für holomorphe Funktionen folgt die Unhängigkeit des Wegintegrls von der Prmetrisierung des Weges lso uch us der Homotopieinvrinz.) Besonders einfch wird die Aussge der Homotopieinvrinz des Wegintegrls ntürlich, wenn die Menge D C so eschffen ist, dss zwei elieige geschlossene Wege (zw. zwei elieige Wege mit gleichem Anfngspunkt und gleichem Endpunkt) immer homotop sind. Hierzu definiert mn die folgenden eiden Begriffe: Definition 5.8 (Zusmmenhng). Es sei D C offen. () D heißt zusmmenhängend oder ein Geiet, wenn es zu je zwei Punkten z,z D einen Weg : [,] D git mit () = z und () = z. () D heißt einfch zusmmenhängend, wenn D zusmmenhängend und jeder geschlossene Weg in D zusmmenziehr ist. Bemerkung 5.9. In der Topologie wird ein Rum M mit der Eigenschft us Definition 5.8 () in der Regel ls wegzusmmenhängend ezeichnet, während der Begriff zusmmenhängend für eine ndere Eigenschft steht (nämlich dss sich M ls topologischer Rum nicht uf nicht-trivile Art ls disjunkte Vereinigung zweier in M offener Mengen schreien lässt) [G3, Kpitel 3]. Mn knn llerdings zeigen, dss diese eiden Eigenschften für offene Teilmengen von C (lso die Mengen, die uns in dieser Vorlesung interessieren) äquivlent sind [G3, Bemerkung 3.5]. Beispiel 5.. Wie im folgenden Bild drgestellt, ist eine offene Teilmenge von C genu dnn zusmmenhängend, wenn sie nicht us mehreren Teilen esteht, und genu dnn einfch zusmmenhängend, wenn sie ußerdem keine Löcher ht, um die mn herumlufen könnte. nicht zusmmenhängend zusmmenhängend, er nicht einfch zusmmenhängend einfch zusmmenhängend In der Tt ist die Homotopie j ein sehr nschuliches Konzept von zwei Wegen in einer gegeenen Menge lässt sich in der Regel schon durch einfches Hinschuen leicht entscheiden, o sie homotop zueinnder sind oder nicht. Wir werden die Homotopie zweier Wege dher in dieser Vorlesung jetzt in der Regel nur noch nschulich egründen. Wer einen exkten Beweis für derrtige Aussgen hen möchte, muss nur die entsprechenden Homotopien wie in Beispiel 5.4 konkret hinschreien. Es git jedoch einen in der Prxis häufig uftretenden Fll, in dem mn die Eigenschften us Definition 5.8 uch leicht exkt eweisen knn: Beispiel 5. (Sternförmige Mengen). Eine offene Menge D C heißt sternförmig, flls es wie im Bild unten rechts ein z D git, so dss für lle z D uch die gnze Verindungsstrecke
5 32 Andres Gthmnn zz = {( t)z +t z : t [,]} von z nch z in D liegt. Eine solche sternförmige Menge ist stets einfch zusmmenhängend: Zum einen lssen sich zwei Punkte z,z D immer durch einen Weg in D verinden (uf je einem gerden Weg von z nch z und dnn von z nch z ), und zum nderen ist jeder geschlossene Weg : [,] D mit der Homotopie ψ : [,] [,] D, (t,s) = ( s)(t) + sz zusmmenziehr, die jeden Punkt des Weges uf einer gerden Strecke nch z ewegt. Ein Spezilfll solcher sternförmiger Mengen sind die sogennnten konvexen Mengen, die mit zwei elieigen ihrer Punkte uch stets die gnze Verindungsstrecke dzwischen enthlten. In diesem Fll können wir einen elieigen Punkt der Menge ls Sternmittelpunkt z wählen. Aus den Zusmmenhngseigenschften in Definition 5.8 ergeen sich für uns die folgenden wichtigen Konsequenzen. Folgerung 5.2. Es seien D C offen und f : D C holomorph. Dnn gilt: () Ist D zusmmenhängend und f (z) = für lle z D, so ist f konstnt. () Ist D einfch zusmmenhängend, so hängen Wegintegrle üer f nur vom Anfngs- und Endpunkt des Weges. Insesondere gilt dnn lso f (z)dz = für jeden geschlossenen Weg. Beweis. () Es seien z,z 2 D elieig; zu zeigen ist f (z ) = f (z 2 ). Nch Vorussetzung git es einen Weg von z nch z 2. Dnn gilt wie gewünscht nch Lemm 3. = f (z)dz = f (z 2 ) f (z ). () Es seien und zwei Wege, die den gleichen Anfngspunkt und den gleichen Endpunkt hen. Wir etrchten den geschlossenen Weg, der zuerst und dnch in umgekehrter Richtung durchläuft (nch Bemerkung 3.7 können wir uch nnehmen, dss stetig differenzierr ist). D D einfch zusmmenhängend ist, ist zusmmenziehr. Also ergit sich mit Folgerung 5.3 () = f (z)dz = f (z)dz f (z)dz. zz z z D
4. Der Cauchysche Integralsatz
22 Andres Gthmnn 4. Der Cuchysche Integrlstz Es seien D C offen und f : D C eine stetige Funktion. Ht f in D eine Stmmfunktion, so hben wir im letzten Kpitel gesehen, dss Kurvenintegrle über f in D nur
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