Was ist bloss mit den Angehörigen los?
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- Claus Baum
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1 Was ist bloss mit den Angehörigen los? Schwierigkeiten und Chancen der Angehörigen-Arbeit Dr. med. Bernadette Ruhwinkel Leitende Ärztin Alterspsychiatrie ipw
2 Professioneller Umgang mit Angehörigen: Was wir gerne hätten: Partnerschaftlicher Umgang zwischen Pflegenden, Beraterinnen, Aerzten und den Angehörigen Wechselseitige Wertschätzung Offene, klare Information, z.b. über die Erkrankung, Medikamente, aber auch Hilfsangebote Partnerschaftlicher Einbezug in Entscheidungen
3 Wie unkompliziert all das möglich ist, ist abhängig von der vor bestehenden Funktionalität oder Dysfunktionalität der Familienstrukturen und der Passung zu den Helfern
4 Familien sind wie
5 Wie funktioniert eine Familie? Explizite Familienregeln Implizite Familienregeln Kommunikationsstil Konfliktstil Loyalitäten Rollen und Aufgaben Bewältigungs- und Schutzstrategien Innere und äussere Grenzen Mehrgenerationale Delegationen Familienmythen
6 Familiensituation ist geprägt von: 1. Struktur: offene geschlossene Systeme 2. Grenzen: diffuse starre klare, flexible (Minuchin) 3. Umgang mit Nähe und Distanz: (Satir, Minuchin) 4. Loyalitäten: Delegationen über Generationen (Boszormenyi-Nagy) 5. Kommunikationsstile (Satir) 6. Wachstumsorientierung (Kirschenbaum/ Willi)
7 Wachstumstheorien Eine Familie ist dann gesund, wenn jedes Familienmitglied seinen Fähigkeiten entsprechend wachsen kann. (Kirschenbaum) Menschen entwickeln sich aneinander (Willi J.)
8 Vorbestehender Kommunikationstyp Eine kongruente Kommunikation hat die Familienmitglieder gelehrt, Konflikte konstruktiv auszutragen, so dass in schwierigen Situationen nicht alte ungelöste Konflikte im Weg stehen Eine Kommunikationsstörung, z.b. vom beschwichtigenden, anklagenden, ablenkenden, intellektualisierenden Typ (V. Satir) führt zum Ansammeln von alten ungelösten Konflikte, die sich in schwierigen Situationen unbewusst auswirken.
9 Kommunikationstypologie Virginia Satir Der Mensch spricht immer mit seinem ganzen Sein. Menschen lassen ihre Angst vor dem, was in der Beziehung passieren kann mehr oder weniger stark in das Gespräch einfliessen. (vgl. Riemann) Der Mensch will im Gespräch die Bestätigung, dass er als Mensch wertvoll ist. (vgl. Rogers) Das Selbstwertempfinden prägt jede Kommunikation
10 Grundlagen Satir Je geringer das Selbstwertgefühl, umso mehr wird die Verantwortung für ein besseres Selbstwertgefühl an den Gesprächspartner delegiert. Die Angst vor Zurückweisung, Angst nicht bestätigt zu werden, nimmt in dem Masse zu, wie das Selbstwertgefühl abnimmt oder von Selbstverachtung ersetzt ist.
11 Der Rationalisierer nach Satir Merkmale: wirkt sehr vernünftig, alles überlegt intellektualisiert wirkt immer beherrscht, monoton, beziehungslos. Sucht und hat für alles eine logische Erklärung. Ursache: Angst vor Gefühlen, vor emotionalen Verletzungen. Alles emotionale wirkt bedrohlich. Effekt: endlose fachliche Diskussionen, keine Gefühle
12 Der Ankläger nach Satir Merkmal: Person verteidigt sich durch Angriff, sucht Fehler, wirkt überheblich, wertet ständig Ursache: Mangelnder Selbstwert, Angst, selbst angegriffen zu werden Effekt: Verärgert Gegenüber, Verteidigung löst nur weitere Angriffe aus, Resignation des Gegenübers
13 Der Beschwichtiger nach Satir Merkmal: Strahlt Zustimmung zu allem aus, spricht einschmeichelnd, versucht zu gefallen. Entschuldigt sich oft, spricht nie dagegen. Ursache: Grosse Angst vor Konflikten, kann nichts für sich selbst tun, nur für andere, Identität nur durch Gegenüber. Effekt: Scheinbare Zustimmung wird rasch wieder zurück genommen, keine Verlässlichkeit
14 Der Ablenker nach Satir Merkmale: Person weicht gerne Situationen aus, Konfrontationen sind nicht möglich. Keine zielgerichteten Wörter, sorgt für Beschäftigung Körper ist in Bewegung Ursache: Grosse Einsamkeitsgefühle und Zwecklosigkeitsgefühle, Angst, sich diesen Gefühlen zu stellen, weshalb die Person sich mit ihrem ständigen Wechsel ablenkt. Effekt: Keine verlässlichen Angaben, schwierig in der Zusammenarbeit
15 Familientypen Typ I Offenes System Nähe-Distanz angemessen geregelt Konstruktiv-wohlgesinnte Loyalität Kongruente Kommunikation Grosse Bereitschaft, Hilfe anzunehmen Typ II Offenes System Nähe-Distanz angemessen geregelt Keine Loyalität Kommunikationsstörung Hilfe wird komplett an das externe Helfernetz delegiert.
16 Familientypen Typ III Geschlossenes System Nähe-Distanz-Problematik Aggressiv-gespannte Loyalität Kommunikationsstörung Wachstumsblockade Fast gar keine Bereitschaft, Hilfe von aussen anzunehmen Typ IV Geschlossenes System Nähe-Distanz-Problematik Grundsätzlich konstruktivwohlgesinnte Loyalität Kongruente Kommunikation wachstumsorientiert Wenig Bereitschaft, Hilfe von aussen anzunehmen
17 Umgang Typ I Familienberatung über Diagnose, Prognose, Hilfsmöglichkeiten, Organisation von Hilfen unter Einbezug der Familie, klare Absprachen sind möglich Typ II Komplette sozialmedizinische Betreuung mit Organisation durch externe Helfer ohne die Familie oder mit nur geringer Absprache mit der Familie
18 Umgang / Therapien Typ III Zugang finden mit viel Respekt vor der Grenze (=Schutz) Viel Verständnis und Toleranz zeigen (cave: Gewalt!!! ) Ängste nehmen Vertrauen schaffen Entlasten, ohne eigenen Verantwortungsbereich der Familie zu sehr einzuschränken. Ziel: Schadensbegrenzung Typ IV Wie Typ III Evtl. systemische Therapie möglich mit struktureller Arbeit an Grenzen, Rollen oder auch an Delegationen, Mehrgenerationenarbeit, etc. Themen: Weniger Gewaltprobleme Mehr Loyalitätskonflikte, schlechtes Gewissen, die Rolle nicht gut zu erfüllen Aufopfern bis zum Zusammenbruch
19 Umgang Familie ihren Möglichkeiten entsprechend als Partner akzeptieren, respektieren Die Hintergründe schwierigen Verhaltens erkennen und empathisch anerkennen Kompetenzen der Familie anerkennen Wertschätzende Grenzverhandlungen Kommunikationsstörung und ihre Fortsetzung mit den Helfern erkennen und Umgang damit üben (Auseinandersetzung mit den eigenen Verletzbarkeiten und der eigenen Geschichte) Grenzen der Systeme erkennen und benennen Persönliche Psychohygiene (z.b. Supervision)
20 Zusammenfassung Das systemische Denken ist heute weit verbreitet vorbestehend gesunde Systeme werden in der Regel in Abklärungen und Behandlung mit einbezogen, ebenso die beteiligten Helfer. Helfer stossen in der Regel an Grenzen bei vorbestehend dysfunktionalen Systemen Hier kann eine systemische Sichtweise weiterhelfen. Ursache für die Probleme der Zusammenarbeit im System sehen, nicht als Angriff gegen Beraterin
21 1. Die persönliche Nische Beziehungsraum, Beziehungsfeld einer Person, welche die Gesamtheit ihrer Beziehungen zur unbelebten und belebten Umwelt enthält. (Willi 1996) Beruf Familie Freunde Hobbies Haus Auto
22 Älterer Mensch persönliche Nische Partnerschaft Familie/Enkel Hobbies Körper
23 Pflegende Angehörige kranker Mensch Helfernetz Familie Haushalt
24 2. beantwortetes Wirken: Bestreben des Menschen mit seinem Verhalten Wirkung zu erzielen, sich als wirksam zu erleben Kind probiert die Wirkung von sich aus Film Nell Aus Angst vor Misserfolg, Kränkung und Verletzung neigen Menschen dazu ihre Wirksamkeit in der Nische einzuschränken
25 Beantwortetes Wirken Eigene Konstrukte & Leitbilder Eigene Konstrukte & Leitbilder Person A Person B
26 Grundgedanke der ökologischen Psychotherapie Jeder Mensch ist die Hauptperson auf der Bühne seines Lebens. Aber niemand kann seine Geschichte spielen ohne die Mitspieler, die ihm seine Rolle zugestehen. (Jürg Willi, 2007)
27 Ökologische Psychotherapie/Beratung Anstreben einer besseren Beziehungsgestaltung Aktiver Austausch in Beziehungen ist die beste Voraussetzung sich zu entfalten Das Wechselspiel von beantwortetem Wirken wird genau bearbeitet, Möglichkeiten der Veränderung werden geprüft Beispiel: Paar Z. Er: Demenz/C2 Sie: überfordert
28 Beziehungen entwickeln sich koevolutiv (J.Willi) Entwicklung ist ein Nebenprodukt des beantworteten Wirkens
29 Koevolution: sich aneinander entwickeln: Der kleine Lord
30 Auf der persönlichen Ebene heisst Koevolution: Spannungsvolles sich gegenseitiges herausfordern, Begrenzungen Unterstützungen Das Ich wird am Du. (nach Martin Buber) Es braucht die Bereitschaft mit den Begrenzungen zu leben Erkennen, dass der Andere einen immer nur auf seine Weise verstehen kann Am Leiden an der Liebe persönlich wachsen lernen Die Nichtansprechbarkeit des Partners stellt einen auf die eigenen Füsse (Willi 1996) Hold on to yourself (D. Schnarch 2007)
31 Grundannahmen der ökologischen Psychotherapie Selbstverwirklichung ist nicht alleine Abgrenzung und Selbstbehauptung. Selbstverwirklichung bedeutet die Fähigkeit, die Beziehungsumwelt für die eigene Entwicklung zu gewinnen und zu nutzen. Persönliche Entwicklung geschieht durch Interaktion Persönliche Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess
32 Kollusion
33 Probleme, Lösungen und neue Probleme Problem Lösungsversuch Sie redet wie ein Buch Frau hat Angst vor allem Neuen und für 2 Partner ist viel krank Partnerin wird hysterisch Er ist gern daheim Mann ist still und schweigsam Er hat keine Angst, spürt das gar nie Partner wird immer stärker Partner ist sehr rational, cool Frau geht gern alleine aus
34 Kollusion ist die pathologische Form der Koevolution Koevolution Man ermöglicht sich konstruktive Entwicklungen Jeder beantwortet den anderen in seinem Wirken, so gut es geht und besonders da, wo es ihm wichtig ist Die Rollen sind variabel Kollusion Einseitige Entwicklungen werden wechselseitig gefördert Verstärkung in der Vermeidung von Entwicklungen Die Rollen sind fix
35 Deine Nachgiebigkeit geht mir auf die Nerven wann wirst Du lernen dich durchzusetzen?
36 ...und wenn ein Partner krank wird? bei kollusiver Entwicklung der Partner: Beide Partner sind in ihrer Entwicklung voneinander blockiert worden Die sich bedingenden Rollen werden durch die Krankheit unmöglich Festhalten an den Rollen führt zu Stagnation Neuorganisation wird unumgänglich, Entwicklungsblockaden verstärken die Krankheit unter Umständen oder führen zum scheitern der Partnerschaft
37 Kollusion Was kann ich als Beraterin tun?
38 AUTOPOIESE SELBSTGESTALTUNGSMÖGLICHKEIT FÜR LEBENDE SYSTEME Wir können niemanden in eine bestimmte Richtung verändern
39 Ethische Pflicht (Gunther Schmid 2008) Altruistische Egozentrik Ich kann meine Kompetenzen als Beraterin/ Pflegefachkraft nur dann gut freisetzen, wenn es mir gut geht.
40 Und wenn es Streit gibt? Jeder Partner sieht seine Wirklichkeit Beraterin wird auf die eigene Seite zu ziehen versucht Jeder möchte eine Änderung beim Anderen Problemtrance Allparteilichkeit bewahren Konstruktdifferenzierung Benennen und bewusst machen Lösungsorientiertes Vorgehen
41 Allparteilichkeit in der Kollusion
42 Hilfreich in der Angehörigenarbeit: Die Reaktionen im Kontext der Familie sehen Was braucht diese Person wirklich? Wertschätzen was der/die Angehörige wirklich gut macht Wertschätzendes Feedback geben Bitte um Mithilfe um gute Lösungen zu finden Angriffe, Kritik, heftige Emotionen als Signal der Ueberlastung oder emotionalen Ueberforderung sehen Haltung des Nicht-Wissens was hier gut ist
43 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
44 Literatur: Kommunikation Selbstwert Kongruenz (2010) V. Satir Junfermann Verlag 8. Auflage Ökologische Psychotherapie (1996) J. Willi Horgrefe Lehrbuch der systemischen Therapie u. Beratung Band I u. II, Von Schlippe, Schweitzer: Vanderhoeck & Ruprecht, 2. Aufl. 2007
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