Vergütung in der Versicherungsvermittlung und mögliche Regulierungsansätze Prof. Dr. Jörg Schiller
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1 Vergütung in der Versicherungsvermittlung und mögliche Regulierungsansätze Prof. Dr. Jörg Schiller Universität Hohenheim Lehrstuhl für Versicherungswirtschaft und Sozialsysteme
2 Agenda 1 Versicherungsvermittler und ihre Marktfunktionen 2 Vergütungsmodelle unabhängiger Vermittler 3 Kann die Regulierung der Vermittlervergütung die Wohlfahrt erhöhen? 4 Fazit 2
3 1 Versicherungsvermittler und ihre Marktfunktionen Vermittlertypen und ihre Bedeutung Selbständige Versicherungsvermittler/-berater [in Tausend] Versicherungsvermittler 246,4 255,4 263,3 257,6 253,1 246,5 gebundene Versicherungsvermittler 172,6 176,7 182,2 175,8 171,8 165,7 Versicherungsvertreter mit Erlaubnis 32,5 33,8 33,8 33,1 32,0 31,1 Versicherungsmakler 38,9 42,0 44,2 45,6 46,3 46,5 produktakzessorische Vermittler 2,5 2,9 3,0 3,1 3,1 3,0 Versicherungsberater 0,2 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 insgesamt 246,6 255,5 263,5 257,8 253,4 246,8 Quelle: GDV (2014) 3
4 1 Versicherungsvermittler und ihre Marktfunktionen Vermittlertypen und ihre Bedeutung Vertriebswegeanteile am Neugeschäft in der Lebensversicherung [in%] Einfirmen- bzw. Konzernvermittler 45,0 44,1 42,4 43,5 43,6 hauptberufliche 38,1 36,9 35,5 36,3 36,6 nebenberufliche 1,7 1,5 1,3 1,2 1,1 angestellter Außendienst 5,2 5,7 5,6 6,0 5,9 Mehrfirmenvermittler 28,0 30,3 29,0 30,9 32,0 Makler 18,8 20,9 22,7 24,7 25,6 Mehrfachvertreter 9,2 9,4 6,3 6,2 6,4 Kreditinstitute 20,8 20,6 23,7 19,9 18,0 als Einfirmenvermittler 14,9 14,9 18,6 14,9 12,8 als Mehrfirmenvermittler 5,9 5,7 5,1 5,0 5,2 Direktvertriebe 3,4 2,5 2,6 3,4 4,1 Sonstige 2,8 2,5 2,3 2,3 2,3 Quelle: GDV (2014) 4
5 1 Versicherungsvermittler und ihre Marktfunktionen Marktfunktionen von Vermittlern In deregulierten Versicherungsmärkten herrscht eine größere Produkt- und Bedingungsvielfalt. Versicherungsprodukte stellen Vertrauens- bzw. Erfahrungsgüter dar. Kunden können die Notwendigkeit des Kaufs sowie die Qualität verfügbarer Versicherungslösungen nur schwer einschätzen. Vermittler informieren bzw. beraten Kunden über bestehende Risiken und geeignete Produkte (Information und Produktauswahl); sind für Versicherer ein wichtiges Bindeglied zum Kunden. Sie helfen bei der Auswahl geeigneter Kunden (zielgerichteter Vertrieb). 5
6 2 Vergütungsmodelle unabhängiger Vermittler Vermittlervergütung One size does not fit all! Die Vermittlervergütung ist - neben rechtlichen Anforderungen - ein zentraler Baustein der Verhaltenssteuerung im Hinblick auf die identifizierten Marktfunktionen. Von gebundenen Vermittlern kann und wird eine neutrale Produktempfehlung nicht verlangt. Art und Höhe der Vergütung ist grundsätzlich Sache des Versicherers. Es ist insbesondere nicht einzusehen, warum der Kunde einen gebundenen Vermittler direkt bezahlen soll. Unabhängige Vermittler stehen zwischen Kunden und Versicherer. Hier muss die Vermittlervergütung zu einem Interessenausgleich führen. 6
7 2 Vergütungsmodelle unabhängiger Vermittler Vergütungswettbewerb Vermittler werden sich im Hinblick auf ihre Vergütung an die Partei (Kunde/Versicherer) wenden, die eine größere Zahlungsbereitschaft aufweist. Kunden sind sich häufig über die Bedeutung einer umfangreichen und qualitativen Beratung bewusst. Sie haben aber vielfach eine geringe Zahlungsbereitschaft. Für Versicherer stellt die Vergütung das zentrale Steuerungsinstrument dar. Unabhängige Vermittler haben vor allem bei langfristigen Verträgen mit hoher Profitabilität eine große Verhandlungsmacht. Die derzeit in Deutschland vorherrschende Provisions- bzw. Courtagevergütung ist ein Resultat der ökonomischen Umstände. Da Versicherer keine Nettotarife anbieten müssen und das Provisionsabgabeverbot noch nicht abgeschafft wurde, gibt es derzeit in Deutschland keinen fairen Wettbewerb der Vergütungssysteme. 7
8 3 Kann die Regulierung der Vermittlervergütung die Wohlfahrt erhöhen? Regulierungsbedarf Ein Regulierungsbedarf ergibt sich erst dann, wenn das Provisionssystem für Kunden zu einer suboptimalen Risikoanalyse und verzerrten Produktempfehlungen führt. Vollständig rationale Kunden antizipieren etwaige Falschberatungsanreize, so dass es im Endeffekt zu keiner Falschberatung kommen sollte. Bei begrenzt rationalen Kunden kann es aber aufgrund von Provisionsunterschieden zur suboptimalen Produktauswahl kommen. Welche regulatorischen Eingriffe werden vielfach in Betracht gezogen? Offenlegung von Provisionen (mehr Transparenz?) Verbot von Provisionen 8
9 3 Kann die Regulierung der Vermittlervergütung die Wohlfahrt erhöhen? Offenlegung von Provisionen Damit Provisionshöhen informativ bezüglich der Beratungsqualität bzw. der Produktauswahl sind, muss ein systematischer Zusammenhang bestehen. Hohe Provisionen signalisieren aber nicht zwangsläufig eine schlechte Beratungsqualität bzw. Produktauswahl. Sie deuten vielmehr auf eine hohe Profitabilität hin. Können begrenzt rationale Kunden aus offengelegten Provisionen hinreichende Rückschlüsse ziehen? Mehr Information bzw. mehr Transparenz ist nicht per se besser! Sollten wir überhaupt auf den verständigen Verbraucher setzen? 9
10 3 Kann die Regulierung der Vermittlervergütung die Wohlfahrt erhöhen? Provisionsverbot Die Honorarvermittlung wird vielfach als ein überlegenes System angesehen. If brokers do not receive any compensation for placing insurance policies from the insurer concerned, there is no potential for conflicts of interest, and brokers are more likely to provide a truly independent and impartial service to their clients. EU-Kommission (2007): Sector inquiry annex final report, S. 48 Ein Provisionsverbot führt nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Wohlfahrt, da sich unter Umständen zu wenige Kunden beraten lassen; nicht dazu, dass Falschberatungsanreize verschwinden. 10
11 4 Fazit Zusammenfassung und Ausblick Unabhängige Vermittler können in Provisionssystemen eine höhere Entlohnung erzielen und es resultieren Falschberatungsanreize bei begrenzt rationalen Kunden. Vorgeschlagene Regulierungsansätze stellen keine klaren Verbesserungen dar. Mehr Transparenz (Offenlegung) führt nicht immer zu besseren Entscheidungen. Die Honorarvermittlung eliminiert Falschberatungsanreize nicht und birgt die Gefahr einer Unterversorgung. Um Falschberatungsanreize zu reduzieren, sollte(n) vielmehr die Haftung verschärft, Vermittler stärker am (Früh-)Stornorisiko beteiligt und der Wettbewerb der Vergütungssysteme gestärkt werden. 11
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