Deutscher Bundestag Drucksache 18/4233. Beschlussempfehlung und Bericht. 18. Wahlperiode 05.03.2015. des Finanzausschusses (7.



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Schriftliche Kleine Anfrage

Transkript:

Deutscher Bundestag Drucksache 18/4233 18. Wahlperiode 05.03.2015 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) a) zu dem Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. Axel Troost, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 18/3743 Für ein internationales Staateninsolvenzverfahren b) zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 18/3916 Resolution der Vereinten Nationen für ein multilaterales Rahmenwerk zur Restrukturierung von Staatsschulden umsetzen Jetzt aktiv den Arbeitsprozess der Vereinten Nationen mitgestalten A. Problem Überschuldete Staaten werden an ihrer selbstbestimmten, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung gehindert. Mittel, die für Investitionen in Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur benötigt würden, werden im Schuldendienst gebunden. Dies trifft insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten. B. Lösung Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. sieht vor, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, den weiteren Prozess in den Vereinten Nationen zur Einrichtung eines Staateninsolvenzverfahrens zu unterstützen und die eigenen Forderungen an Entwicklungsländer entsprechend der UNCTAD-Prinzipien anzupassen. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/3743 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Drucksache 18/4233 2 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht vor, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, sich insbesondere im Rahmen der G7- Präsidentschaft für die Umsetzung des Staateninsolvenzverfahrens einzusetzen. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/3916 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. C. Alternativen Die Anträge nennen keine Alternativen. D. Kosten Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 3 Drucksache 18/4233 Beschlussempfehlung Der Bundestag wolle beschließen, a) den Antrag auf Drucksache 18/3743 abzulehnen; b) den Antrag auf Drucksache 18/3916 abzulehnen. Berlin, den 4. März 2015 Der Finanzausschuss Ingrid Arndt-Brauer Vorsitzende Manfred Zöllmer Berichterstatter Lisa Paus Berichterstatterin

Drucksache 18/4233 4 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode Bericht der Abgeordneten Manfred Zöllmer und Lisa Paus I. Überweisung Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/3743 in seiner 85. Sitzung am 5. Februar 2015 dem Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Auswärtigen Ausschuss, dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, dem Haushaltsausschuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie, dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Mitberatung überwiesen. Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/3916 in seiner 85. Sitzung am 5. Februar 2015 dem Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Auswärtigen Ausschuss, dem Haushaltsausschuss und dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Mitberatung überwiesen. II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. strebt die Feststellung an, dass am 9. September 2014 die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Mehrheit von 124 Ländern gegen 11 Nein-Stimmen und bei 41 Enthaltungen eine Resolution verabschiedet habe, in der sie sich auf die Einrichtung eines Insolvenzverfahrens für überschuldete Staaten festlegte (Resolution A/RES/68/304). Die Resolution der Generalversammlung trage dem Problem Rechnung, dass die Überschuldung von Staaten ein entscheidendes Hindernis für ihre selbstbestimmte wirtschaftliche und soziale Entwicklung sei. Im Schuldendienst würden Mittel gebunden, die für Investitionen in Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur dringend benötigt würden. Hinzu komme, dass die Struktur der Gläubiger in den letzten Jahrzehnten komplexer geworden sei und die Schulden von Schuldnerländern Gegenstand von verantwortungsloser Spekulation privater Anleger geworden seien. Ziel der Resolution sei es, ein verlässliches und effizientes Verfahren zu entwickeln, das alle Gläubiger binde und die Bedürfnisse des Schuldnerstaats angemessen berücksichtige. Um sicherzustellen, dass Fortschritte in der Erreichung der Entwicklungsziele nicht gefährdet würden, sollte allen Verfahren die Ermittlung der tatsächlichen Zahlungskapazitäten des Schuldners vorangehen. Die Resolution gebe nicht nur einem berechtigten Anliegen vieler Staaten des Südens Ausdruck, sondern entspreche auch den Forderungen, die in der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft seit vielen Jahren erhoben worden seien. Entsprechend sei sie von vielen entwicklungspolitischen Organisationen und Bündnissen, auch in Deutschland, begrüßt worden. Diese Organisationen hätten ihre Enttäuschung darüber ausgedrückt, dass Deutschland zu den 11 Staaten gehöre, die die Resolution ablehnten. Daraus leitet der Antrag die Aufforderung an die Bundesregierung ab, 1. den weiteren Prozess in den Vereinten Nationen zur Einrichtung eines Staateninsolvenzverfahrens konstruktiv zu unterstützen; 2. aktiv die Einbeziehung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und der Zivilgesellschaft in den Diskussionsprozess zu gewährleisten und zu fördern; 3. sich für ein faires, partizipatives und transparentes Verfahren einzusetzen, a) das alle Ausstände des jeweiligen Schuldnerlandes einbezieht und mit einem für alle Beteiligten, also auch alle Gläubiger, bindenden Schiedsspruch endet, b) das die Schuldenlast auf ein tragfähiges Niveau senkt, c) das den Grundbedürfnissen der Bevölkerungen in den Schuldnerstaaten den Vorrang vor den Ansprüchen der Gläubiger gibt, d) das in diesem Sinne die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte schützt,

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 5 Drucksache 18/4233 e) das ein öffentliches Audit enthält, in welchem unter Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit über die Legitimität von Forderungen befunden wird; 4. die eigenen Forderungen an Entwicklungsländer einem entwicklungspolitischen Audit im Rahmen der UNCTAD-Prinzipien für eine verantwortungsvolle Kreditvergabe zu unterziehen und auf dieser Grundlage als illegitim bewertete Forderungen zu erlassen. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN strebt die Feststellung an, dass am 9. September 2014 die UN-Generalversammlung über eine Resolution entschieden habe, die die Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens fordere. Mit 124 gegen 11 Stimmen bei 41 Enthaltungen habe die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Resolution angenommen und sich damit verpflichtet, im Lauf der 69. Sitzungsperiode ein rechtlich verbindliches Entschuldungsverfahren zu entwickeln. Die Bundesregierung habe als Teil einer kleinen Minderheit in der Generalversammlung gegen die Resolution gestimmt, während die Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten sich bewusst enthalten habe. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer kämpften seit mehr als drei Jahrzehnten mit dem Problem einer nicht mehr tragfähigen Überschuldung. Die enorme Schuldenlast sei ein Hindernis für ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Ein hoher Schuldendienst gekoppelt mit geringen Staatseinnahmen mache es für Regierungen der Schuldnerländer ohnehin schwierig, angemessene öffentliche Dienstleistungen und produktive Investitionen sicherzustellen. Im Falle einer bevorstehenden oder akuten Zahlungsunfähigkeit kämen zusätzlich radikale Sparprogramme zum Einsatz, die durch Kürzungen von Transferprogrammen, Entlassungen im öffentlichen Sektor, Senkungen des Mindestlohns oder Erhöhung von Konsumsteuern u. a. die Verletzlichsten und Ärmsten treffen würden und Mittelschichten aufgrund fehlender sozialer Sicherungsprogramme in die Armut rutschen ließen. Bei der geordneten Bewältigung staatlicher Überschuldungskrisen sei künftig die Beteiligung aller privaten Gläubiger sicherzustellen, um eine einseitige Kostenverlagerung auf den öffentlichen Sektor zu verhindern. Ferner könne nur die Schaffung eines geordneten internationalen Staateninsolvenzverfahrens die Rechtslage klären. Wichtig sei, dass künftig in möglichst allen Staaten mit Hilfe eines solchen Verfahrens die Verhandlungen zwischen Schuldnern und allen Gläubigern transparent und vorhersehbar gestaltet würden, während die für eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung des Schuldnerlandes zumeist unumgängliche Schuldenumstrukturierung und -reduzierung erfolge. Ein solches Staateninsolvenzverfahren müsse alle finanziellen und materiellen Forderungen an einen souveränen Schuldner einschließen, eine neutrale, von Gläubiger- wie Schuldnereinflüssen unabhängige Instanz, die über Schuldentragfähigkeit und Legitimität der Schulden entscheidet, haben, ein menschenwürdiges Existenzminimum der Bevölkerung eines Schuldnerstaates als Teil der Staatenpflichten zur Umsetzung des UN-Sozialpaktes und des UN-Zivilpaktes sicherstellen. Daraus leitet der Antrag die Aufforderung an die Bundesregierung ab, 1. sich umgehend, nachhaltig und konstruktiv-kritisch im Rahmen des von der Vollversammlung der Vereinten Nationen getragenen und von der G77 eingeleiteten Prozesses im Sinne zukünftiger Entwicklungschancen und des Selbstbestimmungsrechtes aller Länder einzubringen und sich für die Umsetzung eines Staateninsolvenzverfahrens einzusetzen; 2. die intensive Zusammenarbeit mit anderen Regierungen zu suchen, die am gleichen Thema arbeiten; 3. sich im Rahmen der Debatten um die Zukunft der Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development) mit einem eigenen Schwerpunkt Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens einzubringen; 4. sich im Rahmen der G7-Präsidentschaft für eine gemeinsame konstruktive Haltung der G7 stark zu machen und dabei die Expertise von UN-, führenden Wirtschaftswissenschaftlern und der Zivilgesellschaft sowie die von ihnen entwickelten Initiativen für ein Staateninsolvenzverfahren aufzunehmen.

Drucksache 18/4233 6 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 36. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat den Antrag in seiner 43. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung. Der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner 40. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat den Antrag in seiner 33. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat den Antrag in seiner 29. Sitzung am 25. Februar 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat den Antrag in seiner 29. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung. Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 36. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Ablehnung. Der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner 40. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und DIE LINKE. Ablehnung. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat den Antrag in seiner 29. Sitzung am 4. März 2015 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Ablehnung. IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss Der Finanzausschuss hat die Anträge auf Drucksachen 18/3743 und 18/3916 in seiner 35. Sitzung am 4. März 2015 erstmalig und abschließend beraten. Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/3743. Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/3916. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD betonten, der in den Anträgen verwendete Begriff einer Staateninsolvenz sei nicht zielführend, da Zahlungsschwierigkeiten bei Staaten sich stark von der entsprechenden Situation bei Unternehmen unterscheiden würden. Bei Unternehmen bestehe im Falle der Insolvenz eine Konkursmasse, in deren Verwertung hoheitlich eingegriffen werden könne. Bei Staaten sei dies nicht entsprechend möglich. Im Rahmen der Griechenlanddebatte habe man erlebt, wie sehr die Souveränität eines Schuldnerstaates betont werde. Der Antrag berücksichtige das nicht.

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 7 Drucksache 18/4233 Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD erinnerten an die bestehenden Mechanismen zur Behandlung der Überschuldung von Staaten beim Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und dem Pariser Club. Man sollte die existierenden Verfahren und Institutionen stärken und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Märkte bei Konsolidierungsmaßnahmen nicht überreagieren würden. Man halte es grundsätzlich für sinnvoll, Regeln für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit von Staaten zu haben. Die Geschichte habe gezeigt, dass dieser Fall immer wieder auftreten werde. Der Ansatz der beiden vorliegenden Anträge sei aber falsch. Der Versuch, Regeln per Beschluss der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu etablieren, müsse vor dem Hintergrund der Argentinienkrise des Jahres 2014 gesehen werden, als Hedgefonds argentinische Staatsanleihen aufgekauft hätten und ein amerikanisches Gericht geurteilt habe, die Forderungen dieser Anleihen müssten bedient werden. Diese Anleihen seien allerdings von Argentinien selbst nach US-amerikanischen Recht begeben worden. Danach habe man versucht, über die sogenannte G77-Gruppe mit der Unterstützung von China einen Beschluss in der UN-Vollversammlung zu bewirken, mit dem ein Regelwerk etabliert werden solle, das im Kern den Gläubigern von Staatsanleihen keine Mitsprache zugestehen würde. Eine unabhängige Schiedsgerichtsbarkeit sollte demnach künftig die Entscheidung über die Rückzahlung von Krediten der Staaten an die Gläubiger treffen können. Die einbringenden Nationen seien in der UN-Vollversammlung nicht bereit gewesen, mit den Europäern und den US-Amerikanern gemeinsam einen Dialog über diese Frage aufrecht zu erhalten. Die Anträge seien ein weiteres Mal unverändert eingebracht worden. Deutschland habe diesen Vorschlag zurecht abgelehnt. In der Vergangenheit seien im Rahmen der Arbeit des Pariser Clubs Staatsschulden in hohem Umfang erlassen worden. Daneben sei der Internationale Währungsfonds (IWF) mit der Frage der Zahlungsunfähigkeit von Staaten befasst. Diese beiden Institutionen sollten aber beim vorliegenden Vorschlag ausdrücklich nicht beteiligt werden. Der IWF habe unter dem Stichwort der Collective Action Clauses Wege aufgezeigt, wie das Verfahren bei einer Zahlungsunfähigkeit von Staaten verbessert werden könne. Dieses Mittel müsste Grundlage weltweiter Entschuldungsregeln für Staaten werden. Es sei unverständlich, dass die Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stattdessen auf den in der UN-Vollversammlung beschrittenen, untauglichen Weg zurückgreifen wollten und die Einrichtung von unabhängigen Schiedsgerichten befürworten würden, die sie doch aktuell bei den Verhandlungen um das TTIP-Abkommen so scharf kritisieren würden. Die nationalen Parlamente würden auf diese Weise bei der Frage, welche Schulden zurückzuzahlen wären, vollständig ausgeschlossen. Die Fraktion DIE LINKE. unterstrich, dass ihr Antrag nicht die aktuelle Griechenlandfrage im Blick habe. Diese Fragen dürften nicht vermischt werden. Es gebe einen breiten Beschluss der UN-Vollversammlung, sich dem Thema der Staateninsolvenz anzunehmen. Die Detailregelungen seien allerdings noch diskussionswürdig. Dennoch sei klar, dass für den Fall der Zahlungsunfähigkeit von Staaten sinnvolle Regeln gefunden werden müssten. Das habe der Fall Argentinien verdeutlicht. Dabei gehe es nicht um Schuldenschnitte, die eine sofortige Neuverschuldung der betroffenen Länder ermöglichen sollten. Angesichts immer neuer und komplexerer Finanzprodukte, mit denen die Finanzindustrie eine vernünftige Abwicklung von Staatsschulden zu ihren eigenen Gunsten zu erschweren versuche, sei diese Frage aktueller denn je. Die Intention ihres Antrags sei es, die Diskussion um angemessene und praktikable Regelungen im Fall von Staateninsolvenzen auf Grundlage der Überlegungen der UN-Vollversammlung in Deutschland zu unterstützen und anzuregen. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass es in Deutschland und Europa eine breite Bewegung gebe, die sich für die Belange der Südhalbkugel einsetzen würde. Es sei wichtig, dies zu unterstützen. Die Diskussion werde mit der Ablehnung der vorliegenden Anträge nicht beendet. Man müsse beobachten, wie sich die Überlegungen der UN-Vollversammlung weiterentwickeln und welche Initiativen folgen würden. Das Thema müsse europaweit auf der Tagesordnung bleiben. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erinnerte daran, dass in der Vergangenheit auch Deutschland vom Instrument des Schuldenerlasses erheblich profitiert habe. Man möge beispielsweise an die Beschlüsse der Londoner Schuldenkonferenz 1952/53 denken, in der die Zahlungsverpflichtungen Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg geregelt worden seien. Gerade Deutschland müsste die Bedeutung geregelter Verfahren anstelle von Ad-hoc-Entscheidungen im Falle einer Staateninsolvenz zu schätzen wissen. Die Koalitionsfraktionen hätten auf den Pariser Club und den IWF als bestehende Institutionen hingewiesen. Allerdings habe der IWF im Jahr 2013 selbst explizit darauf hingewiesen, dass Schuldenerlasse unter seiner und der Führung des Pariser Clubs regelmäßig zu gering ausgefallen und zu spät gewährt worden seien. Der IWF selber arbeite derzeit nicht an Verbesserungen des Systems. Daraus müsse man schließen, dass auch der IWF für ein besseres Verfahren mit entsprechenden völkerrechtlichen Grundlagen sein müsste. Dafür seien die Vereinten Nationen der richtige Rahmen.

Drucksache 18/4233 8 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode Kapitel 9 des US-amerikanischen Insolvenzrechtes zeige, wie ein unparteiischer Prozess zu einem fairen Ausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner führen könne, ohne die souveräne Sphäre eines mit hoheitlichen Funktionen ausgestatteten Schuldners zu verletzen. Bei den TTIP-Verhandlungen gehe es hingegen um den Versuch, unabhängige Schiedsverfahren zwischen Staaten und privaten Akteuren zu etablieren und nicht um ein zwischenstaatliches Verfahren. Bei TTIP kritisiere man, dass sich Private außerhalb der Rechtsprechung entwickelter Rechtsstaaten bewegen wollten. Im Verhältnis zwischen souveränen Staaten sei man hingegen auf das Völkerrecht angewiesen, das nach Anliegen des vorliegenden Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weiterentwickelt werden solle. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, ihr Antrag sollte nicht mit der derzeitigen Griechenlandfrage in Verbindung gesetzt werden. Es wäre nicht sinnvoll, ein entsprechendes Verfahren für Staateninsolvenzen innerhalb der Europäischen Union einzuführen. Erstens seien die EU-Mitgliedstaaten anders entwickelt als die im Antrag avisierten Länder und zweitens würde der Ansatz die Probleme innerhalb der Währungsunion nicht verbessern, sondern aufgrund der zu erwartenden Zinsaufschläge sogar verschärfen. Andererseits sehe man international, dass sich aufgrund der niedrigen Zinsen eine übermäßige Staatsverschuldung aufbaue, der mit dem vorgeschlagenen Verfahren entgegengewirkt werden könnte, weil sich die Zinssätze betroffener Länder dann präventiv erhöhen würden und Folgeprobleme vermieden werden könnten. Berlin, den 4. März 2015 Manfred Zöllmer Berichterstatter Lisa Paus Berichterstatterin Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83 91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333