Folgen von Kassenschließungen Versicherte und Beschäftigte schützen, Wettbewerb stärken, Zusatzbeiträge abschaffen
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1 Deutscher Bundestag Drucksache 17/ Wahlperiode Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Elke Ferner, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Petra Hinz (Essen), Anette Kramme, Ute Kumpf, Steffen-Claudio Lemme, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann, Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD Folgen von Kassenschließungen Versicherte und Beschäftigte schützen, Wettbewerb stärken, Zusatzbeiträge abschaffen Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: DerrechtswidrigeUmgangvongesetzlichenKrankenversicherungenmitden VersichertenderCity-BKKstellteinwürdelosesVerhaltendar.Esschadetdem AnsehendergesetzlichenKrankenversicherungunderschüttertdasVertrauen derversichertenindiesolidaritätinnerhalbdessystems.diefraktionderspd verurteiltdeshalballeversuchevonkrankenkassen,neukundenabzuweisen, nurweilsieihnenalsschlechterisikenerscheinen.esmusssichergestelltsein, dassbeieinerkassenschließungodereinerinsolvenzdieversichertenkeine Nachteilehaben.InsbesonderedarfeskeineLückenimVersicherungsschutz oder im Leistungsbezug geben. EbensowenigdürfendieBeschäftigtenderbetroffenenKrankenkassenmitden wirtschaftlichenundsozialenfolgenderkassenschließungalleingelassenwerden:esistnichtzubegründen,dassdiebeschäftigteneinigerkrankenkassen einengeringerenarbeitsrechtlichenschutzbesitzen.beiallenkassenschließungenmüssendiesozialstandards,wiesierechtlichbeibetriebsschließungen geregelt sind, eingehalten werden. GleichzeitighatdieseVorgehensweiseeinigerKrankenkassenaberauchdie ErgebnissederverfehltenGesundheitspolitikderschwarz-gelbenBundesregierung sichtbar werden lassen. WettbewerbistkeinSelbstzweck.DamitdieVersichertenvoneinemsinnvollen WettbewerbzwischengesetzlichenKrankenkassenprofitieren,müssendieKassenumbessereQualitätundhöhereWirtschaftlichkeitderVersorgungkonkurrieren.SolangeesfürgesetzlicheKrankenversicherungenjedochökonomisch sinnvollist,versichertenachihrengesundheitlichenrisikenzubeurteilenund auszuwählen,wirdsichderwettbewerbzwischendenkrankenkassendarinerschöpfen,strategienderrisikoselektionzuentwickeln,wiewiresgeradeim Fall der City-BKK erleben mussten. DamitesfürdieKrankenkassenkeineAnreizefürdieseRisikoselektionmehr gibt,mussdermorbiditätsorientierterisikostrukturausgleichweiterentwickelt undvervollständigtwerden.dievondercdu/csudurchgesetztewillkürliche Begrenzungauf50bis80KrankheitenunddieimKoalitionsvertragzwischen CDU,CSUundFDPangekündigteReduzierungdesAusgleichsbefeuernwei-
2 Drucksache 17/ Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode terdenschädlichenwettbewerbumguterisiken.darunterleidenvorallem alte,krankeundbehindertemenschen,dievondenkrankenkassenalsschlechte Risikeneingestuftwerden.WeruntereinerKrankheitleidet,dienichtimKatalogderausgleichsfähigenKrankheitenenthaltenist,wirdpotentiellderGefahr derrisikoselektionausgesetzt.fürdiegesetzlichenkrankenkassenbedeutet diewillkürlichebegrenzungaufjährlichneuzubestimmende50bis80krankheitenmehrbürokratischenaufwandsowieintransparenzundplanungsunsicherheithinsichtlichderzuerwartendenzuweisungenausdemgesundheitsfonds. Dieschwarz-gelbeBundesregierunghatdenWettbewerbzwischendenKrankenkassenaufdasfalscheFeldgelenktundzudemdafürgesorgt,dasserdort mitdenfalscheninstrumentengeführtwird.diebundesregierunghatdarüber hinausdiesenpervertiertenwettbewerbaberauchnochmaßlosangefeuert.indemderarbeitgeberbeitrageingefrorenunddiezusatzbeiträgeineinenach obenunbegrenztekopfpauschaleumgewandeltwordensind,habennundie VersichertenalleinedieKostensteigerungendermedizinischenVersorgungzu tragen.insbesonderefüreinkommensschwächereversicherteistnurnochentscheidend,obihrekrankenkasseeinenzusatzbeitragerhebtodernicht.obdie KasseeineguteundwirtschaftlichemedizinischeVersorgungundeinenkundenorientiertenServicebietet,spieltdagegenkeineRollemehr.Kassen,die sichumkrankebesondersgutkümmern,werdenunterdiesenbedingungenbestraft,währendkassen,diebesonderswirkungsvollrisikoselektionbetreiben, zu den Gewinnern gehören. Dieserschwarz-gelbeWettbewerbschadetdenVersichertenunddemSystem dergesetzlichenkrankenversicherung.diefraktionderspdverurteiltdeshalb dievorgehensweisederbundesregierung,dieeinerseitsdiebedingungenfür einensinnvollenwettbewerbderkrankenkassenzerstörthat,andererseitsaber dieschlimmenfolgenihrerpolitikfürdieversichertenbeklagtunddenvorständen der Kassen mit Sanktionen droht. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, sicherzustellen,dassfürdieversichertenkeinelückenimversicherungsschutzoderimleistungsbezugentstehen,wennihrekasseschließenmuss oder Insolvenz anmeldet, dieregelungenbeischließungenvonkrankenkassenin 164desFünften BuchesSozialgesetzbuch (SGBV)inVerbindungmit 155SGBVsofort für die Beschäftigten aller Kassenarten einheitlich zu gestalten, einenrechtsanspruchaufdieerhaltungdesgesetzlichenundtariflichen KündigungsschutzesfürBeschäftigtederKrankenkassenunddiedamitverbundene Sozialauswahl zu regeln, diewillkürlichebegrenzungdesmorbiditätsorientiertenrisikostrukturausgleichs auf 50 bis 80 Krankheiten abzuschaffen, aufderbasisdesgutachtensdeswissenschaftlichenbeiratszurweiterentwicklungdesrisikostrukturausgleichsbeimbundesversicherungsamtzu prüfen,durchwelcheweiterenmaßnahmendermorbiditätsorientierterisikostrukturausgleichweiterentwickeltundzielgenauerausgestaltetwerdenkann, dieeinkommensunabhängigenzusatzbeiträgeabzuschaffenundstattdessen zurückzukehrenzueinerparitätischenfinanzierungdergesetzlichenkrankenversicherung. Berlin, den 6. Juli 2011 Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
3 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/6485 Begründung Keine Lücken im Versicherungsschutz oder im Leistungsbezug ZwarhatbereitsderzeitjederVersichertedasRecht,eineneueKassezuwählen,wennseinebisherigeKassegeschlossenwird.AuchlaufendeLeistungen, wiez.b.akutemedizinischebehandlungen,rehabilitationsmaßnahmenoder derbezugvonkrankengeldsollenlückenlosvonderneuenkasseweiterge- währtwerden.dieerfahrungenmitderangekündigtenschließungdercity- BKKhabenjedochgezeigt,dassesbereitserheblicheMängelbeiderSicherstellungdesKassenwahlrechtsderVersichertengibt.DieBundesregierung mussnunintensivbeobachten,wiemitdenversichertendercity-bkkseitens deraufnehmendenkassen,aberauchseitensdercity-bkk,umgegangenwird. SiemussaußerdemdafürSorgetragen,dassdieVersicherteninformiertsind überihrerechteinbezugaufdiefreiekassenwahlundinbezugaufdiegesetzlichepflichtderbeteiligtenkassen,leistungenlückenloszugewähren. AngesichtsderbisheraufgetretenenProblemeerscheinteszumjetzigenZeitpunktfraglich,obderlückenloseLeistungsbezuginallenFällengewährleistet werden kann. BeiderSchließungderCity-BKKwarenvonden168000Versichertender KassevieleTausendinSorgeumihrenweiterenKrankenversicherungsschutz. VordenGeschäftsstellenderKassenhattensichlangeSchlangengebildet. GleichwohlistdieCity-BKKkeinegroßeKasse.Angesichtsderjetztschon aufgetretenenproblemefürdieversichertenundauchfürdieaufnehmenden KassenwirdderdringendeHandlungsbedarfdeutlich.WennderFalleintritt, dasseinekassemiteinermillionversichertenodermehrschließenmuss,sind diekonsequenzennichtabsehbar.diebundesregierungmussdeshalbschnell wirksamemaßnahmenergreifen,diepraktischeerleichterungenfürdieversichertenbeiderkassenwahlbringenundgleichzeitigsicherstellen,dasssie ihre gesetzlichen Ansprüche auch tatsächlich geltend machen können. Keine arbeitsrechtliche Schlechterstellung von Beschäftigten von Betriebskrankenkassen DadieSchließungeinerKrankenkassedurchdieAufsichtsbehördeerfolgt,sind nachgeltenderrechtslagediesonstüblichenregelungenzumgesetzlichenund tariflichenschutzrechtderbeschäftigtensowiediebeteiligungvonpersonalrätenbeideraufstellungeinessozialplansnach 164Absatz2bis4SGBV ausgeschlossen.diekonkretenauswirkungenaufdiemitarbeitersindjenach Beschäftigungsgruppe sowie Kassenart sehr unterschiedlich. EinewirksameAbsicherunggibtesnurfürsogenannteDienstordnungsangestellte,diedurchdieUnterbringungineineranderenKasseabzusichern sind. UnkündbarenArbeitnehmerinnenundArbeitnehmernisteineStellebei eineranderenkasseoderbeimlandesverbandanzubieten,wobeidiese nichtgleichwertigseinmuss.einekompensationspflichtfürgeringere Entgelteistnichtgeregelt,ebensofehlteineRegelungzurWohnortnähe o.ä. GarnichtgeschütztsinddiekündbarenBeschäftigtenbeidenErsatzkassen sowiedenbetriebskrankenkassen.fürdiesegiltwedergesetzlicheroder tariflicherkündigungsschutznochbestimmtesonderregelungen,diebeschäftigtederallgemeinenortskrankenkassenundderinnungskrankenkasseninanspruchnehmenkönnen.stattdessenendetdasarbeitsverhältnis vonbeschäftigtenderersatzkassensowiederbetriebskrankenkassenohne die Einhaltung der üblichen Fristen mit dem Tag der Kassenschließung.
4 Drucksache 17/ Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode FürdieletztgenannteGruppevonBeschäftigtensinddieFolgendergesetzlichenSchließungihrerKassegravierend.EsgibtwedereinenSonderkündigungsschutzz.B.fürSchwangerenochdasüblicheKündigungserfordernisunterEinhaltunggesetzlicherundtariflicherFristenodereinSozialauswahlprocedere.ObdieserintensiveEingriffindasKündigungsschutzgesetzsowiein dasprivaterechtsverhältnisderbeschäftigtenverfassungskonformist,erscheintzweifelhaft.ebensofraglichistdieunterschiedlichebehandlungder AngestelltenangesichtsdesGleichbehandlungsgrundsatzesnachArtikel3des Grundgesetzes. Abschaffung der Begrenzung auf 50 bis 80 Krankheiten DieseinerzeitvonderCDU/CSUdurchgesetzteBeschränkungdesRisikostrukturausgleichsauf50bis80KrankheitenbelässtweiterhinAnreizezurRisikoselektionvonSeitenderKrankenkassen.DieFraktionderSPDfordertdeshalb dieabschaffungdieserwillkürlichenbegrenzungauf50bis80krankheiten. InsbesonderePatientinnenundPatientenmitseltenenaberhochteurenErkrankungen,dienichtzumKatalogder80ausgleichsfähigenKrankheitenzählen, sindgefährdet,zumopfervonselektionsstrategienzuwerden.diewillkürlichebegrenzungauf80krankheitenschafftaußerdemzusätzlichenundvermeidbarenverwaltungsaufwand.dadie80krankheitenvombundesversicherungsamtjedesjahrneubestimmtwerdenmüssen,wirdlaufenddasgesamte MorbiditätsgeschehendergesetzlichenKrankenversicherungerfasstundermittelt.FürdieKassenbestehtdurchdiejährlicheNeubestimmungder80KrankheiteneineerheblicheUnsicherheit,obderzuerwartendenZuweisungenaus demgesundheitsfonds.zudemmachtdiewillkürlichebeschränkungdenausgleichmanipulationsanfällig,indemderfokusaufbestimmteausgleichsfähige Diagnosengelenktwird.DurchdenWegfallderwillkürlichenBegrenzungauf 80KrankheitenwirddieVerwaltungdesRisikostrukturausgleichsdurchdas Bundesversicherungsamtunbürokratischer,dieZuweisungenausdemGesundheitsfondswerdentransparenter,planbarerundwenigermanipulationsanfällig und die Versorgung wird für die Patientinnen und Patienten verlässlicher. Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs DamitderWettbewerbzwischendenKrankenkassenimSinneundzumVorteil derversichertengeführtwird,musserzumzielhaben,diequalitätunddie WirtschaftlichkeitdermedizinischenVersorgungzuverbessern.Voraussetzung dafürist,dassfürdiekassenkeineanreizezurrisikoselektionbestehenund alleversichertengleichwillkommensind,unabhängigvonalter,geschlecht undmöglicherweisebestehendenerkrankungenoderbehinderungen.dasist nurzuerreichenmiteinemzielgenaufunktionierendenrisikostrukturausgleich. DieVersuchevielerKassen,VersichertederCity-BKKabzuweisen,sindein sichereszeichendafür,dassdierahmenbedingungendeswettbewerbsderzeit völligunzureichendausgestaltetsind.mitschreibendesbundesministeriums fürgesundheitvom12.november2010wurdederwissenschaftlichebeirat zurweiterentwicklungdesrisikostrukturausgleichsbeimbundesversicherungsamtbeauftragt,bisendemärz2011aufderbasisderergebnissedes RisikostrukturjahresausgleichsdieWirkungendesmorbiditätsorientiertenRisikostrukturausgleichszuüberprüfensowiedieFolgenrelevanterVorschlägezur VeränderungdesmorbiditätsorientiertenRisikostrukturausgleichsempirischabzuschätzen.DiesesGutachtenmussnunmehrdringendvorgelegtunddieErgebnisseausgewertetwerden,damitderRisikostrukturausgleichaufdieserGrundlage weiterentwickelt werden kann.
5 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/6485 Abschaffung der Zusatzbeiträge DieFraktionderSPDhatbereitseinenAntrageingebracht,mitderForderung, diezusatzbeiträgeabzuschaffenundzurückzukehrenzueinerparitätischen Finanzierung,beiderArbeitgeberundArbeitnehmerzugleichenTeilendie Beitragslasttragen.DurchgesetzlicheRegelungensolldaraufhingewirkt werden,dassallekurzfristigzuerschließendeneffizienz-undwirtschaftlichkeitsreservenindergesundheitsversorgungerschlossenwerdenkönnen. GleichzeitigsolleinFinanzausgleichzwischengesetzlicherundprivaterKrankenversicherungeingeführtwerden,derunterschiedlicheMorbiditätund Finanzkraftberücksichtigt.Der 242SGBV (KassenindividuelleZusatzbeiträge) soll gestrichen werden.
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