-LERNZENTRUM, ETH ZÜRICH
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- Gabriel Kerner
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1 SEQUENZ, LESETEXT. Eie löchrige Gerade Eis ist gaz klar: Es gibt uedlich viele ratioale Zahle, ud es wird icht möglich sei, auf der Zahlgerade irgedei Itervall zu fide, i dem sich keie eizige ratioale Zahl befidet. Ageomme, jemad behauptet, dass zwische ud keie eizige ratioale Zahl zu fide ist. Das köte wir u leicht widerlege. Beide geate Zahle lasse sich ja als ratioale Zahle schreibe: x : ud y: Ud wie wir obe erkat habe, lasse sich zwische zwei verschiedee ratioale Zahle immer uedlich viele weitere ratioale Zahle fide, eie zum Beispiel, idem 1 ma das arithmetische Mittel x y berechet. Die ratioale Zahle liege ja dicht auf der Zahlgerade; somit köe wir icht davo ausgehe, dass u och gaze Abschitte auf der Zahlgerade leer sid. Es ka höchstes puktförmige Lücke gebe, also Stelle auf der Zahlgerade, dee icht eie ratioale Zahl zugeordet werde ka. Gibt es solche? Ud wie viele gibt es? I der Tat ist die Zahlgerade mit de ratioale Zahle och immer löchrig, ud es braucht icht-ratioale Zahle, um diese Löcher zu stopfe. Das ist umso erstaulicher, als ja zwische zwei ugleiche ratioale Zahle uedlich viele weitere ratioale Zahle sid; aber trotzdem ist zwische de ratioale Zahle och immer viel Platz. Offebar ist es icht eifach, eie wirklich realistische Vorstellug vom Aufbau der Zahlgerade zu gewie. Eie wirklich überzeugede Atwort auf die Frage, ob es ebst de ratioale Zahle och weitere gibt, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Dezimalbruchetwicklug eier ratioale Zahl stets abbreched oder periodisch ist, wie obe gezeigt. Das bedeutet ja auch, dass es weitere Zahle gebe muss, ämlich solche, die eie ichtabbrechede ud icht-periodische Dezimalbruchetwicklug habe. Sid solche Zahle exotische Eizelfälle? Ud wie köe wir zu kokrete Beispiele komme? Nu, offebar köe wir de Baupla eiiger solcher Zahle leicht agebe; wir müsse ja ur dafür sorge, dass die Nachkommastelle ie aufhöre ud keierlei periodisches Muster aehme. Zum Beispiel ist sicher icht ratioal, jedefalls we wir forder, dass das Muster ohe Ede so weitergehe soll. I ählicher Weise köe wir sofort weitere icht-ratioale Zahle erzeuge: usw. Offebar muss es uedlich viele ichtratioale Zahle gebe, de es gibt sicher icht ur edlich viele Möglichkeite, solche Muster wie obe zu erzeuge. Trotz uedlich vieler ratioaler Zahle gibt es auf der Zahlgerade also Platz für uedlich viele weitere Zahle. Bei all diese Zahle köe wir sicher sei, dass sie ie ud immer als Bruch mit gazzahligem Zähler ud 1
2 SEQUENZ, LESETEXT. gazzahligem Neer geschriebe werde köe, de wäre das möglich, so müsste die Dezimalbruchetwicklug ja abbreched oder periodisch sei. Es wird aber auch klar, dass wir ie i der Lage sei werde, eie icht-ratioale Zahl exakt azugebe. Auch Tascherecher ud Computer köe das icht. Jede Darstellug eier Zahl, sei das u auf Papier oder Bit für Bit i eiem elektroische Speicher, muss ach edlich viele Iformatioseiheite abbreche. Wir sehe also, dass es uedlich viele ichtratioale Zahle gebe, ud gleichzeitig, dass der recherische Umgag mit ihe besoders heikel sei muss. Irratioale Zahle ud reelle Zahle Zahle, die icht als Bruch zweier gazer Zahle dargestellt werde köe, heisse irratioal. Merke: Eie Zahl auf der Zahlgerade, die icht i p der Form mit p, q (ud q 0 ) q geschriebe werde ka, heisst irratioale Zahl. Es gibt uedlich viele irratioale Zahle. Die Dezimaldarstellug eier irratioale Zahl ist icht-abbreched ud ichtperiodisch. Es lässt sich zeige, dass durch Hizuahme der irratioale Zahle zu de ratioale die Zahlgerade keierlei Löcher mehr aufweist. Sie ist also voll; jeder Stelle auf der Zahlgerade lässt sich geau eie ratioale oder irratioale Zahl zuorde. Es ist darum sivoll, für die Gesamtheit all dieser Zahle eie eigee Name eizuführe: Alle ratioale ud irratioale Zahle zusamme werde reelle Zahle geat. Das Symbol für die Mege aller reelle Zahle ist. Da isbesodere eie Teilmege vo ist, köe wir usere Mege- Matrjoschka wie folgt ausbaue: icht-triviale Beispiele ud ei Beweis We irratioale Zahle diskutiert werde, hört ma oft, die Kreiszahl sei eie solche oder auch. Allerdigs ist das ebe icht trivial. Um das eizusehe, köe wir ja icht eifach die Nachkommastelle aschaue ud feststelle, dass sie ichtabbreched ud icht-periodisch sid. We ma sich etwa die Nachkommastelle vo aschaut: so ka ma ja ie gaz sicher sei, ob sich irgedwa doch och eie Periode eistelle oder ob die Etwicklug gar abbreche wird. Es köte ja sei, dass diese Zahl als Bruch vo irrsiig grosse gaze Zahle geschriebe werde ka, so dass es Tausede vo mögliche Reste gibt ud die Periode erst ach Tausede vo Stelle
3 SEQUENZ, LESETEXT. sichtbar wird. Dass das icht so ist, dass die Zahl i der Tat irratioal ist, ist icht klar ud bedarf eies strege Beweises: Satz: Vor dem Beweis ist allerdigs ei weig Vorarbeit ötig: Jede atürliche Zahl >1 ka ma i eideutiger Weise i Primfaktore zerlege. Was bedeutet das geau? Primzahle sid atürliche Zahle mit geau zwei Teiler; sie gehe also ur bei Divisio durch 1 ud durch sich selber restlos auf. Die erste paar Primzahle sid, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 3, Betrachte wir etwa die Zahl 60, so ka ma sie wie folgt zerlege i ihre Primfaktore: Ud bei der Zahl 8775 sähe das so aus: Dass diese Zerlegug eideutig ist, ist schell klar, we ma darüber achdekt, wie ma sie erzeugt: Ma begit mit der kleiste Primzahl, also, ud teilt so oft durch sie wie möglich; da geht ma weiter zu der ächstgrössere Primzahl ud teilt durch sie so oft wie möglich, ud so fort. Dass dabei icht verschiedee Zerleguge bei ei ud derselbe Zahl etstehe köe, ist klar, auch we das atürlich kei streger Beweis für die Eideutigkeit ist. We also jemad sagt, eie Zahl habe die 3 Primfaktorzerlegug 7 11, so köe wir sicher sei, dass es icht möglich ist, diese Zahl durch eie gaz adere Primfaktorzerlegug darzustelle. Auch das Folgede leuchtet schell ei: Sei irgedeie atürliche Zahl ud p ei Primfaktor i der Primfaktorzerlegug vo. Gaz egal, wie oft p i der Primfaktorzerlegug vo vorkommt, wir köe sicher sei, dass i der Primfaktorzerlegug vo der Faktor p i gerader Azahl vorkomme wird. Betrachte wir ei Beispiel: I kommt der Primfaktor i gerader, der Primfaktor 7 i ugerader ud der Primfaktor 11 ebefalls i ugerader Azahl vor; alle adere Primfaktore komme gar icht vor. We wir die Zahl quadriere, so geschieht Folgedes: Nu kommt also jeder Primfaktor i gerader Azahl vor, eierlei, ob er vorher i gerader oder ugerader Azahl aufgetrete ist. Das hat eifach ur damit zu tu, dass bei der Quadratur die Azahl jedes Primfaktors verdoppelt wird. Allgemeier: Ist k... p... für eie Primzahl p ud eie atürliche Zahl k, so ist... p... k Wir köe also sicher sei, dass i eier Quadratzahl jeder Primfaktor etweder gar icht oder aber i gerader Azahl vorkommt. Nach dieser kleie Vorarbeit ist der Beweis der Irratioalität vo eifach: u besoders 3
4 SEQUENZ, LESETEXT. Beweis: Ageomme, wäre ratioal. Da müsste sich die Zahl als Bruch mit gazzahligem Zähler ud Neer schreibe lasse: m ud m, ud 0 Nach Multiplikatio mit ud Quadratur erhielte ma da: m m Aber hier sieht ma deutlich, dass das umöglich ist. Aufgrud des Gleichheitszeiches müsste liks ud rechts dieselbe atürliche Zahl stehe. Aber das ka icht sei: De i der Zahl rechts kommt der Primfaktor etweder gar icht oder i gerader Azahl vor, weil es ja eie Quadratzahl ist. Ud i der Zahl liks kommt der Primfaktor sicher i ugerader Azahl vor, ämlich i gerader Azahl i der Quadratzahl ud da och eimal mehr. Folglich köe die beide Zahle umöglich gleich sei. m ud Wir sehe also, dass ei Widerspruch etsteht, we ma aimmt, wäre ratioal. Somit ka diese Zahl umöglich ratioal ud muss folglich irratioal sei. Mit ähliche Methode ka ma übriges zeige, dass die Quadratwurzel jeder atürliche Zahl, die keie Quadratzahl ist, irratioal sei muss. Allei daraus ergebe sich also bereits uedlich viele irratioale Zahle:, 3, 5, 6, 7, 8, 10,... Irratioalitätsbeweise sid oftmals sehr aspruchsvoll, weil es icht geügt, die erste paar Nachkommastelle azuschaue. Auch we ma Tausede vo Stelle utersucht, ka ma ie gaz sicher sei, ob sich eie Periode vielleicht erst später eistelle wird oder ebe icht. Vielmehr muss ma streg achweise, dass es prizipiell umöglich ist, die zur Diskussio stehede Zahl i der Form eies Bruches mit gazzahligem Zähler ud Neer zu schreibe. Ud das ka gaz schö aspruchsvoll sei. Zum Beispiel hat Joha Heirich Lambert 1761 bewiese, dass die Kreiszahl ebefalls irratioal ist hat Leohard Euler die Irratioalität der Zahl e (= ) bewiese; umittelbar eisichtig ist das aber beides icht; die Beweise sid icht gaz eifach zu verstehe. Bezüglich Irratioalität gibt es sogar zahlreiche ugelöste Probleme bis zum heutige Tag. So weiss ma etwa icht, ob die Zahl e ratioal oder irratioal ist ud auch icht, ob die Zahl e ratioal oder irratioal ist. (Iteressaterweise weiss ma aber, dass weigstes eie dieser beide Zahle irratioal sei muss; es ist icht möglich, dass beide ratioal sid.) Eie gefährliche Etdeckug? Die Etdeckug der Irratioalität geht auf Hippasos vo Metapot zurück, eie griechische Mathematiker aus dem Orde der Pythagoreer, der im späte 6. ud frühe 5. Jahrhudert vor Christus i Uteritalie lebte. Er hat wahrscheilich herausgefude, dass Diagoale ud Seite im Quadrat ikommesurabel sid, was bedeutet, dass ihr Lägeverhältis sich icht als ratioale Zahl schreibe lässt. I der Tat beträgt dieses Verhältis ja gerade, ud darum war Hippasos wohl der erste, der für die Irratio- 4
5 SEQUENZ, LESETEXT. alität dieser Zahl eie Beweis erbrachte. Es ist allerdigs icht verlässlich überliefert, ob er die Irratioalität tatsächlich a diesem Beispiel etdeckt hat ud icht vielleicht im regelmässige Füfeck, wo das Lägeverhältis vo Diagoale zu Seite ebefalls irratioal ist. verwedet worde war, zudem die Bedeutuge usagbar ud geheim hatte. Gemäss eier alte Überlieferug soll Pythagoras über diese Etdeckug sehr erbost gewese sei, weil sie ageblich das Weltbild der Pythagoreer erschütterte, woach alles auf der Welt durch gazzahlige Verhältisse ausdrückbar sei. Ud als da Hippasos später im Meer ertrak, soll Pythagoras das als göttliche Strafe für diese Verrat agesehe habe. Modere Wisseschaftshistoriker gehe allerdigs davo aus, dass das so icht passiert sei ka. Es ist eifach icht plausibel, dass ei Forscher wie Pythagoras sich gegeüber eier sesatioelle wisseschaftliche Etdeckug vo diesem Kaliber verschlosse hatte. I der Folge hatte sich die griechische Mathematik auch grudleged verädert, was dafür spricht, dass die Etdeckug schell absorbiert worde war. Vielleicht ist diese Überlieferug dadurch etstade, dass das griechische Wort, welches für irratioal (im mathematische Sie) 5
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