J. Anteilige Außenhaftung/Haftungssystem der Wohnungseigentümergemeinschaft
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- Elisabeth Hummel
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1 Allgemeine Grundsätze 10 J. Anteilige Außenhaftung/Haftungssystem der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband I. Anteilige Haftung II. Auseinanderfallen von Außenhaftung und Innenhaftung 298 III. Sonderfälle einer gesamtschuldnerischen Haftung IV. Haftungsvoraussetzungen V. Unmittelbarkeit der Haftung VI. Einwendungen und Einreden des haftenden Wohnungseigentümers VII. Verhältnis der haftenden Wohnungseigentümer untereinander und zum Verband VIII. Nachhaftung IX. Haftung des Wohnungseigentümers gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband X. Durchsetzung der Haftung XI. Sicherheiten der Gläubiger für diese Haftung A. Normzweck Der 1. Abschnitt des Gesetzes ( 2 9 WEG) enthält die Bestimmungen für die sachenrechtliche Begründung von Wohnungseigentum. Der 2. Abschnitt ( WEG) befasst sich mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und zwar sowohl mit dem Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander als auch mit dem Handeln der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Da die Vorschriften über die BGB-Gemeinschaft in 741 ff. BGB für eine Gemeinschaft von Miteigentümern nicht ausreichend sind, bei der u. a. durch das Nebeneinander von gemeinschaftlichen Eigentum und Sondereigentum, den Besonderheiten des gemeinsamen Gebrauchs einschließlich der dadurch verursachten Kosten und Lasten, einem Verwaltungsvermögen neben dem gemeinschaftlichen Eigentum ( Rn. 282) und vielfältigen, im gemeinsamen Interesse geschlossenen Verträgen, spezifische Regelungskonflikte auftreten, mussten mit den 10 ff. WEG für das Verhältnis der Wohnungseigentümer stärker detaillierte Sondervorschriften geschaffen werden. Durch diese Sondervorschriften unterscheidet sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Ergebnis wesentlich von der Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück nach 741 ff., 1008 ff. BGB (BGH NJW 1993, 727 unter II. 2. b). 10 WEG ist dabei die magna charta des Gemeinschaftsrechts (Bärmann/Klein 10 Rn. 1). Von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist der Verband Wohnungseigentümergemeinschaft zu unterscheiden ( Rn. 22). Denn soweit durch 10 Abs. 6 Satz 1 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für rechtsfähig erklärt wird, ist damit nach hier vertretener Ansicht nicht die durch 10 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 1, 17 Satz 1, 18 Abs. 1 WEG angesprochene Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern ein neben dieser Gemeinschaft stehender Verband mit eigenen Rechten, eigenen Pflichten und eigenem Vermögen gemeint. Zur klareren Unterscheidung wird daher hier die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband angesprochen, die besonders ausgestaltete Bruchteilsgemeinschaft nach
2 3 10 I. Teil. 2. Abschnitt. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Abs. 2 Satz 1 WEG, 741 ff., 1008 ff. BGB hingegen mit Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Gemeinschaftliches Eigentum und Sondereigentum einerseits sowie die zwischen den Wohnungseigentümern bestehende Sonderverbindung ( Rn. 69 ff.) andererseits führen nicht dazu, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband als eine besondere Gesellschaftsform anzusehen (Dreyer DNotZ 2007, 600). Es fehlt vor allem an einem gemeinsamen Zweck, zu dessen Verfolgung sich die Wohnungseigentümer vertraglich zusammengeschlossen haben ( Rn. 30). B. Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaft I. Wohnungseigentümer 4 1. Definition. Wohnungseigentümer (Teileigentümer) isd Gesetzes ist, wer im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen ist (BGH NJW 2012, 3232 Rn. 8; 1989, 1087; KG ZWE 2001, 329; OLG Hamm ZMR 2000, 128; OLG Saarbrücken ZMR 1998, 595; BayObLG NJW 1990, 3216; Heismann ZMR 2004, 10). Anderes gilt jedoch, wenn die Eintragung im Grundbuch mit der wahren Rechtslage nicht übereinstimmt. Der bloße Bucheigentümer (Scheinwohnungseigentümer) kann nicht als Wohnungseigentümer verstanden werden. Die faktische Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vermag die fehlende Rechtsstellung nicht zu ersetzen (BGH NJW 2012, 3232 Rn. 8; 1994, 3352; OLG Stuttgart MietRB 2006, 106 (107); OLG Düsseldorf ZMR 2005, 719; KG ZWE 2001, 329; Kühnemund ZMR 2005, 747). Dieser Grundsatz gilt auch für die Fälle, in denen das Grundbuch nachträglich oder rückwirkend zb durch Anfechtung unrichtig wird (BGH NJW 1994, 3352; OLG Dresden NJW- RR 2010, 1168; OLG Düsseldorf ZMR 2005, 719; teilweise abw OLG Stuttgart ZMR 2005, 983). 5 Umgekehrt ist trotz fehlender Grundbucheintragung Wohnungseigentümer auch, wer durch Erbfall oder durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gem. 90 Abs. 1 ZVG außerhalb des Grundbuchs ein Wohnungseigentum erwirbt (BayObLG ZMR 2004, 524). Bei einem Treuhandverhältnis ist Wohnungseigentümer der im Grundbuch eingetragene Treuhänder (OLG Düsseldorf ZWE 2001, 615). Bei Veräußerung eines Wohnungseigentums ist der Erwerber erst mit der dinglichen Rechtsänderung im Grundbuch Wohnungseigentümer (BGH NJW 1994, 2950; OLG Zweibrücken WE 1999, 117; Rn. 16), kann aber werdender Wohnungseigentümer sein ( Rn. 9 ff.). 6 Die Einordnung einer Person als Wohnungseigentümer bestimmt, wer nach 20 ff. WEG an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentum teilnehmen darf, zb Inhaber des Stimmrechts ( 25 Rn. 10), aber auch klagebefugt ist ( 43 Rn. 6), wer die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, 140
3 Allgemeine Grundsätze 10 sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen hat ( 16 Rn. 10). 2. Miteigentümer von Wohnungseigentum. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu (zb Miteigentum von Ehegatten nach 741 ff. BGB oder Erbengemeinschaft), ist nicht jeder Berechtigte dieser Gemeinschaft zugleich Wohnungseigentümer (OLG München ZWE 2012, 92 und KG DNotZ 2004, 634 jeweils im Hinblick auf die Zuweisung eines Sondernutzungsrechts). Die Klassifizierung eines Bruchteilseigentümers als Wohnungseigentümer wäre nur denkbar, wenn man Bruchteilseigentum als Volleigentum ansieht (so zb Madaus AcP 212 (2012), 283). Nach ganz hm setzt sich aber bei einer Bruchteilsgemeinschaft die Rechtszuständigkeit hinsichtlich des gemeinschaftlichen Gegenstands aus den individuellen Bruchteilen jedes einzelnen Teilhabers zusammen (vgl. nur MüKoBGB/Schmidt 741 Rn. 2). Soweit die Rechtsprechung (BGH NZM 2012, 837; OLG Nürnberg ZWE 2011, 419) und ein Teil der Literatur (Häublein DNotZ 2004, 634 (635); Bärmann/Klein 10 Rn. 7) der Ansicht ist, jeder Bruchteilseigentümer sei auch Wohnungseigentümer isv 10 ff. WEG, kann dem daher nicht gefolgt werden (Elzer AnwZert MietR 20/ 2012). Dies würde auch sachenrechtlich zu nicht akzeptablen Ergebnissen führen. Wäre jede Miteigentümer Wohnungseigentümer, würde die betreffende Einheit zwingend gem. 5 Abs. 2 WEG insgesamt im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, weil dann die Räume und Raumbestandteile bei einer Mehrheit von Eigentümern von mehr als einem Wohnungseigentümer benötigt werden und daher unabänderlich dem gemeinschaftlichen Gebrauch unterfallen ( 5 Rn. 25). Gehört eine Einheit mehreren Berechtigten, vermehrt sich hierdurch die Anzahl der echten Wohnungseigentümer somit nicht. Nur die jeweilige sachenrechtliche Einheit ist in das Gesamtgefüge eingebunden und damit die Einheit der Vielzahl der Eigentümer Wohnungseigentümer isd Gesetzes. Das Verhältnis der Mitberechtigten richtet sich nicht nach dem WEG sondern nach dem jeweiligen Gemeinschaftsverhältnis (zb 741 ff., 2033 ff.). Aus diesem Grund kann der einzelne Bruchteilseigentümer einer Einheit nur als gesetzlicher Prozessstandschafter der anderen Miteigentümer getrennt Beschlüsse anfechten (LG Frankfurt ZWE 2013, 469). Denkbar erscheint, im Rahmen der Verwaltung die einzelnen Mitberechtigten als Wohnungseigentümer im weiteren Sinne (so OLG Nürnberg ZWE 2011, 419) anzusehen, mit der Folge, dass jeder Mitberechtigte eines Wohnungseigentums getrennt einzuladen ist (KG NJW-RR 1996, 844 (845)) oder jeder Mitberechtigte in seiner Person das gemeinschaftliche Eigentum nutzen kann. 3. Werdender Wohnungseigentümer. a) Sachlicher Anwendungsbereich. Wohnungseigentümer ist nur der in Übereinstimmung mit der wahren Rechtslage im Wohnungsgrundbuch eingetragene Eigentümer ( Rn. 4). Beim Erwerb eines noch zu errichtenden Wohnungseigentums vom Bauträger findet die Eigentumsumschreibung nicht selten Jahre nach dem Besitzübergang auf den Erwerber statt. In diesen Fällen ist eine vorverlagerte Anwendung des WEG geboten (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 5;
4 I. Teil. 2. Abschnitt. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 2008, 2639 Rn. 12; 2004, 1798; OLG Hamm DNotZ 2000, 215, 117; Wenzel NZM 2008, 626; insgesamt abl. Belz FS Merle, 51), weil bei einer rein sachenrechtlichen Betrachtung der aufteilende Eigentümer für diesen Zeitraum mangels Existenz einer Gemeinschaft weiterhin Alleineigentümer der Wohnanlage ist und damit die alleinige Entscheidungs- und Verwaltungskompetenz besäße. b) Rechtliche Voraussetzungen. Voraussetzung für eine vorverlagerte Anwendung der Vorschriften des WEG ist, dass der Erwerber auf Grund einer rechtlich verfestigten Erwerbsposition ein berechtigtes Interesse daran erlangt hat, die mit einem Wohnungseigentum verbundenen Verwaltungsrechte vorzeitig auszuüben. Eine solche Erwerbsposition ist entstanden, wenn ein wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Eigentumsvormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 5; 2008, 2639 Rn. 14). Der Sicherung durch eine Eigentumsvormerkung steht es gleich, wenn der Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt gestellt und damit ein dem späteren Vollrecht vergleichbares, übertragbares und pfändbares Anwartschaftsrecht für den Erwerber entstanden ist (Wenzel NZM 2008, 625). Die Wohnungsgrundbücher müssen noch nicht angelegt sein, dh die jeweiligen Eigentumsvormerkungen können auch am ungeteilten Grundstück eingetragen sein (BGH NJW 2008, 2639 Rn. 15; OLG Köln NZM 2000, 53 aa OLG München ZMR 2006, 308; BayObLG WE 1991, 201; Schneider ZfIR 2011, 550; Becker ZfIR 2008, 869). Große Bedeutung kommt dieser Frage freilich nicht zu, da die Vormerkungen in aller Regel in den betreffenden Wohnungsgrundbüchern und nicht im Grundbuch des nicht aufgeteilten Grundstücks eingetragen werden. c) Rechtliche Stellung. Für den werdenden Wohnungseigentümer sind die Vorschriften des WEG anzuwenden, soweit nicht den Umständen nach eine Eintragung im Grundbuch notwendig ist (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 5; 2008, 2639 Rn. 12; OLG Köln NZM 2006, 301; OLG München ZMR 2006, 308; OLG Hamm ZMR 2003, 776; BayObLG ZMR 2003, 516; Staudinger/Rapp 8 WEG Rn. 25). Werdende Wohnungseigentümer haben im Verhältnis untereinander die gleichen Rechte und Pflichten wie echte Wohnungseigentümer. Dies hat zur Folge, dass der werdende Wohnungseigentümer die Verwaltungsrechte nach 20 ff. WEG ausüben kann und gem. 16 Abs. 2 WEG die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen hat (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 5; 2008, 2639 Rn. 14 und 21). Zu beachten ist, dass nur der mit dem sachenrechtlichen Wohnungseigentum verbundene Status eines Mitglieds der Verwaltungsgemeinschaft auf den Erwerber übergeht. Mit der Anerkennung eines werdenden Wohnungseigentümers geht mithin keine Verschiebung oder Vorwegnahme der sachenrechtlichen Zuordnung einher (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 16). Die sachenrechtlichen Eigentumsrechte verbleiben viel- 142
5 Allgemeine Grundsätze 10 mehr beim Veräußerer, weil aus dem ungeteilten Eigentum keine doppelte Verbandsmitgliedschaft erwachsen kann (Wenzel NZM 2008, 628). d) Zeitliches Ende. Der Status eines Erwerbers als werdender Wohnungseigentümer endet, sobald er im Wohnungsgrundbuch eingetragen wird und zum Volleigentümer und Wohnungseigentümer wird. Die bis zu diesem Zeitpunkt erlangte Rechtsposition der übrigen Erwerber als werdende Wohnungseigentümer endet hierdurch nicht, sondern bleibt bis zu deren Grundbucheintragung in diesem Zustand jeweils bestehen, auch wenn durch die Eintragung des ersten Erwerbers eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entstanden ist (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 5; 2008, 2639 Rn. 16; OLG Köln NZM 2006, 301). Diese setzt sich dann zusammen aus dem aufteilenden Bauträger, den echten Wohnungseigentümern und den noch vorhandenen werdenden Wohnungseigentümern. Sobald der erste Erwerber im Wohnungsgrundbuch eingetragen ist und er damit echter Wohnungseigentümer wird, kann für Erwerber, die nach diesem Zeitpunkt den Erwerbsvertrag abschließen, die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers nicht mehr angewendet werden (OLG Düsseldorf ZMR 2007, 126; BayObLG NJW 1990, 3216; Elzer ZMR 2008, 808; Müller FS Merle, PiG 86 (2010), 258; Staudinger/Rapp 8 WEG Rn. 26a; aa Reymann ZWE 2009, 243; Wenzel NZM 2008, 627; Heismann ZMR 2004, 13; Coester NJW 1990, 3184; LG Ellwangen NJW- RR 1996, 973; offen gelassen von BGH NJW 2012, 2650 Rn. 12). Unerheblich hingegen ist, wenn der Vertragsschluss vor dem Entstehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgt und die übrigen Voraussetzungen für die Einordnung als werdender Wohnungseigentümer erst danach erfüllt werden. Ein solcher Erwerber ist ebenfalls als werdender Wohnungseigentümer zu behandeln. Dies ergibt sich aus dem schutzwürdigen kollektiven Gleichberechtigungs- und Demokratisierungsinteresse an der Vorverlagerung der aus dem WEG folgenden Rechte und Pflichten zu Gunsten der Nachzügler, denen es im Ergebnis nicht zuzumuten ist, wegen des zufälligen Zeitpunkt des Entstehens der Vollgemeinschaft die genannten Rechte und Pflichten noch nicht zu erwerben bzw. noch nicht inne zu haben (BGH NJW 2012, 2650 Rn. 12). Wird hingegen ein Erwerbsvertrag erst nach Entstehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossen, ist für diese Fälle das Modell des werdenden Wohnungseigentümers abzulehnen. Es lassen sich nämlich keine geeigneten Abgrenzungskriterien für das Ende der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft und den Übergang zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer finden. Eine Anlehnung an die fünfjährige werkvertragliche Verjährungsfrist (so Wenzel NZM 2008, 627 ff.; zust. Timme MDR 2012, 1070) überzeugt schon deshalb nicht, weil dem Erwerb nicht immer werkvertragliche Vorschriften zugrunde liegen, beispielsweise bei einer Veräußerung von unsaniertem Wohnungseigentum im Altbau oder einer schenkungsweisen Übertragung. Als völlig grenzenlos abzulehnen ist die Idee, jeden Ersterwerber bis zu der Veräußerung der letzten Einheit durch den Bauträger ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Erlangens einer gesicherten Erwerbsposition als werdende Wohnungseigentümer anzusehen (so Bär
6 I. Teil. 2. Abschnitt. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mann/klein 10 Rn. 18; Reymann ZWE 2009, 241 ff.). Wird nämlich aus der beabsichtigen Veräußerung einer Einheit eine dauerhafte Eigentümerstellung, findet die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers nie ein zeitliches Ende. Ein Datum, das geeigneter wäre als der durch die Grundbucheintragung eindeutig fixierte Tag der Entstehung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist nicht zu sehen. Es ist angemessen, sachgerecht, systemimmanent und vom Gesetz intendiert (Elzer ZMR 2008, 810; Müller FS Merle, PiG 86 (2010), 258). Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Ersterwerber kann hierin nicht gesehen werden, weil die Existenz der voll entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaft vor Abschluss des Erwerbsvertrags aus dem Grundbuch ersichtlich und damit für die Beteiligten anders als die übrigen diskutierten Abgrenzungskriterien transparent ist. e) Abgrenzung zum Zweiterwerber. Zweiterwerber ist, wer sein Wohnungseigentum nicht vom aufteilenden Bauträger, sondern von einem bereits im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer erwirbt. Für solche Erwerber von Wohnungseigentum kann die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers nicht angewendet werden. Ein Zweiterwerber ist daher erst mit Eintragung im Wohnungsgrundbuch Wohnungseigentümer (BGH NJW 1989, 1087; OLG Zweibrücken WE 1999, 117; Wenzel DNotZ 1993, 302; kritisch hierzu OLG Saarbrücken NJW-RR 1998, 1094; Deckert WE 1990, 151). Soweit ein solcher Zweiterwerber nach Vertragsschluss und vor Grundbucheintragung ebenfalls als werdender Wohnungseigentümer bezeichnet wird, darf er in keinem Fall mit dem werdenden Wohnungseigentümer im dargestellten Sinne gleich gesetzt werden. Sinnvollerweise sollte für den Zweiterwerb zur Vermeidung von Missverständnissen ganz auf diese Bezeichnung verzichtet werden. 4. Berechtigter eines isolierten Miteigentumsanteils. Scheitert die Begründung vollständigen Wohnungseigentums daran, dass der Eigentümer zwar Miteigentum, nicht aber Sondereigentum erlangt (isolierter Miteigentumsanteil, 3 Rn. 71, 103), ist der Eigentümer dennoch Wohnungseigentümer (Hügel ZMR 2004, 553) oder als Wohnungseigentümer (BGH NJW 2011, 3237 Rn. 17; 2004, 1798; OLG Hamm NZM 2007, 44; Bärmann/Klein 10 Rn. 3) zu behandeln (aa Dreyer DNotZ 2007, 612). Dies folgt aus dem Umstand, dass es ein Nebeneinander von Miteigentümerund Wohnungseigentümergemeinschaft an demselben Grundstück nicht geben kann. II. Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband Begriff. Die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft wird im Gesetz vor allem als Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bezeichnet, etwa in 10 Abs. 6 Satz 1 WEG, in 10 Abs. 8 Satz 4, 11 Abs. 3, 27 Abs. 3 Satz 2 WEG aber auch als Gemeinschaft oder in 10 Abs. 6 Satz 4 Wohnungseigentümergemeinschaft. Da neben der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft noch eine Bruchteilsgemeinschaft am gemeinschaftlichen Eigentum isv 1 Abs. 5 WEG besteht ( Rn. 22), wird 144
7 Allgemeine Grundsätze 10 zur Verdeutlichung in diesem Werk der teilrechtsfähige Verband als Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband oder als Verband Wohnungseigentümergemeinschaft bezeichnet. 2. Rechtsnatur der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Grundlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband sind das Gesetz, der Aufteilungsvertrag bzw. die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung. Nach 10 Abs. 6 Satz 1 WEG kann dieser Verband im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Er ist Inhaber der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten ( 10 Abs. 6 Satz 2 WEG). Auch wenn die (teil-) rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband nach ihrer Entdeckung durch den BGH (NJW 2005, 2061) damit eine gesetzliche Grundlage hat, bleibt ihre rechtliche Deutung schwierig. Klar ist zunächst, dass sie sich keinem der bekannten Verbände zuordnen lässt, sondern ein Verband sui generis ist (BGH NJW 2005, 2061; ausf. hierzu Fauser Haftungsverfassung, 245), an der Schnittstelle von Schuld-, Verbandsund Sachenrecht (Armbrüster ZWE 2005, 375). Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband wird anders als die übrigen bekannten Verbandsformen nicht vertraglich begründet, sondern entsteht kraft Gesetzes zwischen den dinglich berechtigten Wohnungseigentümern eines Grundstücks und ist untrennbar an die Inhaberschaft des Wohnungseigentums gebunden (Elzer ZMR 2013, 770; Dreyer DNotZ 2007, 601). Sie ist gem. 11 WEG nicht insolvenzfähig und wird primär durch den Verwalter als gesetzliches Organ vertreten ( 26 Rn. 50), das allerdings vgw ( 27 Abs. 3 Satz 1 WEG) nicht zur umfassenden Vertretung berufen ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband sui generis tendiert nicht in Richtung Personengesellschaft, sondern ist eher körperschaftlich zu verstehen. Am ehesten dürfte der Verein eine Orientierungshilfe bieten, weil die körperschaftlich strukturierte Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband und ihr Vermögen streng von ihren Mitgliedern zu trennen ist. Diese sind nur Mitglieder des Verbands während der Zeit ihrer Eigentümerstellung. Danach scheiden sie wieder aus dem Verband aus, ohne vorher eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung durchführen zu können. Durch diese Konstruktion der (nur) teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband verbleibt notwendigerweise der restliche Teil der Rechte und Pflichten bei den Wohnungseigentümern selbst. Das Gesetz definiert diesen Bereich in 10 Abs. 1 WEG positiv, in dem dort bestimmt wird, dass Inhaber der Rechte und Pflichten nach den Vorschriften dieses Gesetzes, insb. des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums, die Wohnungseigentümer sind, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Durch diese Zweiteilung kommt es zu einer Differenzierung zwischen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer als Teilhabern der Bruchteilsgemeinschaft ( 10 Abs. 2 Satz 1 WEG ivm 745, 746 BGB) und der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Das Verhältnis dieser beiden Rechtskreise wird äußerst kontrovers diskutiert
8 I. Teil. 2. Abschnitt. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Trotz der zwingenden Trennung zwischen der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband sowie den Wohnungseigentümern als Bruchteilseigentümern des gemeinschaftlichen Eigentums meint ein Teil der Literatur (Niedenführ NJW 2007, 1843; Bub ZWE 2007, 19; Wenzel ZWE 2006, 463; Armbrüster ZWE 2006, 471; differenzierend Daum, Das Rechtssubjekt Wohnungseigentümergemeinschaft, 202), dass es sich stets um dieselbe Gemeinschaft handele (sog. Einheitstheorie). Sie trete gleichsam januskopfartig in zwei unterschiedlichen Bekleidungsformen auf. Einmal habe sie bildlich ausgedrückt den Mantel des Verbandes umgehängt, im anderen Fall schmückt sie sich mit dem Umhang der Bruchteilsgemeinschaft. Eine Trennung in zwei Gemeinschaften widerspreche dem Sinn und Zweck der Teilrechtsfähigkeit, die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft im Rechtsverkehr zu erleichtern, indem sie genau das Gegenteil bewirke. Bestimmung und Abgrenzung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Gemeinschaft könnten demzufolge nur danach erfolgen, ob es sich um eine Angelegenheit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums handele, es also um eine Art Geschäftsführung in Bezug auf die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gehe. Sei dies zu bejahen, seien Rechte und Pflichten der Gemeinschaft als Rechtsubjekt (Verband) zuzuordnen (Wenzel NZM 2006, 322). Der überwiegende Ansicht in der Literatur lehnt diese Einheitstheorie zutreffender Weise ab und begreift die Bruchteilsgemeinschaft und die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband als zwei unterschiedliche Gemeinschaften (sog. Trennungstheorie; grundlegend Hügel DNotZ 2005, 757 f.; Abramenko ZMR 2006, 410; Demharter NZM 2005, 491; Gottschalg FS Seuß, PiG 77, 114; Jennißen NZM 2006, 204; Müller FS Seuß, PiG 77, 213; Sauren ZWE 2006, 259; J.-H. Schmidt ZMR 2007, 91). Es bestehen zwei unterschiedliche Eigentumsbereiche. Einmal das gemeinschaftliche Eigentum isv 1 Abs. 5 WEG. Dieses ist den Wohnungseigentümern zwingend als Bruchteilseigentum zugeordnet; es besteht hieran eine Bruchteilsgemeinschaft. Daneben steht das Vermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. An diesem dem Verwaltungsvermögen ( 10 Abs. 7 Satz 1 WEG) stehen den einzelnen Wohnungseigentümern keine Eigentümerrechte zu. Das Verbandsvermögen ist dem Verband in alleiniger Berechtigung zugewiesen ( Rn. 281). Eine gleichzeitige Eigentumszuordnung eines Rechts zu diesen beiden Vermögenssphären ist nicht denkbar. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband ist nicht mit den Wohnungseigentümern in ihrer Gesamtheit und ihrer Gemeinschaft nach 741 ff. BGB identisch (BGH NZM 2007, 411 Rn. 10; OLG München NZM 2013, 792). Mit der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband und der nicht rechtsfähigen Miteigentümergemeinschaft existieren somit zwei unterschiedliche Zuordnungsobjekte für Rechte und Verbindlichkeiten (BGH NZM 2007, 411 Rn. 10; KG ZWE 2014, 24; OLG München NZM 2013, 792; Daum, Rechtssubjekt Wohnungseigentümergemeinschaft, 168). Auch das WEG geht ersichtlich von zwei getrennten Gemeinschaften aus, wie insbesondere die Gesetzesbegründung zu 10 Abs. 1 WEG (BT- Drs. 16/887, 60) und die Regelung in 27 Abs. 2 und 3 WEG zu erkennen geben. 27 Abs. 2 WEG regelt die Vertretungsmacht des Verwalters für die 146
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