Beitrag: Die Schweinepolitik Gequälte Tiere, spätes Verbot

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1 Manuskript Beitrag: Die Schweinepolitik Gequälte Tiere, spätes Verbot Sendung vom 16. Dezember 2014 von Jörg Göbel und Christian Rohde Anmoderation: Kurz vor dem Fest verkünden wir Ihnen eine frohe Botschaft: Der Bundeslandwirtschaftsminister startet eine Kampagne für mehr Tierwohl, auch in der Schweinemast. Und vergangene Woche wurde einem der größten Schweinezüchter in Deutschland die Tierhaltung verboten. Seit Jahren hatte Frontal21 über Missstände in der Schweinemast berichtet. Und seit Jahren schauten Politik und Behörden untätig zu. Aber nun griffen sie endlich ein. Doch leider war's das dann auch schon wieder mit dem Frontal21-Frohsinn. Denn ein Verbot allein beendet systematische Tierquälerei noch lange nicht. Und warme Worte reichen gerade mal fürs Schönreden, und bringen keinen Wandel. Jörg Göbel und Christian Rohde haben jedenfalls auch in der neuen Schweinepolitik viele alte Sauereien entdeckt. Text: Abgeschieden, einsam - aber riesig. Nur aus der Luft wird klar: Hier in Gladau, östlich von Magdeburg züchtet und mästet einer der größten Tierproduzenten das Fleisch, das die Deutschen am liebsten essen: Schweinefleisch. Es kommt fast immer aus solchen Tierfabriken. Adrianus Straathof betreibt mehr als 20 dieser Anlagen, ist Herr über mehr als 1,5 Millionen Schweine. Anfang 2013 gibt er Frontal21 eines seiner seltenen Interviews. O-Ton Adrianus Straathof, Schweinezüchter, Februar 2013: Für uns ist es eigentlich egal, ob wir ein Schwein haben oder oder vielleicht Ich kann sagen, unsere Tiere geht s gut. Straathof präsentiert uns seine heile Schweinewelt, niedliche Ferkel.

2 Schon damals werfen ihm Tierschützer vor: Profit sei ihm wichtiger als das Wohl der Schweine. Doch Straathof entgegnete: Er halte sich stets an Recht und Gesetz. O-Ton Adrianus Straathof, Schweinezüchter, Februar 2013: Überall gibt es Gesetze. Und wir sind angestrebt, die Gesetze einzuhalten. Ein Jahr später, März 2014: Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchen zwei Tage lang die Anlage in Gladau. Sie finden Erschreckendes: eingepferchte Tiere in Kastenständen, verdreckte Ställe, kranke und verletzte Schweine, dazu immer wieder tote Ferkel. O-Ton Steffen Burchardt, SPD, Landrat Jerichower Land: Also, die Bedingungen vor Ort sind schon wirklich miserabel. Und ja, da dreht es sich teilweise schon im Magen um. Der Landrat greift zum letzten Mittel, erteilt ein Tierhaltungsverbot. Darin heißt es: Herr Straathof hat den von ihm gehaltenen und betreuten Tieren erhebliche oder länger andauernde Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt. Die konkreten Vorwürfe unter anderem: unbehandelte Verletzungen und Erkrankungen, unzureichende Wasserversorgung, außerdem Qualzucht. O-Ton Steffen Burchardt, SPD, Landrat Jerichower Land: Wir werden alle rechtlichen Schritte, die wir zur Verfügung haben, nutzen, um das Leid der Tiere dort zu beenden. Straathof weist alle Vorwürfe zurück, wehrt sich vor Gericht und teilt uns schriftlich mit, Zitat: Alle Erkrankungen und Verletzungen ( ) werden innerhalb des branchenüblichen Standards unverzüglich behandelt Auch der Vorwurf der Qualzucht ist nicht begründet. Doch das Verwaltungsgericht Magdeburg bestätigt gestern das faktische Berufsverbot gegen Straathof. In ihrem Beschluss nennen die Richter gewichtige Gründe: Der respektvolle, tierschutzgerechte Umgang mit Tieren ist gleichfalls durch das Grundgesetz zum Staatsziel erhoben worden. Ein Staatsziel, das andauernd missachtet wird. Tierschützer haben in den vergangenen Jahren immer wieder heimlich in Straathofs Anlagen gefilmt und auf Missstände

3 hingewiesen. Ihre Bilder dokumentieren: 2011 abgeschnittene Schweineschwänze 2012 angefressene Schweineohren und Kannibalismus 2014 grausames Ferkeltöten O-Ton Sandra Franz, Animal Rights Watch: In deutschen Schweinezuchten werden schwache, aber an sich überlebensfähige Ferkel immer wieder illegal getötet, durch Schlagen auf den Boden oder gegen Boxenwände. Solche Bilder sind für die Tierschützer immer wieder Anlass ein Ende der Fleischproduktion zu fordern. O-Ton Sandra Franz, Animal Rights Watch: Die Zustände, wie man sie in den Straathof-Anlagen findet, findet man im Grunde in jeder zweiten Schweinezucht und Schweinemast in Deutschland. Also, die Bedingungen sind für die Tiere immer katastrophal und mit Leid verbunden. Zuständig für Tierschutz, die Landwirtschaftsminister. In Sachsen Anhalt, ist das seit 2009 Hermann Onko Aeikens, schon seit der Wende im Ministerium tätig. Wir wollen wissen, haben er und seine Behörden versagt? O-Ton Hermann Onko Aeikens, CDU, Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalt: Nein, wir sind engagiert gewesen. Die Kreisbehörden haben Bußgelder verhängt, es hat rechtliche Auseinandersetzungen gegeben und die jetzt ergriffene Maßnahme steht am Ende der Kette. Reicht das aus? Auch in vielen anderen Tierfabriken Sachsen- Anhalts haben Tierschützer und Behörden schlimme Zustände dokumentiert. Beispiel: Sand Beiendorf, die Anlage des Großmästers van Gennip. Enge Kastenstände - eine Quälerei für die Tiere. Das Landesparlament hatte beschlossen: Die Gitterboxen sollen in Zukunft wenigstens so breit sein, wie eine Sau hoch ist. Minister Aeikens tat bisher wenig. Konkrete Verbesserungen - Fehlanzeige. Es tagt eine Arbeitsgruppe. O-Ton Dorothea Frederking, B 90/Grüne, MdL Sachsen- Anhalt: Ich denke, der Minister handelt halbherzig, denn bisher hat er auf Bundesebene noch nichts unternommen, was den Tierschutz angeht.

4 Die Politik unternimmt seit Jahren kaum etwas beim Tierschutz. So können Aktivisten immer wieder schreckliche Bilder präsentieren. Schweinemastanlage Bolart in Tornitz, nahe Cottbus. Aufnahmen von Ende November. Wieder Sauen in engen Kastenständen. Viele der Gitterboxen nicht einmal 55 cm breit. Dazu verletzte und auch apathische Tiere. Außerdem der Verdacht, dass die Schweine nicht ständig trinken können. Aus den Tränken kommt kaum Wasser. Die Tierschutzorganisation hat den Betreiber jetzt angezeigt. Doch Geschäftsführer Eric Arts weist die Vorwürfe auf unsere Nachfragen deutlich zurück, Zitat: Zusammenfasend wird in unserem Betrieb ( ) nicht gegen Tierschutzgesetze verstoßen; auch nicht in der Vergangenheit. Die Veterinärbehörde teilt mit: Es seien seit 2010 keine Verstöße festgestellt worden. Offenbar läuft hier von Amtswegen alles ganz legal. Heute wurden die Ställe erneut kontrolliert. Ergebnis offen. Die Eigentümer wollen die Anlage demnächst vergrößern von auf circa Tierplätze. O-Ton Dorothea Frederking, B 90/Grüne, MdL Sachsen- Anhalt: Wir stellen immer wieder fest, dass Tierhaltungsanlagen ab einer gewissen Größe nicht mehr richtig gemanagt werden können und dass hier auch Tierqualen stattfinden. Mecklenburg Vorpommern. Alt Telin. Diese Tierfabrik gehört zum Straathof-Konzern. Seit Jahren sind Tierschutzverstöße dokumentiert. Frontal21 berichtete schon 2007 Rückblick: O-Ton Frontal21-Beitrag, Archiv, vom : Die toten Schweine unter freiem Himmel hat ein Schweinemäster aus den Niederlanden zu verantworten. Adrian Straathof betreibt die Anlage mit freundlicher Unterstützung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Das hat die Mastanlage genehmigt und den Investor ins schöne Mecklenburg geholt in der Hoffnung auf mehr Arbeitsplätze. Trotz Kadaverbergen - der zuständige Minister freut sich über mehr Schweine in seinem Land. O-Ton Frontal21-Beitrag, Archiv, vom , Till Backhaus, SPD, Landwirtschaftsminister Mecklenburg- Vorpommern: Mit der Tierproduktion verbunden sind natürlich insbesondere Arbeitsplätze im ländlichen Raum in der

5 Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten. Sieben Jahre später ist Till Backhaus noch immer Landwirtschaftsminister. Wir wollen wissen: Hat er Fehler gemacht? O-Ton Till Backhaus, SPD, Landwirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommern: Ich kann nicht erkennen, zur Zeit, wo wir da einen Fehler gemacht haben. Der Fehler ist, dass wir von der Bundesebene, vielleicht auch von Europa, dass wir nicht eher quasi zu einer Beschränkung dieser Größenordnung gekommen sind. Schuld sind also die anderen. Warum Till Backhaus erst jetzt Obergrenzen für Tierfabriken fordert, bleibt sein Geheimnis. O-Ton Corinna Cwielag, BUND: Dafür hätte der Minister sich längst einsetzen können, für Obergrenzen in der Tierhaltung. Wir fordern das seit Jahren - zusammen mit dem Landesnetzwerk der Bürgerinitiativen, die davon eklatant betroffen sind, von diesen Massentierhaltungsanlagen. Soll sich in den Massenställe tatsächlich etwas ändern für die Schweine, braucht es mehr als bloße politische Ankündigungen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.