Reputationsvolatilität: Konsequenzen für Politik und Meinungsbildung Prof. Dr. Kurt Imhof
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- Holger Althaus
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1 Reputationsvolatilität: Konsequenzen für Politik und Meinungsbildung Prof. Dr. Kurt Imhof
2 Verkürzung der Reflexion und gesteigerte Reputationsvolatilität Kurt Imhof Zürich,
3 Inhalte 1. Fragestellung 2. Wandel der Medien Wandel der Wirtschaftsberichterstattung 3. Skandalisierungsexpansion und PR-Abhängigkeit 4. Reputationsdynamiken 5. Fazit 6. Methodik 7. Kontakt
4 Fragestellung Wie hat sich das Mediensystem entwickelt und welche Folgen hat das für Wirtschaft & Politik? Folgen für die gesellschaftliche Selbstbeobachtung Folgen für die Wirtschaftsberichterstattung und ihre Prognose- und Reflexionsfähigkeit Folgen für die Unternehmen: Volatile Reputationsentwicklungen vor dem Hintergrund einer gesteigerten Skandalisierung
5 Strukturwandel der Öffentlichkeit Wandel der Medien Was wir von der Gesellschaft wissen, wissen wir aus den Medien, dadurch sind sie Spiegel wie Treiber des sozialen Wandels (z.b. Aufbau und Erosion ökonomischer Leitbilder) Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit = Wandel der Wirtschaftsberichterstattung Meinungsmarkt mit sekundären Ertragserwartungen mutierte zu einem Informations- und Unterhaltungsmarkt mit primären Ertragserwartungen Themenselektion, -interpretation und -inszenierung wird an Medienkonsumenten orientiert. Konsequenzen für die Wirtschaftsberichterstattung Im Zuge ihrer eigenen Ökonomisierung und der exponentiell gesteigerten Durchdringung des Wertschriftenbesitzes entdecken die Medien das Thema Wirtschaft als Mittel der Publikumsattrahierung Adaption der Nachrichtenwerte der politischen Kommunikation auf die Wirtschaftsberichterstattung (Skandalisierung, Emotionalisierung, Personalisierung, Bubbleeffekte, Schwarz-Weiss-Prognosen bzw. Nouriel-Roubini-Effekte) Krise der Geschäftsmodelle der Medien: Abbau der Ressourcen und erhöhte PR- Abhängigkeit
6 Zunehmende Bedeutung der Wirtschaftsthemen Eigene Darstellung Basis WEMF Auflagezahlen Quelle: Schranz / Eisenegger / Imhof / Schneider (2010): Wirtschaftsberichterstattung in der Krise, in: fög «Schweiz Suisse - Svizzera Jahrbuch 2010 Qualität der Medien», S.277
7 Wahrnehmung der Ökonomie: Verlust an seismographischer Potenz Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Berichterstattung zur Finanzmarktkrise (Säulen). Die graue Linie zeigt die Entwicklung des SMI. Untersuchte Medien: Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeiger, Blick, Tagesschau, 10vor10, Echo der Zeit, Rendez-vous am Mittag (n= 7244, ) Quelle: Schranz / Eisenegger / Imhof / Schneider (2010): Wirtschaftsberichterstattung in der Krise, in: fög «Schweiz Suisse - Svizzera Jahrbuch 2010 Qualität der Medien», S.280
8 Wahrnehmung der Ökonomie: Personalisierung Die Abbildung zeigt die Personalisierungsrate für die Unternehmensberichterstattung in den einzelnen Untersuchungsjahren. Untersuchte Medien: NZZ, Blick, Tages-Anzeiger (1962 / 1975 / 1988 / 1993 / 1999 / 2008)
9 Wahrnehmung der Ökonomie: Themenfokus Die Abbildung zeigt die Verschiebungen der Thematisierungsfoki in der Wirtschafts-berichterstattung (NZZ, Tages-Anzeiger und Blick) für ausgewählte Jahre seit Dargestellt sind die nach der Artikelgrösse gewichteten Resonanzanteile. Die Foki beziehen sich auf die Thematisierungsebenen Makro, Meso und Mikro. Quelle: Schranz / Eisenegger / Imhof / Schneider (2010): Wirtschaftsberichterstattung in der Krise, in: fög «Schweiz Suisse - Svizzera Jarhbcuh 2010 Qualität der Medien», S.279
10 Longterm Bubble: Finanzmarkt Schweiz 2006: Wertschöpfungsanteil BIP Industrie ca. 20% 2006: Wertschöpfungsanteil BIP Banken ca.10% 2006: Wertschöpfungsanteil BIP Pharma ca. 5% Thematisierungsanteil (%) ausgewählter Branchen an der gesamten Unternehmens- und Branchenberichterstattung (Blick, NZZ, Tages-Anzeiger), Wertschöpfungsanteile am BIP (Quellen: Seco, Interpharma, Credit Suisse)
11 Wahrnehmung der Ökonomie Dominanter Finanzsektor Dominanter Finanzplatz-Blick: Gegenwärtig nur 18% im SMI, aber 53% der gesamten Medienaufmerksamkeit Real-Economy: Stark unterthematisierter Bereich der Realwirtschaft Rechte Grafik: Sedimentierte Resonanz per Basis: Medienberichterstattung in CH-Leitmedien. 10vor10, Tagesschau, Bilanz, Blick, Finanz und Wirtschaft, Handelszeitung, Le Temps, Neue Zürcher Zeitung, NZZ am Sonntag, Sonntagsblick, Sonntagszeitung, Tages-Anzeiger, Weltwoche, Wochenzeitung,
12 Inhalte 1. Fragestellung 2. Wandel der Medien Wandel der Wirtschaftsberichterstattung 3. Skandalisierungsexpansion und PR-Abhängigkeit 4. Reputationsdynamiken 5. Fazit 6. Methodik 7. Kontakt
13 Skandalisierungsexpansion (I)
14 Skandalisierungsexpansion (II) Massive Zunahme der Skandalisierung der Wirtschaft Zusätzliche Skandalisierungsspitzen in Krisenphasen (2002, 2007f) Tendenz einer entweder euphorisch-unkritischen oder aber pessimistischskandalisierenden Interpretationslogik Fokus auf Unternehmen und Personen statt auf Strukturen und Verhältnissen
15 Skandalisierungsexpansion (III) Die Abbildung zeigt die Thematisierungsentwicklung der Managerlohndebatte in zentralen Leitmedien der Schweiz im Zeitraum : Blick, Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeiger (n= 2256, Daten gehen bis September 2012).
16 Wandel der Skandalisierer (IV) Quelle: Schranz, Mario (2007): Wirtschaft zwischen Profit und Moral, VS-Verlag, S. 143
17 Dreidimensionale Reputation: Reputation setzt sich stets aus drei Komponenten zusammen: Welt der Funktionssysteme Funktionale Reputation: Welt der Normen Soziale Reputation: Welt der Emotionen Expressive Reputation: Kompetenz & Erfolg Verantwortlichkeit & Integrität Attraktivität & Authentizität
18 Gesteigerter Legitimationsbedarf Soziale Reputation hat massiv an Bedeutung gewonnen. Tiefstwerte der Sozialreputation bei gleichzeitig höherer Bedeutung limitiert nicht nur eigene Handlungsfähigkeit, sondern auch wirtschaftliche Entwicklung. Unternehmen müssen sich stärker sozial legitimieren.
19 Gesteigerter Legitimationsbedarf Hohes soziales Exposure limitiert Handlungsfähigkeit und ist kostentreibend Die Deregulierung wird durch eine sozialmoralisch getriebene Re-Regulierung ersetzt
20 Ressourcenabbau & PR-Abhängigkeit (I) 40% der Unternehmensberichterstattung sind durch PR-Aktivitäten ausgelöst (ohne informelle Beeinflussung) Bei Wirtschaftspresse am grössten (44%) Die Darstellung zeigt den quantitativen PR-Einfluss in der Unternehmensberichterstattung, differenziert nach Pressetypen. Die roten Balken zeigen den quantitativen PR-Einfluss, der auf Medienmitteilungen zurückzuführen ist. Die hellroten Balken zeigen den quantitativen PR-Einfluss, der auf anderen PR-Aktivitäten basiert (z.b. publizierte Studien, Konferenzen, etc.). Untersuchte Medien: Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeiger, Berner Zeitung, Blick, Sonntagsblick, 20Minuten, NZZ am Sonntag, Sonntagszeitung, Finanz und Wirtschaft, Handelszeitung (n= 1495, Zeitraum: ) Bürgis, Pascal; Gisler, Angelo; Eisenegger, Mark (2010): Einfluss von Public Relations in der Unternehmensberichterstattung, In: fög Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft und Universität Zürich (Hg.): Jahrbuch 2011 Qualität der Medien. Schweiz - Suisse - Svizzera. Zürich: Schwabe, S. 439.
21 Ressourcenabbau & PR-Abhängigkeit (II) Interessengeleitete Information nur bei einem ¼ der Mitteilungen klar transparent Die Darstellung zeigt die Transparenz von PR-Informationen nach Pressetypen differenziert. Die vertikale Linie (rot) weist den durchschnittlichen Anteil der Berichterstattung in der Pressearena aus (75%), in der PR-Informationen entweder gar nicht oder an nicht-prominenter Stelle kenntlich gemacht werden. Die roten Balken zeigen den Berichterstattungsanteil, in dem PR- Informationen nicht kenntlich gemacht werden. Die hellroten Balken zeigen den Berichterstattungsanteil, in dem PR als Auslöser der Berichterstattung zwar kenntlich gemacht wird, jedoch an nicht-promintenter Stelle. Die blauen Balken zeigen den Berichterstattungsanteil mit hoher Transparenz in Bezug auf PR als Berichterstattungsauslöser (Verwertung von PR wird in Titel, Lead oder im ersten Abschnitt kenntlich gemacht). Bürgis, Pascal; Gisler, Angelo; Eisenegger, Mark (2010): Einfluss von Public Relations in der Unternehmensberichterstattung, In: fög Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft und Universität Zürich (Hg.): Jahrbuch 2011 Qualität der Medien. Schweiz - Suisse - Svizzera. Zürich: Schwabe, S. 442.
22 Inhalte 1. Fragestellung 2. Wandel der Medien Wandel der Wirtschaftsberichterstattung 3. Skandalisierungsexpansion und PR-Abhängigkeit 4. Reputationsdynamiken 5. Fazit 6. Methodik 7. Kontakt
23 MRRI (-100 bis +100). Sedimentierte Resonanz (in %). Reputationsentwicklung Real- vs. Finanzwirtschaft (I) Reputation: Real- vs. Finanzwirtschaft Schweizer Leitmedien ( ) 10 fög - Universität Zürich MRRI Realwirtschaft MRRI Finanzwirtschaft MRRI Gesamtwirtschaft Resonanz: Real- vs. Finanzwirtschaft Schweizer Leitmedien ( ) 100 %-Anteil Realwirtschaft %-Anteil Finanzwirtschaft fög - Universität Zürich
24 MRRI (-100 bis +100). MRRI (-100 bis +100). Reputationsentwicklung Finanzplatz (II) Reputation: Gross- vs. Kleinbanken Schweizer Leitmedien ( ) 50 %-Anteil Kleinbanken MRRI Kleinbanken %-Anteil Grossbanken MRRI Grossbanken fög - Universität Zürich 100 Reputation: Finanzplatz vs. Bankgeh. Internationale Medien ( ) 50 fög - Universität Zürich Finanzplatz MRRI Bankgeheimnis MRRI Sedimentierte Resonanz (in %)
25 Inhalte 1. Fragestellung 2. Wandel der Medien Wandel der Wirtschaftsberichterstattung 3. Folgen für Wirtschaft & Gesellschaft 4. Aktuelle Reputationsdynamiken für die CH-Wirtschaft 5. Fazit 6. Methodik 7. Kontakt
26 Fazit GESUNKENE REFLEXIONSFÄHIGKEIT DER WIRTSCHAFTSBERICHTERSTATTUNG Adaption der Nachrichtenwerte der Wirtschaftsberichterstattung an die Politikberichterstattung Stärkere Personalisierung- und Skandalisierung, weniger makroökonomische Betrachtungen Gesteigerte PR-Abhängigkeit bzw. interessengeleitete Information innerhalb öffentlicher Kommunikation ERHÖHTE VOLATILITÄT DER WIRTSCHAFT Abbau von Ressourcen schmälert ebenso die Reflexion wie die Personalisierungs- und Skandalisierungslogiken. Beides führt zu einer stärkeren Volatilität der Reputationsdynamiken in der Ökonomie: Erwartbarkeit sinkt weil Volatilität steigt Wirtschaft wird weniger stark über ihr Kerngeschäft (Produkte, Dienstleistungen, Umsatz / Gewinn) wahr genommen, dafür aber stärker über das Spitzenpersonal und moralische Inhalte: Soziale Anforderungen und Reputationskosten steigen LEGITIMATIONSBEDARF FÜR WIRTSCHAFT ERHÖHT SICH Verstärke Wahrnehmung über die Sozialreputation bzw. gesteigerte Skandalisierung erhöht den Legitimationsbedarf ökonomischen Handelns
27 Inhalte 1. Fragestellung 2. Wandel der Medien Wandel der Wirtschaftsberichterstattung 3. Folgen für Wirtschaft & Gesellschaft 4. Reputationsdynamiken 5. Fazit 6. Methodik 7. Kontakt
28 Resonanz und Reputation Resonanz: In die Codierung gehen alle Medienbeiträge ein, in denen die Branche prominent oder zentral thematisiert wird. Je nach Zentralität der Branche wird der Medienbeitrag gewichtet (gewichtete Resonanz). Reputation: Der Reputationsindex misst die Reputation der Branche auf der Basis aller in einer bestimmten Zeitperiode codierten Medienbeiträge. Er kann maximal die Werte -100 bis +100 annehmen. Ein Wert von +100 bedeutet, dass die Branche im jeweiligen Zeitraum ausschliesslich positive Bewertungen erfahren hat. Umgekehrt bedeutet ein Wert von -100, dass das Unternehmen ausschliesslich negativ bewertet wurde.
29 Reputationsindex MRRI (sedimentiert, langfristig) Der MRRI (Memorizing Resonance-Reputation-Index) misst das Verhältnis von Resonanz und Reputation, indem die entsprechenden Werte der Vorperiode jeweils unter Verrechnung einer Vergessensrate mitberücksichtigt werden Resonanzstarke Ereignisse bleiben somit länger reputationsbestimmend als eine kurzfristige, in ihrer Reputationswirkung volatile Perzeption. Die sedimentierte Reputation umfasst also die historisch gewachsene, im öffentlichen Gedächtnis vergleichsweise zeitfest verankerte Reputation Die separate Darstellung der sedimentierten Resonanz erlaubt zusätzliche Evidenz durch die Beurteilung der Frage, wie stark das Gedächtnis von den untersuchten Ereignissen durchdrungen ist und wie sich dessen Durchdringung im historischen Zeitablauf verändert. Zentral ist, dass der Beginn eines auf Tages- oder Wochenbasis erstellten MRRI auf einen aussagekräftigen und stabilen Startwert abgestützt werden kann. Dazu sind in der Regel Daten über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nötig.
30 Anhang: Darstellungen / Verwendete Medienbasis Langfristige Analyse Wirtschaftsberichterstattung (Slides: 5, 7-9): Blick, Tages-Anzeiger, Neue Zürcher Zeitung. Analyse Berichterstattung Finanzkrise (Slide 6): Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeiger, Blick, Tagesschau, 10vor10, Echo der Zeit, Rendez-vous am Mittag Reputations-Monitor Schweizer Leitmedien (Slides: 10/ 17/ 18/ 22/ 23/ 24/ 25): 10vor10, Tagesschau, Bilanz, Blick, Finanz und Wirtschaft, Handelszeitung, Le Temps, Neue Zürcher Zeitung, NZZ am Sonntag, Sonntagsblick, Sonntagszeitung, Tages-Anzeiger, Weltwoche, Wochenzeitung, Analyse PR-Einfluss Wirtschaftsberichterstattung (Slide 19/ 20): Neue Zürcher Zeitung, Tages- Anzeiger, Berner Zeitung, Blick, Sonntagsblick, 20Minuten, NZZ am Sonntag, Sonntagszeitung, Finanz und Wirtschaft, Handelszeitung (n= 1495, Zeitraum: )
31 Reputationsmonitor Wirtschaft: Analysedesign
32 Unternehmen Real- und Finanzwirtschaft nach Sektoren. Sector Companies Financial Sector Banks Credit Suisse, Migrosbank, Postfinance, Raiffeisen, UBS, ZKB Financial Sector Insurers Axa, Bâloise, Swiss Life, Swiss Re, Zurich Real Economy Audit Ernst & Young, KPMG, Price Waterhouse Coopers Real Economy Building Arbonia Forster Group, Holcim, Implenia, Sika Real Economy Energy Alpiq, Axpo, BKW Real Economy Engineering ABB, Georg Fischer, OC Oerlikon, Rieter, Schindler Real Economy Food Barry Callebaut, Lindt & Sprüngli, Nestlé Real Economy Media Publigroupe, Ringier, SRG, Tamedia Real Economy Luxury Richemont, Rolex, Swatch Real Economy Pharma / Chemical Clariant, Novartis, Roche, Syngenta Real Economy Retail Coop, Migros, Manor Real Economy Telecom Cablecom, Orange, Sunrise, Swisscom Real Economy Health Insurance Concordia, CSS, Groupe Mutuel, Helsana, KPT, Sanitas, Swica, Visana,
33 Kontakt fög Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich Andreasstrasse 15 CH-8050 Zürich Tel.: Fax: kurt.imof@foeg.uzh.ch
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