Mathematische Rechenmethoden
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- Nicole Wagner
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1 Mathematische Rechenmethoden Version vom SS 2014 Universität Mainz Fachbereich 08 Theorie der kondensierten Materie Prof. Dr. Friederike Schmid Mathematische Rechenmethoden für Physiker Mathematische Rechenmethoden 1 Grundlegendes Zahlen Reelle Funktionen Komplexe Zahlen Vektorrechnung Vektoren und Vektorräume Skalarprodukt Vektorprodukt Infinitesimalrechnung Folgen und Reihen Differenzieren Potenzreihen Integrieren Differentialgleichungen Vektoranalysis Zusatz für Studierende Bachelor of Science Die Delta-Funktion Partielle Differentialgleichungen Elektronisch: Letzte Änderung am , Tel. (06131-) , <friederike.schmid@uni-mainz.de>
2 2 Literatur K. Hefft Mathematischer Vorkurs (online unter ) W. Nolting Theoretische Physik Bd. 1, erstes Kapitel S. Großmann Mathematischer Einführungskurs für die Physik K.-H. Goldhorn, H.-P. Heinz Mathematik für Physiker 1 C. Lang, N. Pucker Mathematische Methoden in der Physik M. L. Boas Mathematical Methods in the Physical Sciences WolframAlpha
3 Inhaltsverzeichnis 1 Grundlegendes Die Sprache der Physik Zeichen für physikalische Größen Zeichen für Verknüpfungen Einheiten Zahlen Vorab: Mengen, Gruppen, Ringe, Körper Natürliche Zahlen N Ganze Zahlen Z Rationale Zahlen Q Reelle Zahlen R Komplexe Zahlen C Zusammenfassung Reelle Funktionen Elementare Funktionen Polynome und rationale Funktionen Algebraische Funktionen Exponentialfunktion Logarithmus Trigonometrische Funktionen Hyperbolische Funktionen Funktionen mit Ecken und Sprüngen Weitere wichtige abgeleitete Funktionen Eigenschaften von Funktionen Spiegelsymmetrie Beschränktheit Monotonie Eineindeutigkeit Stetigkeit Grenzwerte
4 4 INHALTSVERZEICHNIS 1.4 Komplexe Zahlen Die imaginäre Einheit Rechnen mit komplexen Zahlen Rechnen mit der imaginären Einheit Charakterisierung allgemeiner komplexer Zahlen: Euler-Formel Rechenregeln Spezielle Transformationen Funktionen einer komplexen Variablen Potenzen Wurzeln Exponentialfunktion (natürlich) Logarithmus (natürlich) Trigonometrische Funktionen Vektorrechnung Vektoren Definition bzw. Begriffsklärung Koordinatensysteme und Koordinatendarstellung Elementares Rechnen mit Vektoren, Vektorräume Skalarprodukt (inneres Produkt) Definition und mathematische Struktur Koordinatendarstellung und Kronecker-Symbol Vektorprodukt (äußeres Produkt, Kreuzprodukt) Definition und mathematische Struktur Koordinatendarstellung und Levi-Civita-Symbol Höhere Vektorprodukte Infinitesimalrechnung Folgen und Reihen Folgen Reihen Differentialrechnung Die Ableitung Elementare Beispiele Differentiationsregeln Anwendungen der Differentiationsregeln Tabelle wichtiger Ableitungen Vektorwertige Funktionen
5 INHALTSVERZEICHNIS Infinitesimalrechnung mit vektorwertigen Funktionen Speziell Raumkurven Extremwertaufgaben Taylor-Entwicklung Kurzer Abriss über Potenzreihen Konstruktion der Taylor-Reihe Anwendungen Integralrechnung Das Riemannsche Integral Hauptsatz und Stammfunktion Integrationsmethoden Uneigentliche Integrale Mehrfachintegrale Beispiele Polarkoordinaten Wechsel der Integrationsvariablen und Jacobi- Determinante Gewöhnliche Differentialgleichungen Gewöhnliche Differentialgleichungen 1. Ordnung Separable Differentialgleichungen Lineare Differentialgleichungen Systeme von Differentialgleichungen Differentialgleichungen höherer Ordnung versus Differentialgleichungssysteme erster Ordnung Lineare Differentialgleichungssysteme Speziell: Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten Lineare Differentialgleichssysteme mit konstanten Koeffizienten Vektoranalysis Vorbemerkungen und Erinnerung Physikalische Skalare, Vektoren und Tensoren Felder Kurvenintegral bzw. Linienintegral Flächenintegral Der Nabla-Operator Skalare Felder und Gradient
6 6 INHALTSVERZEICHNIS Vektorfelder: Divergenz und Rotation Der Laplace-Operator Wichtige Zusammenhänge Krummlinige Koordinaten Allgemeine und orthogonale Koordinatensysteme Darstellung in orthogonalen Koordinatensystemen Zusammenstellung der Formeln für die wichtigsten Koordinatensysteme Integralsätze der Gaußsche Integralsatz Der Satz Folgerungen aus dem Gaußschen Integralsatz Der Greensche Satz in der Ebene Der Integralsatz von Stokes Die Diracsche Delta-Funktion Motivation und Einführung Definition Darstellungen der Delta-Funktion Darstellung als Grenzwert glatter Funktionen Darstellung als Integral Rechenregeln mit der Delta-Funktion Verallgemeinerung für höhere (d) Dimensionen Die Fouriertransformation Diskrete Fouriertransformation Definition Eigenschaften der diskreten Fouriertransformation Fourierintegral Definition Eigenschaften und Rechenregeln Paare von Fourier-Transformierten Anwendungsbeispiele Wellengleichung Diffusionsgleichung Greensche Funktion Fourierreihe Definition Darstellung in trigonometrischen Funktionen
7 INHALTSVERZEICHNIS 7 8 Partielle Differentialgleichungen Übersicht über die wichtigsten Beispiele in der Physik Elliptischer Typ Hyperbolischer Typ Parabolischer Typ Lösungsverfahren für partielle Differentialgleichungen Laplace-Gleichung Numerische Lösung Lösung mit Separation der Variablen Wellengleichung Freie Wellen: Lösung mittels Fouriertransformation Schwingende Saite/Membran: Lösung mit Separationsansatz Diffusionsgleichung Separationsansatz und asymptotisches Verhalten Propagatordarstellung Inhomogene Gleichungen und Greens-Funktion Orthogonale Funktionen Allgemeiner Rahmen Eigenwertgleichungen und Funktionensysteme Das Sturm-Liouville-Problem Beispiele für Sturm-Liouville-Gleichungen Legendre-Polynome Die einfache Legendresche Differentialgleichung Wichtige Eigenschaften der Legendre-Polynome Zugeordnete Legendre-Polynome Kugelflächenfunktionen Die Besselsche Differentialgleichung A Anhang: Matrizen 141 A.1 Beispiele von Matrizen A.2 Elementare Begriffe A.3 Rechnen mit Matrizen A.4 Determinanten A.5 Drehungen und Drehmatrizen A.6 Das Eigenwertproblem A.7 Funktionen von Matrizen
8 INHALTSVERZEICHNIS 27 B Anhang: Analytische Funktionen 153 B.1 Definitionen B.2 Cauchy-Riemannsche Differentialgleichungen B.3 Integralsätze B.4 Taylor-Reihe und Laurent-Reihe
9 28 INHALTSVERZEICHNIS
10 Kapitel 2 Vektorrechnung Logisch wäre es, in der Vorlesung an dieser Stelle mit Infinitesimalrechnung und Potenzreihen weiterzumachen (Kapitel 3). Es soll aber relativ unmotiviert ein Kapitel über Vektoren eingeschoben werden, da die elementaren Begriffe der Vektorrechnung in den Vorlesungen der Experimentalphysik so ziemlich von Anfang an benötigt werden. 2.1 Vektoren Definition bzw. Begriffsklärung Vektoren: Zentrale Größen in der Physik. Aber: Was ist ein Vektor eigentlich? physikalische und mathematische Sichtweise Mathematischer Vektor: Element eines Vektorraums (siehe 2.1.3) Physikalischer Vektor: Gerichtete Strecke mit Anfangs- und Endpunkt, z.b. Ort r, Geschwindigkeit v, Kraft F. Notation: a, a, a, Charakterisierung: Durch Betrag (Länge der Strecke) und Richtung (Einheitsvektor e a ). Skalare: Im Gegensatz zum Vektoren einfache Zahlen Wieder physikalische und mathematische Sichtweise. Mathematisch: Vektorraum ist über einem Körper definiert (siehe 2.1.3) Skalare sind Elemente dieses Körpers. Physikalisch: Größen, die durch einzelne Zahlen charakterisiert werden können (z.b. Temperatur, Druck, Betrag eines Vektors) 29
11 30 KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG Koordinatensysteme und Koordinatendarstellung Im allgemeinen legt man im Raum ein Koordinatensystem (KDS) fest. z vz vx x v vy y Dann kann Vektor durch Satz von D Zahlen dargestellt werden. (D = 3 im Raum, D = 2 in der Ebene etc.) Zahlen (Koordinaten) hängen vom KDS ab. Alternative Definition eines physikalischen Vektors: Größe, charakterisiert durch D Zahlen (D: Dimension des Raums), die sich bei Drehung des Koordinatensystems in bestimmter Weise transformieren. (mehr dazu gleich). Alternative Definition eines physikalischen Skalars: Größe, charakterisiert durch eine Zahl, die vom Koordinatensystem unabhängig ist. Frage: Was bedeutet bestimmte Weise? Wie transformieren sich Vektorkoordinaten unter Drehung des KDS? Annahme hier: rechtwinkliges Koordinatensystem. Diskussion zunächst in 2 Dimensionen (Vektor in der Ebene) Betrachte Einfluss auf Drehung um Winkel ψ auf Vektor v. y v y v y v Koordinaten des Vektor v: v x = v cos φ v y φ x v φ y = v sin φ v x = v cos φ v y = v sin φ x ψ v v x mit φ = φ ψ x v x = v cos(φ ψ) = v cos φ cos ψ + v sin φ sin ψ = v x cos ψ + v y sin ψ v y = v sin(φ ψ) = v sin φ cos ψ v cos φ sin ψ = v x sin ψ + v y cos ψ Matrix-Schreibweise: ( v x v y cos ψ sin ψ ) = ( sin ψ cos ψ ) ( v x ) v y Drehmatrix D(ψ) Drehung des KDS kann durch Drehmatrix beschrieben werden. Analog kann man Drehmatrizen auch in drei Dimensionen definieren. (kompliziertere Form, die Matrizen hängen von drei Winkeln ab). Vorteile der Beschreibung von Drehungen durch Drehmatrizen: Eine Drehmatrix beschreibt Einfluss der Drehung auf die Koordinaten aller Vektoren Kombinierte Drehungen können leicht durch Hintereinanderschalten von Drehmatrizen beschrieben werden (formal per Matrixmultiplikation siehe Einschub Matrizen).
12 2.1. VEKTOREN 31 Kurzer Einschub Matrizen (Stoff in Mathematik für Physiker (für BSc) bzw. Rechenmethoden 2 (für BEd) Für ausführlichere Übersicht siehe auch Anhang Matrizen) Beispiel: 2 2-Matrizen Gegeben Matrix A = ( a 11 a 12 ) und Vektoren v = ( v 1 ), w = ( w 1 ), a 21 a 22 v 2 w 2 Anwendung von Matrix auf Vektor: w = Av bedeutet ( w 1 w 2 ) = ( a 11 a 12 a 21 a 22 ) ( v 1 v 2 ) = ( a 11v 1 + a 12 v 2 a 21 v 1 + a 22 v 2 ), d.h. in Komponentenschreibweise: w j = k a jk v k. Analog Matrixmultiplikation: ( a 11 a 12 ) ( b 11 b 12 ) = ( a 11b 11 + a 12 b 21 a 11 b 12 + a 12 b 22 ), a 21 a 22 b 21 b 22 a 21 b 11 + a 22 b 21 a 21 b 12 + a 22 b 22 d.h. in Komponentenschreibweise: Mit A = ( a 11 a 12 a 21 a 22 ), B = ( b 11 b 12 b 21 b 22 ), C = ( c 11 c 12 c 21 c 22 ) C = AB bedeutet c ik = j a ij b jk. Kann verallgemeinert werden auf beliebige n n -Matrizen (und sogar n m Matrizen, ist aber hier weniger wichtig). Matrixmultiplikation definiert assoziative Verknüpfung auf den Matrizen. n n-matrizen mit dieser Verknüpfung bilden eine Gruppe Elementares Rechnen mit Vektoren, Vektorräume 1) Addition von Vektoren a + b: Graphisch: Hänge Pfeile aneinander a 1 b 1 a 1 + b 2 Koordinaten: a 2 + b 2 = a 2 + b 2. a 3 b 3 a 3 + b 3 Rechengesetze: Vektoren mit Addition bilden Abelsche Gruppe (i) Abgeschlossen: a + b ist wieder ein Vektor (ii) Assoziativ: ( a + b) + c = a + ( b + c). (iii) Es gibt eine Null 0 mit: a + 0 = 0 + a = a a (iv) Inverses: a ( a) a + ( a) = a a = 0. (v) Kommutativ: a + b = b + a. a b a+b a 2) Multiplikation mit einem Skalar : (i.e., einer Zahl λ R oder C.) Graphisch: Streckung/Stauchung um Faktor λ (Falls λ < 0: Richtung dreht sich um.) b a+b a b
13 32 KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG Koordinaten: λ Rechengesetze: a 1 a 2 a 3 = λa 1 λa 2 λa 3. (vi) Kommutativ: λ a = aλ (vii) Assoziativ: β(α a) = (βα) a (viii) Distributivgesetze: (α + β) a = α a + β a, α( a + b) = α a + α b. Bemerkung: Die Menge der Skalare R oder C für sich genommen bildet einen Körper (siehe 1.2.1). Eine Menge von Objekten, auf der eine Addition und eine Skalarmultiplikation mit den obigen Eigenschaften (i)-(viii) definiert ist bezeichnet man als linearen Vektorraum über dem Körper der Skalare. Mathematische Definition eines Vektors: Element eines Vektorraums Der mathematische Begriff des Vektors ist allgemeiner als der physikalische Begriff. In dieser Vorlesung werden mathematisch gesehen meistens Vektorräume R D diskutiert (D ist die Raumdimension). Aber z.b. die Menge der Funktionen f(x) bildet auch einen Vektorraum über R oder C. 3) Lineare Abhängigkeit : Definition: Vektoren a 1, a 2, a n heißen linear unabhängig, falls aus α i a i = 0 folgt α i = 0 i. Anderenfalls sind die Vektoren linear abhängig. Anschaulich: Zwei Vektoren linear abhängig parallel. Drei Vektoren linear abhängig koplanar (in einer Ebene). Bemerkungen: Zwei linear unabhängige Vektoren a, b spannen Ebene durch Ursprung auf, d.h. alle Punkte der Ebene können in die Form α a + β b gebracht werden (α, β sind Skalare). Drei linear unabhängige Vektoren spannen gesamten Raum auf. In drei Dimensionen sind maximal drei Vektoren linear unabhängig. (Mathematisch: Dimension ist definiert als die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektoren in einem Vektorraum) Aufgaben: Gegeben sei a = 2 1 3, b = 1 0 2, c = Berechnen Sie a + b, b c. Sind ( a, b), ( a, c), ( b, c), ( a, b, c), linear unabhängig? Wie lautet die Gleichung für die Gerade durch a, die zu b parallel ist? Bilden Sie in der (x, y)ebene die Summe von 7 Vektoren der Länge a, wobei a 1 in x- Richtung zeigt und a j mit a j 1 die Winkeldifferenz π/6 hat.
14 2.2. SKALARPRODUKT (INNERES PRODUKT) Skalarprodukt (inneres Produkt) Definition und mathematische Struktur 1) Skalarprodukt im Vektorraum R 3 (oder R D mit beliebigem D 1): Abbildung eines Paars von Vektoren auf einen Skalar b a b = a b cos(φ) mit φ Winkel zwischen a und φ b. a Physikalisches Beispiel: Arbeit = Kraft mal Weg (W = F r). 2) Rechenregeln: (i) Kommutativ: a b = b a (ii) Homogen: (λ a) b = a (λ b) = λ( a b) (iii) Distributivgesetz: a ( b + c) = a b + a c. (iv) a a = a 2 0 (a = a a ist Betrag des Vektors). Kein eindeutiges Inverses (durch Vektoren darf man nicht dividieren!) Bemerkung: Einen Vektorraum mit einem Skalarprodukt, das die Eigenschaften (i)-(iv) erfüllt, nennt man unitär. 3) Folgerungen Cauchy-Schwartzsche Ungleichung: a b ab ( hier konkret: klar, da cos φ 1 Kann man aber auch allein aus (i)-(iv) beweisen: Für alle λ gilt: 0 ( a λ b) 2 = a 2 + λ 2 b 2 2λ( a b) Wähle λ = ( a b) 0 a 2 ( a b) ( a b) 2 a 2 b 2 ) b 2 b 2 Falls a b = ab folgt: Vektoren a, b sind parallel. (möglicher Test auf lineare Abhängigkeit). Dreiecks-Ungleichung: a b a b a + b (a b) 2 = a 2 + b 2 2ab Aus ab a b ab vgl. ( a + b) 2 = a 2 + b a b (Cauchy-Schwartzsche Ungl.) (a + b) 2 = a 2 + b 2 + 2ab folgt (a b) 2 ( a + b) 2 (a + b) 2 Einheitsvektor in Richtung a: e a = a a = a a a Koordinatendarstellung und Kronecker-Symbol Ab jetzt sollen unsere Koordinatensysteme rechtwinklige Koordinatenachsen haben, die ein Rechtssystem bilden (Rechte-Hand Regel). e 1 e (z) (x) 3 e (y) 2 Definiere e i : Einheitsvektoren entlang der Koordinatenachse i. a = a 1 e 1 + a 2 e 2 + a 3 e 3 = i a i e i (mit a i : Koordinaten) Es gilt: e i e j = { 1 i = j 0 i j
15 34 KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG 1) Motiviert Definition des Kronecker-Symbols δ ij = { 1 i = j = e 0 i j i e j 2) Skalarprodukt in Koordinatendarstellung: a = i a i e i ; b = j b j e j a b = ( i a i e i )( j b j e j ) = ij a i b j ( e i e j ) = ij a i b j δ ij a b = i a i b i 3) Anwendung: Berechnung der Koordinaten eines Vektors a in einem anderen (rechtwinkligen) Koordinatensystem mit Koordinatenachsen in Richtung { e i }. Koordinaten: Projektion von a auf die Achsen (Einheitsvektoren) e i : a i = a e i a = i a i e i = i( a e i ) e i. Gilt für alle Vektoren a und rechtwinklige Koordinatensysteme { e i }. Liefert einfache Berechnungsformel für Drehmatrizen. Betrachte Drehung, die KDS { e i } in KDS { e i } überführt. Vektor a hat Koordinaten a i bzw. a i mit a i = a e i, a i = a e i Aus a = j a j e j und a i = a e i folgt a i = j a j ( e j e i ) also a i = j D ij a j mit Drehmatrix D ij = e i e j Aufgaben: Beweisen Sie den Kosinussatz für Dreiecke: Für Dreiecke mit Seitenlängen a, b, c und dem Winkel φ zwischen den Seiten a und b gilt a 2 + b 2 2ab cos φ = c 2. Betrachten Sie Vektoren mit Koordinaten a = Bestimmen Sie den Einheitsvektor in Richtung , b = Berechnen Sie a b
16 VEKTORPRODUKT (ÄUSSERES PRODUKT, KREUZPRODUKT) Vektorprodukt (äußeres Produkt, Kreuzprodukt) Definition und mathematische Struktur 1) Vektorprodukt im Vektorraum R 3 : Abbildung eines Paars von Vektoren auf Vektor c = a b mit Betrag c = a b sin(φ) (φ Winkel zwischen a und b.) Richtung: c senkrecht auf a, b Vorzeichen: So, dass (( a, b, c Rechtssystem. Geometrisch: c ist Fläche des von a und b aufgespannten Parallelogramms Physikalisches Beispiel: Drehimpuls r p. c b a 2) Rechengesetze (i) Antikommutativ: a b = b a (ii) Homogen: (λ a) b = a (λ b) = λ( a b). (iii) Distributivgesetz: a ( b + c) = a b + a c (zur Herleitung siehe z.b. Nolting Bd. 1) NB: Aus (i) und (iii) folgt auch ( a + b) c = a c + b c (iv) Jacobi-Identität a ( b c) + b ( c a) + c ( a b) = 0 (vorläufig ohne Herleitung). Nicht assoziativ, keine Identität, kein Inverses (durch Vektoren kann man immer noch nicht dividieren). Bemerkung: Einen Vektorraum mit einem äußeren Produkt, das die Eigenschaften (i)-(iv) erfüllt, nennt man eine Lie Algebra Koordinatendarstellung und Levi-Civita-Symbol Das Koordinatensystem sei wieder ein rechtwinkliges Rechtssystem, mit Einheitsvektoren e i entlang den Koordinatenachsen. e e = 0 i. e 1 e 2 = e 3 = e 2 e 1 e 2 e 3 = e 1 = e 3 e 2 e 3 e 1 = e 2 = e 1 e 3 i i 1) Motiviert Definition des Epsilon-Tensor oder Levi-Civita-Symbol: ɛ ijk = 1 (ijk) = (123), (231), (312) 1 (ijk) = (213), (321), (132) 0 sonst (bzw. total antisymmetrischer Tensor dritter Stufe ). = ( e i e j ) e k
17 36 KAPITEL 2. VEKTORRECHNUNG 2) Vektorprodukt in Koordinatendarstellung: Mit a = i a i e i ; b = j b j e j folgt c = a b = ij a i b j ( e i e j ) c k = c e k = [ a b] k = ij a i b j ( e i e j ) e k = ij a i b j ɛ ijk [ a b] k = ij a i b j ɛ ijk, konkret: c 1 c 2 c 3 = 3) Rechenregeln mit dem Epsilon-Tensor: ɛ ijk = ɛ jki = ɛ kij gerade Permutationen = ɛ jik = ɛ kji = ɛ ikj ungerade Permutationen von (i, j, k) m ɛ klm ɛ pqm = δ kp δ lq δ kq δ lp a 2 b 3 a 3 b 2 a 3 b 1 a 1 b 3 a 1 b 2 a 2 b 1 (Beweis: Hausaufgabe Buchhaltung, argumentieren...) lm ɛ klm ɛ plm = 2δ kp (denn: lm ɛ klm ɛ plm = l (δ kp δ ll 1 δk q δ lp ) = 3δ kp δ kp ) Aufgaben: Berechnen Sie a b mit a = Berechnen Sie die Fläche des von ( 1 2 und b = ). und ( 2 1. ) aufgespannten Parallelogramms Höhere Vektorprodukte 1) Spatprodukt ( a b c) = a ( b c) ( Skalar) Geometrische Interpretation: Betrag: Volumen eines von ( a, b, c) aufgespannten Parallelepipeds. Vorzeichen: +, falls ( a, b, c) Rechtssystem, für Linkssystem. Koordinatenschreibweise: ( a b c) = k a k ( b c) k = ijk a k b i c j ɛ ijk = ijk ɛ ijk a i b j c k ( a b c) = ijk ɛ ijk a i b j c k. 2) Doppeltes Vektorprodukt: a ( b c) ( Vektor) Dafür gilt Entwicklungssatz : a ( b c) = b( a c) c( a b) ( Herleitung am schnellsten mit Hilfe des Epsilon-Tensors: ( a ( b c)) k = ij ɛ ijk a i ( b c) j = ij ɛ ijk a i lm ɛ lmj b l c m = ijlm ɛ ijk ɛ lmj a i b l c m = ilm ( j ɛ kij ɛ lmj )a i b l c m = ilm (δ kl δ im δ km δ il )a i b l c m = m a m b k c m l a l b l c k = b k ( a c c k ( a b) ).
18 2.3. VEKTORPRODUKT (ÄUSSERES PRODUKT, KREUZPRODUKT) 37 3) Weitere wichtige Beziehungen: ( a b) ( c d) = ( a c)( b d) ( a d)( b c) ( a b) 2 = a 2 b 2 ( a b) 2 (Lagrange-Identität) ( a b) ( c d) = ( c d a) b ( c d b) a = ( a bd) c ( a b c) d Aufgaben: Beweisen Sie die Jacobi-Identität Gegeben die Vektoren a = 1 2 3, b = 3 1 5, c = Berechnen Sie ( a b c), ( a b) c, a ( b c), ( a b) ( b c). Beweisen Sie mit Hilfe des Levi-Civita-Symbols: ( a b) ( c d) = ( a c)( b d) ( a d)( b c) Berechnen Sie ( a b) ( c d) + ( b b) ( a d) + ( c a) ( b d). Die Vektoren a 1, a 2, a 3 seien linear unabhängig. Die reziproken Vektoren seien definiert durch: b 1 = a 2 a 3 ( a 1 a 2 a 3 ) b 2 = a 3 a 1 ( a 1 a 2 a 3 ) b 3 = a 1 a 2 ( a 1 a 2 a 3 ). Zeigen Sie a i bj = δ ij Zeigen Sie ( a b) (( a + b) c) = 2 a( b c).
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