SPNV-Tarif und -Vertrieb zwischen Verbundgedanken, Vertriebsmonopol und Unternehmertum
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- Hertha Keller
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1 SPNV-Tarif und -Vertrieb zwischen Verbundgedanken, Vertriebsmonopol und Unternehmertum Christoph Schaaffkamp, KCW Dr. Anselm Grün, Orth Kluth Berlin, 11. Juni 2010 O r t h K l u t h
2 SPNV-Tarif und Vertrieb Agenda Tarif, Vertrieb und der Kunde Organisation von Tarif und Vertrieb: Defizite Ursachen der Defizite Lösungsansätze 2
3 Eisenbahnleistungen sind als Netzgut mit hoher Arbeitsteiligkeit. Wie sind Tarif und Vertrieb im deutschen Eisenbahnpersonenverkehr heute organisiert? 3
4 Tarif und Vertrieb im öffentlichen Personenverkehr Was sind die Bedürfnisse der Kund(inn)en? Öffentlicher Personenverkehr ist eine komplexe Dienstleistung Kunden nehmen Leistungen mehrerer Anbieter in Anspruch Tarif und Vertrieb sind wesentliche Nutzungshindernisse! Kundenbedürfnisse: freie Entscheidung, Wahl bei Produkt, Preis und Vertriebsweg Angebote, die ihren Bedürfnissen entsprechen und die sich mit ihren Bedürfnissen weiterentwickeln Integration komplementärer Leistungen Wettbewerb auch im Markt 4
5 Tarif und Vertrieb im öffentlichen Personenverkehr Was sind die Bedürfnisse der Kund(inn)en? Ebenen der Kundenbedürfnisse Durchgehende, lückenlose Information (Soll- und Istzeiten, günstigste Tarife, Vertriebsmöglichkeiten, Reklamation und Stornierung) Funktion und Sicherheit der Reisekette (Anschlusssicherung, Wegeleitung) Durchgehender Fahrausweis mit attraktiven Preisen Durchgehender Vertrieb Durchgehende Kundenbeziehung 5
6 Tarif und Vertrieb im öffentlichen Personenverkehr Es gibt gute Beispiele. Information Verschiedene Landes- bzw. Verbundauskunftssysteme DELFI Deutschlandweite Fahrplanauskunft historisch: Amtliches Kursbuch Tarif/Vertrieb Nationale Strippenkaart (NL) General-Abo als Nationale Netzkarte der Schweiz (CH), Durchgängige Tarife für gesamten ÖV: Direkter Verkehr (CH) National Rail: Tarif, Vertrieb, Kundenservice für Bahnen, unternehmensübergreifend (UK) Kundenbeziehung Halbtax-Abo und entsprechende Kundenbearbeitung der SBB und Schweizer Eisenbahnen Servicecenter Fahrgastrechte der DB Vertrieb für Entschädigung bei Verspätungen 6
7 Tarif und Vertrieb im öffentlichen Personenverkehr Beispiel Branchenlösung National Rail (UK) Beispiel: Homepage von National Rail (UK) Screenshot: nationalrail.co.uk 7
8 Tarif und Vertrieb im öffentlichen Personenverkehr Beispiel Nationale Strippenkaart (Niederlande) Beispiel: Nationale Strippenkaart (NL) Bilder: Wikimedia Commons, vbn-bv.nl (Screenshot) 8
9 Tarif und Vertrieb im öffentlichen Personenverkehr Beispiel Tarifintegration in der Schweiz Beispiel: General- Abo (CH) Screenshots: sbb.ch 9
10 SPNV-Tarif und Vertrieb Agenda Tarif, Vertrieb und der Kunde Organisation von Tarif und Vertrieb: Defizite Ursachen der Defizite Lösungsansätze 10
11 Organisation von Tarif und Vertrieb Gegenwärtige Defizite verhindern attraktivere Entwicklung. faktisch nahezu monopolistische Stellung der DB AG bei Tarif und Vertrieb im Eisenbahnverkehr außerhalb der Verkehrsverbünde Kaum Wettbewerb im Vertrieb, kaum Innovationen Behinderung/ Beschränkung der Preispolitik der Wettbewerber, Majorisierung durch DB AG hohe, asymmetrische Vertriebsprovisionen DB AG (bis > 20%) erhebliche Informationsasymmetrien DB AG/ Wettbewerber (u.a. Tarifbildung, Ergiebigkeit, Einnahmenaufteilung) Einnahmenaufteilung nicht zeitnah, transparent und unternehmensneutral (genug) Diskriminierung durch DB AG (marktbeherrschendes System bahn.de): keine Preisangaben, kein Vertrieb für Wettbewerber Getrennte Tarif- und Vertriebswelten: innerhalb der Verbundräume; in verbundfreien Räumen; für Fahrten aus den Verbünden heraus im Regionalverkehr; für Fahrten mit Fernverkehrszügen jeweils eigenständige Gesetzmäßigkeiten für Kunden verwirrend 11
12 SPNV-Tarif und Vertrieb Agenda Tarif, Vertrieb und der Kunde Organisation von Tarif und Vertrieb: Defizite Ursachen der Defizite Lösungsansätze 12
13 Ursachen der Defizite Gründe sind überkommene und nicht regulierte Strukturen. Nicht Kunden-, sondern Unternehmens-bezogene Strukturen Überkommene Strukturen, von DB AG dominiert, v.a.: Tarifverband Deutsche Bahn Nicht-bundeseigene Eisenbahnen (TBNE) Alternativ-, aber auch hilflose Vorgaben der Aufgabenträger: verhindern kreative Entwicklung von Verbund- und Unternehmensgrenzen überschreitenden Tarifen Trennung Verbundwelt (Spielregeln des lokalen ÖPNV, meist von inhaltlich von großen kommunalen VU geprägt) Eisenbahnwelt (Gesetzmäßigkeiten der Eisenbahn) statisch Zunehmende Isolierung Tarife DB Fernverkehr Kein durchgängiger Vertrieb, außer (fast ausschließlich) zu den Bedingungen der DB AG Kopplung durchgehender Tarif zu DB Fernverkehr an Vertriebskooperation, die dritte EVU stark einengt Ablehnung der Tarif- und Fahrplaninformationen für dritte EVU durch DB Vertrieb und bahn.de 13
14 Ursachen der Defizite Nutzt DB AG Marktmacht für Missbrauch/ Diskriminierung? Marktmacht beruht auf überkommener Dominanz der historischen Staatsbahn Vertrieb und Tarif als Instrumente zur Sicherung der Marktmacht insbesondere des DB AG Konzerns Erhebliches Potenzial zur Behinderung des Wettbewerbs und Diskriminierung von Wettbewerbern, ausgehend von der Marktmacht der DB AG in den Feldern Tarif, Vertrieb und Information und den von ihr dominierten, intransparenten Strukturen (inkl. Einnahmenaufteilung, TBNE) - Fehlen einer neutralen Alternative 14
15 SPNV-Tarif und Vertrieb Agenda Tarif, Vertrieb und der Kunde Organisation von Tarif und Vertrieb: Defizite Ursachen der Defizite Lösungsansätze 15
16 Lösungsansätze Kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht bietet Ansätze (I). Rechtlicher und faktischer Zwang zur Kooperation 12 Abs. 1 AEG (durchgehender Tarif) zwingt faktisch zur Teilnahme an bundesweiten Systemen (TBNE). Neben Gesetz aber vermutlich noch wirksamer sind Vorgaben AT. DB AG übt entsprechende Marktmacht aus - keine spezielle Regulierung. Massive Verstärkung, wo Aufgabenträger den Tarif des Wettbewerbers DB Regio vorgeben (und damit Spielraum für Haus- oder Anstoßtarife ausschließen) vergaberechtlich insbesondere bei Nettoverträgen kritisch 16
17 Lösungsansätze Kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht bietet Ansätze (II). Kartellrechtliche Schranken Nur schwache Ansatzpunkte aus dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung: Geltung des Koppelungsverbots? (z.b. Marktbeherrscher macht Bereitschaft zu Tarifkooperation von Teilnahme an Vertriebskooperation abhängig) Verbot unangemessener Konditionen? (z.b. Marktbeherrscher verlangt deutlich asymmetrische Vertriebsprovisionen) Pflicht zur Gewährung von Zugang zu den für die Markttätigkeit relevanten Informationen bei Annahme einer essential facility? (z.b. Marktbeherrscher verweigert Offenlegung der für Einnahmeaufteilung notwendigen Informationen) Kartellbehörde kann nach 32 Abs. 2 GWB tätig werden (Untersagung im Einzelfall) Kartellrecht schafft keine strukturelle Lösung, nur punktuelle Korrektur 17
18 Lösungsansätze Effektiver kann eine echte Regulierung wirken. Regulierungsbedarf Klares Bekenntnis für Wettbewerb auf der Schiene und Integration bei Tarif, Vertrieb, Information, Kundenbeziehung soweit für das System öffentlicher Verkehr erforderlich. AEG Einbeziehung Tarif, Vertrieb, Information in die Regulierung des Eisenbahnverkehrs als weitere zentrale Infrastruktur neben Netz, Serviceeinrichtungen und Energie Warum spezielle Regulierung (statt essential facility, 19 IV 4 GWB)? Gezielte asymmetrische Regulierung notwendig zum Abbau der Marktmacht des Incumbent DB AG Spezielle öffentliche Interessen an integriertem Verkehr, zudem erheblicher Finanzmitteleinsatz im SPNV Besonderheiten des Eisenbahnsektors 18
19 Lösungsansätze Alternativen Regulierungsbehörde oder Strukturen. Für die Lösung bieten sich zwei Ansätze an Alternative 1: Etablierung einer klaren Aufgabe und starken Stellung der Regulierungsbehörde: BNetzA prüft auf Diskriminierungsfreiheit und Objektivität. Alternative 2: "Intelligente Regulierung" durch Unbundling von Tarif, Vertrieb und Fahrgastinformation 19
20 Lösungsansätze Ergebnis der Regulierung Mehrwert für Nutzer und Staat. Wie könnte eine zukünftige Struktur aussehen? Nationales Eisenbahntarif- und Vertriebssystem (vergleichbar UK/CH) Hinreichende Harmonisierung im Tarif (Grundaufbau, Ermäßigungsstruktur etc.) Nationaler Dachtarif incl. Netzkarten Spielregeln für Zusammenwirken von Ermäßigungstarifen Vollständig gegenseitiger und durchgehender Vertrieb mit symmetrischen Provisionen Transparente Spielregeln zu Einnahmenaufteilung, Clearing Im Personalvertrieb (Beratung) und bei Automaten Zulassung von Wettbewerb (offene Datenschnittstellen), soweit Mehrwert für den Kunden Einheitliche Informationsplattformen, aufbauend auf allgemein zugänglichen Infosystemen zu ÖPNV; vgl. Vernetzungslösung DELFI Einheitliche Standards: Kundenrechte, Reklamation, Stornierung 20
21 Lösungsansätze Ergebnis der Regulierung Mehrwert für Nutzer und Staat. Wie könnten die dafür erforderlichen Strukturen aussehen? Alternative I: Branchengetragener Verband zur Abwicklung: TBNE II Aktive ex-ante und ex-post Regulierung durch BNetzA, solange marktbeherrschende Stellung von Verbandsmitgliedern (insbesondere DB AG) Langfristig nur noch Kartellregulierung notwendig Alternative II: Nationaler Eisenbahn- und ÖV-Vertrieb mit neutralem, unternehmensübergreifendem Tarif; damit verbunden Einnahmenaufteilung aus diesem Tarif; Nationale Netzkarten für den gesamten ÖV; Fahrgastinformation (vergleichbar UK) Aufbau: Clubmodell aus DB Vertrieb durch Unbundling Ablösung TBNE Daneben Unternehmenstarife im kommerziellen Verkehr zur aktiven Vermarktung und auch Wettbewerb im Markt durch Differenzierung v.a. im Preis und zentralen Servicequalitäten 21
22 Vielen Dank, haben Sie noch Fragen? 22
23 Kontakt Christoph Schaaffkamp Partner, Geschäftsführer Dr. Anselm Grün Partner KCW GmbH Fon:+49 30/ Fax:+49 30/ Bernburger Str. 27 D Berlin Orth Kluth Rechtsanwälte Fon:+49 30/ Fax:+49 30/ Am Weidendamm 1A Berlin 23
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