Deutscher Bundestag Drucksache 16/13541 16. Wahlperiode 23. 06. 2009 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Neskovic, Ulla Jelpke, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 16/13317 Gerichtsinterne Mediation Vorbemerkung der Fragesteller BeidergerichtsinternenMediationhandeltessichumeinespezielleFormder konsensualenstreitbeilegungimgerichtlichenverfahren.dabeistrebendie streitendenparteiendurchvermittlungeinesneutralendrittenohneentscheidungsbefugnis (demrichterlichenmediator)freiwillig,vertraulichundeigenverantwortlich eine einvernehmliche Lösung an. AußergerichtlicheMediationdurchSoziologen,Psychologen,Anwältenetc. gibtesindeutschlandschonseitgeraumerzeit,gerichtsinternemediation hingegenisthierzulandeeinrelativneuesphänomen.eineausdrücklichegesetzlicheregelunggibtesbishernicht.überdenvonbayernimbundesrat eingebrachtengesetzentwurf (Bundesratsdrucksache747/04)wurdebisheute nichtberaten.dennochwerdenseiteinigenjahrenmodellprojekteinunterschiedlichenbundesländernundgerichtsbarkeitendurchgeführt.hiergegen wirdverschiedentlichkritikvorgebracht (vgl.arig,gerichtsnahemediation GesetzesgehorsamoderKotauvordemZeitgeist?,Mitt.BlattNds.Richterbund,2006;Busemann,ÜberlegungenzurgerichtsinternenMediationim arbeitsgerichtlichenverfahren,arbeitundrecht2009,s.118ff.;härting,für einemediationsfernejustiz,anwbl.2007,s.700;spellbrink:mediationim sozialgerichtlichenverfahren BausteinfüreinirrationalesRechtssystem,in DRiZ 2006, 88). Vorbemerkung der Bundesregierung Vorabistdaraufhinzuweisen,dassdiegerichtsinterneMediationderzeitausschließlichbeiGerichtenderLänderdurchgeführtwirdundinsoweitinderen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich fällt. Darüber hinaus ist Folgendes zu bemerken: Am21.Mai2008wurdedieRichtliniedesEuropäischenParlamentsunddes RatesüberbestimmteAspektederMediationinZivil-undHandelssachen (EU- Mediationsrichtlinie)erlassen.Dieseistbiszum20.Mai2011innationales DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsderJustizvom19.Juni2009übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 16/13541 2 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode Rechtumzusetzen.DieBundesregierungnimmtdieUmsetzungderRichtlinie zumanlass,überdenzwingendenumsetzungsbedarfhinauszuprüfen,obund welchegesetzlichenregelungendermediationsinnvollunderforderlichsind. ZudiesemZweckhatdasBundesministeriumderJustizeineExpertenkommissioneinberufen,diedieverschiedenenFormenderMediation außergerichtliche,gerichtsnaheundgerichtsinternemediation umfassendbeleuchtensoll. VorrangigesgesetzgeberischesZielsolltedabeidieFörderungderaußergerichtlichenMediationsein.Geprüftwirdaberauch,obundinwieweitdiegerichtsinterneMediationeinergesetzlichenRegelungbedarf.DiesePrüfungistnoch nichtabgeschlossen.eineabschließendeantwortaufdienachfolgendenfragen ist daher derzeit nur eingeschränkt möglich. 1.InwelchenBundesländernundGerichtsbarkeitenhabennachKenntnisder BundesregierungModellprojektezurEinführungeinergerichtsinternen Mediationstattgefunden,worinunterschiedensiesich,undmitwelchen Ergebnissen haben sie geendet? SoweitderBundesregierungbekannt,wurdebzw.wirdinfastallenLändern gerichtsinternemediationangeboten,teilweiseallerdingsnuraneinzelnengerichten.fürdreiländer,diewissenschaftlichbegleitetemodellprojektedurchgeführthaben,liegenausführlicheevaluationenvor,aufdieverwiesenwerden kann: fürbayern:reinhardgreger,abschlussberichtzurevaluationdesmodellversuchsgüterichter (2007),http://www.reinhard-greger.de/aber/gueterichterabschlussbericht.pdf, fürmecklenburg-vorpommern:günterbierbrauer/edgarklinger,gerichtliche Mediation in Mecklenburg-Vorpommern (2008), fürniedersachsen:geraldspindler,gerichtsnahemediationinniedersachsen (2006);KatiZenk/RainerStrobl/JörgHupfeld/AndreasBöttger,Die Evaluation eines Modellversuchs (2007). 2.HältdieBundesregierungdenfüreinigeModellversucheanalogangewandten 278Absatz5Satz1derZivilprozessordnung (ZPO)füreinegeeignete Rechtsgrundlage für gerichtsinterne Mediation? EswirddieAuffassungvertreten,dasssichdiegerichtsinterneMediationauf eineanalogeanwendungdes 278Absatz5Satz1ZPOstützenlässt.Die Bundesregierungprüftderzeit,obimRahmenderUmsetzungderEU-MediationsrichtlinieeineausdrücklicheRegelungauchdergerichtsinternenMediation erforderlich ist. 3.BeabsichtigtdieBundesregierung,diegerichtsinterneMediationaufeine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu stellen? a)beabsichtigtdiebundesregierung 278Absatz5Satz1ZPOdahingehendzuergänzen,dassdasGerichtdieParteienfürdieGüteverhandlungnichtnurvoreinenbeauftragtenundersuchten,sondernauchvor einen als Mediator tätigen Richter verweisen kann? EswirdaufdieAntwortzuFrage2undaufdieVorbemerkungderBundesregierung verwiesen.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 3 Drucksache 16/13541 b)beabsichtigdiebundesregierungdiegerichtsinternemediationaneiner anderen Stelle im Gesetz zu regeln? Wenn ja, an welcher, und wie? EswirdaufdieAntwortzuFrage2undaufdieVorbemerkungderBundesregierung verwiesen. c)hatesbereitsgesprächemitdembundesministeriumderjustiz (BMJ) und den Justizministerien der Länder gegeben? InderExpertenkommissionzurUmsetzungderEU-Mediationsrichtliniesind aucheinzelneländer (Bayern,Niedersachsen,Rheinland-Pfalz)vertreten. DarüberhinausinformiertdasBundesministeriumderJustizdieLänderfortlaufend. 4.HältdieBundesregierungdiegerichtsinterneMediationmitdemRichterbild des Grundgesetzes (GG) für vereinbar? DieVereinbarkeitdergerichtsinternenMediationmitdemRichterbilddes GrundgesetzeshängtvonderkonkretenAusgestaltungdergerichtsinternen Mediation ab. a)wieistdievonfreiwilligkeit,eigenverantwortungundergebnisoffenheitgeprägtegerichtsinternemediationnachauffassungderbundesregierungmitderbindungdesrichtersangesetzundrecht (Artikel20 Absatz 3 GG) zu vereinbaren? DiegerichtsinterneMediationmusssoausgestaltetsein,dasssiemitderrechtsstaatlichen Bindung an Recht und Gesetz vereinbar ist. b)istdermediationsrichterverpflichtet,dierechtmäßigkeiteinergefundenen Vereinbarung zu überprüfen? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 4 verwiesen. c)wieverträgtsichdiemediationmitderrichterlichenerörterungs-, Frage- und Hinweispflicht und mit der richterlichen Prozessführung? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 4 verwiesen. d)wiewirdderschutzderschwächerenpartei,wiewirdeinfairesverfahren gewährleistet? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 4 verwiesen. e)hältdiebundesregierungnichtöffentlichemediationssitzungenmit dem Prinzip der Öffentlichkeit für vereinbar? Sieht die Bundesregierung hier eine Missbrauchsgefahr? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 4 verwiesen. 5.BeabsichtigtdieBundesregierungzumZweckederEinführungdergerichtsinternen Mediation das GG zu ändern? DieBundesregierungstelltimZusammenhangmitdergerichtsinternenMediation keine Überlegungen zur Änderung des Grundgesetzes an.
Drucksache 16/13541 4 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 6.GehtdieBundesregierungdavonaus,dassRichterohneWeiteresinder Lagesind,fortwährendzwischenderRollealsrechtlichsaubersubsumierendem Streitrichter und Mediationsrichter zu wechseln? Insoweit wird auf Satz 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. a) Wenn ja, worauf stützt sie diese Auffassung? EsbestehtEinigkeit,dassderSpruchrichtereinerseitsundderRichtermediator andererseitsunterschiedlicherollenhaben (vgl.doreenwarwel,gerichtsnahe Mediation [2007]). Artikel3BuchstabeaAbsatz2Satz1derEU-Mediationsrichtliniesiehtvor, dasseinrichtermediatorinderselbensachenichtalsspruchrichtertätigsein kann.diebundesregierungwirddiesbeieinemzukünftigengesetzentwurfzu beachten haben. b)wielassensichnachauffassungderbundesregierungindiesemzusammenhang Rechtsanwendungsfehler vermeiden? DieseFragewirdbeiderkonkretenAusgestaltungdergerichtsinternenMediation zu berücksichtigen sein. 7.WiebeurteiltdieBundesregierungdenNutzendergerichtsinternenMediation? a)welchenbedarfsiehtdiebundesregierungfürgerichtsinternemediation? DieBundesregierunghältdieeinvernehmlicheBeilegungvonKonflikteninsgesamtfüreinesinnvolleErgänzungundAlternativezurgerichtlichenGeltendmachungvonAnsprüchen.WiebereitsinderVorbemerkungderBundesregierungausgeführt,istinsoweitvorrangigesZielderBundesregierungdie FörderungderaußergerichtlichenMediation,dieauchnachderRechtsprechungdesBundesverfassungsgerichts (1BvR1351/01vom14.Februar2007) ineinemrechtsstaatgrundsätzlichvorzugswürdiggegenübereinerrichterlichenstreitentscheidungist.auchdie76.konferenzderjustizministerinnen undjustizministervom29.bis30.juni2005indortmundhatbeschlossen, dassdiegerichtsinternemediation alsübergangslösung einlohnenderweg seinkann,diekonsensualestreitbeilegunginsgesamtzufördernunddamit auch der außergerichtlichen Mediation zum Durchbruch zu verhelfen. ImÜbrigenwirdaufdiebereitszuFrage1zitiertendreiEvaluationenzuden ModelleninBayern,Mecklenburg-VorpommernundNiedersachsenverwiesen, die ihrerseits Erwägungen zu Bedarf und Nutzen anstellen. b)welchesinddievorteiledergerichtsinternenmediationgegenüberder bereitsexistierendengüteverhandlungbzw.gegenüberderaußergerichtlichen Streitschlichtung i.s.d. 278 Absatz5 ZPO? Es wird auf die Antwort zu Buchstabe a verwiesen. c) Inwiefern spielen hier finanzielle Erwägungen eine Rolle? EinebelastbareBewertungisthiernurdenLändernmöglich.AufSatz1der Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 5 Drucksache 16/13541 8.WelcheStreitfälleeignensichnachAuffassungderBundesregierungzur gerichtsinternen Mediation? GrundsätzlichkannsichunabhängigvomSachgebietjederStreitfallfüreine gerichtsinterne,gerichtsnaheoderaußergerichtlichemediationeignen.insoweitwirdfürdiegerichtsinternemediationaufdiebereitszitierteuntersuchung von Bierbrauer/Klinger (2008), S. 93 ff., verwiesen. 9.HältdieBundesregierungdieBesonderheiteneinesGerichtsverfahrens mit den Grundsätzen der Mediation für vereinbar? DieBesonderheitendesGerichtsverfahrenswerdenbeiderkonkretenAusgestaltung der gerichtsinternen Mediation zu berücksichtigen sein. a)wieverträgtsichdasprinzipderfreiwilligkeitdamit,dasseinrichter eine Mediation vorschlagen kann? SiehtdieBundesregierunghierdieGefahr,dasssicheineParteiaufgrundderAutoritätdesRichtersoderausAngstvorNachteilenim FallederAblehnungdesMediationsangeboteszueinerMediationgenötigt fühlen kann? DerVorschlageinerMediationdurchdenRichterbindetdieParteienebenso wenigwieeingerichtlichervergleichsvorschlagundberührtdaherauchnicht das Prinzip der Freiwilligkeit. b)istesmitdemprinzipdereigenverantwortungzuvereinbaren,wenn mandavonausgeht,dassderrichtermediatoraufdierechtmäßigkeit der Vereinbarung achten muss bzw. hierzu Stellungnahmen abgibt? DieAntworthängtvonderkonkretenAusgestaltungdergerichtsinternen Mediationab.InsoweitwirdauchaufdieeinleitendeAntwortzuFrage4verwiesen. c)hältesdiebundesregierungfürplausibel,dasssichdieparteienüber alleerheblichentatsachenundrechtsfragengegenseitigumfassend informieren (GrundsatzderInformiertheit),wennzubefürchtenist, dassesbeieinemscheiterndermediationzueinemstreitigenverfahren kommt? DamitsichdieParteieninderMediationgegenseitigumfassendinformieren, siehtartikel7dereu-mediationsrichtliniedenschutzdervertraulichkeit durch ein Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators vor. 10.HandeltessichnachAuffassungderBundesregierungbeidergerichtsinternenMediationumeinerichterlicheTätigkeitoderumeineAufgabe der Justizverwaltung? DieAntworthängtvonderkonkretenAusgestaltungdergerichtsinternenMediationab.ObdieWahrnehmungeinerAufgabeals Rechtsprechung anzusehen ist,hängtwesentlichvonderverfassungsrechtlichen,traditionellenoderdurch dengesetzgebervorgenommenenqualifizierungab (BVerfGE22,49 (76ff.)). DemRichterkönnendurchGesetzauchAufgabenzugewiesenwerden,dienicht ohneweitereszudenregelmäßigenundtypischenaufgabendergerichtegehörenmögen (vgl.bverfge21,139 (144)),soferndasGrundgesetzderenWahrnehmung nicht einer anderen Gewalt vorbehält (vgl. BVerfGE 64, 175 (180)).
Drucksache 16/13541 6 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode a) Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang Artikel 97 GG? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 10 verwiesen. b) Welche Bedeutung hat Artikel 101 Satz 2 GG? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 10 verwiesen. c) Was folgt daraus für die Haftung des Richters? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 10 verwiesen. 11.IstderrichterlicheMediatornachAuffassungderBundesregierunginden Geschäftsverteilungsplan aufzunehmen? Wenn nein, warum nicht? Es wird auf die einleitende Antwort zu Frage 10 verwiesen.
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