Deutscher Bundestag Drucksache 16/10653 16. Wahlperiode 17. 10. 2008 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Hüseyin-Kenan Aydin, Wolfgang Gehrcke, Dr. Norman Paech und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 16/10462 Verbot von kurdischem Satellitensender Roj TV Vorbemerkung der Fragesteller MitVerbotsbescheidvom13.Juni2008,gerichtetandieVerantwortlichender indänemarkansässigenfirmenmesopotamiabroadcasta/smetvundroj TVsowieVIKOinWuppertal,hatdasBundesministeriumdesInnern (BMI) denkurdischensatellitensenderrojtvimbereichderbundesrepublik Deutschlandverboten.MesopotamiaBroadcastA/Sdarfsichdanach im GeltungsbereichdesVereinsgesetzesnichtmehrdurchdenFernsehsender RojTVA/Sbetätigen.Eswirdbehauptet,dieTätigkeitdesSenderslaufe Strafgesetzenzuwiderundrichtesich gegendengedankendervölkerverständigung.zudemwirdbehauptet,dertv-senderbetätigesichfürdieinderbundesrepublikdeutschlandseit1993verbotenearbeiterparteikurdistanspkk undseisomitderen Sprachrohr,umihreAnhängerschaftinEuropamit Nachrichtenzuversorgen.DieebenfallsverboteneTV-Produktionsfirma VIKOwirdals Teilorganisation vonrojtvgewertetundvorhandenesvermögen zugunsten des Bundes beschlagnahmt und eingezogen. WesentlicherSenderinhaltseieine GlorifizierungdesbewaffnetenKampfes gegendietürkei unddas SchüreneinesPersonenkultesumdeninhaftierten PKK-FührerAbdullahÖcalan,sodasBMI.RojTVtransportiereden Konflikt,derzwischenTeilenderkurdischenBevölkerunginderTürkeimitdem türkischenstaatbesteht [ ]indiewohnzimmerkurdischerfamilienauchin Deutschland undschüreso HasszwischenMenschentürkischerundkurdischerVolkszugehörigkeit,behauptetdasBMIungeachtetderTatsache,das dersenderbeharrlichfüreinepolitischelösungderkurdischenfragewirbt. VordemHintergrunddes verschärftenvorgehensdestürkischenstaatesgegen PKK-Guerillastellungen gemeintsindoffenbardievölkerrechtswidrigen LuftangriffeaufZieleimNordirak erforderten Sicherheitsinteressender BundesrepublikDeutschland dasverbotdes PKK-Haussenders (allezitate aus dem Verbotsbescheid des BMI). RojTVerreichtmitseinenKultur-undNachrichtensendungeninkurdischer, türkischer,arabischerundassyrischersprachetäglichmehreremillionenmenschenimnahenostenundeuropa.indertürkei,wokurdischsprachigenachrichtensendungenbislangverbotensind,aberauchfürhunderttausendekur- DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsdesInnernvom16.Oktober2008 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 16/10653 2 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode dischstämmigerbürgerinderbundesrepublikdeutschlandistrojtveine wichtigealternativenachrichtenquellegegenüberdenmeistchauvinistisch aufgeladenen,antikurdischausgerichtetentürkischenmedien.weilauchkurdischeexilpolitikerundvertreterkurdischerorganisationenzuwortkommen, hatdietürkeiseitlangemeinverbotdessendersgefordert.dieus-regierung, die2006einegemeinsameanti-pkk-kommissionmittürkischenundirakischenstellengebildethat,unterstütztdieforderungnacheinemrojtv-verbot mitdiplomatischendruckaufdieeuropäischenstaaten.konkreteschrittezu einerschließungdessenderswurdeninsbesonderenacheineram5.november 2007erfolgtenEinigungzwischendemtürkischenMinisterpräsidentenRecep TayyipErdoganundUS-PräsidentGeorgeW.BushzurengenKooperationbei derbekämpfungderpkkeingeleitet.soverglichdervizekoordinatorder AntiterrorabteilungimUS-AußenministeriumbeieinemBesuchinAnkaraim Februar2008diePKKmiteinerKrake, derjederarmangegriffen werden müsseundnannteindiesemzusammenhangrojtveine Speerspitzedes Terrorismus (www.hurriyet.com.tr/english/8218535.asp?gid=74&sz=1209). WenigspätererfolgtenRazzienzuerstimBrüsselerStudiodesSendersundam 7.Mai2008indenStudioräumenderFirmaVIKOinWuppertalsowiebei mehrerenmitarbeiternundjournalisten.bereitsimjanuar2008hattediefirma KabelBWmitSitzinBaden-WürttembergdenEmpfangvonRojTVgestoppt. EinFirmensprecherhatteerklärt,dassdiesemSchrittkeinejuristischeEntscheidungzugrundegelegenhätte,sondernvon bestimmtenstellen entsprechende Direktiven ergangenwären (AzadiInfodienstNr.87,Juni2008, S.2). 1.WelcheGesuchevonSeitendertürkischenRegierungodertürkischer Sicherheits-oderJustizbehördenoderInterventionenvonVertreternUSamerikanischerRegierungsstellenoderUS-amerikanischerBehörden,ein BetätigungsverbotvonRojTVinderBundesrepublikDeutschlandzuerwirken, liegen der Bundesregierung vor? Der Bundesregierung liegen keine derartigen Gesuche und Interventionen vor. Keine 2.WelcheKooperationbzw.welcheKonsultationengabesbeiVorbereitung desbetätigungsverbotsvonrojtvvonseitenbundesdeutscherregierungsstellenoderbehördenmitausländischenregierungsstellen,behörden oder Justizinstitutionen a) mit türkischen Regierungsstellen, Behörden oder Justizinstitutionen, b)mitus-amerikanischenregierungsstellen,behördenoderjustizinstitutionen, c) mit dänischen Regierungsstellen, Behörden oder Justizinstitutionen, d) mit belgischen Regierungsstellen, Behörden oder Justizinstitutionen, e)mitregierungsstellen,behördenoderjustizinstitutionenandererals der in Frage 2a bis Frage 2d genannten Länder?
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 3 Drucksache 16/10653 Nein 3.WardieBundesregierungandenAktivitätenderAnfang2007vondenUSund türkischen Behörden errichteten Anti-PKK-Koordination beteiligt? a) Wenn ja, in welcher Form? b)wievielegemeinsametreffenvonspezialistenderus-außen-,justizundfinanzministeriensowiedertürkeifandeninwelchenländernder EU statt? c) Wie viele hiervon fanden in der Bundesrepublik Deutschland statt? d)waswarimeinzelnenjeweilsgegenstandderdiskussionenbzw.entscheidungen? e)habenandiesentreffenauchvertreterdesbundesamtesfürverfassungsschutz (BfV)und/oderdesBundesnachrichtendienstes (BND) und/oderdesbundesamtesfürmigrationundflüchtlinge (BAMF)teilgenommen, und wenn ja, welche? f) Welche deutsche Behörde wurde mit welchen Aufgaben betraut? g)inwieweithatdiebundesregierungaufdiesentreffenkonkretezusagenimhinblickaufstrafverfolgungsmaßnahmengegeninderbundesrepublikdeutschlandpolitischaktivekurdinnenundkurdengemacht? h)welchemaßnahmensindnachweislichaufgrunddieserkonsultationen durchdiebundesanwaltschaft,dasbundeskriminalamt (BKA)oder Staatsanwaltschaften durchgeführt worden? 4.WurdenbeidenZusammenkünftenderAnti-PKK-KoordinationinsbesondereauchVerbotsmaßnahmengegenkurdischeMedien Zeitungen, Nachrichtensendungen, TV-Sender beschlossen oder erörtert? a)stehtdieverbotsverfügunggegendiefirmaviko,mesopotamia Broadcast A/S METV und Roj TV in diesem Zusammenhang? Auf die Antwort zu Frage 3 wird Bezug genommen. b)beabsichtigtdiebundesregierungweitereverbotsmaßnahmengegen kurdische Einrichtungen, und wenn ja, gegen welche? Zu derartigen Verbotsüberlegungen äußert sich die Bundesregierung nicht. 5.ErgreiftdieBundesregierungInitiativenbzw.sindderRegierungInitiativendeutscherBehördenbekannt,umeinVerbotvonRojTVauchinanderen Ländern der Europäischen Union zu erreichen? a)wennja,welcheinitiativeninwelchenländernundmitwelchenausländischen Behörden sind der Bundesregierung bekannt? b)welcheinitiativendeutscherbehördensindderbundesregierungbekannt,dänemarkzumentzugdersendelizenzfürrojtvzubewegen? c)welcheinitiativendeutscherbehördensindderbundesregierungbekannt,eineschließungdeshauptsendestudiosvonrojtvinbrüssel zu erreichen? InitiativenderBundesregierungoder deutscherbehörden imsinnederfrage gibt es nicht.
Drucksache 16/10653 4 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode Nein 6.IstderBundesregierungbekannt,aufgrundwelchervoneinemFirmensprecherderFirmaKabelBWmitSitzinBaden-Württemberggenannten Direktive von bestimmtenstellen diesefirmabereitsimjanuar2008 den Empfang von Roj TV gestoppt hat? a) Wenn ja, um Direktiven welcher Behörden handelt es sich? b) Von welcher Stelle ging die Initiative für diese Direktiven aus? c) Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgten diese Direktiven? d)inwieweitwurdenderartigedirektivenauchananderekabelanbieter gegeben? 7.AnhandwelcherTatsachenkommtdieBundesregierungzuderimVerbotsbescheidgenanntenErkenntnis,durchRojTVseien erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet? DieTatsachen,diederAnnahmederGefährdungerheblicherInteressender BundesrepublikDeutschlandzugrundeliegen,ergebensichausderVerbotsverfügungdesBundesministeriumsdesInnernvom19.Juni2008,diedenFragestellernoffenbarvorliegt (BAnz.19.Juni2008,Seite2142).ImRahmenparlamentarischerAnfragenäußertsichdieBundesregierungnichtzuGegenständen anhängiger Verwaltungsstreitverfahren. 8.DurchwelchekonkretenVorfällekanndieBundesregierungbelegen, dassdurchdensender dasfriedlichezusammenlebenvondeutschen undausländernundverschiedenenausländergruppenimbundesgebiet gefährdet würde? VereinsverbotesindInstrumenteeinerpräventivenSicherheitspolitik;aufden EintritteineskonkretenSchadensereignisseskommtesnichtan.ImÜbrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9.InwieweitsiehtdieBundesregierungeinenWiderspruchzwischenden überrojtvregelmäßigvonkurdischenrepräsentantenundrepräsentantinnenverbreitetenfriedenspolitischenvorstellungenunddenbehauptungen,durchdensenderwerde GewaltanwendungalsMittelzur Durchsetzung politischer Belange hervorgerufen? DieBundesregierunghatdieTatsache,dassderSender Gewaltanwendungals MittelpolitischerBelange hervorruft,inderverbotsverfügungausführlich dargelegt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 10.WelcheBedeutunghatRojTVnachEinschätzungderBundesregierung fürkurdischstämmigebürgerinnenundbürgerinderbundesrepublik Deutschland a) zur Information über Ereignisse in ihrem Herkunftsland, b)zur politischen Bildung, c) zur Unterhaltung in einer Sprache und Kultur ihres Herkunftslandes? DievorgeblichpluraleAusrichtungdesSendersistbesondersgeeignet,über diepkk-anhängerschafthinausdaskurdischstämmigepublikumfürdieinteressenundzielederindeutschlandverbotenenundvondereualsterroristische Organisation gelisteten PKK einzunehmen.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 5 Drucksache 16/10653 11.ÜberwievieleZuschauerverfügtRojTVnachInformationenderBundesregierung a) in der Bundesrepublik Deutschland, b) in Europa (ohne die Bundesrepublik Deutschland), c)in der Türkei, d) im Nahen Osten (ohne Türkei), e)weltweit? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 12.WievieleMitarbeiterdesSendersRojTVA/SundderFirmaVIKO FernsehProduktionGmbHinderBundesrepublikDeutschlandverlieren nachinformationenderbundesregierungdurchdieverbotsverfügung ihre Arbeitsplätze? DiesistderBundesregierungderzeitnichtbekannt,daihrwidersprüchliche AngabenüberdieZahlderBeschäftigenvorliegen.DieimRahmendesVerbotsverfahrens hierzu geführten Ermittlungen dauern an. Keine 13.WelchekonkretenVermögenswerteundSachenwurdenaufgrunddes VerbotszugunstendesBundesbeschlagnahmtundeingezogen?Bitteaufschlüsseln nach: a) Vermögenswerten und Sachen der Mesopotamia Broadcast A/S, b) Vermögenswerten und Sachen von Roj TV A/S, c)vermögenswertenundsachenderfirmavikofernsehproduktion GmbH, d)sachendritter,diebroadcasta/s,rojtva/soderderfirmaviko Fernseh Produktion GmbH zur Nutzung überlassen wurden, e)forderungendrittergegenbroadcasta/s,rojtva/soderderfirma VIKO Fernseh Produktion GmbH. DasgesamtebekannteundinDeutschlandvorhandeneVermögenderVIKO FernsehProduktionGmbHwurdebeschlagnahmt;Vermögenwurdenichteingezogen. DiezurBeantwortungderFragenerforderlichenErmittlungenimVerbotsverfahren dauern an. 14.InwieweitsindnachAuffassungderBundesregierungAusstrahlungen vonrojtvinöffentlichzugänglichenräumlichkeitenwiegastronomiebetriebenoderkulturvereinenimgeltungsbereichdesvereinsgesetzes vom Betätigungsverbot des Fernsehsenders Roj TV A/S betroffen? BeiderFragehandeltessichumeineTatfrage,diesewirddurchdaserkennende Gericht entschieden werden.
Drucksache 16/10653 6 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 15.InwieweitfälltnachAuffassungderBundesregierungdieÜberlassung vonfilmaufnahmenoderfernsehproduktionen,dieimgeltungsbereich desvereinsgesetzesangefertigtwurden,andiemesopotamiabroadcast A/S zur Ausstrahlung über Roj TV unter das Betätigungsverbot? 16.InwieweitfälltnachAuffassungderBundesregierungdieBelieferung vonrojtvmitagenturmeldungenvonimgeltungsbereichdesvereinsgesetzes aktiven Presseagenturen unter das Betätigungsverbot? 17.InwieweitfälltnachAuffassungderBundesregierungdasSchaltenvon WerbunginSendungenvonRojTVA/SdurchinderBundesrepublik DeutschlandansässigeFirmenoderPersonenunterdasBetätigungsverbot? 18.InwieweitfälltnachAuffassungderBundesregierungdieTeilnahmevon inderbundesrepublikdeutschlandansässigenbürgerinnenundbürgern animauslandproduziertensendungenvonrojtva/s,z.b.andiskussionsveranstaltungenoderdurchinterviews,unterdasbetätigungsverbot? Auf die Antwort zu Frage 14 wird Bezug genommen. 19.WelcheanderenimBundesgebietzuempfangendenkurdischsprachigen SendersindderBundesregierungbekannt,dieimBundesgebietzuempfangen sind? a) Welche Gruppierungen sind für diese Sender verantwortlich? b)wiebeurteiltdiebundesregierungdiepolitischeausrichtungdieser Sender? DerKenntnisstandderBundesregierunghierzuentsprichtdem,derausdenallgemein zugänglichen Quellen zu erlangen ist. 20.WelcheanderenMediensindderBundesregierungbekannt,ausdenen sichkurdischstämmigebürgerinnenundbürgerinderbundesrepublik DeutschlandaberauchinderTürkeiunddemNahenOstenüberdie SichtweisekurdischerParteienunddieFriedensvorschlägekurdischer Persönlichkeiten informieren können? Auf die Antwort zu Frage 19 wird Bezug genommen. 21.InwieweithältdieBundesregierungeineVerbotsaufhebungdurchdas BundesverwaltungsgerichtwieimOktober2005gegendasvomdamaligenBundesministerdesInnernOttoSchilyerlasseneBetätigungsverbot derzeitungözgürpolitikasowiederkurdischennachrichtenagentur MHA für möglich? ImBlickaufdiegrundgesetzlichgarantierteUnabhängigkeitderJudikative verbieten sich Spekulationen zur Sache.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 7 Drucksache 16/10653 22.VerfolgendeutscheGeheimdienstbehördennebendenkurdischenauch die türkischen Medien in der Bundesrepublik Deutschland? a)wennja,welcheerkenntnisseimhinblickauf Verstößegegenden GedankenderVölkerfreundschaft insbesondereimumganggegenüberkurdenundarmeniernsowiereligiösenminderheiteninnerhalb dertürkeiwiealeviten,yeziden,judenundchristenkonntenhier festgestellt werden? b)wennja,welcheerkenntnisseimhinblickaufeine Glorifizierung desbewaffnetenkampfes dertürkischenarmee etwabeidenvölkerrechtswidrigeneinmärschenundbombardierungendesnordirak konnten hier festgestellt werden? DieFragenzielenaufdieTätigkeitderNachrichtendienste.Hierzuäußertsich diebundesregierungvordendazubestelltengremiendesdeutschenbundestages. c)wennja,inwieweitsindverbotsmaßnahmengegentürkischemedien innerhalbderbundesrepublikdeutschlandindenaugenderbundesregierung wünschenswert oder notwendig? Auf die Antwort zu Frage 4b wird verwiesen.
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