Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung II. Sichere
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- Alexander Wilfried Krause
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1 1 Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung II Kernkraftwerke Sichere Angesichts der Möglichkeit, dass sich auch in Deutschland terroristische Angriffe ereignen können, ist die Bundesregierung entschlossen, verschärfte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Da sie der Auffassung ist, auch Kernkraftwerke könnten potenzielle Ziele internationaler Terrorgruppen sein, hat sie ein Gutachten über die möglichen Auswirkungen terroristischer Anschläge auf Kernkraftwerke in Auftrag gegeben. Nach dem Ergebnis der Gutachter kann nicht ausgeschlossen werden, dass die baulichen Anlagen der Kraftwerke durch einen gezielten Angriff mit einem großen Verkehrsflugzeug erheblich beschädigt werden und es zu einem Ausfall der Sicherheitseinrichtungen kommt. Im Juli 2007 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats ein Gesetz zur Sicherung der Kernkraftwerke vor terroristischen Angriffen (Kernkraftwerkssicherungsgesetz KWSG) verabschiedet. Es enthält unter anderem folgende Regelungen: 4 Vorkehrungen gegen Angriffe aus der Luft Betreiber von Kernkraftwerken haben bis zum die Anlagen durch 1. die Installation von Nebelanlagen, die im Gefahrenfall die Sichtbarkeit des Kernkraftwerks aus der Luft durch Erzeugung einer Nebelwand erschweren, oder 2. die Errichtung eines Tiber die Anlagen gespannten Stahlnetzes, welches `seiner Könstruktiön V nach'èinen Einschlag verhindert, gegen terroristische Angriffe aus der Luft zu sichern. 5 Anordnungen Die oberste Landesbehörde kann Anordnungen zur Erfüllung der sich aus 4 ergebenden Sicherungspflicht treffen. 10 Zuständigkeit der Landesbehörden Dieses Gesetz wird durch die Länder im Auftrage des Bundes ausgeführt. K, Betreiber eines Kernkraftwerks im Bundesland X, kommt auch nach dem seiner Sicherungspflicht aus 4 KWSG nicht nach. Er behauptet, bei dem Kraftwerk handele es sich um eines der modernsten in Deutschland, bei seiner Errichtung sei man sich bereits der Möglichkeit terroristischer Angriffe aus der Luft bewusst gewesen und habe dies bei der Konstruktion der Außenwände berücksichtigt. Der für die Ausführung des KWSG als oberste Landesbehörde zuständige Umweltminister L des Bundeslandes X trifft daher gegenüber K keine Anordnung gem. 5 KWSG. Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (B) ist empört und fordert L zum Erlass einer Anordnung nach 5 KWSG auf, damit K seiner Sicherungspflicht nachkommt. Im Rahmen einer Auseinandersetzung mit B bringt L vor, das Kernkraftwerk des K halte seiner Konstruktion nach Angriffen aus der Luft stand, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen seien nicht notwendig. Zudem sei das KWSG formell verfassungswidrig, so dass schon aus diesem Grund keine Weisung ergehen dürfe. Sofern der
2 2 Bund überhaupt über eine Gesetzgebungskompetenz für das KWSG verfüge schließlich falle das Gefahrenabwehrrecht grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, habe er das Gesetz jedenfalls nicht erlassen dürfen, da die zuständigen Landesminister bereits auf einer Konferenz über den Erlass landes-einheitlicher Gesetze zum Schutz vor Terrorismus beraten hätten. Hierbei sei es auch um die Sicherung der Kernkraftwerke gegangen. Die Ausarbeitung der Gesetzentwürfe sei geplant, diese sollten voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahres in die Landtage eingebracht werden. Das KWSG sei daher nicht erforderlich gewesen. B droht L das Ergreifen förmlicher Maßnahmen unter Hinweis auf seine Weisungsbefugnis an, falls L nicht gegenüber K die Installation der Nebelanlage anordne. Als L dennoch untätig bleibt, weist B den L in einem Schreiben vom an, K zu verpflichten, das Kernkraftwerk mit einer Nebelanlage auszurüsten. In der Begründung heißt es, angesichts der möglichen dramatischen Auswirkungen eines terroristischen Anschlags auf Kernkraftwerke müssten zusätzliche Maßnahmen zu deren Sicherung ergriffen werden. Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des KWSG seien unbegründet, im Bereich der Kernenergie dürfe der Bund auch Regelungen zur Abwehr von äußeren Gefahren für Kernkraftwerke treffen und die Bundesauftragsverwaltung anordnen. L sieht durch diese Weisung die Verwaltungskompetenz des Landes X verletzt. Er ist von der formellen Verfassungswidrigkeit des KWSG überzeugt und hält die Weisung für rechtswidrig, weil sie das in 4 KWSG vorgesehene Wahlrecht des Betreibers zwischen den zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen unberücksichtigt lasse. Bearbeitervermerk: Prüfen Sie, ob die Weisung des B die Verwaltungskompetenz des Landes X verletzt. Dabei ist die Prüfung auf die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz des Bundes zu beschränken und die Verfassungsmäßigkeit im Übrigen zu unterstellen. Prüfen sie, ob ein Bund- Länder Streitverfahren vor dem BVerfG Erfolg hätte!
3 3 Lösungsskizze Bund-Länder-Streit, Art. 93 I Nr. 3, 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG A. Zulässigkeit I. Parteifähigkeit, 68 BVerfGG - Antragsteller, Land L vertreten durch die Landesregierung - Antragsgegner, Bund vertreten durch die Bundesregierung II. Antragsgegenstand - Gern. 69, 64 I BVerfGG muß es um eine (konkrete und rechtserhebliche r ') Maßnahme oder Unterlassung der Gegenpartei (Bund bzw. Land) gehen hier: Weisung des B III. Antragsbefugnis, 69, 64 I BVerfGG Antragssteller müsste möglicherweise in eigenen grundgesetzlichen Rechten verletzt oder gefährdet worden sein hier: - Verwaltungshoheit der Länder gem. Art. 83 GG - Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens IV. Vorverfahren Hier : nötig nach Art. 84 IV GG (hier evtl. Art. 83 GG betroffen), muss der Bundesrat vorerst angerufen werden V. Form und Frist Form: 23 I, 69, 64 II BVerfGG Frist: Hier 70 BVerfGG Zwischenergebnis: Nach Anrufung des Bundesrates wäre ein Bund- Länder Streitverfahren zulässig.
4 4 B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn das angegriffene Verhalten des Antragsgegners den Antragsteller tatsächlich in seinen grundgesetzlichen Rechten verletzt. I. Verwaltungskompetenz des Landes X - Gemäß Art. 83 GG (für den Bereich der Verwaltung lex specialis zu Art. 30 GG) ist der Vollzug der Bundesgesetze grundsätzlich Angelegenheit der Länder - Hier kein Fall der Art. 86 ff. GG - Entweder Landeseigenverwaltung (Art. 83 Halbs. 1, 84 GG) oder Bundesauftragsverwaltung (Art. 83 Halbs. 2, 85 GG) - Die Verwaltungskompetenz des Landes X (Verbandskompetenz) für den Vollzug des KWSG ist gegeben II. Verletzung der Verwaltungskompetenz durch Erteilung der Weisung 1. Ermächtigungsgrundlage - Ermächtigungsgrundlage für die Weisung (Weisungsbefugnis) Art. 85 III 1 GG - Dann Bundesauftragsverwaltung (zwingender Fall oder fakultativ) - Hier: fakultative Bundesauftragsverwaltung nach Art. 87 c GG a) Gebrauchmachen von der Gesetzgebungskompetenz i. S. d. Art. 87 c GG - hier: evtl. ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 71, 73 I Nr. 14 GG aa) Kompetenztitel nach Art. 71, 73 I Nr. 14 GG Problem Erstreckt sich Art. 73 I Nr. 14 GG auch auf präventive Maßnahmen zum Schutz vor Einwirkungen Dritter in den Betrieb eines Kernkraftwerkes? Kurz ansprechen und unbedingt bejahen, denn: - Entstehungsgeschichte schließt umfassende Kompetenzzuweisung ein - Art. 73 I Nr. 14 GG knüpft an das Verständnis des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts an, umfasst aber auch Vorsorgemaßnahmen und damit alle denkbaren Maßnahmen zum Schutz vor zukünftigen und bestehenden Gefahren der Kernenergie
5 5 Ergebnis: KWSG ist vom Kompetenztitel des Art. 73 I Nr. 14 GG umfasst, der Bund hat von seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. b) Anordnung der Bundesauftragsverwaltung und Zustimmung des Bundesrats - Art. 87 c GG - Mit 10 KWSG liegt eine entsprechende gesetzliche Anordnung vor. Das KWSG ist auch mit Zustimmung des Bundesrats erlassen worden Zwischenergebnis: Das KWSG ist Gegenstand der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 i. V. mit Art. 87 c GG, 10 KWSG). Die Weisungsbefugnis des Bundes folgt mithin aus Art. 85 III 1 GG 2. Formelle Voraussetzungen der Weisungserteilung a) Zuständigkeit und richtiger Adressat - B ist als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zuständige oberste Bundesbehörde für die Erteilung der Weisung i. S. von Art. 85 III 1 GG - L als Umweltminister des Landes X zuständige oberste Landesbehörde i. S. des Art. 85 III 2 GG und damit richtiger Adressat der Weisung b) Verfahren - Art. 85 III GG Aus dem Bundesstaatsprinzip abgeleitet (Art. 20 I GG) Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens Dieses Gebot verpflichtet den Bund und die Länder sowie die Länder untereinander, bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die Belange der Länder zu nehmen Vorliegend bedeutet dies: - der Weisungsadressat muss vor Erteilung der Weisung angehört und gewarnt werden - B müsste L also Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, dessen Standpunkt erwogen und ihm deutlich gemacht haben, dass er den Erlass einer Weisung in Betracht zieht Hier: B hat dies getan. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen, die aus dem Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens resultieren, sind somit gewahrt
6 6 c) Form - keine besonderen Formerfordernisse - Weisung erfolgte schriftlich mit Begründung - Streit, ob aus dem Rechtsstaatsprinzip ein generelles Schriftform und Begründungsprinzip erfolgt ist daher unerheblich Zwischenergebnis: B hat die formellen Voraussetzungen der Weisungserteilung beachtet 3. Materielle Voraussetzungen der Weisungserteilung a) tauglicher Weisungsgegenstand - Weisungen i. S. des Art. 85 III 1 GG umfassen die gesamte Vollzugstätigkeit des Landes - Die Weisung ist Mittel zur Steuerung des Gesetzesvollzugs der Länder in allen Phasen - umfasst Einzelweisungen, aber auch eine Vielzahl konkreter Fälle - Gegenstand der Weisung kann (wie hier) eine nach außen hin zu treffende (verfahrensabschließende) Entscheidung (Erlass einer Anordnung nach 5 KWSG) sein - Die Weisung kann sich auch wie hier (vgl. 5 KWSG: kann") auf das Ermessen als Teil der Zweckmäßigkeit der Gesetzesausführung beziehen (Art. 85 IV 1 GG) b) inhaltliche Rechtmäßigkeit der Weisung - aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass der Bund die Weisungsbefugnis inhaltlich rechtmäßig ausüben muss und den Weisungsadressat nicht zu einem rechtswidrigen Verhalten veranlassen darf hier: - Die Weisung verpflichtet L, trotz des ihm in 5 KWSG eingeräumten Ermessens gegenüber K die Errichtung einer Nebelanlage anzuordnen - Zwar können sich Weisungen auf das Ermessen beziehen, dabei müssen aber die einfach- gesetzlichen Anforderungen der Ermessensausübung berücksichtigt werden - Auf Grund des in 4 KWSG kann L rechtmäßigerweise K nur dazu verpflichten, seiner Sicherungspflicht nach 4 KWSG nachzukommen, nicht aber, eine spezielle Vorkehrung i. S. des 4 KWSG zu treffen - Die Weisung des B ist somit mit den Vorschriften des KWSG unvereinbar und inhaltlich rechtswidrig.
7 7 Problem Hat eine inhaltlich rechtswidrige Weisung die Verletzung der Verwaltungskompetenz eines Landes zur Folge? Pro (Teil der Lehre) Contra ( h. M) - Wie der Verwaltungsakt sind auch rechtswidrige Weisungen wirksam und erlegen dem Adressaten eine Befolgungspflicht auf - föderale Eingriffe in den Kompetenzbereich der Länder nur im Falle ihrer umfassenden Legalität gestattet - bei Befolgung der Weisung werde den Ländern das rechtswidrige Verhalten rechtlich zugerechnet wer und sie könnten Gegner in dadurch ausgelösten Rechtsstreitigkeiten werden - - nein; vorbehaltlich äußerster Grenzen (Verletzung oder Gefährdung bedeutsamer Rechtsgüter) - Trennung von Wahrnehmungs- und Sachkompetenz - die Wahrnehmungskompetenz werde den Ländern unentziehbar garantiert, der Bund könne die Sachkompetenz der Länder durch Ausübung seines Weisungsrechts an sich ziehen und sie dadurch in Bundeskompetenz umwandeln - im Falle der Weisungserteilung fehle es dem Land gerade an der Sachkompetenz, also könne eine inhaltlich rechtswidrige Weisung die Verwaltungskompetenz eines Landes nicht verletzen, vielmehr übe der Bund eine eigene Kompetenz rechtswidrig aus - Eine Verletzung der Verwaltungskompetenz eines Landes komme nur in Betracht, wenn gerade die Inanspruchnahme der Weisungsbefugnis als solche oder in ihren Modalitäten gegen die Verfassung verstoße Hier: nach h. M keine Verletzung der Verwaltungskompetenz (a. A. vertretbar) Weitere Argumente für h. M: - das Weisungsrecht des Bundes in Art. 85 III GG erkennbar als reguläres Mittel zur Durchsetzung des bei Bundesgesetzen vom Bund zu definierenden Gemeinwohlinteresses im Falle von vollzugsbehindernden Meinungsverschiedenheiten gedacht - die Verantwortung liegt jedoch letztlich beim zuständigen Bundesminister - der Bund trägt die entstehenden finanziellen Lasten gem. Art. 104 a II, V 1 GG
8 8 c) Gebot der Weisungsklarheit Das aus Art. 85 III GG folgende Gebot der Weisungsklarheit erfordert, dass der Angewiesene erkennen kann, dass ihm gegenüber eine Weisung ergangen ist und welches administrative Verhalten von ihm verlangt wird hier: (+) d) Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten Das Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens untersagt einen missbräuchlichen Gebrauch des Weisungsrechts hier: keine Anhaltspunkte Ergebnis Die Weisung erging materiell verfassungsmäßig, damit insgesamt verfassungsmäßig, der Antrag wäre damit unbegründet und hätte keine Aussicht auf Erfolg. Literatur: leicht verändert nach: Kahl/ Brehme, JuS 2005, 917 ff.
9 9 Schema Prüfung einer Weisung nach Art. 85 III GG I. Ermächtigungsgrundlage zur Weisungserteilung II. Formelle Voraussetzungen der Weisung 1. Zuständigkeit und richtiger Adressat 2. Verfahren 3. Form III. Materielle Voraussetzungen der Weisung 1. tauglicher Weisungsgegenstand 2. inhaltliche Rechtmäßigkeit der Weisung 3. Gebot der Weisungsklarheit 4. Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens
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