Vorlesung Mathematik 2 für Ingenieure (Sommersemester 2016)
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- Maria Armbruster
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1 1 Vorlesung Mathematik 2 für Ingenieure (Sommersemester 216) Kapitel 11: Potenzreihen und Fourier-Reihen Prof. Miles Simon Nach Folienvorlage von Prof. Dr. Volker Kaibel Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Danke an Frau Dr. Reifegerste für Korrekturlesen. (Version vom 2. Mai 216) Erinnerung: Konvergenz von Zahlenreihen Definition 11.1 Sei (a k ) k N eine Folge von (reellen oder komplexen) Zahlen. Ihre Partialsummen sind n s n := a k (n N). k= Konvergiert die Folge (s n ) n N der Partialsummen gegen einen Grenzwert L R bzw. L C (den Wert der Reihe), so schreiben wir a k = L ; k= die Reihe k= a k ist dann konvergent. Andernfalls heißt die Reihe k= a k divergent. 2
2 Beispiele: 3 4 Eine Reihe der Form P(x) = k= a k(x x ) k, wobei a k R(C), x R (C) feste Konstanten sind und x R (C) ist heißt Potenzreihe. Für x = x ist P(x ) = a. D.h. P(x ) konvergiert immer. Die Reihen in Beispiel 2, 3 oben sind Potenzreihen mit x =. Möglich ist, dass P(x) für manche x konvergiert und für andere x nicht konvergiert. In Beispiel 3, ist P(x) = k= x k = k= a kx k mit a k = 1 für alle k N. P(x) konvergiert für alle x < 1, aber P(x) ist nicht konvergent für alle x 1 (siehe Geometrische Reihe im Kapitel 7).
3 Potenzreihen 5 Satz 11.2 Für jede Koeffizientenfolge a k R (C) (k N) und für jedes z R (C) gibt es ein R R + { }, so dass gilt: Für alle z R (C) mit z z < R und z = z ist die Reihe P(z) = a k (z z ) k k= konvergent, sogar absolut konvergent. Potenzreihen 6 Satz 11.2 (... ) Für alle z R (C) mit z z > R ist die Reihe P(z) = a k (z z ) k divergent. k=
4 Potenzreihen Satz 11.2 (... ) P : (z R, z + R) R, P(z) = k= a k(z z ) k (P : {z C z z < R} C, P(z) = k= a k(z z ) k ) ist dann eine wohldefinierte Funktion mit Werten in R (C). Der Konvergenzradius von P ist in diesem Fall R. 7 Bemerkung: Konvergenzradius I 8 Satz 11.3 Sei P(z) die Potenzreihe k= a k(z z ) k. Wenn a k für alle k N N groß genug und a A := lim k k a k+1 R + { } existiert, dann ist der Konvergenzradius R = A gegeben.
5 Begründung Idee: 9 Probleme: 1
6 Limsup 11 Notation: Für eine Folge (a k ) k N in R definieren wir lim sup k a k = lim k sup{a n n N, n k} R {± } Beachten Sie, dass b k := sup{a n n N, n k} monoton fallend in k ist und damit lim sup k a k R {± } existiert immer. Wenn lim k a k R {± } existiert, dann gilt lim sup k a k = lim k a k R {± }. Konvergenzradius II Satz 11.4 Für eine Potenzreihe k= a k(z z ) k ist der Konvergenzradius 12 R = 1 lim sup k a k 1 k, mit der Vereinbarung 1 = und 1 =. Bemerkung : Für z mit z z = R gibt es keine allgemeine Aussage: Die Konvergenz der Potenzreihe P(z) muss für z mit z z = R individuell geprüft werden.
7 Begründung Idee (Fall z = ): 13 Begr. 14
8 Bemerkung: Ähnlich kann gezeigt werden : Der Konvergenzradius einer Potenzreihe k= a k(z z ) k ist R = A wobei 15 A = lim sup k a k a k+1,falls a k für alle k N N groß genug. Beispiele: 16
9 Beispiele: 17 Differenzierbarkeit von Potenzreihen Satz 11.5 Die reelle (komplexe) Potenzreihe a k (x x ) k k= habe Konvergenzradius R >. Dann ist die von ihr definierte Funktion f : (x R, x + R) R (C) mit f (x) = k= a k(x x ) k differenzierbar mit f (x) = ka k (x x ) k 1 = (k+1)a k+1 (x x ) k. k=1 k= 18 Der Konvergenzradius der abgeleiteten Potenzreihe
10 Begründung Idee: 19 2
11 Taylor-Reihe als Potenzreihe Erinnerung: Ist f : I R (I R offenes Intervall) beliebig oft differenzierbar, so heißt für x I die Potenzreihe T f (x) = f (k) (x ) k= k! (x x ) k die Taylor-Reihe von f um x. T f ist eine Potenzreihe. Sei R > der Konvergenzradius von T f. Es gibt keine Garantie, dass f = T f auf ( R + x, x + R). Beispiel: 21 Sei x R mit R n (x) := f (x) n f (k) (x ) k= k! (x x ) k. Falls R n (x) für n, dann ist f (x) = T f (x), und damit ist x [ R + x, x + R]. 22
12 Periodische Funktionen 23 Definition 11.6 Eine Funktion f : R R oder f : R C heißt T -periodisch (mit T > ), wenn für alle t R f (t + T ) = f (t) gilt. (T muss nicht minimal sein.) Rechteckspannung
13 Sägezahnspannung Weitere Beispiele: cos, sin : R R sind periodisch mit Periode 2π. cos, sin : R R sind auch periodisch mit Periode 1π (oder 2kπ mit k N). Die minimale Periode von cos : R R (sin : R R) ist 2π: Eine periodische Funktion f : R R ist T -periodisch mit T > minimal bedeutet: es gibt kein < S < T, so dass f : R R S-periodisch ist. f : R C, f (t) = e it ist periodisch mit minimaler Periode 2π.
14 27 Für T >, ω = 2π T und k N sind die Funktionen f, g : R R,h : R C, f (t) = cos(kωt), g(t) = sin(kωt), h(t) = e ikωt alle T -periodisch: Beispielsweise: f (t + T ) = cos(kω(t + T )) = cos(kωt + kωt ) = cos(kωt + k 2π T T ) = cos(kωt) = f (t). Sind f, g : R R (C) T -periodisch und α, β R, so ist αf + βg auch T periodisch: 28
15 29 Satz 11.7 Sei f : R R T -periodisch, und f : [, T ] R Riemann-integrierbar. Dann ist f : [a, T + a] R Riemann-integrierbar für alle a R und es gilt T f (t)dt = T +a a f (t)dt. Begründung: 3
16 Trigonometrische Polynome Definition 11.8 Für T >, ω = 2π T, a, a 1,..., a n R und b, b 1,..., b n R heißt die durch 31 f (t) := n (a k cos(kωt) + b k sin(kωt)) k= definierte Funktion f : R R ein trigonometrisches Polynom n-ten Grades (n-ter Ordnung). Das trigonometrische Polynom f : R R ist eine lineare Kombination T periodischen Funktionen und deshalb selber T -periodisch. Ziel der Fourier-Analyse: approximiere periodische Funktionen mit trigonometrischen Polynomen. cos(ωt) sin(kωt) mit ω = 2π 5, k =
17 Orthogonalitätsrelationen Satz 11.9 Für alle k, l N, T >, ω = 2π T 2 T 2 T T T cos(kωt) cos(lωt)dt = sin(kωt) sin(lωt)dt = 2 T T gelten: 2, falls k = l = 1, falls k = l >, falls k l { 1, falls k = l >, sonst cos(kωt) sin(lωt)dt =. 33 Begründung Skizze: 34
18 35 Die andere Orthogonalitätsrelationen für k = l T folgen analog (um cos(kωt) sin(kωt)dt = zu zeigen, benutzen wir cos(kωt) sin(kωt) = 1 2 sin(2kωt)). 36 Die Fälle mit k l Z können wir mit Hilfe der Eulerformel und des Hauptsatzes sehen: T T e ikωt e ilωt dt = T e i(k l)ωt dt 1 d = i(k l)ω dt ei(k l)ωt dt 1 = i(k l)ω ei(k l)ωt T (Hauptsatz) 1 = i(k l)ω (ei(k l)ωt 1) =, (1) da e i(k l)ωt = e i(k l)2π = 1.
19 Mit dieser Formel und der Tatsache, dass cos( x) = cos(x), sin(x) = sin( x), sehen wir = = = = T T T T +i e ikωt e ilωt dt (cos(kωt) + i sin(kωt)) (cos( lωt) + i sin( lωt))dt (cos(kωt) + i sin(kωt)) (cos(lωt) i sin(lωt))dt (cos(kωt) cos(lωt) + sin(kωt) sin(lωt))dt T (sin(kωt) cos(lωt) sin(lωt) cos(kωt))dt. 37 Dies bedeutet, dass beide Integrale in der letzten Zeile Null sind. D.h. 38 T cos(kωt) cos(lωt)dt = T sin(kωt) sin(lωt)dt und T sin(lωt) cos(kωt)dt = T sin(kωt) cos(lωt)dt. Ersetzen wir k durch k, ändern sich die Zahlen auf der linken Seite nicht, wegen cos( x) = cos(x), auf der rechten Seite werden sie mit 1 multipliziert, wegen sin(x) = sin( x). D.h. alle vier Integrale müssen Null sein, wie behauptet.
20 Fourier-Polynome Definition 11.1 Sei f : R R (oder f : R C) T -periodisch mit T = 2π ω und ω >. Für k N definieren wir die Fourier-Koeffizienten T a k := 2 T f (t) cos(kωt)dt b k := 2 T T f (t) sin(kωt)dt von f. Sie bilden das n-te Fourier-Polynom φ f n(t) = a n 2 + (a k cos(kωt) + b k sin(kωt)) k=1 von f Bemerkung Da die Funktionen f ( ) cos(kω ) und f ( ) sin(kω ) auch T -periodisch sind, gilt T a k = 2 T f (t) cos(kωt)dt = 2 T +d T f (t) cos(kωt)dt und b k = 2 T T f (t) sin(kωt)dt = 2 T für beliebige d R. d T +d d f (t) sin(kωt)dt
21 41 Bestimmung der Koeffizienten eines trigonometrischen Polynoms mit Integralen Sei T >,ω = 2π T, und φ(t) := n (a k cos(kωt) + b k sin(kωt)). k= Wir können b = annehmen, wegen sin(ωt) = für all t R. Für 1 l n liefert Multiplikation mit 2 T sin(lωt) und Integration von bis T bezüglich t: (Koeffizienten): 42
22 Gerade / ungerade Funktionen 43 Definition Eine Funktion f : R R heißt gerade, wenn f ( x) = f (x) für alle x R gilt; sie heißt ungerade, falls f ( x) = f (x) für alle x R gilt. Beispiel: cos : R R ist gerade, sin : R R ist ungerade. Im Allgemeinen ist eine Funktion weder gerade noch ungerade. Beispiel f : R R mit f (x) = x
23 Fourier-Koeffizienten (un)gerader Funktionen Bemerkung Ist f : R R T -periodisch mit T = 2π ω, so gilt für seine Fourier-Koeffizienten T 2 4 a k = T f (t) cos(kωt)dt, falls f gerade, falls f ungerade T 2 b k = 4 T f (t) sin(kωt)dt, falls f ungerade, falls f gerade 45 Begründung: 46
24 Damit sehen wir: 47 Konvergenz der Approximation Satz Ist f : R R Riemann-integrierbar auf [a, b] für alle a < b R und T -periodisch, so gilt für die n-ten Fourier-Polynome φ f n von f : 48 lim n T (f (t) φ f n(t)) 2 dt = Bemerkung: Funktionen f : R R, die stückweise monoton (bzw. stetig) und periodisch sind, sind auch beschränkt und Riemann-integrierbar und somit gilt der Satz auch für solche Funktionen f.
25 Rechteckspannung Rechteckspannung: 3. Fourier-Polynom
26 Rechteckspannung: 5. Fourier-Polynom Rechteckspannung: 7. Fourier-Polynom
27 Rechteckspannung: 9. Fourier-Polynom Rechteckspannung: 15. Fourier-Polynom
28 Sägezahnspannung Sägezahnspannung: 3. Fourier-Polynom
29 Sägezahnspannung: 4. Fourier-Polynom Sägezahnspannung: 8. Fourier-Polynom
30 Sägezahnspannung: 15. Fourier-Polynom Komplexe Fourier-Approximation Sei f : R C eine T -periodische Funktion, T = 2π ω, wobei ω >. Für alle k Z definieren wir die komplexen Fourier-Koeffizienten c k := 1 T T f (t) e ikωt dt 6 Das n-te komplexe Fourier-Polynom von f ist dann n φ f n(t) = c k e ikωt k= n
31 61 Falls Re(f ), Im(f ) : R C beschränkt und Riemann-integrierbar sind (beispielsweise Re(f ), Im(f ) : R C sind stückweise monoton), dann gilt T f (t) φf n(t) 2 dt für n. Im Fall f : R R C stimmt die Definition von φ f n mit der vorherigen Definition überein, wie wir gleich sehen werden. Komplexe Fourier-Koeffizienten reellwertiger Funktionen 62 Für f : R R gilt für die reellen Fourier-Koeffizienten a k, b k R und die komplexen Fourier-Koeffizienten c k C: c k = c k für alle k Z. a = 2c = 2c, b = Für k 1, k N: a k = c k + c k = 2 Re (c k ) Für k 1, k N: b k = i(c k c k ) = 2 Im (c k )
32 Begründung: Folgen alle aus der Definition. Beispiel: 63 Dies bedeutet: 64
33 und dies ist = Die Konvergenz von φ f n zu f, die wir bisher gezeigt haben, ist im Integralsinn : f : [, T ] R periodisch und Riemann-integrierbar, dann gilt T f (t) φf n(t) 2 dt für n. Die Frage der punktweise Konvergenz werden wir jetzt untersuchen. Wann gilt φ f n(t) f (t) für ein t [, T ]?
34 Fourier-Reihen Definition Für eine T -periodische Funktion f : R R mit T = 2π ω und Fourier-Koeffizienten a k, b k R (k N) heißt die durch 67 φ f (t) := a 2 + (a k cos(kωt) + b k sin(kωt)) k=1 definierte Reihe die Fourier-Reihe von f. Im Fall, dass f : R C T -periodisch mit komplexen Fourier-Koeffizienten c k ist, so heißt φ f (t) := k= c ke ikωt auch die Fourier-Reihe (manchmal komplexe Fourier-Reihe) von f. Bemerkung: Wir haben folgendes schon gesehen. Wenn f : R R C ist, dann stimmen die Definitionen von φ f überein. Ob φ f (t) für gegebenes t [, T ] konvergiert, wird von f abhängig sein. 68
35 69 Notation: Für I R, nennen wir f : I C monoton bzw. stückweise monoton, wenn Re(f ), Im(f ) : I R monoton bzw. stückweise monoton sind. Beispiel: f : R C, f (t) = cos(t) i sin(t) ist stückweise monoton, da Re(f ) = cos( ), und Im(f ) = sin( ) es sind. Punktweise Konvergenz von Fourier-Reihen Satz Sei f : R R (C) eine T -periodische stückweise monotone Funktion. Dann existieren für alle t R der linksseitige Grenzwert f (t ) und der rechtsseitige Grenzwert f (t+) von f an der Stelle t (falls f stetig in t ist: f (t ) = f (t+)) und für die Fourier-Reihe von f gilt: φ f f (t )+f (t+) (t) = 2 R (C) Insbesondere: i) die Fourier-Reihe φ f (t) konvergiert für alle t R, und ii) sie stimmt mit f in allen Stetigkeitsstellen von f überein. 7
36 71 Begründung (zu lange für die Vorlesung): Siehe (Thm ) Introduction to Fourier Analysis and Wavelets, M. Pinksy. Das Konvergenz-Verhalten einer Fourier-Reihe hängt stark von der Funktion f selbst ab. Hier listen wir verschiedene Konvergenz-Sätze mit Referenzen. Im folgenden ist f : R R (C) T -periodisch. f : [, T ] R (C) Riemann-integrierbar, dann gilt T φf n(t) f (t) 2 dt für n ( Analysis I, O. Forster oder Analysis I, S. Hildebrandt). f stückweise monoton oder stückweise stetig differenzierbar: φ f f (t )+f (t+) (t) = 2 für alle t [, T ] ( Introduction to Fourier Analysis and Wavelets, M. Pinsky und Analysis I, S. Hildebrandt ). f stetig und stückweise monoton, φ f (t) = f (t) für alle t [, T ] 72
37 73 f stetig und stückweise stetig differenzierbar: φ f (t) = f (t) für alle t [, T ] und φ f n f gleichmäßig für n ( Analysis I, O. Forster für die letzte Aussage). f k-mal stetig differenzierbar: dann gilt φ f n f,(φ f n) f = φ f,... (φ f n) (k 1) f (k 1) = φ f (k 1) gleichmäßig für n : Analysis I S. Hildebrandt: Die Koeffizienten c k von f und die Koeffizienten c k von f erfüllen c k = ikc k. Insbesondere: Für f zweimal stetig differenzierbar gilt f (t) = k Z c ke ikωt und f (t) = k Z ikc ke ikωt : d.h. wir können die Fourier-Reihe von f gliedweise differenzieren, wenn f C 2 ist. Parsevalsche Gleichung Satz Für eine Riemann-integrierbare T -periodische Funktion f : R R bzw. C mit Fourier-Koeffizienten a k, b k R, k N, bzw. c k C,k Z gilt: 74 2 T T (f (t)) 2 dt = a2 2 + (ak 2 + bk) 2 k=1 bzw. 2 T T (f (t)) 2 dt = 2 c k 2 k Z
38 Begründung: Analysis I, S. Hildebrandt. Vorsicht!: Es existieren Funktionen f : R R die T -periodisch und stetig sind, so dass φ f () nicht konvergent ist! Siehe Analysis I, Königsberger (Beispiel von Feje r). 75
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