Fallbesprechungen zum Grundkurs Öffentliches Recht II (Teil 1)
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- David Heintze
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1 Universität Augsburg Institut für Öffentliches Recht Fallbesprechungen zum Grundkurs Öffentliches Recht II (Teil 1) Lösungshinweise zu Fall 5 SS 2011 Die Erfolgsaussichten der Klage Die Klage des H hat Erfolg, wenn sie vor dem zuständigen Gericht erhoben, zulässig und begründet ist. A. Verwaltungsrechtsweg und zuständiges Gericht Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und die Zuständigkeit des Gerichts ist keine Zulässigkeits-, sondern eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung (argumentum e 17a Abs. 2 GVG ivm. 173 VwGO, Drei-Stufen-Aufbau). Daher ist beides außerhalb der Zulässigkeit zu prüfen. I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, 40 Abs. 1 VwGO 1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit Nach der Zuordnungstheorie (bzw. modifizierte Subjektstheorie oder Sonderrechtstheorie) 1 liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn für den Streitgegenstand Normen des öffentlichen Rechts streitentscheidend sind. Der Streitgegenstand bestimmt sich nach dem Klägerbegehren. Dieses ist hier gegen das Renovierungsgebot gerichtet, das nach den Vorschriften des öffentlichen Baurechts, des bayerischen Denkmalschutzgesetzes sowie dem BayVwVfG zu beurteilen ist. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um solche des öffentlichen Rechts, weil sie einseitig Hoheitsträger berechtigen und verpflichten. 2. Nicht-verfassungsrechtlicher Art Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nur vor, wenn Verfassungsorgane um Verfassungsrecht streiten (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit). 3. Keine abdrängende Sonderzuweisung Eine abdrängende Sonderzuweisung liegt im vorliegenden Fall nicht vor. II. Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts, 45, 52 VwGO 1. Sachliche Zuständigkeit, 45 VwGO Das Verwaltungsgericht ist in erster Instanz sachlich zuständig, da der Verwaltungsrechtsweg für die Streitigkeit eröffnet ist. 1 Vgl. hierzu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Auflage 2006, 11 RN 14 ff.
2 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 2 2. Örtliche Zuständigkeit, 52 VwGO Zuständig ist gemäß 52 Nr. 1 VwGO das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 5 AGVwGO ist dies für den Bezirk Unterfranken das Verwaltungsgericht Würzburg. B. Zulässigkeit der Klage I. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart wird primär durch das Klagebegehren und den Klagegegenstand bestimmt. Nach 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Überträgt man diesen Gedanken auf den vorliegenden Fall, wird das entscheidende prozessuale Problem evident: Zweifellos handelt es sich bei der Baugenehmigung für den Neubau um einen Verwaltungsakt isd. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. A wendet sich mit seiner Klage jedoch ausdrücklich nicht gegen die Genehmigung seines Bauvorhabens, sondern nur gegen den als Auflage bezeichneten Zusatz des Verwaltungsaktes. Damit stellt sich die komplizierte und immer noch höchst umstrittene Frage nach dem Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen isd. Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG: Kann A isoliert das als Auflage bezeichnete Renovierungsgebot anfechten oder ist er gezwungen, eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer nebenbestimmungslosen Baugenehmigung zu erheben? 2 1. Grundsatz: Isolierte Anfechtung bei trennbarem Inhalt des Verwaltungsaktes Im Wesentlichen gilt: Soweit ein Verwaltungsakt einen teilbaren Inhalt besitzt, kann die Anfechtung auch auf einen Teil des Verwaltungsaktes beschränkt werden. Denn nach 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt, dass das Gericht den Verwaltungsakt (nur) aufhebt, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Hieraus folgt die Befugnis des Klägers, einen Verwaltungsakt auch nur insofern, dh. isoliert, anzufechten, als er ihn für rechtswidrig hält. Ein Verwaltungsakt besitzt dann einen teilbaren Inhalt, wenn er sich aus objektiv abgrenzbaren und bezeichenbaren Teilen zusammensetzt, der als gesonderter Streitgegenstand behandelt werden kann. Virulent ist dies insbesondere bei den Nebenbestimmungen isd. Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG. Das BVerwG grenzt hier negativ ab: Steht die Nebenbestimmung mit dem Gesamtinhalt des Verwaltungsaktes in einem untrennbaren Zusammenhang, so scheidet die isolierte Anfechtung und Aufhebung der Nebenbestimmung aus Vgl. zu diesem Thema Maurer, Allgememeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2006, 12 RN 22 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, 42 RN 22; Brenner, JuS 1996, S Siehe BVerwG vom , DÖV 1974, S. 380 (381) mwn.
3 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 3 2. Spezifizierung der Renovierungsauflage als Nebenbestimmung isd. Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG Vorab muss geklärt werden, ob und um welche Art von Nebenbestimmung es sich bei der Renovierungsauflage als Zusatz zum Verwaltungsakt in Form der Genehmigung handelt. Folgende Abgrenzung ist vorzunehmen 4 : a) Befristung Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG definiert die Befristung als eine Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt. Die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes hängen von einem zukünftigen gewissen Zeitpunkt ab: von einem Anfangstermin aufschiebende Befristung oder von einem Endtermin auflösende Befristung. Ein ungewisser Termin ist keine Befristung, sondern eine Bedingung. Ein Zeitpunkt ist auch dann bestimmt, wenn er bestimmbar ist. b) Bedingung Die Bedingung ist nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG eine Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. Der Unterschied zur Befristung liegt darin, dass die Rechtswirkungen von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig sind. Ebenso wie bei der Befristung gibt es bei der Bedingung zwei Fälle: die aufschiebende und die auflösende Bedingung. Die bedingten Rechtswirkungen bleiben bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe. c) Widerrufsvorbehalt Der Widerrufsvorbehalt ist nicht legaldefiniert. Es handelt sich der Sache nach um eine auflösende Bedingung. Zuweilen ist der Widerrufsvorbehalt gesetzlich zugelassen (zb 12 Abs. 2 BImSchG). Eine bestimmte Form für den Widerrufsvorbehalt ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es muss lediglich erkennbar sein, dass der Verwaltungsakt unter Widerrufsvorbehalt erlassen werden sollte. Der Widerrufsvorbehalt macht den Adressaten des Verwaltungsaktes darauf aufmerksam, dass er jederzeit widerrufen werden kann. Ein Vertrauen des Adressaten auf den zukünftigen Fortbestand des Verwaltungsaktes wird somit ausgeschlossen. d) Auflage Nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG ist eine Auflage eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Damit erfüllt die Auflage einen ähnlichen Zweck wie die Bedingung. Die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes werden aber nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht, sondern bleiben von der Auflage unberührt. Die Auflage ist deshalb nicht nur Bestandteil des Verwaltungsaktes, sondern eine zusätzliche eigenständige Verpflichtung. Die Auflage ist nach der hm 5 selbst Verwaltungsakt. Nebenbestimmung ist die Auflage deshalb, weil sie auf einen Hauptverwaltungsakt bezogen ist. Ihr Bestand und ihre Durchsetzbarkeit hängen von der Wirksamkeit des Hauptverwaltungsaktes ab. 4 5 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2006, 12 RN 4 ff. Vgl.Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2006, 12 RN 9; aa. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, 36 RN 31.
4 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 4 Die Auflage ist regelmäßig von der Bedingung abzugrenzen. Maßgebliches Kriterium ist dabei die erkennbare Bedeutung, die die Erfüllung der Nebenbestimmung für die Behörde hat. Nicht entscheidend ist die Bezeichnung der Nebenbestimmung. Auch dann, wenn etwas als Auflage benannt wird, kann es sich um eine Bedingung handeln. Im Zweifel ist eine Auflage anzunehmen, da diese für den Betroffenen weniger belastend ist 6. e) Auflagenvorbehalt Nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG kann ein Verwaltungsakt mit einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage versehen werden. Erlaubt ist nach dem Gesetz folglich die rechtserhebliche Ankündigung, später werde noch eine Auflage ergehen oder eine bestehende Auflage geändert werden. Zulässig ist dieser Vorbehalt, weil die Auflage ein selbständiger Verwaltungsakt ist. Ein selbständiger Verwaltungsakt kann auch nachträglich noch erlassen werden. Ein Auflagenvorbehalt kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn die Behörde sich offen halten will, auf spätere Änderungen der Verhältnisse zu reagieren. Die Funktion des Auflagenvorbehalts ist die gleiche wie die des Widerrufsvorbehalts: Schutzwürdiges Vertrauen soll nicht entstehen. f) Modifizierte Gewährung Von einer modifizierten Gewährung spricht man, wenn die Nebenbestimmung nicht eine zusätzliche Leistungspflicht begründet, sondern den Inhalt des Verwaltungsaktes qualitativ verändert (zb: A stellt den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zum Bau eines Hauses mit einem Flachdach. Die zuständige Behörde genehmigt ihm den Bau mit einem Satteldach). Der Grund für die Schaffung der modifizierten Gewährung liegt darin, dass sie wegen ihres besonderen Charakters nicht isoliert anfechtbar und aufhebbar ist. Ursache hierfür ist, dass mit der Modifikation keine zusätzliche Leistungspflicht des Adressaten des Verwaltungsaktes begründet wird, sondern insgesamt ein qualitativ anderer Verwaltungsakt erlassen wird, als beantragt wurde (aliud) 7. g) Abgrenzung im vorliegenden Fall Im vorliegenden Fall scheidet die Annahme einer Bedingung aus, da die Inanspruchnahme der gewährten Begünstigung Baugenehmigung für das Hochhaus von der Verwaltung nicht ausdrücklich von der Erfüllung der Nebenbestimmung (Renovierungsgebot) abhängig gemacht wurde. Andererseits stehen Genehmigung und Nebenbestimmung nicht unverknüpft nebeneinander. Bei der Abgrenzung zwischen modifizierter Gewährung einerseits und der reinen Auflage andererseits kommt es entscheidend auf den Inhalt der Genehmigung an. Ergeht die Genehmigung für sich betrachtet mit dem Inhalt wie beantragt und soll diese auch ohne die Auflage grundsätzlich Bestand haben, liegt eine echte Auflage isd. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG vor. Stellt die erteilte Genehmigung wegen inhaltlicher Modifikationen gegenüber der beantragten Genehmigung hingegen ein aliud dar (zb Flachdach anstatt Satteldach), handelt es sich bei diesen inhaltlichen Modifizierungen um eine insgesamt modifizierte Gewährung. 6 7 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, 36 RN 34. Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage 2006, 12 RN 16.
5 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 5 3. Voraussetzungen für die Trennbarkeit Entscheidend für die Frage nach der statthaften Klageart ist, nach welchen Kriterien sich die Trennbarkeit oder Untrennbarkeit der Nebenbestimmung vom übrigen Verwaltungsakt bestimmt. Die früher hm 8 differenzierte zwischen den Arten der möglichen Nebenbestimmungen und verneinte die isolierte Anfechtung von unselbständigen Nebenbestimmungen, die mit dem Verwaltungsakt erlassen werden (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG: Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt), während sie gegen die selbständigen Nebenbestimmungen, die mit dem Verwaltungsakt verbunden werden (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4, 5 BayVwVfG: Auflage, Auflagenvorbehalt) zugelassen wurde. Der jüngeren Rechtsprechung ist noch keine einheitliche Linie zu entnehmen, die Literatur vertritt unterschiedliche Lösungsansätze. Stets geht es um den Maßstab für die Trennbarkeit. So wird die Teilbarkeit von Verwaltungsakten, dh. eine isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen, dann abgelehnt, wenn der Erlass des Verwaltungsaktes nebst Nebenbestimmung im Ermessen der Verwaltung lag. Denn andernfalls bliebe im Ergebnis ein Verwaltungsakt bestehen, den die Verwaltung so nicht erlassen musste und ggf. auch nicht erlassen wollte. Die Rechtsprechung ist inzwischen von dieser Ansicht wieder abgerückt, weil es der Verwaltung unbenommen sei, den Verwaltungsakt gemäß Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVwVfG (analog) zu widerrufen und eine ihrem Ermessen entsprechende neue Regelung zu treffen. Die isolierte Anfechtbarkeit einer Nebenbestimmung hängt danach allein von zwei Kriterien ab: Es muss sich um eine echte Nebenbestimmung isd. Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG handeln und der Verwaltungsakt muss auch ohne die Nebenbestimmung rechtmäßig sein. Damit entsteht das Problem, dass die Frage der Rechtmäßigkeit des Rest- Verwaltungsaktes als an sich materiell-rechtliche Frage bereits innerhalb der Zulässigkeit der Klage geprüft werden müsste. Um eine Kopflastigkeit dieser Fälle zu vermeiden, sollte man sich aus klausurtaktischen Gründen auf eine Offenkundigkeitsprüfung beschränken 9 : Nur wenn offenkundig ist, dass der Rest-Verwaltungsakt rechtlich keinen Bestand haben kann, sollte auf eine Verpflichtungsklage umgeschwenkt werden. 4. Zwischenergebnis Da die Genehmigung für das Hochhaus wie beantragt erteilt wurde und die Auflage zur Renovierung des nebenstehenden Gebäudes die Genehmigung inhaltlich nicht verändert, liegt eine selbständig anfechtbare Nebenbestimmung (Auflage) vor. Da die Stadt Kitzingen selber vorbringt, dass der Genehmigung des Neubaus als solche nichts im Wege steht (keine offensichtliche Rechtswidrigkeit) und die Auflage damit nicht offensichtlich erkennbar inhaltlich mit dieser verbunden ist, ist statthafte Klageart somit die isolierte Anfechtungsklage nach 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO (aa vertretbar). 8 9 Vgl. BVerwG vom , BVerwGE 29, S. 261 (265); vom , BVerwGE 36, S. 145 (154). Vgl. BVerwG vom , BVerwGE 81, S. 185 (186).
6 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 6 II. Klagebefugnis, 42 Abs. 2 VwGO A ist als Adressat der belastenden Renovierungsauflage unproblematisch klagebefugt, da bei Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme eine Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit) nicht ausgeschlossen werden kann (Adressatentheorie). III. Kein Vorverfahren, 68 ff. VwGO Für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ist grundsätzlich die vorherige erfolglose Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erforderlich ( 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gemäß 68 Abs.1 S.2 Alt. 1 VwGO ist kein Vorverfahren durchzuführen, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Art. 15 BayAGVwGO ist ein solches Gesetz. Der Grundsatz lautet gemäß Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO in Bayern seit Juli 2007, dass ein Vorverfahren nicht statthaft ist, sondern sofort Klage erhoben werden muss. Art. 15 Abs. 1 BayAGVwGO benennt Rechtsgebiete, in denen ein Vorverfahren alternativ zur sofortigen Klageerhebung statthaft ist. Vorliegend handelt es sich um Baurecht. Dieses gehört nicht zu den in Art. 15 Abs. 1 BayAGVwGO aufgezählten Rechtsgebieten. Es bleibt daher bei dem Grundsatz aus Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, dass ein Vorverfahren nicht statthaft ist. IV. Form, 81, 82 VwGO V. Klagefrist, 74 Abs. 1 VwGO Gemäß 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die Anfechtungsklage grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Zustellung des Verwaltungsaktes erhoben werden. Die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes richtet sich nach Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG, da eine Zustellung gesetzlich vorgeschrieben ist gem. Art. 1 Abs. 5 BayVwZVG ivm. Art. 68 Abs. 2 S. 3 BayBO. Bekanntgabe ist demnach am Tag der Zustellung, also am Die Klagefrist berechnet sich nach 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Die Frist beginnt nach 187 Abs. 1 BGB am Tag nach der Bekanntgabe zu laufen, also am , 0.00 Uhr. Die Frist endet gemäß 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB eigentlich am , Uhr. Da es sich hierbei um einen Sonntag handelt, endet die Frist gem. 222 Abs. 2 ZPO erst am nächsten Werktag, also am Montag, den , Uhr. Die Klageerhebung erfolgte am , daher noch fristgerecht. VI. Beteiligten- und Prozessfähigkeit A ist als natürliche Person nach 61 Nr. 1 Alt. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO beteiligtenund prozessfähig.
7 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 7 Die Große Kreisstadt Kitzingen ist als juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig. Sie wird im Prozess gemäß 62 Abs. 3 VwGO durch den Oberbürgermeister (Art. 38 Abs. 1 ivm. 34 Abs. 1 Satz 2 BayGO) vertreten. VI. Zwischenergebnis Die Anfechtungsklage des A ist zulässig. C. Begründetheit der Klage Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet ( 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), die Nebenbestimmung (Auflage) rechtswidrig, der Rest-Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig ist und der Kläger durch die rechtswidrige Nebenbestimmung in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist ( 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). I. Passivlegitimation, 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Die Klage ist gegen die Große Kreisstadt Kitzingen zu richten. II. Rechtmäßigkeit des Renovierungsgebots (Auflage) 1. Rechtsgrundlage In Betracht kommt hier als Rechtsgrundlage des Renovierungsgebots Art. 36 BayVwVfG, da spezialgesetzlich (BayBO, Denkmalschutzgesetz) keine derartige Regelung vorgesehen ist. 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit Große Kreisstädte sind gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 GO in dem Umfang Kreisverwaltungsbehörden, in denen ihnen die sonst von den Landratsämtern als untere staatliche Verwaltungsbehörden wahrzunehmenden Aufgaben durch Rechtsverordnung übertragen sind. Nach 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV gehören dazu die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 53 Abs. 1 und 54 BayBO, womit die Große Kreisstadt in diesem Fall für die Erteilung der Auflage zuständig ist. b) Verfahren Eine fehlende Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG kann noch bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt und damit geheilt werden(art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG). c) Form Nach Art. 39 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt zu begründen. Mangels Hinweis im Sachverhalt ist von einer ordnungsgemäßen Begründung auszugehen. 3. Materielle Rechtmäßigkeit (Anfügen der Nebenbestimmung) Aus Art. 68 Abs. 3 BayBO ergibt sich inzident, dass Baugenehmigungen generell mit bestimmten Nebenbestimmungen versehen werden dürfen. Die Voraussetzungen und der konkrete Inhalt der Nebenbestimmung bemessen sich jedoch nach Art. 36
8 Fallbesprechungen zum Grundkurs ÖR II (Teil 1) SS 2012 Fall 5 Lösung 8 BayVwVfG 10. Art. 36 BayVwVfG unterscheidet zwischen gebundenen Verwaltungsakten (Abs. 1) einerseits und Ermessensverwaltungsakten (Abs. 2) andererseits. Ein Ermessensverwaltungsakt liegt dann vor, wenn der Verwaltung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm die Wahl zwischen verschiedenen Rechtsfolgen eingeräumt wird. Dies ist bei der Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 BayBO nicht der Fall, da diese nur versagt werden darf, wenn das Vorhaben öffentlichrechtlichen Vorschriften widerspricht. Mit anderen Worten: Steht das Vorhaben mit diesen Normen in Einklang, besteht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung (gebundene Verwaltungsentscheidung). Gemessen an Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG durfte die Auflage mit dem Renovierungsgebot damit nur ergehen, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt (hier: die Baugenehmigung) erfüllt werden durch eine spezielle Rechtsvorschrift ist sie nicht zugelassen, da Art. 68 Abs. 3 BayBO dieses Kriterium nicht erfüllt (s.o.). Es kommt somit darauf an, ob die Auflage in Form des Renovierungsgebotes gerade sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung für das Hochhaus erst erfüllt werden. Nach dem Sachverhalt ist jedoch davon auszugehen, dass das Bauvorhaben des A für sich genommen sämtliche relevanten bauplanungsrechtlichen (BauGB) und bauordnungsrechtlichen (BayBO) Anforderungen erfüllt. Auch generelle denkmalschützerische Veränderungsverbote, wie sie sich aus Art. 6 DSchG ergeben, sind im baurechtlichen Verfahren zu prüfen. Da diese sich jedoch allenfalls auf das Baudenkmal, nicht jedoch auf den Neubau beziehen, können sie ebenfalls nicht entgegenstehen. Da kein zwingender baurechtlicher Nexus zwischen der Auflage einerseits und der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens des A andererseits besteht, hätte eine Genehmigung ohne die Nebenbestimmung erteilt werden müssen. Die Auflage ist damit bereits aus diesem Grunde rechtswidrig. III. Rechtmäßigkeit des Restverwaltungsakts Die Baugenehmigung müsste auch ohne die Nebenbestimmung (Auflage) rechtmäßig sein. Laut Bearbeitervermerk ist das Hochhaus sowohl genehmigungspflichtig als auch genehmigungsfähig und damit ist die Baugenehmigung materiell rechtmäßig. Aus oben Gesagtem ergibt sich, dass kein zwingender baurechtlicher Nexus zwischen der Auflage und der Baugenehmigung besteht, womit die Baugenehmigung rechtmäßigerweise ohne die Nebenbestimmung weiterhin bestehen bleiben kann. IV. Rechtsverletzung Der A wird durch die Nebenbestimmung (zumindest) in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da er über Art. 68 BayBO einen Anspruch auf Erteilung einer nebenbestimmungsfreien Baugenehmigung hat. D. Ergebnis Die Anfechtungsklage des A ist zulässig und begründet und hat daher Aussichten auf Erfolg. 10 Vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 3. Auflage 2000, Art. 72 RN 28.
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