Deutscher Bundestag Drucksache 17/6018 17. Wahlperiode 31. 05. 2011 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 17/5811 Auswirkungen des Genehmigungsvorbehalts für Wohnungsauszüge bei jungen Volljährigen Vorbemerkung der Fragesteller DasGesetzzurÄnderungdesZweitenBuchesSozialgesetzbuchundanderer Gesetze (1.SGB-II-Änderungsgesetz)vom24.März2006hatfürerwerbslose jungemenschen,dievolljährigundnochnicht25jahrealtsind,durcheinfaktischesauszugsverbotunddieerweiterteunterhaltsverpflichtungdermitihnen inbedarfsgemeinschaftlebendeneltern(teile)dielebensbedingungenerheblichundzumeistzusätzlichbelastet.diemöglichkeiteinesauszugeswirddurch 22Absatz2aSGBIIstarkeingeschränkt.DiemöglichenAuswirkungender VerhaftungjungerVolljährigerinderfamiliärenBedarfsgemeinschaft (Peter Schruth:ZurRechtsqualitätdes 22Absatz2aSGBIIfürjungeVolljährigemit Verselbständigungsbedarf,Berlin2008,S.14)sindgravierend.Verschärfende familiendynamischekonflikte,existenzgefährdungendurchwohnungs-oder ObdachlosigkeitoderSchul-undAusbildungsabbrücheinfolgefamiliärerKonflikte.StattdenJugendlichenmehrMöglichkeitenfüreinselbstbestimmtesLebenzuermöglichenunddamitihrenWegindieEigenständigkeitzufördern, werdensiedurchdiesebestimmungimelterlichenhaushalt verhaftet.auf demweginserwachsenenseinzuleistendenentwicklungsaufgabenwerdengesetzlichenormerschwert.dasisteinnichthinnehmbarermassivereingriffin das Leben von Jugendlichen. 1.WelcheGründehabendieBundesregierung2006veranlasst,einenGenehmigungsvorbehaltfürWohnungsauszügein 22Absatz2aSGBIIzuverankern? AufgrundderinDeutschlandgeltendenGewaltenteilungistdiegenannteVorschriftvondengesetzgebendenKörperschaftenbeschlossenworden.Fürdie AntwortwirddeshalbaufdieBegründungdesAusschussesfürArbeitund SozialesdesDeutschenBundestageszurEinführungdes 22Absatz2aSGBII mitdemgesetzzuränderungdeszweitenbuchessozialgesetzbuchundanderergesetze (Bundestagsdrucksache16/688,S.14)verwiesen.ImÜbrigenteilt DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsfürArbeitundSozialesvom27.Mai 2011 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 17/6018 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode diebundesregierungdieindervorbemerkungderfragestellerzumausdruck gebrachten Bewertungen nicht. 2.DurchwelcheStudien,SachverhalteundKenntnissewarendieGründeder Bundesregierung empirisch belegt? DiegesetzlicheRegelungerfolgteausderErkenntnisheraus,dassKinder,die weiterhinimhaushaltleben,nichtdiegeneralkostendeshaushaltszutragen haben.ausdiesemgrunderfolgtedieeinbeziehungvonvolljährigenunverheiratetenkindernbiszurvollendungdes25.lebensjahresindiebedarfsgemeinschaftdereltern. 22Absatz2aSGBIIdienteindiesemZusammenhangauch demzweck,einemaufgrundderdamiteinhergehendenverschärfteneinkommensanrechnunginnerhalbderneugebildetenbedarfsgemeinschaftzuerwartenden Ausweichverhalten entgegenzuwirken. 3.InwelcheGrundrechtederbetroffenenLeistungsberechtigtengreiftdieBundesregierungdurchdasfaktischeAuszugsverbotfürjungeErwachseneein, und wie rechtfertigt die Bundesregierung diese Eingriffe? 4.WiebewertetdieBundesregierungdieRechtfertigungderEingriffeindie GrundrechtederLeistungsberechtigtenimLichtederbisherigenpraktischen Erfahrungen? DerGesetzgebergreiftdurchdieRegelungdes 22Absatz5SGBII (bzw.bis 31.März2011 22Absatz2aSGBII)nichtinGrundrechteein.DasRecht,eine eigenewohnungzubeziehen,bestehtunabhängigvonderfrage,obfürdie damit zusammenhängenden Aufwendungen Sozialleistungen erbracht werden. 5. Plant die Bundesregierung eine Veränderung dieser gesetzlichen Regelung? Wenn nein, warum nicht? DieRegelungdes 22Absatz2aSGBIIwurdebeiderNeufassungdes 22 SGBIIdurchdasGesetzzurErmittlungvonRegelbedarfenundzurÄnderung deszweitenundzwölftenbuchessozialgesetzbuchunverändertin 22Absatz5SGBIIüberführt.DieBundesregierungorientiertsichweiterhinanden gesetzgeberischenmotiven,diezureinführungdesdamaligen 22Absatz2a SGB II geführt haben. 6.WievieleAnträgeaufdieGenehmigungvonErstauszügenausderelterlichenWohnungwurdenseitInkrafttretendesSGB-II-Änderungsgesetzes projahrgestellt (bittenachbundesländern,geschlechtundmigrationshintergrund aufgeschlüsselt)? 7.WiehochistderrelativeAnteilderbewilligtenAnträgeaufeinenErstauszug? WiehochistdieabsoluteZahlderbewilligtenAnträge (bittenachbundesländern, Geschlecht und Migrationshintergrund aufgeschlüsselt)? 8.GibtesVeränderungenimzeitlichenVerlaufinderAnzahldergestelltenund der genehmigten Anträge?
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/6018 9.WievieleAnträgeaufeinenUmzugnachdemErstauszugwurdengestellt (bittenachbundesländern,geschlechtundmigrationshintergrundaufgeschlüsselt)? 10.WiehochistderrelativeundabsoluteAnteilderbewilligtenUmzugsanträge? GibtesVeränderungenimzeitlichenVerlaufinderAnzahldergestellten und auch der genehmigten Anträge? 11.WievielZeitnimmtdieBearbeitungeinesentsprechendenAntragsdurchschnittlich in Anspruch? 12.WersinddieAntragsteller/-innen (bitteaufgeschlüsseltnachalter,geschlecht, Migrationshintergrund, Bundesländern, Stadt-Land)? 13.WievieleJugendlichehatteneinenAuszugausderelterlichenWohnung aufgrund des Tatbestandes a) schwerwiegender sozialer Grund, b) zur Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt erforderlich und c) sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund beantragt? 14.WelchekonkretenSachverhaltesindnachAuffassungderBundesregierung jeweils gemeint mit a) schwerwiegender sozialer Grund, b) zur Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt erforderlich und c) sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund? 15.WievielenderAnträgewurdenaufgrundderaufgelisteteneinzelnenund kombinierten Gründe jeweils stattgegeben? Um welche Kombinationen handelte es sich gegebenenfalls? 16.InwievielenFällenundmitwelcherBegründungwurdebeiAblehnung einesauszugsausderelterlichenwohnunggesetzlicherwidersprucheingelegt? 17.WieoftwurdeeinemgesetzlichenWiderspruchgegendieAblehnungeines AuszugsausderelterlichenWohnungstattgegeben (bitteinabsolutenund relativen Zahlen)? 18.InwievielenFällensindjungeErwachseneohnevorherigeZusicherung derkostenübernahmedurchdenzuständigengrundsicherungsträgeraus derelterlichenwohnungausgezogen,undinwievielenfällenistdiekostenübernahme trotzdem bzw. nicht erfolgt? DasArbeitslosengeldIIunddasSozialgeldwird,soweitesfürdieBedarfefür UnterkunftundHeizunggeleistetwird,vondenkommunalenTrägernder GrundsicherungfürArbeitsuchendeerbracht,diederLandesaufsichtunterliegen. Der Bundesregierung liegen dazu deshalb keine Daten vor.
Drucksache 17/6018 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 19.WiebewertetdieBundesregierungAussagen,z.B.derBundesarbeitsgemeinschaftWohnungslosenhilfee.V.,wonachdierestriktivenAuszugsregelungenimSGBIIzueinererhöhtenWohnungslosigkeitvonMenschen unter 25 Jahren beiträgt? EinesolcheAussageistnichtnachvollziehbar.BeiVorliegenderin 22Absatz5Satz2SGBIIgenanntenGründeistderkommunaleTrägerzurAbgabe einerzusicherungzuranerkennungvonbedarfenfürunterkunftundheizung bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verpflichtet. InallenanderenFällenbestehteinAnspruchderunter25-jährigenPersonauf eineermessensfehlerfreieentscheidungübereinezusicherungderanerkennungderbedarfefürunterkunftundheizung.anhaltspunktedafür,dasszusicherungeninbegründetenfällenabgelehntwordenwären,liegenderbundesregierungausdeninderantwortzudenfragen6bis18genanntengründen nicht vor. 20.FürdenFall,dassdieBundesregierungkeineDatenzurBeantwortungder zuvorgestelltenfragenhat,inwieweitempfindetdiebundesregierungdie unzureichendeninformationenalsmangel,denesaufwelcheartundweise zukorrigierengilt,undwelcheandereinstanzverfügtnachansichtder Bundesregierung über die entsprechenden ausreichenden Informationen? DerBundesregierungliegenkeineErkenntnissedarübervor,welcheInformationenundinwelchemUmfangInformationenüberdieFragestellungeninden Fragen6bis18beidenzuständigenAufsichtsbehördenderLändervorliegen. DiesekönnengegebenenfallszudendortvorliegendenInformationenAuskunft geben. 21.Welcheöffentlichenundnicht-öffentlichenAnlaufstellengibtesfürJugendliche,dieausdemelterlichenHaushaltausziehenmöchtenundBedarf nach unabhängiger Beratung haben? SofernAnlassfürdenAuszugswunschinnerfamiliäreKonfliktesind,bietendie speziellenjugendberatungsstellenwieauchdieallgemeinenerziehungs-und Familienberatungsstellen Unterstützungsangebote, Hilfe und Beratung. NachdemBundeskinderschutzgesetzerhaltenKinderundJugendlichezudem einen eigenen, subjektiven Beratungsanspruch in Not- und Krisensituationen. 22.WievieleundwelcheAnlaufstellengibtes (bittenachbundesländernaufgeschlüsseln)? DieAnzahlderErziehungs-undFamilienberatungsstellensowieJugendberatungsstellenderKinder-undJugendhilfealsmöglicheAnlaufstellenfür JugendlicheundjungeVolljährigekönnendernachfolgendenTabelleentnommen werden.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/6018 BeratungseinrichtungeninderKinder-undJugendhilfeimVerhältniszurZahl der 15- bis unter 25-Jährigen nach Bundesländern; 2006 Erziehungs- und Familienberatungsstelle AbsolutAngaben pro 100000 der15-bis unter 25- Jährigen Jugendberatungsstelle gemäß 11 SGB VIII AbsolutAngaben pro 100000 der15-bis unter 25- Jährigen Deutschland1379143724 Baden-Württemberg13511242 Bayern135 9121 Berlin4211103 Brandenburg5517134 Bremen 81023 Hamburg371963 Hessen9214447 Mecklenburg-Vorpommern85377734 Niedersachsen16018415 Nordrhein-Westfalen32516754 Rheinland-Pfalz7716143 Saarland131100 Sachsen7915357 Sachsen-Anhalt401321 Schleswig-Holstein501672 Thüringen4616103 Quelle:StatistischesBundesamt:StatistikenderKinder-undJugendhilfe-EinrichtungenundtätigePersonen (ohnetageseinrichtungenfürkinder)2006;zusammenstellungundberechnungarbeitsstellekinderund Jugendhilfestatistik. 23.WiebewertetdieBundesregierungdieVorschriftenimHinblickdarauf, dassjungemenschenwichtigeentwicklungsaufgabenwährenddesübergangsvomkindes-zumerwachsenenstatusbewerkstelligenmüssen,zu denen auch die Ablösung vom Elternhaus gehört? DieVorschriftdes 22Absatz5SGBIIistfürdieEntwicklungjungerMenschenhilfreich.SieenthältdasinderGrundsicherungfürArbeitsuchendezentraleElementdesFördernsundForderns.UnverheiratetePersonenbiszurVollendungdes25.LebensjahreskönnenimErgebnisnurdanneinen (erstmaligen) VertragübereineeigeneUnterkunftabschließen,wennsieauseigenemEinkommen (oderzumbeispielausunterhaltszahlungenseitensdereltern)überdie dafürerforderlichenmittelverfügen.einebestreitungdieserkostenausunter anderemvonarbeitnehmerinnenundarbeitnehmernaufgebrachtensteuermittelnistnurgerechtfertigt,soweiteingrundvorliegt,derdenkommunalen Träger verpflichtet oder berechtigt, eine Zusicherung abzugeben.
Drucksache 17/6018 6 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 24.WiebewertetdieBundesregierungdieVorschriftenimHinblickdarauf, dassdasauszugsverbotfamiliärekonfliktezwischenelternundjugendlichen administrativ befördert, da ein Auszug erschwert wird? DieBundesregierunghältdieseBefürchtungfürunbegründet.Zwaristdenkbar, dasskonfliktedadurchentstehenkönnten,dasseinepersondurchdieregelung des 22Absatz5 (bis31.märz2011: 22Absatz2a)SGBIIlängerimHaushalt derelternverbleibt.soweitdurchdieerstmaligebegründungeineseigenen HausstandesHilfebedürftigkeitentsteht,weildieElterninsgesamtnichthilfebedürftigsind,istindiesemZusammenhangdaraufhinzuweisen,dassauchvorder Einführungdes 22Absatz2aSGBIIdasbetroffeneKindggf.UnterhaltsansprüchegegendieElternhatte,dienach 33SGBIIaufdieTrägerderGrundsicherungfürArbeitsuchendeübergangensind.Insoweitliegtalleindurchden AuszugdesKindeskeinfinanziellerVorteilfürdieElternvor,derkonfliktträchtigseinkönnte.ImÜbrigenistderkommunaleTrägernach 22Absatz5Satz2 SGBIIzurZusicherungderBedarfefürUnterkunftundHeizungfürdieZeit nacheinemumzugverpflichtet,wenndieoderderbetroffeneausschwerwiegendensozialengründennichtaufdiewohnungderelternodereineselternteilsverwiesenwerdenkannodereinsonstiger,ähnlichschwerwiegendergrund vorliegt. 25.WiebewertetdieBundesregierungdieUngleichbehandlung,diesichdarausergibt,dassJugendlicheimRechtdesSGBIII/BerufsausbildungsförderungsgesetzdasElternhausverlassendürfen,währenddasSGBIIden Verbleib im Elternhaus als Regelfall ansieht? Nach Auffassung der Bundesregierung liegt keine Ungleichbehandlung vor. ImBereichderAusbildungsförderungnachdemSGBIIIunddemBundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)istdavonauszugehen,dassderBezugeiner WohnungfürdieAusbildungerforderlichist.Insoweitliegtein 22Absatz5 Satz 2 Nummer 2 SGB II vergleichbarer Grund vor.
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