Deutscher Bundestag Drucksache 16/9011 16. Wahlperiode 28. 04. 2008 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Drucksache 16/8795 Bürokratische Belastungen ehrenamtlich Tätiger Vorbemerkung der Fragesteller DieBertelsmann-StiftunghatzuBeginndesJahres2008eineeigensinAuftraggegebeneStudieveröffentlicht,inderdieBürokratie-Zeit-Kostenvon BürgernmitHilfeeinesmodifiziertenStandardkosten-Modellsermitteltwurden.TrotzAnpassungendesStandardkosten-ModellsundkleinerermethodischerMankosderStudie,kannbeiderzugrundegelegtenErhebungsstruktur dochvoneinemrealistischenschätzwertgesprochenwerden.dieergebnisse derstudiesinderschreckend.demnachentstehenbeispielsweisedenehrenamtlichtätigenvorständeninfußballvereinendirektekostenvonmehrals12 Mio.EuroundeinjährlicherzeitlicherBürokratieaufwandvonca.13Mio. Stunden.LautStudiegründetsichdiesdarauf, dassdiebetrachtetenamateurvereinenahezudenselbengesetzlichenadministrativenpflichtenundanforderungenunterliegenwiekleineodermittlerewirtschaftsbetriebe (S.23, BertelsmannStiftung: ErmittlungvonBürokratie-Zeit-KostenvonBürgern mithilfedesstandardkostenmodells (SKM) Abschlussbericht ).Umallen gesetzlichenvorschriftennachzukommen,müssenvereinediekostenintensivendienstevonsteuerberaterninanspruchnehmen.darüberhinausmüssen auchbeivereinsfeiernvielfältigeauflagen (AnträgeaufSchankgenehmigungen,GEMA-Gebühren,VorschriftenderLebensmittelhygiene,steuerliche Abrechnungsbesonderheitenusw.)eingehaltenwerden,diezueinemgroßen AufwandfürdiebürgerschaftlichEngagiertenführenundimErgebnisEinzelveranstaltungen für Vereine unattraktiv werden lassen. DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsderFinanzenvom24.April2008 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 16/9011 2 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 1.WelchenadministrativenPflichtenundAnforderungensinddiegemeinnützigen Vereine unterworfen? SiehtdieBundesregierungdieNotwendigkeit,dassalldiesePflichtenauch von gemeinnützigen Vereinen zu erfüllen sind? 2.TeiltdieBundesregierungdieEinschätzungderStudie,dassVereinenahezudenselbengesetzlichenadministrativenPflichtenundAnforderungen unterliegen wie kleine und mittlere Wirtschaftsbetriebe? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 1 und 2 werden im Zusammenhang beantwortet. DieVertretereinesgemeinnützigenVereinsmüssenjährlicheSteuererklärungenabgeben,wennderVereinsichübereinenbestimmtenRahmen (insbesonderebesteuerungsgrenzenach 64Abs.3derAbgabenordnungvon35000 EuroEinnahmenimJahrfürdieFestsetzungvonKörperschaft-undGewerbesteuer,Kleinunternehmerregelungdes 19Abs.1desUmsatzsteuergesetzes) hinauswirtschaftlichbetätigt.nursoweitsicheinvereinüberdiesenrahmen hinauswirtschaftlichbetätigt,unterliegterdenselbensteuererklärungspflichten wievergleichbaregewerbebetriebe.beidenanderenvereinen,beidenenes sichumdieweitüberwiegendemehrzahlhandelt,wirddiegemeinnützigkeit grundsätzlichnurindreijährigemabstandanhandeinesvereinfachten,vonden Vertretern des Vereins auszufüllenden Fragebogens überprüft. DievereinsrechtlichenRechnungslegungspflichten,diedieVereineauchdurch Satzungandersausgestaltenkönnen,sindgeringeralsdieRechnungslegungspflichten,dieKaufleute,insbesonderekleineundmittlereKapitalgesellschaften haben.dierechnungslegungspflichtendervereinedienendemschutzder Mitglieder, die Registerpflichten dem Schutz des Rechtsverkehrs. AdministrativePflichtenundInformationspflichtengegenüberdemBundesministeriumfürFamilie,Senioren,FrauenundJugendentstehenfürgemeinnützigeVereinelediglichaufBasisderVerwaltungsvorschriftenzurBundeshaushaltsordnung,soweitsiealsZuwendungsempfängerFördermittelausdem Bundeshaushalterhalten.DiesgiltfüralleZuwendungsempfängergleichsam, unabhängig davon, ob sie gemeinnützig sind oder nicht. DieErstellungeineralleRechtsgebieteumfassendenAuflistungundBeurteilungderadministrativenPflichtenundAnforderungen,diegemeinnützige Vereineerfüllenmüssen,istnichtmöglich.VereinekönnennichtnuradministrativePflichtenhaben,dieandieRechtsform,sondernauchPflichten,diean dietätigkeitdervereineanknüpfenundauchandererechtssubjektealsvereinetreffenkönnen.eslässtsichinsbesonderenichteinschätzen,welcherelevanz einzelne dieser nicht rechtsformspezifischen Pflichten für Vereine haben. 3.WelcheMöglichkeitensiehtdieBundesregierung,bürgerschaftlichengagierteBürgervonbürokratischenPflichtenbeispielsweiseimBereichder Lohnbuchhaltung,BuchhaltungallgemeinoderdesSteuerrechtszuentlasten? BürgerschaftlichengagiertenBürgernobliegennurdannlohnsteuerlichePflichten,wiez.B.dieFührungeinesLohnkontos,wennsiealsArbeitgebertätig werden.arbeitgebersindkraftöffentlichenrechtszurmitwirkungbeider ErhebungderLohnsteuerverpflichtetundhabeninsbesondereeinLohnkonto zuführen,fürdengezahltenarbeitslohndielohnsteuerzuermitteln,einzubehaltenundandasfinanzamtabzuführen.hierbeikanndaslohnsteuerrechtim InteressederAllgemeinheitkeinenArbeitgeberprivilegieren.Offenbarsieht diebertelsmannstiftungdiesebenso;sieschlägtzumindestuntertz.4.2.3
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 3 Drucksache 16/9011 ihresabschlussberichtszurermittlungvonbürokratie-zeit-kostenvonbürgernmithilfedesstandard-kosten-modellskeineänderungbeidenlohnsteuerlichen Arbeitgeberaufgaben vor. BeiderUmsatzsteuerkanneingemeinnützigerVerein,dessensteuerpflichtiger UmsatzimvorangegangenenKalenderjahr35000Euronichtüberstiegenhat, vondervereinfachungnach 23adesUmsatzsteuergesetzes (UStG)Gebrauch machen.danachwerdenvorsteuerbeträgepauschaliertmiteinemdurchschnittsatz von 7 Prozent der steuerpflichtigen Umsätze festgesetzt. DieGemeinnützigkeitderVereine,beidenennichtwegenumfangreicherwirtschaftlicherBetätigungenjährlichSteuernfestzusetzensind,wirdgrundsätzlich nurindreijährigemabstandüberprüft (s.auchantwortzudenfragen1und2). 4.WiebegründetdieBundesregierungdieNotwendigkeiteinerjährlichen UmsatzsteuererklärungspflichtfürgemeinnützigeVereine,welchefürdie ehrenamtlichtätigenvereinsmitgliedermiteinemmehraufwandanzeit und Kosten verbunden ist? GemeinnützigeVereinesindnurimRahmenihrerZweckbetriebeundihrer wirtschaftlichengeschäftsbetriebeunternehmerischtätigunderbringenim RahmendieserTätigkeitderUmsatzsteuerunterliegendeUmsätze.Soweitsie derumsatzsteuerunterliegendeumsätzeerbringen,müssensienach 18 Abs.3UStGzumindesteineUmsatzsteuererklärungfürdasKalenderjahrabgeben.IndieserErklärunghatdergemeinnützigeVerein wiejederandere Unternehmerauch dievonihmimbesteuerungszeitraumbewirktenumsätze anzumelden.gleichzeitigkannerumsatzsteuer,dieihmfürvorbezügein Rechnunggestelltwordenist,dieerfürsteuerpflichtigeUmsätzeverwendet hat,alsvorsteuergeltendmachen.vergleicheinsoweitauchdieantwortauf Frage 3. 5.WiebeurteiltdieBundesregierungeineRegelungimmehrjährigenTurnus? Welchen Turnus hält sie für sinnvoll? EinübereinJahrhinausgehenderErklärungszeitraumwäremitdenverbindlichenVorgabenderMehrwertsteuer-Systemrichtlinie (Artikel250ff.)nicht vereinbar. 6.HältdieBundesregierungdiegesetzlichePflichtderEinholungeiner Schankgestattung pro Einzelveranstaltung für zweckmäßig für Vereine? Wenn ja, warum? 7.HältdieBundesregierungeineGestattungfürmehrereVeranstaltungenpro Jahr für zweckmäßig? Wenn nein, warum nicht? 8.HatdieBundesregierunggegebenenfallsanderweitigeVorschlägezurVereinfachung der Schankgestattung für Vereine? Wenn ja, welche? Die Fragen 6 bis 8 werden im Zusammenhang beantwortet.
Drucksache 16/9011 4 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode DiePflichtzurEinholungeinerSchankgestattungistGegenstanddesGaststättenrechts.MitderNeufassungdesArt.74Abs.1Nr.11desGrundgesetzes (GG) ist u. a. das Recht der Gaststätten in Länderkompetenz übergegangen. SolangedieLändervondieserRegelungskompetenzkeinGebrauchgemacht haben,giltdasbundesgaststättengesetz (BGastG)nachArt.125aGGfort.SoweitVereineeineSchankwirtschaftgewerbsmäßigbetreiben,unterliegensieim vollenumfangdenvorgabendesbgastg.nach 23Abs.1BGastGfindendie VorschriftendiesesGesetzesbezogenaufdenAusschankalkoholischerGetränkeauchaufVereineundGesellschaftenauchdannAnwendung,wennder Ausschanknichtgewerbsmäßigerfolgt.IndiesemFallmusseinVereineinmaligeineGaststättenerlaubnisnach 2Abs.1BGastGbeantragen,wennereine SchankwirtschaftimSinnedes 1Abs.1Nr.1BGastGbetreibt,alkoholische GetränkeausschenktunddieSchankwirtschaftineinenzumdauerhaftenGebraucheingerichteten,ständigoderinregelmäßigerWiederkehrbenutzen Raumeingerichtetist.NurindenFällen,indeneneineSchankwirtschaftausschließlichfürdieDauereinervorübergehendenVeranstaltungeingerichtet wirdundderausschankvonalkoholbeabsichtigtist (z.b.beivereinsfesten außerhalbeinerständigenschankwirtschaft),bedarfdervereinfürjedeeinzelneveranstaltungeinergestattungnach 12BGastG,dieaberuntererleichterten Voraussetzungen erteilt werden kann. DieLändersindbeiderAusgestaltungihresGaststättenrechtsfreiundkönnen daher auch von den bisherigen Regelungen im BGastG abweichen. 9.HältdieBundesregierungdiederzeitigeAnzeigevonÄnderungenim Vorstand und der Satzung in notarieller Form für notwendig? Wenn ja, warum? DieBundesregierunghältesfürzweckmäßig,dassdieAnmeldungenzumVereinsregisteröffentlichzubeglaubigensind.DieöffentlicheBeglaubigungist auchfürdieanmeldungzuanderenregisternvorgesehen,dievondengerichtengeführtwerden.dasformerfordernisvereinfachtdieregistergerichtliche Prüfung,dadasRegistergerichtinsbesonderedieIdentitätdesAnmeldenden nicht mehr überprüfen muss. 10.WiebeurteiltdieBundesregierungdenVorschlagSatzungs-undVorstandsänderungeninVereinenanstellevonNotarenvonGerichtenbeglaubigen zu lassen? MitdemBeurkundungsgesetz1969hatderGesetzgeberdieZuständigkeitder GerichtefürderartigeBeglaubigungenaufgehoben,umdieBeurkundungszuständigkeitbeidenNotarenstärkerzuvereinheitlichenunddieGerichtevon Beurkundungsaufgabenzuentlasten.FüreineWiedereinführungdergerichtlichenZuständigkeitzurBeglaubigungvonRegisteranmeldungensiehtdie Bundesregierung vor diesem Hintergrund keinen Bedarf.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 5 Drucksache 16/9011 11.WiebewertetdieBundesregierungdeninderStudiegenanntenVorschlag (S.24,BertelsmannStiftung: ErmittlungvonBürokratie-Zeit-Kosten vonbürgernmithilfedesstandardkostenmodells (SKM) Abschlussbericht ),standardisierte,gutverständlicheinformationsmaterialienzum Steuerrechtzuentwickeln,umsobürgerschaftlichengagierteBürgerzu entlasten? 12.IstdieBundesregierunghierzubereitsinitiativgewordenbzw.plantsie solche Informationsmaterialien zu entwickeln? NachderzitiertenStudiederBertelsmann-Stiftungwird dieentwicklungstandardisiertergutverständlicherinfomaterialienzumsteuerrecht,wodurchden EhrenamtlernvielwertvolleZeiterspartwerdenkönnte,befürwortet.Das BundesministeriumderFinanzenhattebereitsseitden70erJahreneinesteuerlicheInformationsbroschürespeziellfürVereinepubliziert.Nacheinerletzten AktualisierungimJanuar1999wurdevonweiterenAktualisierungenAbstand genommen,weilzwischenzeitlichnahezuallebundesländereigene,gegenüber derbmf-broschüresehrvielumfangreicherepublikationenzumthemaerstellthaben.diebmf-broschürewurdesodanneingestellt.heutesinddie PublikationenderLänderimInternetüberdieInternetportalederLandesregierungenundüberPortaleandererAnbieterverfügbar.DiesePublikationen bietennichtnursteuerliche,sondernauchandererechtsgebieteberührende (z.b.vereinsrecht)undländerspezifische (z.b.finanzhilfen,fördermaßnahmen)informationen.darüberhinausinformiertdasbundesministeriumder FinanzenimInternetalsLeitmediumderKommunikationüberaktuelleEntwicklungen,wiebeispielsweisejüngstimZusammenhangmitdemGesetzzur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.
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