12.11.2015 Nicht-Euklidische Geometrie (Weiss) WS 2015-16 Vorlesungsnotizen, Woche 4 4.1. Die hyperbolische Ebene ls metrischer Rum Definition 4.1.1. Die hyperbolische Ebene ist H {x R 2 x 2 > 0} mit der Metrik d Φ bestimmt (wie in Vorl.notizen Woche 3) durch die Kostenoder Gewichtsfunktion Φ, wobei Φ(x) 1/x 2 für x H. Also ist für Elemente x und y von H der Abstnd d Φ (x, y) ds Infimum der Zhlen L Φ (γ), genommen über lle stückweise gltten Kurven γ: [, b] H mit γ() x und γ(b) y. Zur Erinnerung: im Fll von gltter Kurve γ ist L Φ (γ) Φ(γ(t)) γ (t) dt γ (t) γ 2 (t) bei dieser Kostenfunktion, Φ(x) 1/x 2. (Dbei bezeichnet γ 2 (t) die zweite Koordinte von γ(t).) Wenn γ stückweise gltt ist, muss mn eine etws kompliziertere Formel mit Summenzeichen hinschreiben. Diese Definition ist sehr lngwierig, und wir hben schon gesehen, dss die explizite Bestimmung der Abstände d Φ (x, y) mnchml schwierig ist. Wir werden ber uch noch sehen, dss diese lngwierige Definition einen Vorteil ht: sie mcht es uns leicht, viele Isometrien von H nch H zu konstruieren. Dmit können wir die Berechnung von Abständen d Φ (x, y) für beliebige x und y uf einfche Spezilfälle zurückführen. Diese Spezilfälle kommen jetzt drn. Lemm 4.1.2. Für x und y us H mit x 1 y 1 ist d Φ (x, y) ln y 2 ln x 2. Beweis. OBdA ist y 2 x 2. Sei β: [, b] H irgendeine stückweise gltte Kurve von x nch y. Wir sollten erstml zeigen, dss L φ (β) ln y 2 ln x 2. Ich tue ds unter der Annhme, dss β gltt ist; der llgemeine Fll ist ähnlich. Dnn hben wir L Φ (β) β (t) dt ln() tb t 1 β 2 (t) dt ln y 2 ln x 2. dt β 2 (t) dt
2 Gut. Wenn jetzt β 1 (t) immer Null ist und β 2 (t) immer 0, dnn werden die Zeichen in diesen Abschätzungen zu Gleichheitszeichen, und wir sehen L Φ (β) ln y 2 ln x 2. (Wir können zb definieren β: [0, 1] H mit β(t) (x 1, x 2 + t(y 2 x 2 )), um ll ds zu erreichen.) Korollr 4.1.3. Für festes R ist die Abbildung f: R H definiert durch f(t) (, exp(t)) bstndserhltend (mit der Stndrdmetrik uf R). Also ist ihr Bild {x H x 1 } eine Gerde in H (gemäss Definition von Gerde in metrischem Rum gegeben in Vorl.notizen Woche 2). Beweis. d Φ (f(t), f(s)) ln(exp(t)) ln(exp(s)) t s. Bemerkung 4.1.4. Der Beweis von Lemm 4.1.2 beweist noch etws mehr, ls behuptet wurde. Wir hben gesehen: es gibt (unter den Vorussetzungen des Lemms) eine gltte Kurve β von x nch y in H, für die L Φ (β) d Φ (x, y) gilt. (Ds heisst, obwohl wir d Φ (x, y) ls Infimum von gewissen gewichteten Kurvenlängen definiert htten, wissen wir jetzt: ds Infimum ist ein Minimum.) Ausserdem: wenn β eine gltte Kurve von x nch y ist, bei der β 1 nicht konstnt ist, die lso nicht β 1 (t) 0 erfüllt für lle t, dnn ist L Φ (β) > d Φ (x, y) (strikte Ungleichung). Denn dnn ist eine der Ungleichungen in unseren Abschätzungen strikt: β (t) dt > β 2 (t) Diese Bemerkung, L Φ (β) > d Φ (x, y) flls β 1 nicht konstnt, gilt uch wieder im stückweise gltten Fll. 4.2. Selbst-Isometrien der hyperbolischen Ebene Um einige interessnte Isometrien von H nch H zu beschreiben, benutzen wir komplexe Zhlen. Insbesondere werden dbei die Elemente (x 1, x 2 ) von H ls komplexe Zhlen z x 1 + x 2 i mit positivem Imginärteil x 2 ufgefsst. Die Abbildungen f von H nch H, die wir betrchten wollen, hben die Gestlt f(z) z + b cz + d für z H, wobei, b, c, d feste reelle Zhlen sind mit d bc 1. Die Division muss in C usgeführt werden! Zur Erinnerung oder Belehrung, flls nötig: - Eine komplexe Zhl w k + li ht einen Relteil k Re w R und einen Imginärteil l Im w R. Wrnung: Der Imginärteil von w k + li ist eine reelle Zhl, nämlich l. dt.
- Der Betrg von w ist w k 2 + l 2 R. - Addition von komplexen Zhlen wird koordintenweise durchgeführt. Beispiel: (3 + 5i) + (2 7i) 5 2i. Anlog dzu: Subtrktion koordintenweise. - Bei der Multipliktion von komplexen Zhlen benutzen Sie bitte ds Distributivgesetz und denken Sie drn, dss i 2 1 sein soll, genuer gesgt, (0 + 1i) 2 1 + 0i. Beispiel: (3 + 5i)(2 + 7i) 6 + 35i 2 + 10i + 21i 29 + 31i. - Der Betrg von einem Produkt ist ds Produkt der Beträge; lso uv u v. Beweis: Nchrechnen. - Die Konjugierte von w k + li ist w k li. Die Konjugierte von einem Produkt ist ds Produkt der Konjugierten; die Konjugierte von einer Summe ist die Summe der Konjugierten. - Wenn eine komplexe Zhl w nicht Null ist, dnn erhebt sich die Frge, wie mn w 1 bestimmt. Mn findet w 1 meist m leichtesten in der Form w 1 1 w w w w w w. 2 Und Teilen durch w ist dsselbe wie Multiplizieren mit 1/w. - Wie schon ngedeutet: sttt k + 0i schreiben wir gerne k. Auf diese Weise wird R mit einer Teilmenge von C gleichgesetzt (d.h. eine reelle Zhl ist eine komplexe Zhl w mit Im w 0). Sttt 0 + li schreiben wir gerne li. Sttt 0 + 1i schreiben wir gerne i. Undsoweiter. Beispiel 4.2.5. 1 + 5i 3 2i (1 + 5i)(3 + 2i) (3 2i)(3 + 2i) (3 10) + (15 + 2)i 9 + 4 7 13 + 17 13 i. Beispiel 4.2.6., b, c, d 1, 2, 3, 5 und z 2 + i 2 + 1i. Dnn ist z + b cz + d 1(2 + i) 2 3(2 + i) 5 i 1 + 3i i(1 3i) 10 Bemerkung 4.2.7. Für eine Mtrix mit reellen Einträgen [ ] b M c d mit det(m) 1 und ein z H definieren wir versuchsweise 3 10 + 1 10 i. f M (z) : z + b cz + d. Dnn stellt sich herus: (i) f M ist eine wohldefinierte und stetige Abbildung von H nch H; 3
4 (ii) f M f N f MN, wobei MN ds Mtrixprodukt bezeichnet; (iii) f I2 id für die Identitätsmtrix I 2. Aus (ii) folgt, dss jedes f M eine invertierbre stetige Abbildung von H nch H definiert; ls Inverse bietet sich nämlich f N n, wobei N M 1. Erklärung von (i). (Jetzt vereinfcht im Vgl zur Vorlesung.) Sei z H und w f M (z). Wir bemerken erstml, dss cz + d 0, denn sonst 0 Im (cz + d) c Im z, dmit c 0, und dnn d 0. Weiter: Die Konjugierte von cz + d ist c z + d, dher w z + b cz + d (z + b)(c z + d) cz + d 2 c z 2 + dz + bc z + bd cz + d 2, so dss (d bc)im z Im (z) Im w cz + d 2 cz + d. 2 Also ist Im w > 0, weil Im z > 0. Die Aussgen (ii) und (iii) können durch Nchrechnen bestätigt werden. Theorem 4.2.8. Jedes f M wie in Bemerkung 4.2.7 ist eine Isometrie von H nch H, wobei H mit der Metrik d Φ usgestttet ist wie in Definition 4.1.1. Beweis. Wegen Bemerkung 4.2.7 ist f M eine Bijektion von H nch H, denn eine inverse Abbildung dzu ist f N mit N M 1. Die erste Ableitung von f M ist f M(z) (cz + d) (z + b)c (cz + d) 2 d bc (cz + d) 1 2 (cz + d) 2 nch der Quotientenregel. Mn drf die Quotientenregel hier etw so benutzen, wie mn sie us der reellen Anlysis kennt, weil die Abbildungen z z + b und z cz + d komplex differenzierbr sind 1. Andererseits hben wir schon herusgefunden (in Bemerkung 4.2.7): Im (f M (z)) Im z cz + d 2. 1 Dbei sollte f M (z) ls linere Abbildung von R2 nch R 2 ufgefsst werden, oder, wenn eine weniger gesunde Sichtweise vorgezogen wird, ls 2 2-Mtrix mit reellen Einträgen die Mtrix der ersten prtiellen Ableitungen, uch Jcobi-Mtrix gennnt. Die rechte Seite (cz + d) 2 muss demnch uch ls linere Abbildung von R 2 nch R 2 ufgefsst werden, und ds geht. Denn Multipliktion mit einer komplexen Zhl k + li ist ttsächlich eine linere Abbildung von R 2 nch R 2. Ihre Mtrix ist [ ] k l. l k
(Diese beiden Formeln, für f M (z) und für Im (f M(z)), sind ungeheuer nützlich.) Sei jetzt γ: [p, q] H eine gltte Kurve. Dnn ist uch f M γ eine gltte Kurve. Die Kettenregel ergibt (f M γ) (t) f M(γ(t)) γ (t) wobei die rechte Seite ls Produkt von komplexen Zhlen gelesen werden drf und uch muss. Mit den Rechnungen oben erhlten wir für die gewichteten Geschwindigkeiten (f M γ) (t) Im (f M (γ(t))) f M (γ(t)) γ (t) Im (f M (γ(t))) cγ(t) + d 2 f M (γ(t)) γ (t) Im (γ(t)) γ (t) Im (γ(t)). (Es ist gnz lustig, dss ich hier... sttt... schreiben durfte. Der Betrg tut für Elemente von C dsselbe wie die Norm... für Elemente von R 2.) Wenn wir q dvorschreiben und dt dhinter, ergibt sich für die gewichteten p Kurvenlängen L Φ (f M γ) L Φ (γ). Dieselbe Beziehung ergibt sich für stückweise gltte Kurven γ (mit mehr Schreibrbeit wegen Summenzeichen). D Zusmmensetzung mit f M eine Bijektion von der Menge der stückweise gltten Kurven γ in H von u nch w in die Menge der stückweise gltten Kurven in H von f M (u) nch f M (v) ergibt, dürfen wir schliessen d Φ (f M (u), f M (w)) d Φ (u, w). 4.3. Bestimmung von Abständen in der hyperbolischen Ebene Lemm 4.3.9. Sei z, u H (komplexe Bezeichnungen, H C) und [ ] b M c d eine Mtrix mit reellen Einträgen, det(m) 1 wie in Bemerkung 4.2.7. Dnn ist z u (Im z) 1/2 (Im u) 1/2 f M (z) f M (u) (Im f M (z)) 1/2 (Im f M (u)) 1/2. 5 Beweis. Übungsufgbe.
6 Lemm 4.3.10. Für beliebige z, u H existiert eine Mtrix M wie in Bemerkung 4.2.7 derrt, dss Re (f M (z)) 0 und Re (f M (u)) 0 (für diese speziellen z und u). Beweis. Wieder Übungsufgbe. Diese Aufgbe lässt sich llerdings in folgende Schritte zerlegen (unter Benutzung der Formel f XY f X f Y in Bemerkung 4.2.7.) 1. Finde Mtrix P derrt, dss Re (f P (z)) 0 für ds gegebene z. Ds ist leicht, denn wir können P von der Form [ ] 1 b P 0 1 nehmen. Dnn ist f P (y) y + b für lle y H. Wenn wir lso b Re z wählen (für unser spezielles z), dnn ist Re (f P (z)) 0. 2. Schreibe f P (z) ri für ein positives reelles r. Konstruiere Mtrix Q derrt, dss f Q (i) ri. Dnn ist f Q 1 P(z) (f Q ) 1 (f P (z)) f Q 1(ri) i. 3. Setze w f Q 1 P(u). Finde Mtrix N derrt, dss f N (i) i und Re (f N (w)) 0. Dnn ist f NQ 1 P(z) f N (i) i, Re (f NQ 1 P(u)) Re (f N (f Q 1 P(u)) Re (f N (w)) 0. Also ist M NQ 1 P eine Lösung. Korollr 4.3.11. Für den Abstnd d Φ (u, z) von u, z H gilt: cosh ( d Φ (u, z) ) 1 + z u 2 2(Im z)(im u). Beweis. Erstml in Erinnerung rufen, dss cosh(t) (exp(t)+exp( t))/2 für t R. Die cosh-funktion (Cosinus Hyperbolicus) ist injektiv nch Einschränkung uf die nicht-negtiven reellen Zhlen. Wir suchen uns dnn eine Mtrix M wie in Lemm 4.3.10, so dss Re (f M (u)) 0 Re (f M (z)). Weil f M eine Isometrie ist, Theorem 4.2.8, hben wir Aber wegen Lemm 4.3.9 gilt uch 1 + d Φ (f M (u), f M (z)) d Φ (u, z). f M (z) f M (u) 2 2(Im f M (z))(im f M (u)) 1 + z u 2 2(Im z)(im u). Ds heisst, es genügt uns jetzt, zu zeigen, dss cosh ( d Φ (f M (z), f M (u)) ) 1 + f M (z) f M (u) 2 2(Im f M (z))(im f M (u)).
Sieht so us wie vorher, nur mit f M (u) und f M (z) nstelle von u und z. Wir können jetzt sgen: f M (z) ist ds neue z und f M (u) ist ds neue u. Fortschritt: wir hben dmit uf den Spezilfll reduziert, dss (die neuen) z und u Relteil gleich Null hben. Unter dieser zusätzlichen Vorussetzung, lso Re u 0 Re z, hben wir ber schon eine usgezeichnete Formel für d Φ (u, z). Angenommen u pi und z qi für gewisse positive reelle p, q, und obda ist p q. Die Formel ist dnn d Φ (u, z) ln p ln q ln(p/q). Ds ist (ein Spezilfll von) Lemm 4.1.2 in komplexer Schreibweise. Jetzt muss lso nur noch gezeigt werden Aber ds ist leicht. cosh (ln(p/q)) 1 + (p q)2 2pq. Beispiel 4.3.12. Wir htten den Fll u i 0 + 1i und z 1000 + i betrchtet. Eine erste grobe Abschätzung ergb d Φ (u, z) 1000 und eine zweite weniger grobe Abschätzung ergb d Φ (u, z) 500 + 2(ln 2). Wir htten dzu Kurven γ von u nch z konstruiert und ihre gewichtete Kurvenlänge L Φ (γ) bestimmt, wussten ber nicht recht, ob wir dmit dem Infimum solcher gewichteten Kurvenlängen einigermssen nhegekommen wren. (Mn hätte es bestimmt besser mchen können mit derselben Strtegie.) Jetzt stellt sich jedenflls herus: dieses Infimum, gennnt d Φ (u, z), erfüllt cosh(d Φ (u, z)) 1 + Mein Rechner sgt dzu, dss z u 2 2(Im z)(im u) 1 + 106 2 500 001. d Φ (u, z) 13, 815512557961274110774597894823. 7