Deutscher Bundestag Drucksache 17/7650 17. Wahlperiode 09. 11. 2011 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7243 Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas Vorbemerkung der Fragesteller EineReihevonEnergieunternehmenwolleninDeutschlandErdgasausnichtkonventionellenLagerstättenfördern,voralleminNiedersachsenundNordrhein-Westfalen.AuchinSachsen-Anhalt,ThüringenundBaden-WürttemberghabensichEnergieunternehmenbereitsAufsuchungslizenzengesichert. DieUnternehmenkonzentrierenihreSucheaufVorkommenausTonsteinen, KohleflözenundSandsteinen (imfolgendenalsunkonventionelleserdgasbezeichnet). BeiderFörderungausdiesenLagerstättenwirdeinHorizontalbohrungsverfahrennamens HydraulicFracturing oderkurz Fracking angewendet, welchesindenusamitmassivenverunreinigungendestrinkwassersund desbodensinverbindunggebrachtunddortauchsehrkritischdiskutiertwird. ZwarwirddasFracking-Verfahrenschonseitdenspäten40er-Jahren (seit 1977auchinDeutschland)angewendet,imLaufederZeitwurdeesjedoch technologischimmerweiterentwickelt.seitendeder90er-jahrewirddas sogenanntehigh-volume (Slick-Water)HydraulicFracturingeingesetzt,welchessichnachAussagenvonExpertendurcheinVielfachesanFlächen-und WasserverbrauchsowieerheblichgrößerenChemikalieneinsatzauszeichnet. AngesichtsdieserTatsachemusshinterfragtwerden,obesfürdieseneuartigenVerfahreneinerÜberarbeitungdergegenwärtiggeltendenVorschriften zum Schutz von Mensch und Umwelt bedarf. EinederzentralenFragendabeilautet,obinZukunfteineUmweltverträglichkeitsprüfung (UVP)vorAufnahmederFörderungmittelsFrackingdurchgeführtwerdensollte.DerBundesratbehandeltindiesemZusammenhang gegenwärtigeinenantragdeslandesnordrhein-westfalen (Bundesratsdrucksache388/11),welcherdieEinführungeinerobligatorischenUVPvorjedem Fracking-Verfahrenfordert.BeibergbaulichenVorhabenwirdvonderVerordnungüberdieUmweltverträglichkeitsprüfungbergbaulicherVorhaben (UVP-V Bergbau)geregelt,beiwelchenVorhabeneineUVPdurchgeführtwerdenmuss. NachgültigerRechtslagedefiniert 1Absatz2aUVP-VBergbau,dassbeider ErdgasförderungerstabeinemVolumenvontäglichmehrals500000geförder- DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsfürWirtschaftundTechnologievom 8.November 2011 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 17/7650 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode tenkubikmeterneineuvpdurchgeführtwerdenmuss.esistkeinebegründungbekannt,warumausgerechnetdiesergrenzwertdefiniertwurde.gerade beiderförderungvonunkonventionellemerdgaswirddiesesfördervolumen nichtannähernderreicht.esbestehtdahergegenwärtigdiesituation,dasseine neuartigerisikotechnologievondengeltendenrechtsvorschriftennichterfasst wird. WiebeianderentechnischenVerfahrenunterliegtdieFracking-Technologieeiner fortlaufendenweiterentwicklungundoptimierung.jedefracking-maßnahme variiertimdetailundmussindividuellandiespezifischengegebenheitender örtlichengeologieangepasstwerden.diegrundsätzlichevorgehensweisebleibt gleich. 1.WelcheUnterschiedeexistierenkonkretzwischendemauchinDeutschlandnachInformationendesUnternehmensExxonMobileseitdemJahr 1977eingesetztentraditionellenFracking-Verfahrenunddemsogenannten High-Volume (Slick-Water)HydraulicFracturing,welchesEndeder90er- JahreentwickeltundzumBeispielimMarcellus-FeldimUS-Bundesstaat Pennsylvaniaangewendetwird,hinsichtlichderFaktorenFlächenverbrauch,Wasserverbrauch,Bohrtiefe,eingesetzteChemikalien,AbwasserentsorgungundHöhedesverwendetenDrucksbeimAufbrechenderGesteinsschichten? 2.VertrittdieBundesregierungdieAuffassung,dassdiekonventionelleErdgasförderunginderUVP-VBergbaugenausobehandeltwerdensollte,wie HydraulicFracturingundggf.auchdassogenannteHigh-Volume (Slick- Water) Hydraulic Fracturing, und wenn ja, warum? DieBundesregierungprüftderzeitdenÄnderungsbedarfderVerordnungüber die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben. 3.StimmtdieBundesregierungderAussagedesniedersächsischenWirtschaftsministersJörgBodevordemHintergrunddertechnologischenWeiterentwicklungdesFracking-Verfahrenszu,dassessichbeiderFracking- TechnologieumeineTechnologiehandelt,die vorüber35jahrenerstmaliginniedersachseneingesetztundbisheuteinüber250projektenerfolgreichangewendetwurde (SitzungdesNiedersächsischenLandtages am 16. September 2011, TOP 35), und wenn ja, warum? EswirdaufdieAusführungenzurFracking-TechnologieinderAntwortzu Frage1verwiesen.ImÜbrigenliegtdieGenehmigungserteilungfürdieAufsuchungundGewinnungvonBodenschätzeninDeutschlandbeidenzuständigen BehördenderBundesländer.NachderimGrundgesetzfestgelegtenKompetenzverteilungzwischenBundundLändernistdasjeweiligeLandausschließlichzuständig.DerBundesregierungverfügtdeshalbhierzuüberkeineeigenenDaten. 4.AufwelcherfaktischenGrundlagewurdederGrenzwertzurDurchführung eineruvpbeidergewinnungvonerdgaszugewerblichenzweckenin 1Absatz2aUVP-VBergbauaufeinFördervolumenvon500000m 3 Erdgas pro Tag festgelegt? DerinderUVP-VBergbaufestgelegteGrenzwertvon500000Kubikmetern ErdgasproTagentsprichtdeminAnhangIZiffer14derRichtlinie85/337/ EWGüberdieUmweltverträglichkeitsprüfungbeibestimmtenöffentlichenund privatenprojektenbestimmtengrenzwertfürdiegewinnungvonerdgaszu gewerblichen Zwecken.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/7650 5.BeiwievielenVorhabenzurGewinnungvonErdgaswurdeseitVerabschiedungdesGesetzesüberdieUmweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) imjahr1990eineuvptatsächlichdurchgeführt,unabhängigdavon,ob essichumeinkonventionellesodernichtkonventionellesvorkommen handelte (bitte auflisten)? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 6.ErachtetdieBundesregierungdenin 1Absatz2aUVP-VBergbaudefiniertenGrenzwertvon500000m 3 protagalsangemessen,umumweltrisikenbeiderförderungvonunkonventionellemerdgasabzuwägen, und wenn nein, warum nicht? EswirdaufdieAntwortzuFrage2verwiesen.JedochmüssenausSichtder BundesregierungimRahmenvonZulassungsentscheidungenbeiderErdgasförderungausunkonventionellenLagerstättendieUmweltauswirkungenberücksichtigt werden. 7.ErachtetdieBundesregierungdieDurchführungeinerUVPalseingeeignetesInstrument,umdieUmweltrisikenbeiderFörderungvonunkonventionellemErdgasabzuwägenundihreErgebnissebeibehördlichen EntscheidungenüberdieZulässigkeitvonVorhabenzurFörderungvon unkonventionellem Erdgas zu berücksichtigen (bitte begründen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 8.Wennja,sollteeineUVPnachAuffassungderBundesregierunggrundsätzlichvorderVergabeeinerFörderlizenzfürunkonventionellesErdgas stattfinden,odersolltedieentscheidungzurdurchführungeineruvp grundsätzlichvoneinervorprüfungdeseinzelfallsnach 3cUVPGabhängig sein? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 9.WelcheGründesprechennachAuffassungderBundesregierungdagegen, diedurchführungeineruvpinderuvp-vbergbaufürjedebohrung unter Einsatz der Fracking-Technologie verbindlich vorzuschreiben? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 10.WenndieBundesregierungdieAuffassungvertritt,dasseineVorprüfung nach 3cUVPGstattfindensoll,welcheAkteuresolltendieseVorprüfung nach Auffassung der Bundesregierung durchführen? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 11.WelcheGefahrengehennachEinschätzungderBundesregierungvonder BohrmethodedesHydraulicFracturingundderFörderungvonunkonventionellemErdgasallgemeinfürdasTrinkwasserunddenBodenschutz aus? DasBundesministeriumfürWirtschaftundTechnologiehatEndeletztenJahres diebundesanstaltfürgeowissenschaftenundrohstoffemiteinemforschungsprojektzurerfassungundbewertungdespotenzialsvonnicht-konventionellen
Drucksache 17/7650 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode KohlenwasserstoffeninDeutschland (ErdölundErdgasausTonsteinen PotentialefürDeutschland)beauftragt.ErgebnissewerdenvoraussichtlichAnfang 2012 vorliegen. DasUmweltbundesamthatimAuftragdesBundesministeriumsfürUmwelt, NaturschutzundReaktorsicherheiteineStudieüber Umweltauswirkungenvon FrackingbeiderAufsuchungundGewinnungvonErdgasausunkonventionellenLagerstätten Risikobewertung,HandlungsempfehlungenundEvaluierungbestehenderrechtlicherRegelungensowieVerwaltungsstrukturen ausgeschrieben. Ergebnisse werden im Juli 2012 vorliegen. 12.WiebewertetdieBundesregierungdenVorschlagvomBundesminister fürumwelt,naturschutzundreaktorsicherheit,dr.norbertröttgen,die AnwendungdesFracking-Verfahrens inbesonderssensiblenbereichen, wobeispielsweisetrinkwasserausgrundwassergewonnenwird (dpa- Meldung vom 30. Juli 2011) grundsätzlich auszuschließen? DasWasserhaushaltsgesetzeröffnetdieMöglichkeit,imInteressederderzeit bestehendenundderzukünftigenwasserversorgungwasserschutzgebietefestzusetzen,indenenbestimmtehandlungenverbotenodernurfürbeschränktzulässigerklärtwerdenkönnen.dieerstellungvontiefbohrungenunddamit auchdieanwendungderfracking-technologieistinderschutzzoneiundii regelmäßigverbotenundinderschutzzoneiiinurbeschränktzulässig.soweit BohrungenineinerSchutzzoneIIIeinesWasserschutzgebietesdurchzuführen sind,istesaufgabederzuständigenbehördederländerüberdiezulässigkeit des Vorhabens zu entscheiden. 13.SolltenachAuffassungderBundesregierungbeiderFörderungvonunkonventionellemErdgasaufdenEinsatzgrundwassergefährdenderChemikaliengrundsätzlichverzichtetwerden,wieeszumBeispielderFraktionsvorsitzendederFraktionderCDUimLandtagNordrhein-Westfalen, KarlJosefLaumann,am26.Juli2011gegenüberder MünsterschenZeitung gefordert hat, und wenn ja oder nein, warum? Esmussgewährleistetsein,dasskeinenachteiligenAuswirkungenaufdie Grundwasserbeschaffenheit zu besorgen sind. 14.WieistderaktuelleStandbeiderVergabedervonBundesumweltminister Dr.NorbertRöttgenangekündigtenStudiezudenUmweltauswirkungen desfracking-verfahrensbeidererdgasförderung (siehedpa-meldung vom 30.Juli 2011)? DieStudiebefindetsichzurzeitinderAusschreibungsphase.MiteinerVergabe istimdezember2011zurechnen.derabschlussdesvorhabensistfürjuli 2012 vorgesehen. 15.WielautetderkonkreteUntersuchungsauftrag,dendasBundesministeriumfürUmwelt,NaturschutzundReaktorsicherheitfürdieseStudieformulierthat,undstehtbereitsfest,welcheInstitutionbzw.welchesUnternehmen diese Studie durchführen wird? DasVorhabensollsichinzweiTeilvorhabengliedern:ZieldesTeilIisteine zusammenfassendebewertungdesrisikos,welchesvomfrackingfürmensch, UmweltundNatur,insbesonderefürdasGrundwasserausgeht.Fallsmöglich sollenkonkretehandlungsempfehlungenfüreineumweltgerechtegewinnung
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/7650 unkonventionellergasvorkommenentwickeltwerden.inteiliisollennach eineranalysederbestehendengesetzeslageundverwaltungsstrukturenhandlungsempfehlungenzuänderungendieserbereichevorgelegtwerden,soweit diese als notwendig angesehen werden. 16.WelcheAufgabehatdasUmweltbundesamtbeiderVergabeundDurchführung dieser Studie? DieStudiewirdimRahmendesUmweltforschungsplansdesBundesministeriumsfürUmwelt,NaturschutzundReaktorsicherheitdurchgeführt.VerantwortlichfürdieUmsetzungderForschungsplanungunddieAbwicklung (u.a. AuswahldesForschungsnehmersundVergabedesVorhabens)istdasUmweltbundesamt. 17.WiebewertetdieBundesregierungdieGefahrvonkleinerenundmittlerenErdbebenalsFolgedesHydraulic-Fracturing-Verfahrensvordem HintergrundderimenglischenLancashire/BlackpoolaufgetretenenErdbebenimAprilundMai2011,dieeinensofortigenStoppderErdgasbohrungen zur Folge hatten (The Guardian vom 1. Juni 2011)? NachdenderBundesregierungvorliegendenInformationenwarkeinederin norddeutschenerdgasfeldernbislangdurchgeführtenfracking-maßnahmen mit nachweisbarer Seismizität verbunden. 18.WaswarnachErkenntnissenderBundesregierungdieUrsachefürdie ErdbebeninNorddeutschlandvom20.Oktober2004 (Stärke4,5aufder Richterskala)undvom15.Juli2005 (Stärke3,8aufderRichterskala), undwiebewertetsieaussagenvonexpertenderbundesanstaltfürgeowissenschaftenundrohstoffe (BGR),dassdieErdgasförderungimniedersächsischenSöhlingendieUrsachefürdieseErdbebengewesensein soll (siehe BrisanteDaten ErdgasförderungsollErdbebeninDeutschland ausgelöst haben, in: SPIEGEL ONLINE vom 21. März 2006)? AufgrundderzumZeitpunktderEreignissefehlendenseismischenStationen imunmittelbarenumfeldderepizentrenkannnichtabschließendgeklärtwerden, ob ein Zusammenhang mit der Erdgasförderung gegeben ist. 19.BestehtnachErkenntnissenderBundesregierungdieMöglichkeit,dass dieaufgetretenenerdbebenimenglischenlancashire/blackpoolimjahr 2011unddieErdbebenimHerbst2004undimSommer2005in NorddeutschlandbeideihreUrsacheindendortjeweilsstattfindenden Fracking-Aktivitätenhaben,undwennja,wiekonnteeszudiesenErdbeben kommen? ZumBebeninLancashire/BlackpoolliegenderBundesregierungkeineErkenntnissevor.BezüglichderErdbebeninNorddeutschlandwirdaufdieAntwort zu Frage 17 verwiesen. 20.InwelcherTiefelagnachErkenntnissenderBundesregierungdasEpizentrum der beiden Erdbeben in Norddeutschland 2004 und 2005? AufgrundderzumZeitpunktderEreignissefehlendenseismischenStationenim unmittelbarenumfeldderepizentrenkannnichtabschließendgeklärtwerden, in welcher Tiefe das Epizentrum der beiden Erdbeben in Norddeutschland lag.
Drucksache 17/7650 6 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 21.InwelcherTiefeliegennachErkenntnissenderBundesregierungdie SandsteinschichtenimFörderfeldSöhlingen,ausdenendassogenannte Tight-Gas gewonnen wird? NachdenderBundesregierungvorliegendenInformationenliegendieSandsteinschichten im Förderfeld Söhlingen in 4 bis 5 Kilometer Tiefe. 22.KanndieBundesregierungausschließen,dassesinNorddeutschlandweitereundeventuelldeutlichstärkereErdbebenalsFolgederErdgasförderung geben wird, und wenn ja, warum? ZukünftigeErdbebeninZusammenhangmitderErdgasförderungkönnennicht völligausgeschlossenwerden;deutlichstärkerebebensindjedochnachdem jetzigen Kenntnisstand als sehr unwahrscheinlich anzusehen.
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