Durchbruchschmerzen in der Palliativmedizin Ein missachtetes Problem oder eine überbewertete therapeutische Situation?
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- Simon Heinrich
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1 in der Palliativmedizin Ein missachtetes Problem oder eine überbewertete therapeutische Situation? Prof. Dr. med. Frank Elsner Klinik für Palliativmedizin Uniklinik RWTH Aachen
2 DISCLOSURE STATEMENT Relevant financial relationship(s) and relevant nonfinancial relationship(s) I do not have relevant relationships in the products or services described, reviewed, evaluated or compared in this presentation. Especially not in terms of financial and non-financial relationship(s) such as ownership interests, being employee, owner of all or part of a licensed patent or copyright, recipient of a scholarship/grant, financial compensation, etc. Frank Elsner
3 Palliativmedizin Definition Aktive, ganzheitliche Behandlung von unheilbar erkrankten Patienten Kontrolle von Schmerzen und anderen Symptomen Blick auf körperliche, seelische, soziale und spirituelle Problemebenen Bestmögliche Lebensqualität für Patient und Familie modifiziert nach Texten der WHO, EAPC, DGP
4 Warum Durchbruchschmerzen als Thema? 50% > 65 Jahre > 85 Jahre alter_knacker_15265.jpg 25% 22% 28% 16% 4% 6% 10% 0%
5 Warum Durchbruchschmerzen als Thema? 90% der Palliativpatienten sind unheilbar erkrankte Tumorpatienten 80% von diesen haben Schmerzen 70% von diesen haben Durchbruchschmerzen > 50% aller Patienten in der Palliativmedizin haben Durchbruchschmerzen 19 95% je nach Quelle, anerkannt: Prävalenz bei 70% Sabatowski, Elsner, Scharnagel et al. (2010) Tumorschmerztherapie, in: Schmerztherapie (Springer), 2. Auflage
6 Definition Durchbruchschmerzen bei Tumorpatienten vorübergehende Exazerbationen stabile, weil angemessen behandelte Schmerzen dauerhafte Opioidtherapie Portenoy (1990) vorübergehende Exazerbationen stabile, weil angemessen behandelte Schmerzen dauerhafte Schmerztherapie Davies (2009) Portenoy, Hagen (1990) Pain Davies, Dickman, Reid et al. (2009) Eur J Pain
7 Klassifikation Durchbruchschmerzen Ereignis-abhängig (40 60%) spontan (20 60%) End of dose failure (15 20%) vorhersehbar (z. B. Mobilisation) unvorhersehbar (z. B. Husten) Bertram, Stiel, Elsner et al. (2010) Der Schmerz Davies, Dickmann, Reid et al. (2009) Eur J Pain Zeppetella (2009) Curr Opin Support Palliat Care
8 Diagnose-Algorithmus Association for Palliative Medicine of Great Britain and Ireland (APM) diagnostic algorithm for breakthrough cancer pain Davies et al., (2009; 2010)
9 Einfluss auf Patienten Durchbruchschmerzen Nun, Schmerzen sind, wie soll ich sagen? vermindern die körperliche Aktivität 1 vermindern die Lebensqualität 1 vermindern die Zufriedenheit mit Schmerztherapie 2, 3 vergrößern die Angst vor körperlichem Leid 2 vergrößern die Angst vor qualvollem Sterben 2 vergrößern die Kosten 1 1 Caraceni, Martini, Zecca et al. (2004) Palliat Med 2 Portenoy, Payne, Jacobsen (1999) Pain 3 Zeppetella, O Doherty, Collins (2000) J Pain Symptom Manage
10 Fallbeispiel 1: Patient, 47 Jahre Anamnese: Pancoast-Tumor, Erstdiagnose vor 2 Jahren (kleinzellig, T2 N0 M0) Strahlentherapie, Chemotherapie Schmerzen: drückende Dauerschmerzen re Schulter, NRS 7 (0 10) anfallartig in re Hand einschießende Schmerzen bis NRS 10, nur wenige Minuten andauernd, mehrmals täglich, auch nachts Vormedikation: Fentanyl TTS 100 µg/h, Morphin retard 4 x 60 mg/d Diclofenac 3 x 50 mg/d, Amitriptylin 25 mg abends Morphin 80 mg bei Bedarf Ziel: Reduktion der Schmerzen um 50%
11 Fallbeispiel 1: Patient, 47 Jahre 10 NRS Morphin retardiert 800 mg/d Ibuprofen 1800 mg/d Amitriptylin 75 mg/d Morphin 120 mg bei Bedarf Reduktion 30% Durchschnittliche Schmerzen Stärkste Schmerzen 22.8.
12 Fallbeispiel 1: Patient, 47 Jahre 10 NRS Morphin retardiert 800 mg/d Ibuprofen 1800 mg/d Amitriptylin 75 mg/d Morphin 120 mg bei Bedarf Reduktion 30 % 2 Durchschnittliche Schmerzen Stärkste Schmerzen
13 Fallbeispiel 1: Patient, 47 Jahre 10 NRS 8 6 Morphin retardiert 800 mg/d Ibuprofen 1800 mg/d Amitriptylin 75 mg/d Morphin 120 mg bei Bedarf Durchschnittliche Schmerzen Stärkste Schmerzen Dexamethason 24mg/d Reduktion > 50 % 22.8.
14 Fallbeispiel 1: Patient, 47 Jahre 10 NRS Durchschnittliche Schmerzen Stärkste Schmerzen 22.8.
15 Neuropathische Schmerzen Trizyklische Antidepressiva Valproat Carbamazepin / Lamotrigin / Phenytoin Opioide Tramadol Gabapentin / Pregabalin SNRI: Duloxetin Mexiletin* NMDA-R-Antagonisten* Capsaicin SSRI: Paroxetin, Citalopram, Fluoxetin Topiramat* NNT für einen Patienten mit 50% Schmerzlinderung * Wenigstens die Hälfte der Studien zeigte keine signifikante Wirkung NNT Jensen et al.; Diab Vasc Dis Res 2006;3:
16 Behandlung: ideales Profil wirkt schnell wirkt kurz ist nicht invasiv ist praktikabel Müller-Schwefe, Elsner, Hach et al. (2011) Thieme Praxis Report Elsner, Zeppetella, Porta-Sales et al. (2011) Clinical Drug Investigation
17 Opioide im Vergleich Wirkeintritt (min) (nicht-invasive Applikation) Wirkdauer (h) Morphin Hydromorphon Oxycodon Levomethadon Fentanyl Modifiziert nach: William, Macleod (2008) Drugs
18 Neue Fentanyle Pharmakokinetik Fentanyl transmukosal Effentora bukkal, sublingual 400 µg Abstral sublingual 400 µg Instanyl Intranasal 200 µg PecFent intranasal 200 µg Bioverfügbarkeit (%) ? C max (ng/ml) 0,97 0,91 1,20 0,78 T max (min) Elsner, Zeppetella, Porta-Sales et al. (2011) Clinical Drug Investigation
19 Therapie Prinzipien Basistherapie: Analgetika Ko-Analgetika Adjuvantien Bedarfstherapie: Analgetika Adjuvantien ein Sechstel der oralen Opioid-Tagesdosis Beispiel: Patient erhält Ret.-Morphin 120 mg/d Morphin nicht-retardiert 20 mg (Sperrintervall 30 min)
20 Fakten Schneller Anstieg Kurze Dauer Frequenz Mediane Zeit bis Spitzenintensität: 3 10 min 1, 3 Mittlere Dauer: ~ 30 min 2, 3 Mittleres Auftreten pro Tag: 4 Episoden Portenoy, Bruns, Shoemaker et al. (2010) J Opioid Manag 2 Gomez-Batiste, Madrid, Moreno et al. (2002) J Pain Symptom Manage % 33% 23% 3 Bertram, Stiel, Elsner et al. (2010) Der Schmerz 10 13% min - 30 min - 60 min > 60 min
21 Nasales Fentanyl orales Morphin Therapie-Responder (%) ( 2-Punkte Reduktion der Schmerzintensität auf NRS (0 10); n = Anzahl der Episoden) 79 Patienten 5 min 10 min 15 min 30 min 45 min 60 min Nasales Fentanyl (n = 372) Orales Morphin (n = 368) 25% 52% 76% 87% 89% 91% 23% 45% 69% 83% 89% 89% p NS <0.05 <0.05 NS NS NS Davies, Sitte, Elsner et al. (2011) J Pain Symptom Manage
22 Klinische Routine
23 Fallbeispiel 2 Anamnese: Gallengangs-Karzinom ED 02/2007, Zst. n. Chemotherapie Herzrhythmusstörungen, DM II Schmerzen: Dauerschmerzen im gesamten Abdomen, Schwerpunkt Oberbauch, unter Vortherapie gut erträglich, NRS 2 Schmerzspitzen im re Oberbauch bei NRS 5 6 Vormedikation: Fentanyl TTS 25 µg/h, Amitriptylin 25 mg abends, Morphin 10 mg bei Bedarf Therapie der Durchbruchschmerzen: Transmucosales Fentanyl bei 100 µg
24 Palliativmedizin Fallbeispiel 2 Intensität in NRS (0 10) unter transmucosalem Fentanyl Ausgangsschmerzen nach 10 min Episode 2. Episode 3. Episode 4. Episode 5. Episode 6. Episode
25 Ein missachtetes Problem oder eine überbewertet therapeutische Situation? Problematik unzureichend bekannt Therapie meistens nicht folgerichtig Bessere Therapieoptionen verfügbar Rahmenbedingungen anpassen Problematik gilt auch für Luftnot
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