Fall 2: Zusatzfragen:
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- Eduard Bachmeier
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1 1 Fall 2: Nach Übernahme der Regierungsverantwortung durch eine Koalition aus SPD, der Linken und den Grünen wählt der zuständige Wahlmännerausschuss mit der erforderlichen Mehrheit den Professor für Öffentliches Recht P, bekannt als überzeugter Marxist, zum Bundesverfassungsrichter. Bundespräsident B weigert sich, den P zu ernennen, weil P nicht die Gewähr biete, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. 1. Darf B die Ernennung des P verweigern? 2. Was kann der Bundestag im Falle der Verweigerung des B dagegen tun? 3. Hat der Bundespräsident das Recht, die ihm vorliegenden Gesetze auf ihre formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit zu prüfen? 4. Hat der Bundespräsident die Pflicht, die ihm vorliegenden Gesetze auf ihre formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Zusatzfragen: 1. Was bedeutet Gewaltentrennung? 2. Wann wurde die Bundesrepublik Deutschland errichtet? 3. Welche Rolle spielt der Bundespräsident und von wem wird er gewählt? 4. Wer wählt den Bundestagspräsidenten? 5. Wer wählt den Bundesratspräsidenten? 6. Wer wählt den Bundeskanzler? 7. Wer ist in der Demokratie der Gesetzgeber? 8. Was bedeutet Republik? 9. Was ist ein Ministerium? 10. Was bedeutet Föderalismus und was ist das Gegenteil davon?
2 2 Fall 2 Lösung: Frage 1: I. Ausdrückl. Prüfungs-Befugnis des Bundespräsidenten bzgl. der Entscheidung des Wahlmännerausschusses, 5 ff BVerfGG (-), weder im GG noch im BVerfGG. II. Prüfungs-Befugnis aus der in Art. 60 I GG, 10 BVerfGG geregelten Ernennungs- Befugnis (-), der Wortlaut dieser beiden Vorschriften spricht für die unbedingte Ernennungs- Verpflichtung, also gegen eine Prüfungs-Befugnis. III. Prüfungs-Befugnis aus der Rechtsbindung des Bundespräsidenten, Art. 20 III GG i.v.m. Art 33 II GG? 1. Der Bundespräsident ist Teil der Exekutive (= vollziehende Gewalt = jede Ausübung staatl. Gewalt außerhalb von Gesetzgebung und Rspr.), d.h. an die Verfassung und die Gesetze gebunden. Diese Rechtsbindung des Bundespräsidenten ist nur effektiv, wenn ihr bei allen Hoheitsakten, an denen er mitwirkt, eine Prüfungs-Pflicht korrespondiert. B könnte also möglicherweise die Ernennung von Bundesverfassungsrichtern von deren Eignung im Sinne des Art. 33 II GG abhängig machen. P wäre ja nur dann geeignet als Bundesverfassungsrichter, wenn er die Gewähr böte, jederzeit für die freiheitl. demokratische Grundordnung einzutreten, was B nicht glaubt. Würde man also allein auf die verfassungsrechtl. Stellung des B abstellen, könnte er scheinbar die Ernennung des P verweigern. Der Mitwirkungsakt des Bundespräsidenten muss allerdings immer auch im Kontext des konkr. Verfahrens gesehen werden, an dem er beteiligt ist. 2. Prüfungs-Befugnis und Stellung des Bundespräsidenten im Berufungsverfahren für Bundesverfassungsrichter? a. Gem. Art. 94 I 2 GG werden die Mitglieder des BVerfG je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt. Die Ernennung steht am Ende des Berufungsverfahrens. Vorausgegangen sind die Erstellung von Vorschlagslisten, 8 BVerfGG und die Wahl des P gem. Art. 94 I 2 GG, 5-9 BVerfGG. Art. 94 I 2 GG könnte zu entnehmen sein, dass mit der Wahl abschließend entschieden ist. Dann hätte der Bundespräsident keine Prüfungs-Befugnis. Was bedeutet die Wahl zum Bundesverfassungsrichter? aa. Gem. Art. 94 I 2 GG erfolgt die Entscheidung durch Wahl. Eine Wahl ist eine Personalentscheidung und eine obj. richtige Einschätzung der Persönl. eines Menschen gibt es nicht, so dass es schon gar nicht einem Einzelnen überlassen werden kann, solche Feststellungen zu treffen. Wahlentscheidungen sind begründungsfrei. Entscheidungen,
3 3 die nicht begründungspflichtig sind, sind auch nicht nachprüfbar, bis auf Alter, Wählbarkeit, Befähigung zum Richteramt, weil diese Kriterien obj. nachprüfbar sind. Danach Prüfungs-Befugnis des B (-). bb. Das Amt des Bundesverfassungsrichters ist ein politisches Amt. Das BVerfG ist selbstständiger, unabhängiger Gerichtshof und Verfassungsorgan. Daher ist es geboten, die Besetzungsentscheidung einem demokratisch legitimierten Gremium zu überlassen. Danach Prüfungsbefugnis des B (-). cc. Verhältnis von Art. 33 II GG zu Art. 94 I 2 GG Die Frage der Verfassungstreue erscheint aber in Art. 33 II GG als überprüfbare Rechtsfrage. Dennoch besteht kein Widerspruch zu Art. 94 I 2 GG; denn bei dem hier in Frage stehenden Amt handelt es sich nicht nur um ein öffentl., sondern auch um ein politisches und für ein solches wird Art. 33 II GG die Fiktion entnommen, dass der Gewählte der Geeignetste ist. Prüfungs-Befugnis des B somit (-). B darf die Ernennung des P nicht verweigern. Frage 2: A. ORGANSTREITVERFAHREN gem. Art. 93 I Nr. 1, 13 Nr. 5, 63 ff BVerfGG? I. ZULÄSSIGKEIT = prozessuale Rechtslage 1. Parteifähigkeit Antragsteller und gegner im Organstreitverfahren können gem. Art. 93 I Nr. 1 GG nur oberste Bundesorgane sein = die in 63 BVerfGG aufgezählten Organe und die daneben im GG oder in den Geschäftsordnungen von Bundestag und rat mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe. a. Antragsteller Der Bundestag ist mögl. Antragsteller gem. 63 BVerfGG. b. Antragsgegner Der Bundespräsident ist mögl. Antragsgegner gem. 63 BVerfGG. 2. Streitgegenstand Gegenstand des Organstreitverfahrens = Streit der Verfassungsorgane über eine rechtserhebl. Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners, 64 I BVerfGG (+), Unterlassung der Ernennung des P. 3. Antragsbefugnis
4 4 Der Antragsteller muss nach 64 I BVerfGG plausibel geltend machen, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch die Maßnahme oder Unterlassung in seinen ihm vom GG übertragenen, also eigenen Rechten und Pflichten verletzt oder unm. gefährdet ist. Er muss diese Verletzung oder Gefährdung behaupten oder behaupten können, d.h. sie muss mögl. und zw. den Beteiligten im Streit sein. Der Bundestag kann eine Verletzung seines Rechts aus Art. 94 I 2 GG geltend machen und die Verletzung dieses Rechts ist im Streit zw. Bundestag und Bundespräsident. 4. Frist und Form Gem. 64 III BVerfGG hat der Bundestag den Antrag innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem ihm die beanstandete Maßnahme bekannt geworden ist, zu stellen. Gem. 23 I 2, 64 II BVerfGG ist der Antrag mit einer Begründung zu versehen, in der die verletzte Bestimmung des GG, hier Art. 94 I 2 GG, bezeichnet wird. Zulässigkeit (+) II. BEGRÜNDETHEIT (+). s.o. Ausführungen zu Frage 1. Organstreitverfahren zulässig und begründet. B. PRÄSIDENTENANKLAGE gem. Art. 61 I GG, 13 Nr. 4, 49 ff BVerfGG I. Zulässigkeit 1. Einreichung der Anklageschrift beim BVerfG, 49 I BVerfGG. 2. Frist = binnen drei Monaten, nachdem der ihr zugrunde liegende Sachverhalt der antragsberechtigten Körperschaft (= Bundestag oder Bundesrat, Art. 61 I GG) bekannt geworden ist. II. Begründetheit (+), wenn vorsätzl. Verletzung des GG oder eines anderen BundesG durch den Bundespräsidenten (-), nicht ersichtl. Präsidentenanklage zulässig, aber unbegründet. Frage 3: I. Formelles PrüfungsR des Bundespräsidenten? Art. 82 I 1 GG zufolge werden die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze vom Bundespräsidenten ausgefertigt. Ausfertigung durch den Bundespräsidenten = Bekundung, dass das Gesetzgebungsverfahren ordnungsgem. durchgeführt wurde. Formelles PrüfungsR des Bundespräsidenten also (+).
5 5 II. Materielles (= inhaltl.) PrüfungsR des Bundespräsidenten? 1. Aus dem Amtseid, vgl. Art. 56 GG, ergibt sich kein Hinweis auf das materielle PrüfungsR; denn der Bundespräsídent schwört durch den Amtseid ledigl., das GG im Rahmen seiner Kompetenzen zu wahren und zu verteidigen. Über den Umfang seiner Kompetenzen sagt Art. 56 GG nichts aus. 2. Den Art. 20 III und 1 III GG zufolge darf der Bundespräsident kein materiell verfassungswidriges Gesetz ausfertigen. Zwar trägt der Bundestag als Gesetzgebungsorgan (Gesetzgeber ist das Volk) die maßgebl. Verantwortung für ein von ihm verabschiedetes Gesetz, d.h. das Parlament ist vorrangig verpflichtet, die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu beurteilen. Der Bundespräsident hat aber die Kompetenz, Gesetze auf evidente (= offensichtl.) materielle Verfassungsverstöße zu prüfen und es obliegt ihm einzuschätzen, wann ein evidenter Verfassungsverstoß vorliegt. Materielles PrüfungsR des Bundespräsidenten also eingeschränkt (+). Frage 4: Prüfungspflicht des Bundespräsidenten? Der Bundespräsident hat gem. Art. 82 I 1 GG nur das Recht, verfassungsgemäße Gesetze auszufertigen, d.h. er hat die Pflicht, die Ausfertigung und Verkündung verfassungswidriger Gesetze zu verweigern. Diese Pflicht kann er nur erfüllen, wenn er die Gesetze vorher formell und materiell prüft, d.h. der Bundespräsident muss im Rahmen seiner Kompetenz prüfen, ob ein Gesetz evident verfassungswidrig ist. Eingeschränkte Prüfungspflicht des Bundespräsidenten (+). Zusatzfragen: 1. Die Gewaltentrennung ist ein auf die Lehre von Montesquieu (= , französischer Staatsphilosoph, der in Zeiten der Aufklärung Grundgedanken des liberalen Staatsdenkens vertrat, Hauptwerk De l esprit des lois (= Vom Geist der Gesetze). zurückgehendes tragendes Organisationsprinzip der meisten modernen demokratischen Verfassungen und konstitutives Merkmal eines Rechtsstaates. Die politische Macht im Staate wird durch die Gewaltentrennung in Funktionsbereiche aufgeteilt. Durch die gegenseitige Kontrolle der Gewalten soll eine Mäßigung der Staatsgewalt erreicht werden.
6 6 2. Die BRD wurde nach der Annahme des GG durch den Parlamentarischen Rat, seiner Genehmigung durch die Besatzungsmächte und Billigung durch die Länder mit Inkrafttreten des GG am errichtet. 3. Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der BRD. Er wird von der Bundesversammlung (= oberstes Bundesorgan, besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden, Art. 54 III GG) ohne Aussprache gewählt, Art. 54, 55 GG 4. Der Bundestag (= Volksvertretung der BRD, Art GG, besteht aus den vom Volk gewählten Abgeordneten) wählt den Bundestagspräsidenten. 5. Der Bundesrat (= ebenso wie der Bundestag ein Bundesorgan, besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie berufen oder abberufen, wird also nicht unm. vom Volk gewählt) wählt den Bundesratspräsidenten. 6. Der Bundestag wählt den Bundeskanzler (= Mitglied der Bundesregierung, Art. 62 GG, deren Geschäfte er führt). 7. In der Demokratie (= Volksherrschaft = das Volk ist Träger des Staatswillens und übt ihn unm. durch Wahlen und Abstimmungen Volksbegehren, Volksentscheid und mittelb. über die Volksvertretung Parlament - aus) ist das Volk der Gesetzgeber. 8. Republik = die Stellung des Staatsoberhauptes wird von einem gewählten Präsidenten eingenommen. 9. Ministerium = oberste Verwaltungsbehörde des Staates oder eines Bundeslandes. 10. Föderalismus = das Streben nach Errichtung oder Erhaltung eines Bundesstaates mit weitgehender Eigenständigkeit der Einzelstaaten; Tendenz, die Gliedstaaten durch Zuweisung von Kompetenzen möglichst zu stärken. Gegensatz: Zentralismus.
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