Mathematisch-statistische Verfahren des Risikomanagements
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- Katrin Richter
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1 Mathematisch-statistische Verfahren des Risikomanagements Heinrich Rommelfanger; Marcus Haas Professur für Wirtschaftsmathematik Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Goethe-Universität Frankfurt am Main 1 Gliederung, Literaturhinweise und Kopiervorlagen am Lehrstuhl Vorlesungsfolien im Internet wöchentlich 2 Std. Vorlesung Do Praktikervorträge Do Genauere Angaben zu den Terminen und den Referenten findet man im Internet Beginn:
2 Gliederung Risikomanagement in Unternehmen Marktpreisrisiko Kreditrisiko Operationelles Risiko 3 1. Risikomanagement in Unternehmen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) - Mai 1988: Vorstand einer AG ist verpflichtet geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden Betroffene Unternehmen: Börsennotierte AGs und andere Intention: Transparenz und Kontrolleffizienz Dokumentation und Berichterstattung Risikofrüherkennung und Risikomanagement Keine inhaltliche Ausgestaltung des Risikomanagementsystems durch Gesetzgeber 4 2
3 wachsende Bedeutung des Shareholder Value öffentliche Diskussion zu Corporate Governance institutionelle Anleger fordern interne Überwachungs- und Steuerungsmaßnahmen Basel Committee on Banking Supervision Schon im 1. Konsultationspapier Juni 1999 (Basel I) wird festgelegt, dass neben Markt- und Kreditrisiken auch operationale Risiken durch Eigenkapital abzusichern ist. Basic Indicator Approach: Festlegung eines Indikators für die Erfassung von Risiken und Prozentsatzes für die Eigenkapitalunterlegung für alle Bereiche des Unternehmens Standarised Approach: Aufteilung des Unternehmens in unterschiedliche Bereiche, Festlegung von Indikatoren und Prozent sätze für die einzelnen Bereiche; anschließend Summenbildung. 5 Basel Committee on Banking Supervision Basel II: 2. Konsultationspapier, Jan Konsultationspapier, Mai 2003 Advanced Measurement Approach (ist möglich): Die fortgeschritteneren Ansätze basieren auf internen Verfahren, deren Leistungsfähigkeit anhand langer Datenhistorien nachgewiesen werden muss. Unternehmen, die Risiken nur zufällig entdecken, sind potentiell existenzgefährdet Unternehmensrisiken lassen sich nicht vermeiden, sie müssen jedoch erfasst, begleitend überwacht und falls wesentlich abgewehrt werden. Notwendigkeit eines effizienten Risikomanagementsystems!! 6 3
4 1.1 Risikobegriff Etymologische Herkunft des Risikobegriffs Entlehnung des italienischen Begriffs risico bzw. rischio in die kaufmännische Sprache des 16. Jahrhunderts: Risiko bezeichnet das mit einem Geschäft verbundene Wagnis bzw. die Gefahr, das angestrebte Ziel nicht zu erreichen. Wird im gleichen Sinne heute in der Umgangssprache benutzt: Gefahr, dass infolge einer Entscheidung ein unerwünschtes Ereignis, z.b. ein finanzieller Verlust, auftritt 7 Entscheidungstheoretischer Risikobegriff Risiko resultiert ursachenbezogen aus Unsicherheit zukünftiger Ereignisse einhergehend mit unvollständigem Informationsstand Anstelle von Sicherheit Unsicherheit im engeren Sinne Möglichkeit, dem Eintritt bestimmter (unsicherer) Ereignisse Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen - objektive messbare Wahrscheinlichkeiten - subjektive Wahrscheinlichkeiten Risiko durch Häufigkeitsverteilung der Ergebnisse beschrieben Verdichtung durch Beschränkung auf Erwartungswert µ und Standardabweichung (Volatilität) σ 8 4
5 Ausfallorientierter Risikobegriff Risiko schlägt sich wirkungsbezogen in einer negativen Abweichung von einer festgelegten Zielgröße, normalerweise des erwarteten Ergebnisses, nieder. Höhe des Risikos abhängig von - Ausmaß der Zielverfehlung - der jeweils zuzurechnenden Wahrscheinlichkeit Bestimmung der Risikoposition eines Unternehmens Frage nach der Tragfähigkeit von Risiken und Risikopotentialen Verhältnis von Risiken zu vorhandenen Risikodeckungspotentialen (z.b. Ertragskraft, Eigenkapitalreserven) 9 Risikomanagement umfaßt sämtliche Maßnahmen zur planmäßigen und zielgerichteten Analyse, Beeinflussung und Kontrolle der Risikoposition Formulierung von Risikozielen Festlegung geeigneter Mess-, Steuerungs- und Kontrollverfahren Risikomanagement im weiteren Sinne Risiko-Identifikation Risiko-Quantifizierung Risiko-Steuerung (Risikomanagement im engeren Sinne) Risiko-Kontrolle Risikovorsorge 10 5
6 1.2 Risikobereiche Marktrisiko Liqu.- risiko Operationelles Risiko Kreditrisiko Geschäftsrisiko Reputationsrisiko 11 Marktrisiko/Marktpreisrisiko Veränderungen des Wertes einer Position aufgrund von Zinsen, Wechselkursen, Aktienkursen oder sonstigen Preisen oder Preisbildungsfaktoren (z.b. Volatilitäten) Kreditrisiko entsteht durch die verspätete Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen durch den Schuldner und den teilweisen oder vollständigen Ausfall der Forderungen. Operationelles Risiko ist das Risiko von Verlusten durch menschliche Fehler, fehlerhafte Prozesse, Technologieversagen, Natur- und sonstige Katastrophen und Änderungen im externen Umfeld. 12 6
7 Liquiditätsrisiko beziehen sich auf die jederzeitige, uneingeschränkte, fristgerechte Zahlungsfähigkeit. Ursachen für eine Beeinträchtigung der Liquidität liegen z.b. in fehlender Refinanzierungsmöglichkeit, in verspäteter Rückzahlung von Anlagen und gewährten Krediten oder in unerwartet hoher Kreditinanspruchnahme durch Kunden. Geschäftsrisiko Wertveränderungen durch unvorhersehbare Veränderungen der Umwelt, die zu Gewinneinbußen führen Reputationsrisiko Risikomaßzahlen Risiko als Standardabweichung Portfoliotheorie (Harry Markowitz) Erwartungswert der Rendite Streuung der Rendite um Erwartungswert Ermittlung der Standardabweichung in der Portfoliotheorie Annahme einer Renditeverteilung (z.b.normalverteilung) Beobachtung historischer Renditen N N 1 1 ˆµ = x n σˆ = ( x n ˆ) µ 1 N n= 1 N n=
8 < 1.1 > Aus den täglichen Renditen des CHF und des USD gegenüber dem EURO in der Zeit vom bis zum können folgende Erwartungswerte und Standardabweichungen (pro Tag) geschätzt werden: µ ˆ CHF = 0,0387%, σˆ CHF = 0,2260%, µ ˆ USD = 0,1794%, σˆ USD = 0,7807% Ist lediglich die Standardabweichung der Renditen das Risikomaß, so folgt, dass das Risiko des CHF geringer ist als das des USD Risiko als Sensitivität Quantifizierung von Risiko durch Messung der Wertänderung eines Assets oder eines Portfolios, wenn sich ein oder mehrere Marktparameter ändern Sensititvitätsanalyse 1. Wert des Portfolios (X) als Funktion der Marktparameter 2. Veränderung jedes Marktparameters Szenario Sz = ( ξ + ξ,..., 1 ξ N + ξ ) 1 N ξ 1,...,ξ N 3. Risiko = X ( ξ1 + ξ1,..., ξn + ξn ) X ( ξ1,..., ξn ) Wenn sich der Markt von ξ 1,...,ξ N nach Sz bewegt, verändert sich der Wert des Portfolios um den errechneten Risikobetrag. 16 8
9 < 1.2 > Europäische Calloption auf eine Aktie Gewinn K Kurs P Call Eine Option ist ein Vertrag, der dem Käufer der Option (Inhaber der Option) während eines festgelegten Zeitraums (Kontraktlaufzeit T) das Recht (Optionsrecht), nicht aber die Verpflichtung einräumt, eine bestimmte Menge eines bestimmten Gutes (Underlying) zu einem im voraus festgesetzten Preis (Strikepreis K) zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). 17 Modellübergreifende Voraussetzungen (A1) Auf dem betrachteten Markt fallen weder Transaktionskosten noch Steuern an. (A2) Sämtliche Wertpapiere werden kontinuierlich gehandelt, sind beliebig teilbar, und Leerverkäufe wie auch Käufe von Wertpapieren sind unbeschränkt möglich. (A3) Investoren handeln rational in dem Sinne, dass sie ein größeres Vermögen einem kleineren vorziehen. Die Investoren haben homogene Erwartungen hinsichtlich der Parameter einer - später angenommenen - Stochastik des Kurses. (A4) Es werden ausschließlich Optionen Europäischen Typs betrachtet. (A5) Es entfallen keinerlei Zahlungen auf die betrachteten Wertpapiere während der Optionslaufzeit. (BSA6) Der Zinssatz einer risikofreien Anlage ist gegeben und im Zeitablauf konstant. Der Sollzinssatz entspricht dem Habenzinssatz. (BSA7) Das logarithmierte Verhältnis der Aktienkurse ist normalverteilt, die Momentanvarianz der Rendite p.a. ist konstant. 18 9
10 Formel von Black und Scholes für eine Europäische Calloption Bestimmung des Preises nach der Formel von Black und Scholes c = mit S r ( d1) K e RF t φ φ( 2) 0 d d 1 ln = S 2 0 ( ) + ( r + ) K σ RF t σ 2 t und d 2 = d σ 1 t wobei c - Preis der europäischen Calloption; S 0 - Aktienkurs zum Bewertungszeitpunkt; K - Strikepreis; σ - Volatilität p.a.; t - Restlaufzeit in Jahren r RF - risikofreier Zins p.a. (bei exponentieller Verzinsung) 19 Zu berechnen sei der Preis eines europäischen Calls auf eine Aktie mit derzeitigem Kurs von 30, einem Strikepreis von 29, einer Volatilität von 25% p.a., einer Restlaufzeit von 4 Monaten und einem risikofreien Zins von 5% p.a. d 1 = ln ( ) ( 0,05 ) 0, = 0, , d 4 = 0,4225 0, = 0,2782 0,05 c = 30 φ(0,4225) 29 e 12 4 φ(0,2782) = 2,53 EURO 20 10
11 Ausgangslage: Kurs von 30, einem Strikepreis von 29, einer Volatilität von 25% p.a Der Aktienkurs fällt um 10%, die Volatilität steigt um 10%, der risikofreie Zins steigt um 10%: Sz1 = (30 3; ,5; 5 + 0,5) Bewertung der Option für einen Aktienkurs von 27, eine Volatilität von 27,5% p.a. und einen Zins von 5,5% p.a. Preis unter S z1 : 1,11 Risiko unter S z1 : 1,11-2,53 = -1,42 21 häufig nur Veränderung einzelner Parameter Berechnung von Sensitivitätskennzahlen Sensitivität als partielle Ableitung der Bewertungsformel nach der entsprechenden Einflußgröße Greeks Delta: Veränderung des Optionspreises bei Veränderung des Aktienkurses c = φ( d 1 ) c =φ(0,4225) = 0,6627 Ändert sich der Aktienkurs um einen sehr kleinen Betrag, so ändert sich der Wert der Option um das 0,6627-fache dieses Betrages 22 11
12 Gamma: Veränderung des Delta bei Veränderung des Aktienkurses. D.h. die zweite Ableitung des Callpreises in bezug auf den Aktienkurs. Es gibt also an, wie schnell sich Delta ändert. Wichtiger Parameter in bezug auf den Hedge einer Option. Je größer Gamma ist, um so öfter sollte der Hedge angepasst werden. ϕ d Γc = ( ) 1 ϕ(0,4197) Γc = 0, 0844 S σ t 30 0, = Theta: Veränderung des Optionspreises bei Veränderung der Restlaufzeit rrf t σ Θc = K rrf e φ( d2) + S0 ϕ( d1) 2 t Für Optionskäufer gilt: "Time is always playing against you. 23 Vega oder Lambda: Veränderung des Optionspreises bei Veränderung der Volatilität Λ = S d ) c 0 ϕ( 1 t Λ c = ϕ( 0,4225) = 4,2419 Option mit einem Vega von 10 hat ein höheres Risiko gegenüber Änderungen der Volatilität als eine Option mit einem Vega von 5. Ändert sich die Volatilität, so verändert sich der Wert der Option mit dem höheren Vega stärker als der Wert der anderen Option. Rho: Veränderung des Optionspreises bei Veränderung des risikofreien Zinses Ρ c = K t e r RF t φ( d 2 ) 24 12
13 1.3.3 Risiko als Value at Risk Portfolio bewertet zu Marktpreisen Gewinn/Verlust als Zufallsvariable von Veränderungen der Marktverhältnisse Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsverteilung Quantil Im Falle eines negativen Betrages gibt das 1%-Quantil an, welchen Verlust die Zufallsvariable mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% höchstens annimmt. Value at Risk eines Portfolios ist ein Maß für die Verlustobergrenze des betrachteten Portfolios, die über einen bestimmten Zeitraum mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. 25 < 1.3 > Ein Investor hält am eine Position von 100 Millionen CHF (Gegenwert 121,33 Mio DM). In den letzten drei Monaten hatten die täglichen Erträge aus dieser Position einen Mittelwert von ,75 DM und eine Standardabweichung von ,96 DM. Das VaR zu einer Wahrscheinlichkeit von 97,5% kann nun über das 2,5%-Quantil bestimmt werden. Das 2,5%-Quantil der Normalverteilung ist durch µ -2σ gegeben. Das VaR betrug also: ( , ,96) = ,17DM 26 13
14 1.3.4 Risiko als Expected Shortfall Value at Risk ist ein sehr einfaches Risikomaß, aber nicht immer besonders aussagekräftig. Insbesondere gilt: Extreme Risiken werden durch den Value at Risk abgeschnitten Beispiel: Beide empirischen Verteilungen ergeben den gleichen VaR. Das Risiko ist jedoch beim rechten Portfolio deutlich höher. 27 Der Expected Shortfall behebt diesen Mangel. Er ist definiert als SF(X) = E(X X > VaR(X)) wobei X die Zufallsvariable ist, die die Marktbewegung des Portfolios beschreibt. Der Expected Shortfall (ES) beschreibt den Erwartungswert der Value at Risk-Überschreitungen Der ES ist somit risikosensitiver als der Value at Risk und besonders geeignet, extreme Risiken zu beschreiben. Nachteil: Der ES ist schwerer zu greifen als der Value at Risk und hat sich daher (noch) nicht als Standard etabliert
15 1.4 Der Prozeß des Risikomanagements umfaßt sämtliche Maßnahmen zur planmäßigen und zielgerichteten Analyse, Beeinflussung und Kontrolle der Risikoposition Risikomanagementprozess Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle 29 Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle Risikoidentifikation Risikoerfassung Interdependenzen, Ursache-Wirkungsbeziehungen identifizieren Systematisierung Klassifizierung Risikoanalyse i.e.s. Messung Quantifizierung (Risikomaßzahlen) Risikobewertung Zielabweichungen, Relationen zwischen Kennzahlen, Gefährlichkeit klassifizieren 30 15
16 Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle Strategien zur Beeinflussung der Risikoposition Risikovermeidung bestimmte risikobehaftete Geschäfte werden nicht durchgeführt Risikoverminderung ursachenorientierte Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeiten und/oder wirkungsorientierte Begrenzung des Schadensausmaßes Risikoüberwälzung Übertragung des Risikos auf Dritte 31 Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle Risikodiversifikation bewusste Ausnutzung der Risikostreuung; Risiken in einem Teilbereich werden durch Chancen in anderen Bereichen ausgeglichen Risikoübernahme bewusstes Eingehen bestimmter Risikopotentiale vor dem Hintergrund einer entsprechenden Risikotragfähigkeit 32 16
17 Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle Sicherstellung, daß ein Unternehmen nur mit den Risiken behaftet ist, die auch tatsächlich eingegangen werden sollen: Limitierung - Qualitative Limits - Quantitative Limits Volumenslimits und Risikolimits und Verlustlimits Sensitivitäts-Limits Szenario-Limits Value at Risk-Limits 33 Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle Hedging Versuch, mögliche Wertverluste in einer Position durch ein Gegengeschäft abzusichern, so daß die Verluste in der ursprünglichen Position durch Gewinne aus dem Gegengeschäft kompensiert werden können 34 17
18 Risikoanalyse Risikosteuerung Risikokontrolle risikopolitische Entscheidungen werden auf ihre Wirksamkeit und ihren ökonomischen Nutzen hin kontrolliert: Analysemethoden Backtesting und Stresstesting Steuerungsinstrumente Kosten/Nutzen organisatorische Umsetzung zentral/dezentral 35 18
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