Schlaganfalltherapie bei Vorhofflimmern Neue Substanzen - Neue Probleme? Dr. med. Th. Freudenberger Neurologische Abteilung Klinikum Traunstein
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1 Schlaganfalltherapie bei Vorhofflimmern Neue Substanzen - Neue Probleme? Dr. med. Th. Freudenberger Neurologische Abteilung Klinikum Traunstein
2 Ausgangspunkt des Neurologen: Nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulantien (NOAK) Sind in der Primär- und Sekundärprophylaxe von Hirninfarkten bei Vorhofflimmern den Vitamin-Kabhängigen oralen Antikoagulantien (VKA) in der Effektivität mindestens gleichwertig Führen zu signifikant weniger intrakraniellen Blutungen Warum dann noch VKA? Ungelöste Probleme bei der Therapie des Schlaganfalls seit Verwendung der NOAKs!
3 Schlaganfall unter oraler Antikoagulation (OAK) : Hirninfarkt trotz OAK Hirnblutung unter OAK Wie ändern sich die bisherigen Behandlungsalgorithmen seit der Einführung der NOAKs?
4 Schlaganfall Ursachen Unklare Ursache Verschluss kleiner Hirngefäße Hirnblutungen 20% Hirninfarkt 80% Embolien aus den Halsschlagadern Kardio-embolische Hirninfarkte (ca 25 %) meist bei VH-Flimmern
5 Kardio-embolische Hirninfarkte: Epidemiologie: ca. 25 % der Hirninfarkte, oft Verschlüsse großer Hirnarterien mit großen Infarktareal und schweren Defizit Diagnostik: CCT / MRT: territoriale Hirninfarkte im Versorgungs- gebiet einer Hirnarterie bzw. multiple kleine embolische Hirninfarkte (MRT) + Nachweis einer kardialen Emboliequelle Therapie: Systemische Thrombolyse im 4,5 h- Zeitfenster Event. mechanische Rekanalisierung Sekundärprophylaxe: hohe Effektivität der OAK (Compliance!, echte Kontraindikationen selten)
6 Kardio-embolische Hirninfarkte im CCT und MRT:
7 Rezidivinfarkte unter OAK - Wichtige Fragen: Lysetherapie im 4,5 h- Zeitfenster möglich? Beurteilung des aktuellen Gerinnungsstatus + anschließende Risikoabschätzung Optimierung der zukünftigen Sekundärprophylaxe: Optimierung der zukünftigen Sekundärprophylaxe: Klären der Gründe des Therapieversagens: Schlechte Einstellung der OAK: Compliance oder schwierige Einstellung der OAK? Echtes Therapieversagen trotz korrekter Einstellung der OAK?
8 Thrombolyse: Time is Brain! Frühzeitige Auflösung des Gefäßverschlusses rettet das bedrohte, aber noch nicht abgestorbene Hirngewebe Risikogewebe 0h Infarktkern 1h Thrombolyse 8h 8-12 h
9 Thrombolyse - Ablauf Notarzt Notaufnahme CCT Stroke Unit Minuten Vorabinformation der Klinik vom Einsatzort aus Neurologe vor Ort! Vorgeschichte und erste Diagnostik Schlaganfall? Zeitfenster < 4,5 h? Notfallabor CCT-Abklärung Hirninfarkt (Ischämie) oder Blutung Behandlung auf der Stroke-Unit Evtl. Lyse
10 Lysetherapie bei Hirninfarkt unter OAK - Vor Einführung der NOAK: Problem: Lyse unter OAK prinzipiell kontraindiziert wegen Blutungsgefahr Einnahme der OAK bei Ankunft in der Notaufnahme oft unklar (z.b. keine Angehörigen erreichbar, Aphasie, kognitive Defizite, Compliance unklar) Normale Gerinnungsdiagnostik zu langsam. Lösung: Point of care-diagnostik (POC) des INR z.b. Coagu-Check: Entscheidungsgrundlage: INR<= 1,7 systemische Thrombolyse INR >1,7 keine systemische Thrombolyse z.b. AHA-Guidelines: Jauch EC et. al. Stroke 2013 ;
11 Lysetherapie bei Hirninfarkt unter OAK Probleme seit Einführung der NOAK: Bei NOAK-Patienten: Lyse nur bei zuverlässig (?) berichteter letzter Einnahme >= h (Cave: HWZ bei Nierenfkt.!) Zeitnahe Abschätzung der Restaktivität der Antikoagulation nicht möglich: Keine POC-Diagnostik Klassische Labortests (INR, aptt) nicht geeignet Orientierend event. TZ bzw. Anti-Xa-Aktivitätsmessung (nicht kalibriert)? prinzipiell Messungen möglich: Hämoclot-Test (bei Dabigatran) und kalibrierte Anti-Xa-Aktivitätsmessung (bei Apixaban, Rivaroxaban, Etoxaban) + keine Erfahrungen bei welchen Werten eine Lysetherapie noch möglich erscheint.
12 Welche Gerinnungstests werden durch NOAKs beeinflusst? Labormethode Dabigatran Rivaroxaban Apixaban aptt ( ) ( ) Prothrombinzeit bis Quick bis INR ( ) bis TZ (Thrombinzeit) ( ) ECT (Ecarin clotting time) Anti-Xa-Aktivität Substanzspezifischer Test Hemoclot Anti-Xa-Aktivität (kalibriert) Anti-Xa-Aktivität (kalibriert) Steiner T et al. Dtsch Arztebl 2012; 109(39) Diener HC et al. Lancet Neurol. 2013;12
13 Lösungsversuche bei nicht bekannter NOAK-Einnahmezeit: Dabigatran: Thrombinzeit normal Thrombolyse Xa-Antagonisten: Anti-Xa-Aktivität normal Thrombolyse Aber Problem: TZ und Anti-Xa-Aktivität nicht sofort verfügbar Bei selbst leicht abnormalen Werten schwer kalkulierbares Risiko keine Thrombolyse
14 Lysetherapie bei Hirninfarkt unter OAK Probleme seit Einführung der NOAK: Für alle Patienten: Bei fehlenden Informationen zur Vormedikation POC-Diagnostik (INR) mit Coagu-Check nicht mehr hinreichend sicher Klassische Gerinnungstests (aptt, INR) erkennen NOAK-Einnahme nicht zuverlässig: Normale aptt macht Dabigatran unwahrscheinlich (aber kein sicherer Ausschluss) Normale INR macht Xa-Inhibitoren eher wenig wahrscheinlich (aber kein Ausschluss) Zusätzlich Bestimmung von Thrombinzeit und AntiXa-Aktivität zum NOAK-Ausschluss zeitaufwändig
15 Lysetherapie bei Hirninfarkt unter OAK Probleme seit Einführung der NOAK: Für alle Patienten: Bei fehlenden Informationen zur Vormedikation erhebliche Unsicherheit bei der Lyseentscheidung. Somit: Verzögerung der Lyseentscheidung (mehr Rückfragen bzgl. Medikation, mehr Labortests) Restrisiko bei fraglicher Information steigt Befürchtung: Lysequote, door-to-needle-time
16 Lösung des Problems? 1. Schritt: POC-Diagnostik für NOAK dringend erforderlich: Entwicklung läuft! 2. Schritt: Sichere Grenzwerte der kalibrierten Faktor Xa- Aktivität bzw. TZ ( oder entspechender NOAK- Medikamentenspiegel) für eine Lyse müssen über Registerdaten erst entwickelt werden. Somit: keine schnelle Lösung in Sicht!
17 Rezidivinfarkte unter VKA - Optimierung der Sekundärprophylaxe: Vorteil: INR-Messung bei Aufnahme erlaubt Differenzierung schlechte / gute Einstellung INR-Werte im Marcumar-Pass geben Aufschluss über Schwierigkeit der Einstellung und sind Grundlage für die Diskussion der Compliance Strategien: Bei schwieriger Einstellung wegen logistischer Probleme Umstellung auf NOAK: Bei schlechter Compliance: Ermahnung, bessere Überwachung der Medikation, engmaschigere INR-Kontrollen Umstellung auf NOAK nicht sinnvoll (keine Kontrolle mehr möglich!)
18 Rezidivinfarkte unter NOAK - Optimierung der Sekundärprophylaxe: Problem: Differenzierung echtes Therapieversagen (trotz korrekter Einnahme) von Compliance-Problemen schwierig: Angaben des Patienten unzuverlässig event. kalibrierter Anti-Xa-Test oder Hämoclot-Test (z. Zt. erheblicher Aufwand) sinnvoll. Strategien: Dosierungsüberprüfung: 1x statt 2x Einnahme?, falsch niedrige Dosis verordnet? Bei schlechter Compliance: Ermahnung, bessere Überwachung der Medikation Umstellung auf VKA wegen Kontroll-Möglichkeit?
19 Intrakranielle Blutung unter oraler Antikoagulation: traumatisch oder spontan (bei entgleister oder normaler Gerinnung) gefürchteste Komplikation der OAK, potentiell lebensbedrohlich bzw. schweres neurologisches Defizit v.a. bei intrazerebraler Blutung bei intrazerebralen Blutungen Gefahr der Zunahme des Hämatoms in den ersten Stunden (abhängig vom RR), bereits ohne OAK bei OAK rasche Normalisierung der Gerinnung (INR<1,3) und RR-Senkung (<160 mmhg) Kuramatsu et al. JAMA. 2015;313(8): INR-Senkung <1,3 und RR-Senkung <160 mmhg innerhalb von 4 h reduziert signifikant Hämatomzunahme und senkt die Mortalität Normalisierung der Gerinnung vor ggf. nötiger OP
20 Intrakranielle Blutung unter oraler Antikoagulation
21 Intrakranielle Blutung unter VKA: Substitution von Gerinnungsfaktoren bei VKA: Bei vitaler Indikation z.b. präoperativ Sofort bei Aufnahme PPSB (z.b. 40 IE / kg), alternativ FFP Bei allen intrakraniellen Blutungen: d.h. auch bei initial geringfügigen Blutungen: Rasche INR-Messung (Coagu-Check) und PPSB-Substitution falls INR >=1,3 zusätzlich Vit-K-Substitution 10 mg i.v. Effektkontrolle durch INR-Messung im Verlauf möglich!
22 Intrakranielle Blutung unter NOAK: Substitution von Gerinnungsfaktoren bei NOAK: PPSB wird empfohlen (alternativ FFP, Faktor VII) bei Xa-Antagonisten Wirkung von PPSB gesichert, aber Dosis (analog IE/kg?), keine orientierende rasche Labordiagnostik (Übertherapie? / Untertherapie?) keine Effektkontrolle durch INR-Messung im Verlauf möglich! Entwicklung substanzspezifischer NOAK-Antidots: Prinzip: gegen die Substanz gerichtete monoklonale Antikörper, die die Wirkung rasch aufheben ohne eigenen Eingriff ins Gerinnungssystem.
23 Intrakranielle Blutung unter NOAK: Entwicklung substanzspezifischer NOAK-Antidots: Idaruzimab (Praxbind) für Dabigatran: Bindet Dabigatran mit hoher Affinität, dann renale Elimination des Komplexes Seit 11/2015 zugelassen nach Interimsanalyse von 90 Pat. einer prospektive Studie ohne Kontrollgruppe (RE-VERSE AD, NEJM Aug. 2015) Indikation: Not-OP bzw lebensbedrohliche Blutung unter Dabigatran Innerhalb von Minuten 100% Entfernung der Substanz (in 79% über 24 h anhaltend) mit 88-98% iger Normalisierung der Gerinnungstests, Dosis 5 g (2 Amp a 2,5 g / 50ml) i.v. für alle Pat. Preis Euro (Rabatt?), NW (gering?)
24 Intrakranielle Blutung unter NOAK Entwicklung substanzspezifischer NOAK-Antidots: Andexanet für Faktor Xa-Antagonisten: = rekombinantes inaktives FXa-Protein mit hoher Bindungsaffinität an die aktive Region verschiedener FXa-Antagonisten Aufhebung der Wirkung Placebokontrollierte Wirksamkeitsstudien an gesunden Freiwilligen für Apixaban und Rivaroxaban (ANNEXA-A, ANNEXA-R, NEJM Dez. 2015) waren bzgl. Gerinnungstests. innerhalb von 2-5 Min. positiv. Kurze HWZ, somit Bolusgabe und Erhaltungsinfusion nötig. Noch Entwicklungsarbeit bzgl. Dosisschemata für verschiedene Fxa-Antagonisten + klinische Studien nötig!
25 Sekundärprophylaxe nach intrakranieller Blutung unter OAK - Erneute Antikoagulation? Datenlage spricht eher für Wiederaufnahme der OAK mit VKA bei Vorhofflimmern nach erlittener intrakranieller Blutung unter VKA: Dänische Registerdaten (Nielsen et al. Circulation. 2015;132) Deutsche retrospektive Kohortenstudie (Kuramatsu et al. JAMA. 2015;313) Aber keine prospektiven,randomisierten Studien! Bei erneuter OAK mit VKA Hirninfarkt-Rezidive hoch signifikant geringer, Re-blutungen nicht signifikant häufiger, Gesamt-Mortalität signifikant geringer
26 Sekundärprophylaxe nach intrakranieller Blutung unter VKA / NOAK - Erneute Antikoagulation? Strategie nach Blutung unter VKA: Erneut VKA mit strikter Führung des Patienten, häufigen INR-Kontrollen? Umstellung NOAK? naheliegend, da Risiko intrakranieller Blutungen geringer, aber bislang keine Daten für diese Pat.gruppe (in Studien ausgeschlossen) Strategie nach Blutung unter NOAK: Dosisüberprüfung, z.b. nicht berücksichtigte Niereninsuffizienz, hier eher VKA ratsam. Sonst Umstellung VKA wenig sinnvoll, da Blutungsrisiko höher Bleibt wahrscheinlich nur Wiederaufnahme NOAK, bislang aber keine Registerdaten!
27 Fazit des Neurologen bzgl. NOAK: To-Do-Liste vor weiterer Ausweitung der NOAK: Etablierung einer POC-Diagnostik für alle NOAK zur Absicherung der Thrombolyseentscheidung bei unklarer Medikamenteneinnahme. Besser verfügbare spezifische Labordiagnostik zur Compliance-Beurteilung bei Therapieversagern (Preisgünstige) Antidots für alle Substanzen zur raschen Aufhebung der Wirkung bei intrakraniellen Blutungen bzw. vor Not-OP Registerdaten zur Thrombolyse bei NOAK-Patienten und NOAK-Behandlung nach intrakraniellen Blutungen
28 Fazit des Neurologen bzgl. Vorhofflimmern: Konsequente Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern zur Primär- / Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls Intensive Suche nach Patienten mit VH-Flimmern Auswahl der für den Patienten geeigneten OAK: Bei Lösung der genannten Probleme in Zukunft sicher verstärkt NOAK.
29 NOAK im Vergleich: Studienpopulationen:
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