Baugeschichte I WS 2010 / Dozentin: Frau Prof. Dr. Renate Kastorff-Viehmann. Thema der Hausarbeit

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1 Fachhochschule Dortmund Fachbereich Architektur Baugeschichte I WS 2010 / 2011 Dozentin: Frau Prof. Dr. Renate Kastorff-Viehmann Thema der Hausarbeit Analyse eines Mietshauses in der Dortmunder Nordstadt unter baugeschichtlichen Gesichtpunkten Eva Constanze Baur

2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Thema der Hausarbeit Objekt und Ort Kurzcharakterisierung Methodik Materiallage Schwerpunkt der Ausarbeitung Ort Nordtstadt Entstehung Planungsgeschichte Braunschweigerstraße Lage Bewohner Städtebauliche Situation Stadtraum Wirkung Nutzung Mietshaus Braunschweigerstraße Einführende Bemerkungen Geometrie und Material Fassade Gliederung Gestalterische Details Innenraum Gliederung Gestalterische Details Stil Fachliche Bewertung Literatur und Quellen

3 1. Einleitung 1.1 Thema der Hausarbeit In der vorliegen Ausarbeitung wird ein Miethaus in der Dortmunder Nordstadt analysiert und auf seine baugeschichtliche Entstehung und den städtebaulichen Kontext untersucht. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Fassadengestaltung. 1.2 Objekt und Ort Das zu untersuchende Objekt befindet sich in der Braunschweigerstraße, die an den Nordmarkt der Stadt Dortmund anliegt. 1.3 Kurzcharakterisierung Das Objekt ist ein mehrgeschossiges, traufständiges, reichgegliedertes, Miethaus mit Hofeinfahrt in geschlossener Blockrandbebauung. 2. Methodik Für die vorliegende Ausarbeitung wurde nicht nur das Objekt analysiert, sondern weitere Faktoren wie der baugeschichtliche Kontext, d.h. die Entstehung der Nordstadt, die Bedeutung der Nordmarktes und die sozialgeschichtlichen Hintergründe, einbezogen. Zunächst erfolgte eine Begehung vor Ort und des Objekts, die durch Literatur inhaltlich ergänzt wurde. 2.1 Materiallage Grundlage der Analyse ist eine Begehung der städtebaulichen Situation und die Begehung des Objektes. Ergänzt werden diese visuellen Eindrücke durch Fachliteratur. Zusätzlich liegen folgende Medien zur Bearbeitung vor: Internet, Stadtarchiv der Stadt Dortmund, Eigentümer und Mieter des Mietobjekts, eigene Fotodokumentation. 2.2 Schwerpunkt der Ausarbeitung Das Hauptaugenmerk der Analyse liegt auf der Fassadengestaltung unter Berücksichtigung der Historie des Gebäudes und der stilgebenden Elemente. 3

4 3. Ort Das Objekt befindet sich in der Stadt Dortmund im Stadtteil Innenstadt-Nord. 3.1 Nordtstadt Der Stadtteil Innenstadt-Nord, auch Nordstadt genannt, liegt nördlich vom Stadtzentrum und erschließt sich südlich vom Bahnhof und der Haupteisenbahnlinie Cöln-Minden, westlich vom Hafen und dem ehemaligen Standort der Dortmunder Union, nördlich vom Westerholz und den angrenzenden Sportanlagen und im Westen an das Gelände der Westphalia Entstehung Die Nordstadt ist im Rahmen der Entwicklung des Hafens, der Stahlindustrie und des Bergbau und des damit verbundenen Eisenbahnbaus sowie der beginnenden Industrialisierung als Industriestadt Dortmunds in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Abb.1 Nordmark um

5 3.1.2 Planungsgeschichte Ihre heutige, städtebaulich Gestalt als Arbeiterviertel nimmt die Nordstadt in den Jahren an. Im Zuge der Industrialisierung, die durch die 1847 entstehende Cöln-Mindener-Eisenbahn an Auftrieb gewinnt, siedeln sich zunächst hauptsächlich Arbeiter aus dem Rheinland und Westfalen an. Später auch osteuropäische Arbeiter, die zunächst in kleinen, temporären Baracken unterkommen. Dies führt zu einem raschen Wachstum der Bevölkerung in der Dortmunder Nordstadt und zu Problemen hinsichtlich der Unterbringung und Versorgung. Durch durch den Brandhoff-Plan wird ab 1858 ein rechtwinkliges Straßennetz mit sogenannten Schmuck- und Sternplätzen geplant. Da die Grundstückspreise niedrig sind und der Bedarf an Unterkünften groß ist, bauen viele Dortmunder Handwerker und Bürger Mietwohnungshäuser als Geldanlage. Dortmunder Markler und Grundstücksspekulanten wittern Goldgräberstimmung. Mit dem Sprichwort Im Norden geht die Sonne auf beschreiben sie die exorbitanten Renditemöglichkeiten aufgrund emporschnellender Grundstückspreise. 3.2 Braunschweigerstraße Die Braunschweigerstraße ist eine beidseitig bebaute Straße mit prägnanter räumlicher Wirkung, die von hohen Bäumen gesäumt ist und somit Alleencharakter hat Lage Die Braunschweigerstraße geht in nördliche Richtung vom Nordmarkt ab. Sie liegt auf der Nord-Süd-Mittelachse des Nordmarktes, von dem sternförmig die zentralen Hauptstraßen ausgehen Bewohner Die Bewohner der Braunschweigerstraße waren in erster Linie Arbeiter der umliegenden Fabriken und Kaufleute, die zur Nahversorgung und Unterhaltung der Bevölkerung dienten. 5

6 Abb.2 Lageplan Nordmark und Braunschweigerstraße 4. Städtebauliche Situation 4.1 Stadtraum Die Braunschweigerstraße liegt in einem von dem Stadbaumeister Brandhoff bewusst angelegtem, rechtwinkligem Straßennetz an einem sogenannten Sternplatz. An diesem Platz liegen viele Geschäfte zur Versorgung der Bevölkerung. Alle Gebäude sind mehrgeschossige Reihenhäuser in geschlossener Blockrandbebauung mit kleinen, unbebauten Innenhöfen. 4.2 Wirkung Die Bebauungs- und Fluchtlinienplanung der Nordstadt als eigenständiges Stadtquartier sowie die daraus resultierende geschlossene Blockrandbebauung lässt den Stadtraum um die Braunschweigerstraße gegliedert, geradlinig und streng wirken. Der Eindruck des Großstädtischen war gewünscht, weslhalb die Fassadengestaltung schmuckreich war und auf üppige Grünflächen im Gegenzug verzichtet wurde. 6

7 Da die Bebauung hauptsächlich der Unterbringung der zuwandernden Arbeiter diente, wurde platzsparend und raumnutzend gebaut. Kleine, bezahlbare Wohnungen ohne jeglichen Komfort. Die Beengtheit im Inneren der Häuser wirkt auch auf den Stadtraum zurück. 4.3 Nutzung Aufgrund der beengten Wohnverhältnisse wurde der öffentliche Raum zum Mittelpunkt der Feierabend- und Freizeitgestaltung. Teilweise wurden die Schmuckplätze für Märkte und Veranstaltungen von Schausteller verwendet. Die zahlreichen Geschäfte um den Nordmarkt belebten die angrenzenden Straßenzüge. 5. Mietshaus Braunschweigerstraße Einführende Bemerkungen Das Haus Nummer 4 ist eines der ersten Häuser auf der westlichen Seite der Braunschweigerstraße ausgehend vom Nordmarkt und ist um 1900 erbaut worden. 5.2 Geometrie und Material Das Mietshaus ist ein mehrgeschossiges Reihenhaus in geschlossener Blockrandbebauung mit streng horizontaler und vertikaler Gliederung. Der quadrische Bau mit traufständigem Satteldach auf rechteckigem Grundriss hat eine Haustiefe von ca m. Der Mauerbau entspricht einer konventionellen Bauart und weist eine Putzfassade auf. Die Hofseite ist ebenfalls mit Putz versehen. 7

8 Abb.3 Mietshaus Braunschweigerstraße 4 8

9 6. Fassade 6.1 Gliederung Das Mietshaus hat vier Geschosse, Erdgeschoss, darüber die beiden Hauptgeschosse und ein Attikageschoss. Die Fassade ist sechsachsig und streng horizontal und vertikal gegliedert. Die ersten fünf Achsen, von links nach rechts betrachtet, wirken wie ein Haupthaus, das durch einen Erker, der sich über die beiden Hauptgeschosse erstreckt, stark mittenbetont ist. Die sechste Achse wirkt wie ein Anbau, als Bindeglied zwischen dem Haupthaus und dem angrenzenden Nachbarhaus. Alle Fenster und die Tür haben ein stehendes Rechteckformat mit Oberlicht. Während die Tür aus dem Baujahr stammt, sind alle Fenster erneuert. Lediglich das Garagentor scheint jüngeren Datums. Im Erdgeschoss des Haupthauses befindet sich achsenmittig die Hauseingangstür die über zwei Stufen zuerreichen ist. Die Eingangstür aus Holz mit Oberlicht und großem Glasausschnitt ist mit einer blumigen Holzschnitzung versehen, die Öffnung ist wie die beiden Fenster links von der Eingangstür mit einem Staffelprofil umrahmt. Die Fensteröffnung rechts von der Eingangstür ist nachträglich verkleinert worden. Darauf deutet ein Profil im Putz hin, das das Fenster eines Ladenlokals zierte. Die beiden Hauptgeschosse sind gleich gegliedert und erheben sich oberhalb des Geschossgesims über dem Erdgeschoss, welches die erste horizontale Zäsur darstellt. Die zweite horizontale Zäsur befindet sich im ersten Obergeschoss unterhalb der Fenster, das sogenannte Brüstungsgesims. Eine weitere horizontale Zäsur findet zwischen den beiden Hauptgeschossen statt und nennt sich Geschossgesims, wirkt aber wie ein Brüstungsgesims, da es sich wie im ersten Obergeschoss oberhalb des Brüsungsfeldes befindet. Die Fensteröffnungen der Hauptgeschosse haben das selbe Öffnungsmaß und sind mit einem Staffelprofil umrahmt. Achsenmittig sitzt der über zwei Geschosse gehende Erker mit Erkergesims, der mittig zur Straße ein Fenster und seitlich jeweils noch ein weiteres Fenster hat. Links und rechts vom Ercker befinden sich jeweils zwei weitere Fenster. Die letzte Zäsur beschreibt das Hauptgesims und das darüberliegende, Attikageschoss. Auch das Attikageschoss ist mittelachsenbeton und mit Mittenspiegelung. Rechts und links von dem auf der Mittelachse liegenden Fenster befinden sich jeweils ein kleineres Fenster und daneben zwei mit den darunterliegenden Fenstern, gleich große Fenster. Auch diese Fenster sind mit einem Staffelprofil umrahmt. Das scheinbare Nebenhaus, die 6. vertikale Achse, nimmt die Zäsuren des Haupthauses auf und gliedert sich ebenfalls in Sohlbankgeschoss, zwei 9

10 Hauptgeschosse und ein Attikageschoss. Im Sohlbankgeschoss befindet sich die Hofeinfahrt mit Hofeinfahrtstor. Das Tor mit vierteiligem Oberlicht ist aus Holz, scheint aber nicht aus dem Baujahr des Miethauses zu sein. Darüber befindet sich in der Brüstung des ersten Obergeschosses eine Erhebung im liegenden Recheckformat. Vermutlich war dort eine Geschäftsbezeichnung angebracht. In jedem der darüberliegenden Geschosse befindet sich ein Fenster mit Oberlicht auf der Mittelachse der Hofeinfahrt und ist nicht profiliert.. Abb.4 Haustür Abb.4.1 Haustür Detail 10

11 6.2 Gestalterische Details Im Vergleich zu anderen Mietshäusern in der Braunschweigerstraße ist dieses Objekt nicht übermäßig reich mit Ornamenten bestückt. Dennoch ist die vorhandene Ornamentik sehr prägnant. So sind beispielsweise alle Fenster des Haupthauses mit Staffelprofilen verziert. Diese Profilierung nimmt von Geschoss zu Geschoss an Feinheit zu. Sind die Profile im Sohlbankgeschoss und im ersten Hauptgeschoss lediglich gradlinige Umrahmungen der Fenster und der Eingangstür, so sind die Profilierungen des zweiten Hauptgeschosse mit einfacher, im Attikageschoss mit zweifacher Vorhang- bzw. Wellenbänderung versehen. Die Fenster des Nebenhauses sind schmucklos, wie die gesamte Hausachse. Bereits in der Eingangstür in Form einer Holzschnitzerei taucht das Motiv der Blume auf. Diese florale Element wird in der Brüstung der drei Erckerfenster des ersten Hauptgeschosses wiederholt. Auch die Maßwerke, Vierpassmaßwerk im Brüstungsfeld des 2. Hauptgeschoss und Blattmaßwerk im Brüstungsfeld des Attikageschosses, wirken floral. Ein weiteres Maßwerk, Vierblatt, taucht in der Bodenplatte des Erckers auf. Das tierische Ornament des Vogels befindet sich im Brüstungselement des zweiten Hauptgeschosses. Abb.5 Fensteröffnungen Abb.6 Erker 11

12 Abb.7 Ornament Erker Abb.7.1 Ornament Erker Abb.8 Brüstungselement Abb.8.1 Brüstungselement 12

13 7. Innenraum 7.1 Gliederung Die Erschließung des Innenraumes erfolgt über den Hauseingang im Haupthaus, sowie über die Hoftür, die von der Einfahrt über den Innenhof zu erreichen ist. Der Innenraum gliedert sich in verschiedene Bereiche. Im Erdgeschoss befand sich ein Geschäft oder ein kleiner Betrieb mit Hofzufahrt und vermutlich eine Wohnung, die vom Flur links abging. Das kleine Ladenlokal lag rechts vom Flur, der nach hinten in den Keller und in den Hof führt. Darüber befanden sich auf jeder Etage zwei Wohnungen mit 2-3 Zimmern und Küche. Die Toiletten oder Aborte lagen an den Zwischengeschossen bzw. Treppenpodesten rechts im Treppenhaus außerhalb der Wohnungen. Abb.7 Hoftor Abb.8 Fassadenansicht Innenhof 13

14 7.2 Gestalterische Details Der Eingangsbereich und der Flur sind mit Steinfliesen und Mosaiken hervorgehoben. Das Treppenhaus und das gedrechselte Geländer stammen aus der Bauzeit und sind weitestgehend im Originalzustand. Auch die Türen der Toiletten sind original. Abb.9 Wohnungstüren Abb.10 Aborttür 14

15 Abb.11 Treppenhaus Abb.12 Treppengeländer Abb.12.1 Treppengeländer Abbildung Abb.13 Fussboden im Hausflur Abb.13.1 Fussboden im Hausflur 15

16 8. Stil Das Mietwohnungshaus Braunschweigerstraße Nr.4 weist Stilelemente des Jugendstils in Form von floralen und linearen Jugendstilornamenten auf, beispielsweise die schwungvollen Konturen der Fensterprofilierung und der blumigen Holschnitzerei der Eingangstür. Aber auch Elemente der Gotik, wie beispielsweise Maßwerke, finden sich in der Fassadengestaltung wieder. Insgesamt ist der Stil des Hauses mittelalterlich durch die Gesamtwirkung der Fassadengestaltung. 9. Fachliche Meinung Das Mietshaus Braunschweigerstraße 4 fügt sich harmonisch in den Gesamteindruck der Straße und des Wohnviertels ein. Durch die zurückhaltende, aber prägnante Ornamentik ist es von schlichter Schönheit. 10. Quellennachweis 1. Grube, Gert-Rainer, Kustchmar Aribert: Bauformen - Von der Romanik bis zur Gegenwart. Huss Medien GmbH, Verlag Bauwesen Kastoff-Viehmann, Renate: Die Geschichte der Nordstadt als Wohnstadt, aus Nordstadtbilder.pdf 3. Koch, Grube: Baustilkunde. Bertelsmann Wissen Media Verlag,