Deutscher Bundestag Drucksache 17/9078 17. Wahlperiode 22. 03. 2012 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Dr. Gerhard Schick, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/8863 Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland Vorbemerkung der Fragesteller Am21.September2011habendieRegierungenderSchweizundDeutschlands einsteuerabkommenunterzeichnet.dasabkommensiehtvor,dassdiedarin vereinbarteabgeltungsteuerinihrerwirkungdemautomatischeninformationsaustauschimbereichderkapitaleinkünftedauerhaftgleichkommensoll.die WirkungunddamitauchdieHöhederEinnahmenfürDeutschlandwerdenstark vonderausgestaltungderumsetzungabhängen.dieschweizerregierunghat imherbstletztenjahresbereitsdenentwurffüreinausführungsgesetzfürdie Abgeltungsteuerabkommenvorgelegt.Indem BundesgesetzüberdieinternationaleQuellenbesteuerung wirddasrechtlichefundamentfürdieabgeltungssteuer mit anderen Ländern gelegt. 1.WiegestaltetsichderZeitplanderBundesregierungfürdieRatifizierungdes Steuerabkommens mit der Schweiz? DieRatifizierungdesdeutsch-schweizerischenSteuerabkommenssollindiesem Jahrerfolgen,damitdasSteuerabkommenzum1.Januar2013inKrafttreten kann. Ein genauer Zeitplan steht noch nicht fest. 2.WelcheÄnderungendesAbkommenssindindenVerhandlungenmitden Bundesländern im Gespräch, und inwiefern gibt es bereits Ergebnisse? WieauchschonausdenMedienzuentnehmenwar,sindunteranderemAspekte dernachversteuerungundderauskunftsmöglichkeitenmitdenbundesländern imgespräch.diesegesprächedauernnochan,sodassergebnissenochnicht vorliegen. DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsderFinanzenvom20.März2012 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 17/9078 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3.InwiefernistdieBundesregierungbereitsmitderSchweizzukonkretenÄnderungen des Abkommens im Gespräch? Die Bundesregierung steht im steten Kontakt zur Schweiz. 4.WiewirktsichdasAbkommenaufdieMöglichkeitenderBundesregierung aus,sichindereufürdenautomatischeninformationsaustauscheinzusetzen? Dasdeutsch-schweizerischeSteuerabkommenverbessertdieMöglichkeitder Bundesregierung,sichinnerhalbderEUfürdenautomatischenInformationsaustausch einzusetzen. 5.WirddieBundesregierunganalogdervorgeschlagenenRegelungenimEntwurfdesSchweizerBundesgesetzesüberdieinternationaleQuellenbesteuerung,keineAussagenzurAnzahlderInformationsgesucheveröffentlichen (vgl.erläuternderberichtderschweizerregierungzueinembundesgesetz überdieinternationalequellenbesteuerung,3.oktober2011,s.13: Umzu vermeiden,dassdiepartnerstaatenunterdruckgeraten,dieanzahljährlicherersuchenvollauszuschöpfenoderiminlanddrastischemaßnahmen gegenihresteuerpflichtigenzuergreifen,umdenerfolgderersuchenzuerzwingen,sollderöffentlichkeitkeinzugangzudieseninformationengewährt werden. )? EineRegelungwieinderSchweizvorgesehengibtesinDeutschlandnichtund einesolchewirdauchnichtangestrebt.dasverwaltungshandelnindeutschland unterliegt den üblichen Kontrollmechanismen. 6.InwiefernplantdieBundesregierung,Angabendarüber,wievielGelddie AbgeltungsteuerergibtundwohindievorgängigabgezogenenVermögen hingewandert sind, zu veröffentlichen? DasmitderAbgeltungsteuererzielteAufkommenunterliegtkeinerGeheimhaltung.DievonderSchweizaufgrunddesArtikels16erhobenenundmitgeteilten AngabenwerdenentsprechenddemAbkommenvondenVertragsstaatennicht veröffentlicht werden. 7.HältdieBundesregierungdieHöhederBußgelderfürFinanzintermediäre von250000bzw.100000franken,wiesieimentwurfdesschweizerbundesgesetzesüberdieinternationalequellenbesteuerungvorgeschlagenwurden, für wirksam, um Verstöße gegen die Regelungen zu verhindern? DieBundesregierungsiehtkeinenAnlass,dieWirksamkeiteinerkünftigen ÜberwachungderEinhaltungdesSteuerabkommensdurchdieschweizerischen Behörden in Zweifel zu ziehen. 8.MitwelchenVorkehrungenwirddieBundesregierungverhindern,dassder imabkommendefiniertebegriffder betroffenenperson nichtzumbeispielübereineliechtensteinerermessensstiftungodereinenangelsächsischen Discretionary Trust umgangen werden kann? HintergrundfürdieBestimmungderbetroffenenPersonenindemAbkommen istdieübereinkunftdervertragsparteien,dasseineindeutschlandansässige natürlichepersonauchdannunterdieregelungdesabkommensfallensoll,
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/9078 wennsietrotzeinschaltungandererrechtsubjektedietatsächlicheherrschaft über die Kapitalerträge erhält. DieentsprechendenAuslegungsregelungenimVertragzurbetroffenenPerson sinddaherimzusammenhangmitdenmissbrauchsbestimmungendesartikels32zusehenundanzuwenden.sokannnachdemsinnundzweckdes AbkommenseineSitzgesellschaftnurdannausnahmsweisenutzungsberechtigte Personsein,wenntatsächlicheineeffektiveBesteuerunginihremHerkunftslanderfolgtoderwegenfehlenderEinflussmöglichkeitenderbetroffenenPerson diesenichtnutzungsberechtigtseinkann.dieprüfung,obdiejeweiligenvoraussetzungenerfülltsind,unterliegtmaßgebenddenumständendeseinzelfalls. UmfürdiePraxiseinschlägigeFallgruppenzubilden dieauchdieangeführten TrustsundStiftungenbetreffen undsomitdasordnungsgemäßefunktionieren desabkommens (vergleicheartikel38absatz3buchstabea)zugewährleisten, bedarfeseinerkonkretenverwaltungsvorschrift,diedurchdieschweizer FinanzverwaltunginAbstimmungmitdemgemeinsamenAusschusszuerstellenist.AndenVerhandlungensollenaufdeutscherSeiteauchVertreterderLänder teilnehmen. 9.MitwelchenVorkehrungenwirddieBundesregierungverhindern,dassder imabkommendefiniertebegriffder betroffenenperson nichtübereine Personengesellschaft umgangen wird? SoferneinebetroffenePersonübereinePersonengesellschaftKapitalinder Schweizangelegthat,beinhaltetArtikel2BuchstabehdesAbkommenskonkreteZuordnungsregelungen.SoerfolgteineZuordnungderErträgeentsprechendderBeteiligungderbetroffenenPerson,imZweifelsfallnachderAnzahl dervertragspartner ( nachköpfen ).FallszukünftigUmgehungsgeschäftein diesemzusammenhangkonstruiertwerden,geltendieausführungenzurmissbrauchsklausel zu Frage 8 entsprechend. 10.MitwelchenVorkehrungenwilldieBundesregierungverhindern,dassdie KontendeutscherBürgerinderSchweizineineausländischeNiederlassungderselbenSchweizerBankausgelagertwerden,zumBeispielnach Singapur oder auf die Bahamas? AufgrundderKapitalverkehrsfreiheitistesnichtmöglich,zuverhindern,dass AnlegerihreKapitalanlagenausderSchweizinandereStaatenverlagern.Soferndiesjedochnachdem31.Mai2013geschieht,siehtdasAbkommenvor, dassdarinunterumständeneinmissbrauchgesehenwerdenkann (zurkonkretisierung der Missbrauchsklausel, vergleiche die Ausführungen zu Frage 8). EsbleibtdenVerhandlungenüberdieVerwaltungsregelungüberlassen,welche konkretenmodellealsmissbrauchimsinnedesvertragesanzusehenseinwerden. OhnedasAbkommenkönnenSteuerhinterzieherwieindenletztenJahrzehnten auchweiterhin,ohnesteuernzuzahlen,ihreanlageninsicherehäfenverlagern unddaserlöschenallersteuer-undstrafansprüchedurchverjährungabwarten.
Drucksache 17/9078 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 11.InwiefernsiehtdieBundesregierungeineEinschränkungderWirkungdes AbkommensdurchdienichtvollständigerfasstenZahlstellen,vorallem Treuhänder,beidenendieSummederjährlichbezahltenDividendenund Zinsen unter 1 Mio. Schweizer Franken liegt? AuchnachdemInkrafttretendesAbkommensbleibtesdabei,dassErträgebei TreuhandverhältnissendirektdemTreugeberalsbetroffenePersonzugerechnet werden. Insofern wird das Abkommen nicht in seiner Wirkung eingeschränkt. 12.InwiefernwurdewegendesSteuerabkommenszwischenderSchweizund DeutschlandvonderEuropäischenKommissioneinePrüfungwegenVerstoßes gegen Europäisches Recht eingeleitet? GegenDeutschlandwurdekeinePrüfungwegeneinesVerstoßesgegenEuropäischesRechteingeleitet.DieEuropäischeKommissionhatteverschiedene Fragenzudemdeutsch-schweizerischenAbkommen,dieinGesprächenzwischen der Europäischen Kommission und Deutschland geklärt wurden. 13.WiebewertetdieBundesregierungdieKritikanderVerfassungsgemäßheit desabkommens,wiezumbeispielvonprof.dr.jur.wolfgangjoecks ( Dasdeutsch-schweizerischeSteuerabkommen verfassungsgemäß?, wistra, Heft 12, 15. Dezember 2011)? DieBundesregierunghältdasdeutsch-schweizerischeAbkommenfürverfassungsgemäß.AndernfallshättesiedasAbkommennichtunterschrieben.Der AufsatzvonProfessorDr.WolfgangJoeckshatandieserEinschätzungnichts geändert. 14.AufwelchenBerechnungenbasiertdieVorauszahlunginHöhevon2Mrd. SchweizerFrankenderschweizerischenZahlstellenandiedeutschenBehörden (bittehierauchdiebasisderberechnungangeben;geschätzteeinlagen, angenommene Zinssätze etc.)? DerBetragvon2Mrd.SchweizerFranken (CHF)dientdazu,dieschweizerischenZahlstellenimeigenenInteressezueinerordnungsgemäßenBeratunganzuhalten.EswurdedaherbeiderFestlegungdesBetrageswedervongeschätztenEinlagennochvonangenommenenZinssätzenausgegangen.Sollten wenigerals2mrd.chfdurchdienachversteuerungeingenommenwerden, wandelt sich der Vorauszahlungscharakter in eine Garantie. 15.WelcheEinnahmenerwartetdieBundesregierungausdemAbkommensowohl für die Altfälle als auch für die Abgeltungssteuer für die Zukunft? NachInkrafttretendesAbkommenszwischenderBundesrepublikDeutschland undderschweizerischeneidgenossenschaftüberzusammenarbeitindenbereichensteuernundfinanzmarktwerdenmindestens2mrd.chfandeutschland überwiesen.imhinblickdarauf,dasskeineverlässlichenaussagenüberden UmfangdereinerNachversteuerungfürdieVergangenheitunterworfenenKapitalanlagen möglich sind, sind darüber hinaus keine Angaben möglich. EssindauchkeineAngabenüberdieEinnahmenfürdiekünftigeAbgeltungssteuer möglich.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/9078 16.InwiefernwäreesfürdieBundesrepublikDeutschlanderstrebenswert,sich analogzudenusafürmehrinformationstransparenzeinzusetzen,statt sich für eine Abgeltungsteuerlösung stark zu machen? DieBundesregierungsetztsichinihrerPolitik,genauwiedieUSA,fürmehr TransparenzimSteuerbereichein.SieorientiertsichbeiihrerPolitikander Realität des praktisch Erreichbaren. Dies gilt auch im Verhältnis zur Schweiz. GegenwärtigistdieSchweiznichtbereit,zumautomatischenInformationsaustauschüberzugehen.DasbilateraleSteuerabkommenstelltjedochmitder Einführungeinesüberden (im2010revidiertendoppelbesteuerungsabkommen bereitsumgesetzten)oecd-standard (OECD =OrganisationfürwirtschaftlicheZusammenarbeitundEntwicklung)hinausgehendenerweitertenInformationsaustauschsbereits einen deutlichen Fortschritt zu mehr Transparenz dar. 17.WiebegründetdieBundesregierungdieEinschränkungdesInformationsaustauschesimAbkommenaufdieAnzahlvon999Amtshilfegesucheinnerhalb einer Zweijahresfrist? Zunächstistklarzustellen,dassdiezahlenmäßigeBeschränkungausschließlich fürdendurchdassteuerabkommenfürzweckederfunktionskontrollezusätzlicheröffnetenerweiterteninformationsaustauschgilt.derinformationsaustauschentsprechenddemoecd-standardnachdemdoppelbesteuerungsabkommen bleibt von diesen Grenzen unberührt. AufgrundderErfahrungenmitdemKontenabrufunddenAuskunftsersuchenan anderestaatenistdavonauszugehen,dassdiefestgelegteanzahldererweiterten Amtshilfeersuchenausreichendist,umdiesteuerlichenInteressenvonDeutschlandwirksamdurchsetzenzukönnen.Diesresultiertausdemgeneral-präventivenEffekt,deraufeinemunkalkulierbarenEntdeckungsrisikofürzukünftiges Schwarzgeld beruht. 18.WelcheReaktionenaufdasAbkommensindderBundesregierungausden andereneuropäischenmitgliedstaatenbekannt,undwiebewertetsiediese imhinblickaufdieumsetzungundweiterentwicklungdereuropäischen Zinsrichtlinie? AuchandereEU-Mitgliedstaatenhabenangekündigt,wieDeutschlandunddas VereinigteKönigreicheinbilateralesSteuerabkommenmitderSchweizabschließen zu wollen. DievonDeutschlandunddemVereinigtenKönigreichmitdemDrittland SchweizgeschlossenenSteuerabkommenstehenderUmsetzungundWeiterentwicklungderfürdieEU-MitgliedstaatengeltendeneuropäischenZinsrichtlinie nichtentgegen,dadievorgabendereuropäischenkommissionbeachtetwerden. 19.InwiefernsiehtdieBundesregierungdieGefahr,dassdendeutschenBanken gegenüberdenschweizerbankeneinwettbewerbsnachteilentsteht,da SchweizerBankenbeiderAbführungderAbgeltungsteuerkeineKirchensteuer erheben müssen? NachdemschweizerischenAbkommenistdieErhebungderKirchensteuerauf AntragdesAnlegersauchinderSchweizmöglich.Diesentsprichtderbiszur UnterzeichnunggeltendenRechtslageinDeutschland.SolltedieimBeitreibungsrichtlinien-UmsetzungsgesetzvorgeseheneÄnderunginDeutschland wirksamwerden,istzubeachten,dassdembetroffenenanlegerindeutschland einwiderspruchsrechtgegendieautomatischeabführungderkirchensteuer
Drucksache 17/9078 6 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode durchzahlstellenindeutschlandzusteht,sodassimergebnisdierechtslagein Deutschland und in der Schweiz auch zukünftig vergleichbar bleibt. DamitwirdaufgrunddesSteuerabkommenskeinWettbewerbsnachteilfürBanken in Deutschland gegenüber Banken in der Schweiz eintreten. 20.InwiefernsiehtdieBundesregierungdieGefahr,dassdendeutschenBanken gegenüberdenschweizerbankeneinwettbewerbsnachteilentsteht,daauf DauerpraktischeinePrüfungderinderSchweizgelagertenVermögendeutscher Staatsbürger von den deutschen Steuerbehörden nicht möglich ist? WeilgegenwärtigkeinePrüfungderVermögensanlagendeutscherSteuerpflichtigerinderSchweizmöglichist,hatdieBundesregierungdasbilateraleAbkommenmitderSchweizmitdemZielabgeschlossen,dassdiedeutscheAbgeltungsteuerkünftigauchinderSchweizerhobenwird.AuchinDeutschlanderfolgt dieerhebungderabgeltungsteueraufkapitalerträgegrundsätzlichanonym. ÄhnlichwieinDeutschlandwirdauchinderSchweizimRahmendesinternationalenInformationsaustauschskünftigdieAnonymitätaufgehobenwerden können.dievoraussetzungendafürwurdenindembilateralenabkommenmit derschweizüberdenimverhältniszurschweizbereitsanwendbarenoecd- StandardhinausimErgebnisähnlichausgestaltet,wiesieinDeutschlandbestehen. DurchdasbilateraleAbkommenmitderSchweizwirdalsokeinWettbewerbsvorteilfürAnlageninderSchweizgeschaffen,sondernimGegenteil,einbisher aufgrunddernichtgesichertenbesteuerungimverhältniszuranlageiminland bestehender Wettbewerbsvorteil beseitigt.
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