Deutscher Bundestag Drucksache 17/406 17. Wahlperiode 07. 01. 2010 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Katrin Kunert, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 17/345 Umsetzung der Leistungsform Persönliches Budget Vorbemerkung der Fragesteller AufdieLeistungsformPersönlichesBudgetbestehtseitdem1.Januar2008ein verbindlicherrechtsanspruch.mitdieserleistungsformkönnenmenschenmit BehinderungaufAntraganstellevonDienst-undSachleistungeneineGeldleistungoderGutscheineerhalten,umsichdiefürdieselbstbestimmteTeilhabe erforderlichenassistenzleistungenselbstzuorganisieren.fastzweijahrenach EinführungdiesesRechtsanspruchsgibtesnochimmerganzerheblicheUmsetzungsdefiziteinderPraxis.ZwaristdieNachfragevonMenschenmit Behinderungengestiegen,dieAntrags-undBewilligungsverfahrengehenaber häufignurschleppendvoran.vonbetroffenenwirdauchüberinformationsdefizitebeidenzuständigensachbearbeiterinnenundsachbearbeiternberichtet.deraufgabenbereichistallerdingskomplex:gesetzlicheregelungenzum PersönlichenBudgetfindensichimNeuntenBuchSozialgesetzbuch SGBIX ( 17,102,159),SGBIII ( 103),SGBV ( 2,11),SGBVI ( 13),SGBVII ( 26),SGBVIII ( 35ai.V.m. 57SGBXII),SGBXI ( 28,35a),SGBXII ( 57,61),imGesetzübereineAltershilfefürLandwirte ( 7)sowieinder Budgetverordnung.ZusätzlichkompliziertwirddieAngelegenheitdurchrund 60sehrunterschiedlicheVerfahrenderHilfebedarfsermittlung (Bedarfsfeststellungsverfahren) in den Ländern und Kommunen. 1.WiehatsichdieUmsetzungdesPersönlichenBudgetsseit1.Januar2008 entwickelt? WievieleAnträgewurdenbewilligt,undwievielewurdenabgelehnt (bitte aufgeschlüsselt nach den Bundesländern)? DieErfassungvonZahlenzumPersönlichenBudgetistfürdasBundesministeriumfürArbeitundSoziales (BMAS)einAnliegen,umdieVerbreitungund InanspruchnahmevonPersönlichenBudgetsbewertenzukönnen.Deshalb hattedasbmasnachabschlussderwissenschaftlichenbegleitforschungzum PersönlichenBudgetimSommer2007dieSpitzenverbändederSozialleistungsträgergebeten,ihmauffreiwilligerBasisZahlenzurInanspruchnahme DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsfürArbeitundSozialesvom6.Januar 2010übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 17/406 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode vonpersönlichenbudgetszumelden.damitsolltedieerwartetesteigendeanzahlvonpersönlichenbudgetsdokumentiertwerden.leidersinddiesozialleistungsträgerbzw.derenspitzenverbändedieserbittenurunvollständigoder gar nicht nachgekommen. DieAnzahldervondenverschiedenenSozialleistungsträgernundSpitzenverbändenaufdieserfreiwilligenBasisgemeldetenPersönlichenBudgets,diezum Stichtag31.Dezember2008erbrachtwurden,beträgt6958,davonwurdenalleinvom1.Januarbiszum31.Dezember20083368neuePersönlicheBudgetsgemeldet.Esistdavonauszugehen,dassPersönlicheBudgetsmitsteigenderTendenzbundesweiterbrachtwerden.DieerfasstenPersönlichenBudgets zumstichtag31.dezember2008verteilensichaufdiebundesländerwie folgt: Bundesland Anzahl der erbrachten Budgets Baden-Württemberg 597 Bayern 106 Berlin 902 Brandenburg 3 Bremenkeine Erfassung Hamburgkeine Erfassung Hessen 123 Mecklenburg-Vorpommern14 Niedersachsen66 Nordrhein-Westfalen25 Rheinland-Pfalz4599 Saarland52 Sachsen69 Sachsen-Anhalt 213 Schleswig-Holstein22 Thüringen 167 ZumStichtag31.Dezember2008wurdennachAngabendesStatistischenBundesamtesimZwölftenBuchSozialgesetzbuch2321PersönlicheBudgetsim RahmenderEingliederungshilfefürbehinderteMenschenund129Persönliche Budgets im Rahmen der Hilfe zur Pflege erbracht. BelastbareErkenntnisseüberBewilligungenPersönlicherBudgetsin2009liegennochnichtvor.NachwievorbestehtaberdasZiel,genauereErkenntnisse darüberzugewinnen,wievielepersönlichebudgetsinderbundesrepublik DeutschlanderbrachtwerdenundwiedasneueInstrumentvondenMenschen mitbehinderungenangenommenwird.daherwirdzurzeitdiemachbarkeit einesneuenwissenschaftlichenforschungsvorhabenszumpersönlichenbudget
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/406 nachauslaufendesförderprogrammszurstrukturverstärkungundverbreitung PersönlicherBudgetsEnde2010geprüft.MitdemneuenForschungsvorhaben könntenquantitativedatenzurinanspruchnahmeundqualitativestrukturen zumpersönlichenbudgetuntersucht,aufeinebreiteregrundlagegestelltund gegebenenfalls Schlüsse für das weitere politische Vorgehen gezogen werden. 2. Welche Gründe gab es für Ablehnungen? DazuliegendemBMASkeineAngabenvor.BeiderAuswertungdesFörderprogrammszurStrukturverstärkungundVerbreitungPersönlicherBudgetsab Mitte2011wirdjedochdieFrage,auswelchenGründenPersönlicheBudgets nicht zustande gekommen sind, eine wichtige Rolle spielen. 3.GibtesfürdieAusführungdesPersönlichenBudgetsentwickelteHandlungsempfehlungenfürdieTrägerderSozialhilfeundfürdieIntegrationsämter? DieBundesarbeitsgemeinschaftfürRehabilitation (BAR)e.V.hatam1.April 2009neueHandlungsempfehlungenzumPersönlichenBudgetveröffentlicht. InderArbeitsgruppederBARzumPersönlichenBudgetwarenunteranderem diebundesarbeitsgemeinschaftderintegrationsämterundhauptfürsorgestellen unddiebundesarbeitsgemeinschaftderüberörtlichenträgerdersozialhilfe vertreten.darüberhinaushabeneinzelnebundesländer (z.b.berlin,bremen, Hessen,Mecklenburg-Vorpommern,Niedersachsen,Rheinland-Pfalz)landesspezifischeAusführungsbestimmungen zum Persönlichen Budget erlassen. 4.LautBudgetverordnunggebendiebeieinemAntragsverfahrenbeteiligten LeistungsträgerinnerhalbvonzweiWochenihreStellungnahmenab,anschließendfolgeneinBedarfsfeststellungsverfahrenunddannderAbschlusseinerZielvereinbarung.InnerhalbwelcherFristmussübereinen AntragaufeinPersönlichesBudgetentschiedenwordensein,gerechnetab Antragseingang,vordemHintergrund,dasslautBudgetverordnungdiebei einemantragsverfahrenbeteiligtenleistungsträgerinnerhalbvonzwei WochenihreStellungnahmenabgebenundanschließendeineBedarfsfeststellung und dann der Abschluss einer Zielvereinbarung erfolgen? BeiderVerfahrensdauergelten wiefüralleteilhabeleistungen folgende Grundsätze:DererstangegangeneRehabilitationsträgerhatnach 14Absatz1 Satz1desNeuntenBuchesSozialgesetzbuch (SGBIX)innerhalbvonhöchstens zweiwochennachantragseingangzuklären,oberzuständigist.wirdder Antragnichtweitergeleitet,stelltderRehabilitationsträgerdenRehabilitationsbedarfunverzüglichfest.DiesmussspätestensdreiWochennachAntragseingang ( 14Absatz2Satz2SGBIX)erfolgen.IsteinGutachtenerforderlich,ist diesesspätestenszweiwochennachauftragserteilungzuerstellen ( 14 Absatz5Satz5SGBIX).DieEntscheidungistinnerhalbvonzweiWochen nachvorliegendesgutachtenszutreffen ( 14Absatz2Satz4SGBIX).Die BedarfsfeststellungistdanninnerhalbvondreiWochenvorzunehmen,soweit keingutachtenerforderlichist,undinnerhalbvonmaximalsiebenwochen,soweit ein Gutachten erforderlich ist. SindmehrereTrägeramBudgetbeteiligt,holtderbeauftragteRehabilitationsträgerunverzüglichvondenbeteiligtenLeistungsträgernStellungnahmenein. DieseStellungnahmensolleninnerhalbvonzweiWochenabgegebenwerden ( 3Absatz1Satz2BudgetV).AufderGrundlagederErgebnissedesBedarfsfeststellungsverfahrensstellendiebeteiligtenLeistungsträgerdasaufsieentfallendeTeilbudgetinnerhalbeinerWochenachAbschlussdesVerfahrensfest ( 3 Absatz4 BudgetV).
Drucksache 17/406 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5.WaskönnenBetroffenekonkretunternehmen,wenndieVerfahrensdauer unverhältnismäßig lange Zeit beansprucht? BetroffenekönnenUntätigkeitsklagebeimzuständigenSozialgerichteinlegen odereineaufsichtsrechtlicheprüfungderzuständigenaufsichtsbehördeveranlassen. 15SGBIXermöglichtesinbestimmtenFällen,sichLeistungenselberzu beschaffen.derzuständigerehabilitationsträgermussdembehindertenmenschendannnotwendigeaufwendungenerstatten.derbehindertemenschkann demleistungsträgereineangemessenefristsetzenundihmseinvorhabenmitteilen, sich die Leistung selbst zu beschaffen. 6.LiegenderBundesregierungErkenntnissedarübervor,dassbeiderFeststellungdesBedarfsregionalundbeidenunterschiedlichenLeistungsträgern unterschiedlich verfahren wird? WelcheUnterschiedeimBedarfsfeststellungsverfahrensindderBundesregierung bekannt? 7.SiehtdieBundesregierungdieMöglichkeit,dassunterschiedlicheBedarfsfeststellungsverfahrenzuunterschiedlichenBescheiden (Bewilligungen/ Ablehnungen) bei gleichem Hilfebedarf führen können? Wenn nein, warum hält die Bundesregierung das für ausgeschlossen? 8.WiebewertetdieBundesregierungdieForderungverschiedenerVerbände nacheinembundeseinheitlichenbedarfsfeststellungsverfahren,undwird sie diesbezüglich tätig werden? Falls ja, wie? Falls nein, warum nicht? WegendesthematischenZusammenhangswerdendieFragen6bis8gemeinsam beantwortet. InDeutschlandgibtesvieleunterschiedlicheVerfahrenzurBedarfsermittlung bzw.-feststellungimstationärenundambulantenbereich.teilweisegibtes länderspezifischeverfahrenundteilweisesindindividuellehilfe-/teilhabepläne entwickelt worden. BeiderBedarfsermittlunggibtesfürdiejeweiligenLeistungsträger (Krankenkassen,BundesagenturfürArbeit,Unfallversicherungsträger,Rentenversicherungsträger,TrägerderAlterssicherungderLandwirte,TrägerderKriegsopferversorgungund-fürsorge,TrägerderöffentlichenJugendhilfe,Trägerder Sozialhilfe,Pflegekassen)unterschiedliche teilweiseregionalspezifische Verfahren.UrsachedafürsinddiekraftgesetzlichenAuftragsunterschiedlichen RehabilitationszielederjeweiligenLeistungsträger,diesichentsprechendin den Verfahren zur Bedarfsermittlung widerspiegeln müssen. Die86.Arbeits-undSozialministerkonferenz2009hatsicham25.und26.November2009inBerchtesgadenimRahmendesTagesordnungspunktes WeiterentwicklungderEingliederungshilfefürMenschenmitBehinderungen auchmitdervereinheitlichungderbedarfsermittlungbefasst.siehatbeschlossen,diefragestellung EntwicklungvonMaßstäbenfürpraktikable,möglichst bundesweitvergleichbareundaufpartizipationberuhendeverfahrenderbedarfsermittlungunddesteilhabemanagements ineinembund-länder-begleitprojekt zu bearbeiten.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/406 9.GibtesimmernocheinenVerwaltungskostenzuschussfürLeistungsträger, die ein Persönliches Budget bewilligen und dokumentieren? InwelcherVerordnungsinddiekonkretenBedingungenhierzufestgeschrieben, und wo ist diese einsehbar? 10.WiegenausetzendieLeistungsträgerdiesenVerwaltungskostenzuschuss ein? Gibt es hierzu eine Dokumentationspflicht? UmdieAbgabedesausgefülltenDokumentationsbogenszurAuswertung durchdiewissenschaftlichebegleitforschungzumpersönlichenbudgetzusteigern,hattedasbmasam7.april2006einerichtliniefürdiegewährungvon ZuschüssenzudemprojektbezogenenMehraufwand,derLeistungsträgernim RahmenderBewilligungvonPersönlichenBudgetsinderModellphaseentsteht,erlassen (Bundesanzeigervom27.April2006,Nr.80).Siesahvor,die VergabeneuerPersönlicherBudgetsmiteinemZuschussinFormeinerVerwaltungskostenpauschalezufördernunddamitdenLeistungsträgerneinen finanziellenanreizfürerfahrungenmitpersönlichenbudgetszugeben.dafür wurdenimbundeshaushalt500000eurozurverfügunggestellt.entsprechende Anträgekonntenbiszum31.März2007gestelltwerden.Fürjedesbewilligte undmitdemdokumentationsbogenderwissenschaftlichenbegleitforschung erfasstepersönlichebudgetkonntenleistungsträger100eurofürmaximal sechsmonateerhalten,beiträgerübergreifendenpersönlichenbudgets150euro jeleistungsträgerfürmaximal20persönlichebudgets.dasbmashatkeinen VerwendungszweckfürdiePauschalevorgegeben.AnträgekonntenbeimBundesverwaltungsamt in Köln gestellt werden. 11.WirddieBundesregierungdaraufhinwirken,imAntrags-undBewilligungsverfahrenPersonaleinzusetzen,dasspeziellinBezugaufdasPersönliche Budget geschult ist? Wenn ja, wie stellt sie das sicher? Wenn nein, warum sieht sie die Notwendigkeit nicht? EsistAufgabederSozialleistungsträger,ihreMitarbeiterzuschulenundfortzubilden. ImRahmenderÖffentlichkeitskampagnedesBMASzumPersönlichenBudget wurdeninzusammenarbeitmitderreha-akademieimjahr2007bundesfachtagungenzumpersönlichenbudgetveranstaltet,mitdenenvorallemmitarbeiterdergemeinsamenservicestellen,derintegrationsfachdiensteundintegrationsdienstesowiedieverbändedergesetzlichenbetreuererreichtwerden sollten.darüberhinauswurdenaufderrehacare2007und2008jeweils eineinformationsveranstaltungzumpersönlichenbudgetvombmasdurchgeführt.diebarführtregelmäßigseminarezumpersönlichenbudgetfür Sozialversicherungsfachangestellte durch. 12.InwieweitwurdendieGemeinsamenServicestellenzurBeantragungeines Persönlichen Budgets bemüht, und wie sind die Erfahrungen? GibtesSchulungenfürdasPersonalindiesenServicestellenspeziellfür das Persönliche Budget? DieGemeinsamenServicestellensollennach 22Absatz1Nummer2SGBIX insbesonderebeiderinanspruchnahmeeinespersönlichenbudgetsberatend undunterstützendtätigwerden.dazugehörtauchdieunterstützungbeiderbeantragung eines Persönlichen Budgets.
Drucksache 17/406 6 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Informationendarüber,inwelchemUmfangdieGemeinsamenServicestellen bundesweitinbezugaufdiebeantragungvonpersönlichenbudgetstätiggewordensindundwelcheerfahrungendabeigesammeltwurden,liegenderbundesregierung nicht vor. NacheinerUntersuchungdesOtto-Blume-InstitutsfürSozialforschungund Gesellschaftspolitike.V.zurArbeitderGemeinsamenServicestelleninNordrhein-WestfalenvomNovember2009befasstensichinNordrhein-Westfalen bislangeindritteldergemeinsamenservicestellenmitanträgenaufeinpersönliches Budget. ImRahmenderSchulungen,diedieBARfürMitarbeiterinnenundMitarbeiter indengemeinsamenservicestellenanbietet,istaucheinmodul Persönliches Budget mit praktischen Beispielen vorgesehen.
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