Deutscher Bundestag Drucksache 17/9462 17. Wahlperiode 27. 04. 2012 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 17/9284 Entwicklung der Jugendarmut Vorbemerkung der Fragesteller ArmutistmittlerweilezueinemweitverbreitetenPhänomengeworden. ArmutresultiertvorallemausEinkommensarmut,dieinFamilienvonden ElternanihreKinderweitergegebenwird.MehrundmehrKindersindinder BundesrepublikDeutschlandvonArmutbedroht.AusarmenKindernwerden inderregelarmejugendliche.diearmutsrisikoquotevonkindernund Jugendlichenunter18JahrenstiegimJahr2010aufrekordverdächtige 19,4Prozent (Familienreport2011,S.98ff.).Besondersbetroffendavonsind Jugendlichezwischen15und18Jahren:IndieserAltersgruppewarenimJahr 2009alleine500000JugendlichevonArmutbedroht (ebendas.100).dramatischistdielageinostdeutschland,wonahezueindrittelderjugendlichenin Armutleben (MonitorJugendarmut2010,BundesarbeitsgemeinschaftKatholischeJugendsozialarbeite.V.).AberauchindenStadtstaatenBerlin,Bremen undhamburgsindüberproportionalvielejugendlichevonarmutbedroht. DieEntwicklungvondrohenderJugendarmutlässtsichauchausdenStatistikenderBundesagenturfürArbeitableiten:DortwerdenregionaldieAnzahl derkinderundjugendlichenunter15jahrengezählt,diemitihrenelternim Hartz-IV-Bezugleben.DemnachsindindenvergangenenJahrenneueZentrenderKinderarmutvorallemimRuhrgebietentstanden (Statementvon Dr.UlrichSchneider,GwendolynStillingundChristianWoltering Arme Kinder,armeEltern:FamilieninHartzIV vom29.februar2012).die LebensweltenvonJugendlichendriftendabeiimmerweiterauseinander.Jede/ JederfünfteJugendlicheimAlterzwischen14und17drohtgesellschaftlich abgehängtzuwerden.diesejugendlichensindbezüglichihrerpersönlichen Perspektivenzusehendsentmutigt (Sinus-Studie,WietickenJugendliche 2012?). ArmeKinderhabenschlechtereStartvoraussetzungalsKinderauswohlhabenderenFamilien.AusihnenwerdenhäufigarmeJugendliche.InderSchule habensieesschwereralsihremitschüler/-innen.kinderundjugendlichewerdeninderschulenämlichauchnachsozialerherkunftbenotetundbeurteilt. Schüler/-innenausärmerenFamilienwerdenbeigleicherLeistungschlechter zensiertalsihremitschüler/-innen (Herkunftzensiert?VodafoneStiftung DeutschlandgemeinnützigeGmbH,2011).Werschlechterzensiertwird,hat DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBundesministeriumsfürArbeitundSoziales vom25.april 2012 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
Drucksache 17/9462 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode esschwer,aufhöhereschulenzukommen,einabiturzuabsolvieren,einen AusbildungsplatzzufindenundsomitdenGrundsteinfüreineigenesLeben außerhalbeinerarmutsspiraleaufzubauen einearmutsspirale,diebedeutet, dassinarmenfamilienarmekinderaufwachsen,diezuarmenjugendlichen undarmenerwachsenenwerden.einegefestigtearmutübergenerationen hinweg droht zu entstehen. AuchaufdieZufriedenheitmitdemLebeninsgesamthatdieEinkommenssituationAuswirkungen.Jugendliche,diesichineinerschlechtenbeziehungsweisesehrschlechtenfinanziellenLagebefindenoderunterArbeitslosigkeit leiden,sinddeutlichunzufriedenermitihremleben (16.ShellJugendstudie Jugend2010 :S.191ff.).Dasistnichtweiterverwunderlich,entscheiden dochfinanziellemittelmaßgeblichüberteilhabemöglichkeitenamgesellschaftlichenleben.werüberdiesenichtverfügt,hatesschwer,diepassenden undangesagtenkommunikationsgerätewieinternetfähigenhandyszufinanzieren,umanderinformationsgesellschaftadäquatteilnehmenzukönnen. DieseJugendlichenverfügennichtüberdiefinanziellenMittel,um,wieihre Altersgenossen,diepassendenundcliquenbezogenenkulturellenStileaufgreifenzukönnen.DazuzählennebenspeziellenKleidungstilenauchdieTeilhabeimöffentlichenLeben,wiederBesuchvonCafés,derKinobesuchoder deraufenthaltindenangesagtenclubs.strukturenderöffentlichenjugendarbeitwurdenindenvergangenendekadenmassiveingespart,sodassdiese kostengünstigeundpädagogischwertvollefreizeitgestaltungnurnochwenigenjugendlichenzurverfügungsteht.aberauchdiemobilitätdieserjugendlichenleidet:siekönnennichtnurwenigerreisen,auchimalltagsindsie, insbesondereindenländlicherenregionen,aufdenoftmalsnichtaufdiebedürfnissevonjugendlicheneingerichtetenöffentlichennahverkehrangewiesen.diesejugendlichenbekommeninderregelauchnichtdenführerschein unddasersteautopünktlichzum18.geburtstagvonihrenelternodergroßeltern finanziert. IhreschlechteresozialeLagewirdarmenbeziehungsweisevonArmutbedrohtenJugendlichensomitaufmehrerenEbenenständigvorAugengeführt:AusgrenzungvonweitenTeilendesgesellschaftlichenLebens,schlechtereZukunftschancen,geringereMobilitätundgrößereUnzufriedenheitminderndie Perspektiven von nunmehr beinahe jedem fünften Jugendlichen. 1.WiehochistdieArmutsrisikogrenzevonJugendlichenzwischen15und 25Jahren (bittefüralleinstehend,haushaltsvorstand,haushaltsmitglied getrenntangeben)gemessenanhanddesstatistischenarmutsrisikos (60ProzentdesmediangemitteltenNettoäquivalenzeinkommens)seit1990 (bitte sowohlaufdatengrundlagedessozio-oekonomischenpanels (SOEP),Mikrozensus,derEinkommens-undVerbrauchsstichprobe (EVS)sowieder StatistikderEuropäischenUnionüberEinkommenundLebensbedingungen (EU-SILC))? 2.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenzwischen15und 25JahrengemessenanhanddesstatistischenArmutsrisikos (60Prozent desmediangemitteltennettoäquivalenzeinkommens)seit1990 (bitteaufgeschlüsseltnachgeschlechtsowiedenaltersstufen15bis17jahrensowie 18 bis 25 Jahre; auf Datengrundlage des SOEP sowie der EU-SILC)? 3.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenzwischen15und 25JahrenmitMigrationshintergrundgemessenanhanddesstatistischen Armutsrisikos (60ProzentdesmediangemitteltenNettoäquivalenzeinkommens)seit1990 (bitteaufgeschlüsseltnachgeschlechtsowiedenaltersstufen15bis17jahrensowie18bis25jahre;aufdatengrundlagedes SOEP sowie der EU-SILC)? 4.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenzwischen15und 25JahrengemessenanhanddesstatistischenArmutsrisikos (60Prozent desmediangemitteltennettoäquivalenzeinkommens)aufbasisdesmikrozensusseit1990 (bitteaufgeschlüsseltnachgeschlecht,denaltersstufen 15 bis 17 Jahren sowie 18 bis 25 Jahre)?
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/9462 5.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenzwischen15und 25JahrenmitMigrationshintergrundgemessenanhanddesstatistischen Armutsrisikos (60ProzentdesmediangemitteltenNettoäquivalenzeinkommens)aufBasisdesMikrozensusseit1990 (bitteaufgeschlüsselt nachgeschlecht,denaltersstufen15bis17jahrensowie18bis 25Jahre)? 6.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenzwischen15und 25JahrengemessenanhanddesstatistischenArmutsrisikos (60Prozent desmediangemitteltennettoäquivalenzeinkommens)aufbasisdesmikrozensusseit1990indenverschiedenenbundesländern (wennmöglich bitteaufgeschlüsseltnachgeschlecht,denaltersstufen15bis17jahren sowie 18 bis 25 Jahre)? 7.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenaufBasisdesMikrozensusseit1990differenziertnachdemsozioökonomischenStatus derjungenerwachsenen (Erwerbstätige,Studierende,Auszubildende, Schüler/Schülerinnen, Erwerbslose und nicht Berufstätige)? 10.WiehochistdieArmutsrisikoquotevonJugendlichenzwischen15und 25JahrengemessenanhanddesstatistischenArmutsrisikos (60Prozent desmediangemitteltennettoäquivalenzeinkommens)aufbasisdesmikrozensusseit1990aufgeschlüsseltnachkreisenundkreisfreienstädten (fallsnichtverfügbarbitteaufdiedatenfürdiekleinsteverfügbareregionale Einheit zurückgreifen)? AktuelleDatenindengefordertenAltersabgrenzungenliegenderBundesregierungnichtvor.NachfolgenddieZusammenstellungderimStatistischenBundesamtverfügbarenWerteausderEinkommens-undVerbrauchsstichprobe (EVS),derErhebung LebeninEuropa (EU-SILC)unddemMikrozensusfür junge Erwachsene. EVS EU-SILC Mikrozensus 2003 2008 2007 2008 2009 2008 2009 2010 Schwellenwert für Armutsgefährdung (in Euro pro Monat) Deutschland insgesamt 1.000 1.063 916 929 940 787 801 826 Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen (in %) Bevölkerung insgesamt Deutschland insgesamt 13,6 16,0 15,2 15,5 15,6 14,4 14,6 14,5 Nach Alter und Geschlecht Personen im Alter von 16 bis 24 Jahren 19,6 18,7 19,9 20,4 19,1 - - - Frauen 22,2 20,7 21,6 23,0 22,1 - - - Männer 17,1 16,9 18,2 17,8 16,1 - - - Personen im Alter von 18 bis 24 Jahren - 18,3 20,2 21,1 18,9 22,4 22,9 22,7 Frauen - - 22,4 24,4 21,7 24,1 24,2 24,2 Männer - - 18,0 17,9 16,0 20,9 21,6 21,2 Quelle: Statistisches Bundesamt BeiderInterpretationdieserZahlenistzuberücksichtigen,dassdieEinkommenderGruppederjungenErwachsenengeprägtsindvonAusbildungundBerufseinstieg.SoverfügenjungeErwachseneimVergleichzuanderenAltersgruppenüberhoheTeilhabechancen,währendihrstatistischesArmutsrisiko überdurchschnittlichist.beieinerdynamischenbetrachtungistdortaberauch eine hohe Aufwärtsmobilität der Einkommen festzustellen.
Drucksache 17/9462 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 8.WelcheempirischenStudienzuderThesederVererbungvonArmutsind derbundesregierungbekannt,undwiebewertetdiebundesregierung diese Studien? DervierteArmuts-undReichtumsberichtwirdauchsozialeMobilitätimSinne derfragedarstellen,soweitdazuüberhauptgesicherteaussagengetroffenwerdenkönnen.unteranderemwurdedazudasforschungsvorhaben SozialeMobilität,UrsachenfürAuf-undAbstiege andaswissenschaftszentrumberlin fürsozialforschung (WZB)unddasInstitutfürArbeitsmarkt-undBerufsforschungderBundesagenturfürArbeit (IAB)vergeben.DenAusführungenkann derzeitimeinzelnennochnichtvorgegriffenwerden,daderberichtderbundesregierung noch nicht fertiggestellt und endgültig abgestimmt ist. 9.WelcheKenntnissehatdieBundesregierungüberdensozioökonomischen Status der Eltern der von Armut bedrohten Jugendlichen? InformationenüberdensozioökonomischenStatusvonElternsindimplizitbei Einkommensbetrachtungenenthalten,wennJugendlicheoderjungeErwachseneimHaushaltderElternlebenunddasäquivalenzgewichteteHaushaltseinkommenuntersuchtwird.FürdiewirtschaftlicheSituationdieserjungenMenschenistdaherdieErwerbstätigkeitderElternderwichtigsteFaktor.Deshalb isteswichtig,denerfolgskursamarbeitsmarktweiterzuhalten.diearbeitslosenquoteistseit2005kontinuierlichgesunkenundliegtaktuellmitrund 7ProzentaufdemniedrigstenStandseitderWiedervereinigung.Wennjunge ErwachseneeineneigenständigenHaushaltgründen,sindnebenderrelativen EinkommenspositionvorallemihreberuflichenEntwicklungsperspektivenzu betrachten.soverfügenetwastudentenmiteigenemhaushaltindieserlebensphaseoftmalsnurübereinrelativniedrigeseinkommen.erfreulichfürdie PerspektivenjungerMenschenist,dasssichvonallenAltersgruppendieArbeitslosigkeitvonPersonenzwischen15bisunter25Jahrenseit2005relativ am stärksten reduziert hat. 11.ÜberwelchenSchulabschlussverfügenJugendlicheüber20Jahren,die aufbasisdesmikrozensusvonarmutbedrohtsind,seit1990 (bitteaufgereihtnachjahrenundaufgeschlüsseltnachhöchstemschulabschluss)? 12.ÜberwelchenSchulabschlussverfügenJugendliche,dienichtvonArmut bedrohtsind,seit1990 (bitteaufgereihtnachjahrenundaufgeschlüsselt nach höchstem Schulabschluss)? 13.WievieledervonArmutbedrohtenKinderbiseinschließlich13Jahre werdenimlebensverlaufzuvonarmutbedrohtenjugendlichenunter 18 Jahren (relativ und absolut)? 14.WievieledervonArmutbedrohtenJugendlichenunter18Jahrenwerden imlebensverlaufzuvonarmutbedrohtenjugendlichenab18jahre (relativ und absolut)? 15.WievieledervonArmutbedrohtenJugendlichenab18Jahrenwerdenim LebensverlaufzuvonArmutbedrohtenErwachsenen (relativundabsolut)?
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/9462 16.WievieledervonArmutbedrohtenJugendlichenunter18Jahrenwaren bereitsinihrerkindheit (biseinschließlich13jahren)vonarmutbedroht (relativ und absolut)? 17.WievieledervonArmutbedrohtenJugendlichenab18JahrenwarenbereitsjeweilsalsJugendlicheunter18JahrensowiealsKinderbis13Jahren von Armut bedroht (relativ und absolut)? 18.WievieledervonArmutbedrohtenjungenErwachsenenwarenbereits jeweilsalsjugendlicheab18jahren,alsjugendlicheunter18jahrensowie als Kinder bis 13 Jahren von Armut bedroht (relativ und absolut)? Zu den Fragen liegen der Bundesregierung keine Daten vor.
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