Gedenken und Erinnerung an die Aktion Arbeitsscheu Reich 1938
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- Sylvia Geier
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1 Deutscher Bundestag Drucksache 16/ Wahlperiode Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katja Kipping, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 16/9405 Gedenken und Erinnerung an die Aktion Arbeitsscheu Reich 1938 Vorbemerkung der Fragesteller TeildermenschenverachtendenGesinnungdesNationalsozialismuswardie AbscheugegenüberdensogenanntenAsozialenbzw.densynonymsobezeichnetenGemeinschaftsfremden, Arbeitsverweigerern bzw. Landstreichern.Gemeintwarendamitalljene,derenVerhaltenimweitestenSinne sozialunangepasstwar.daskonntenromaundsintisein;lesbenoder Schwule;daskonntenMenschensein,diekeinerfestenArbeitnachgingen, keinenfestenwohnsitzhatten;undeskonntenauchzuhälterundsäumigeunterhaltspflichtigesein.gemeinwarihnenlediglich,dasssievonstaatundpartei,vorallemabervonlokalenfürsorgeeinrichtungenals arbeitsscheu angesehen wurden. NachderMachtübertragungandieNationalsozialistenrichtetesicheineder erstengrößerenaktionendersagegendiese Asozialen ;gemeinsammitder PolizeidurchsuchtesieNachtasyle,Herbergen,bekannteTreffpunktevon Bettlernund Landstreichern,diefestgenommenundinGefängnisseverbrachtwurden.Schon1933wurdendie Asozialen indenentstehenden Konzentrationslagernuntergebracht.Ab1938wurdenimRahmendersogenannten vorbeugendenverbrechensbekämpfung die Asozialen zutausendenindiekonzentrationslagerverschleppt.vom21.bis30.aprilund13.bis 18.Juni1938fanddieAktion ArbeitsscheuReich statt,wahrscheinlich zehntausendobdachloseundandere Gemeinschaftsfremde wurdenbeirazzienfestgenommenundanschließendineinkzgebracht.alskennzeichen trugen sie dort ein schwarzes Dreieck. WiegeistigoderkörperlichbehinderteMenschenwarenauchdie Asozialen Opferdes Erbgesundheitsgesetzes undkonntensterilisiertwerden.fürdie nationalsozialistischgesinntenärztefielendie Arbeitsscheuen unterdie Kategorie Schwachsinnige oder moralischschwachsinnige,jahrelange ObdachlosigkeitwurdealsZeicheneiner primitivengeistesverfassung gewertet. DennochsinddiesogenanntenAsozialenniealsOpfergruppedesNationalsozialismusanerkanntworden.VondenEntschädigungsregelungendesBun- DieAntwortwurdenamensderBundesregierungmitSchreibendesBeauftragtenderBundesregierungfürKulturund Medien vom 30. Juni 2008 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich in kleinerer Schrifttype den Fragetext.
2 Drucksache 16/ Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode desentschädigungsgesetzes (BEG)bliebensieweitgehendausgeschlossen, weildiesesnurfüropfersogenannterns-typischerverfolgungsmaßnahmen galt.inden1950erund1960erjahren (alsanträgenachdembeggestellt werdenkonnten)wurdejedochdieverfolgungvon Asozialen regelmäßig nichtalsunrechtgesehen.dieshatteseinengrundnichtzuletztdarin,dassin denbehördenoftgenugdietätervoneinstsaßen,dienichteinräumenwollten, ihren früheren Opfern Unrecht zugefügt zu haben. ErstseiteinigenJahrenkönnendieheutenochlebendenOpferderVerfolgungsmaßnahmenunterbestimmtenUmständenLeistungennachdenHärterichtliniendesAllgemeinenKriegsfolgengesetzesbeantragen,d.h.eineEinmalzahlung (2556,46Euro)undgegebenenfallsmonatlicheZusatzleistungen (120 Euro). DieseSituationistauchdeshalbunbefriedigend,weilLeistungennachden HärterichtlinienausdrücklichkeinenAusgleichfürKriegsschäden,VermögensschädenundFolgeschädenbezwecken,wiesiedasBEGvorgesehen hatte.dieleistungenwerdenaußerdemnurandeutschestaatsangehörige bzw. Volkszugehörige ausbezahlt,dieihrenwohnsitzindeutschlandhaben. NichtdeutscheodernichtinDeutschlandlebendeBetroffenebekommennicht einmal dieses Almosen. Daals asozial gebrandmarktemenschenindergegenwartzunehmender Aggressivitätausgesetztsind (vgl.heitmeier, DeutscheZustände,2008) sollteauchdieseformvonmenschenfeindlichkeitihrenplatzindermahnund Gedenkpolitik haben. 1. Wie viele Asoziale wurden nach Kenntnis der Bundesregierung a) Opfer von Zwangssterilisationen nach dem Erbgesundheitsgesetz, b) während des Naziregimes in Gefängnissen inhaftiert, c) während des Naziregimes in Zuchthäusern inhaftiert, d) während des Naziregimes in Konzentrationslagern inhaftiert, e)durcherlitteneverfolgungsmaßnahmenlangfristiginihrergesundheit beeinträchtigt, f) während des Naziregimes zum Tode verurteilt, g) während des Naziregimes hingerichtet, h)währenddesnaziregimesingefängnis-,zuchthaus-oderkz-haftumgebracht? DerBundesregierungliegendazukeineumfassendenErkenntnissevor.ZueinzelnenGedenkstättenlassensichnurortsspezifischundannäherungsweiseAngaben machen. 2.Wieviele Asoziale wurdenimrahmenderaktion T4 getötet,wie vielevondieseraktionbetroffenekamenspäterindenkonzentrationslagern zu Tode oder wurden ermordet? Der Bundesregierung liegen dazu keine umfassenden Erkenntnisse vor. NachAngabenderStiftungBrandenburgischeGedenkstättenwarenimKZ Sachsenhausenmindestens11500Häftlingeals Asoziale oder Arbeitsscheue registriert.etwa6300häftlingewurdenimrahmender AktionArbeitsscheuReich imjuni1938indaskzsachsenhauseneingeliefert,darunter etwa900judenund500sintiundroma.etwa2600häftlingeausdergruppe der Asozialen kamen dort um.
3 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 3 Drucksache 16/9887 FürdasKZBuchenwaldsindlautAuskunftderStiftungGedenkstättenBuchenwaldundMittelbau-DorafolgendeAngabenverfügbar:NachdenVerhaftungswellender AktionArbeitsscheuReich befandensicham1.juli ASR -Häftlinge,daruntermehrals1200Juden,imKonzentrationslagerBuchenwald.DaswarenzudiesemZeitpunkt59Prozentdergesamten Lagerbelegung (7723). 3.WelcheErkenntnissehatdieBundesregierung,wievieledervondenNazis als Asoziale inkonzentrationslagerverschlepptendeswegenmitdieser Bezeichnung belegt worden sind, weil sie a)lesbisch b)schwul c)sintioderromawaren (fallsmöglich,jeweilsdetailliertezahlenbenennen)? Zu den Fragen 3a und 3b liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. EsliegenkeineumfassendenZahlenvor,wievielederals Asoziale VerschlepptenmitdieserBezeichnungbelegtwurden,weilsieSintiundRoma waren. BeidenmitderBezeichnung Asoziale belegtensintiundromafehlteeinergänzenderhinweisaufderenabstammung.außerdemwurdenzahlreichesinti undromanacheinanderinmehrerenlagerninhaftiert,wobeiindenverschiedenenlagernfürdieselbepersonunterschiedlicheeintragungenalsgrundfür die Inhaftierung vorgenommen wurden. Keine 4.FallsdieBundesregierungkeinedetailliertenKenntnissezudenvorangegangenenFragenhat:welcheAnstrengungenwillsieunternehmen,um sich diese Kenntnisse zu beschaffen? 5.Wieviele Asoziale erhieltennachkenntnisderbundesregierungeine EntschädigungfürdaserlitteneUnrecht,undwievielehiervonwarenals Asoziale OpfervonZwangssterilisationen (bittedieregelungenangeben, auf denen die Entschädigung beruhte)? NachdenRichtlinienderBundesregierungüberHärteleistungenanOpfervon nationalsozialistischenunrechtsmaßnahmenimrahmendesallgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG-Härterichtlinien) erhielten: a) 163 Asoziale einmalige Beihilfen in Höhe von 2 556,46 Euro, b) 17 Arbeitsverweigerer einmalige Beihilfen in Höhe von 2 556,46 Euro, c) 24 Arbeitsscheue einmalige Beihilfen in Höhe von 2 556,46 Euro, d) 1 Landstreicher einmalige Beihilfe in Höhe von 2 556,46 Euro. 6.Wieviele Asoziale erhieltennachkenntnisderbundesregierungals Opfer von Zwangsarbeit eine Entschädigung? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
4 Drucksache 16/ Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 7.WelcheRegelungenaufLandesebenesindderBundesregierungbekannt, nachdenen Asoziale imrahmenvonhärtefallregelungenentschädigungenerhaltenhaben,undwiegroßistdieanzahlderempfängersogeregelter Entschädigungszahlungen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 8.FallsderBundesregierungkeineexaktenZahlenvorliegen:Inwelchem ungefährenverhältnisstehtnacheinschätzungderbundesregierungdie Zahlderjenigen,dieals Asoziale OpfervonNS-Verfolgungwurden, unddiezahlderjenigen,diehierfürentschädigtwordensind,undwelche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Verhältnis? Wie viele Opfer dieser Verfolgungsmaßnahmen leben heute noch? DerBundesregierungliegenhierzukeineErkenntnissevor.EineSchätzungerscheint nicht sachgerecht. 9.BeabsichtigtdieBundesregierung,auchdenOpfernderVerfolgung Asozialer eineentschädigungfürkriegsschäden,verfolgungsschäden undfolgeschädenzuzubilligen,undzwarauchsolchenopfern,dienach demendedesfaschismusdeutschlandverlassenhaben,undwennnein, warum nicht? DasgeltendeSystemderEntschädigungenfürNS-UnrechtentsprichtdenAnforderungen.DasLeidausländischerOpferistumfassendberücksichtigtworden,unteranderemimBundesentschädigungsgesetz (BEG),Osteuropafonds derjewishclaimsconference (JCC),durchGlobalentschädigungsabkommen mitzwölfwestlichenländern,denauszahlungenmithilfederstiftungenin Polen,WeißrusslandundderUkraine,derInitiativefürOpfernationalsozialistischerVerfolgungindenStaatenMittel-undOsteuropas (MOE),RentenzahlungenanGhettoarbeiterundinsbesonderedurchdieumfangreichenLeistungen der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. 10.InwiefernspieltderUmgangmitdensogenanntenAsozialeninderAufarbeitungderGeschichtevonBundesministerienundnachgeordneten Behörden,insbesonderedemBundeskriminalamt,eineRolle,undwelche Aktivitäten sind hier ergriffen worden bzw. noch geplant? BundesministerienundnachgeordneteBehörden,soauchdasBundeskriminalamt,habenbeiderAufarbeitungihrerGeschichtekeineAktivitätenergriffen odergeplant,diespezielldenumgangmitdensogenanntenasozialenbetreffen. 11.WelcheInitiativensindvonderBundesregierunggeplantoderergriffen worden,umfürdiesespezifischens-opfergruppemöglichkeitendes Gedenkens zu schaffen? SoweitHomosexuelleoderSintiundRomaals Asoziale verfolgtundinhaftiertwurdenistaufdasdenkmalfürdieimnationalsozialismusverfolgten Homosexuellenbzw.dasinErrichtungbefindlicheDenkmalfürdieermordeten Sinti und Roma zu verweisen. Weitere Initiativen sind nicht geplant.
5 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 5 Drucksache 16/ WelcheRollespielendie Asozialen indenvombundgeförderten Mahn-undGedenkstätten,bzw.inwelchendieserMahn-undGedenkstätten finden sie besondere Beachtung? InderKZ-GedenkstätteSachsenhausenwirdinverschiedenenAusstellungen dergedenkstättediehäftlingsgruppeder Asozialen ebensowiedie Aktion ArbeitsscheuReich thematisiert.anlässlichdes70.jahrestagesderaktion ArbeitsscheuReich wirddiesonderausstellung WohnungsloseimNationalsozialismus derbundesarbeitsgemeinschaftwohnungslosenhilfeeröffnet.in diesemzusammenhangwirddiegedenkstätteergänzendzehnbiographienvon ehemaligenhäftlingenvorstellen,dieals Asoziale inhaftiertwaren.imjahr 2001wurdeam27.Januar,demGedenktagfürdieOpferdesNationalsozialismus,inderGedenkstättederGruppeder asozialen Häftlingegedacht.Seit 1996istesinderGedenkstätteTradition,diesenTageinerbestimmtenHäftlingsgruppe zu widmen. DieAusstellung WohnungsloseimNationalsozialismus wurdeimmaiinder GedenkstätteMittelbau-Doragezeigt.EbensowirdderzeitdortdieWanderausstellungdesDokumentations-undKulturzentrumsDeutscherSintiund Romae.V. DernationalsozialistischeVölkermordandenSintiundRoma gezeigt,diebereitsmitunterstützungderstiftunggedenkstättenbuchenwald undmittelbau-doraimweimarerstadtmuseumpräsentiertwurde.beiden diesjährigenveranstaltungenzumjahrestagderbefreiungam11.aprilfand die AktionArbeitsscheuReich dezidierterwähnung.derschwerpunkt wurdeaufdieimrahmender Aktion durchgeführteerstemasseninhaftierungvonsintiundromagelegt.diestiftungregtzudemgezieltstudienzu diesem Thema an. 13.WelcheErkenntnissehatdieBundesregierungzugegenwärtigenStrafundGewalttatengegenWohnungsloseundsozialunangepassteGruppen, undinwiefernstehendiesegewalttatenineinerinhaltlichenkontinuität zu den Vorstellungen des Naziregimes? ImRahmenderPolizeilichenKriminalstatistikdesBundeserfolgtkeinerepräsentativeAbbildungvonStraf-undGewalttatengegenWohnungsloseundsozialunangepassteGruppen.ImKriminalpolizeilichenMeldedienstPolitisch motiviertekriminalität (KPMD-PMK)wirdder Status desopferszwarals Unterthemaausgewiesen.JedochsindUnterthemenkeinePflichtfelderim Meldedienst.EsliegtdaherinderBewertungshoheitdesjeweilsmitteilenden Bundeslandes,obAngabenzudemStatusdesOpfers (Beispiel:Personistobdachlos)gemachtwerden.ImAllgemeinenerfolgtkeineErfassungvonPersonaldatenimKPMD-PMK,daessichumeineanonymisierteDateihandelt.ErfasstwerdennurGeschlecht,AltersstruktursowieStaatsangehörigkeitvon TäterundOpfer.BelastbareAussagenzuStraf-undGewalttatengegenWohnungslose und sozial unangepasste Gruppen sind daher nicht möglich. 14.WelcheMaßnahmenundInitiativenhatdieBundesregierungergriffen, umgegendiskriminierungunddiffamierungvonwohnungslosenundso genannten sozial unangepassten Gruppen heute vorzugehen? DieBundeszentralefürpolitischeBildungbehandeltinihrenInformationenzur politischenbildungdiethemenbereiche Arbeitsscheue und Asoziale aus historischerundaktuellerperspektiveundbietetu.a.inihrerpublikation ArgumentegegenrechtsextremeVorurteile HilfestellunggegenheutigeDiskriminierungen.
6 Drucksache 16/ Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 15.InwiefernfindendieseThemenNiederschlaginvonderBundesregierung gefördertenprojektenmitjugendlichenundjungenerwachsenen (bitte nach Ministerien auflisten)? DieZuständigkeitenfürdasBildungswesenunddieKulturliegennachdem GrundgesetzfürdieBundesrepublikDeutschlandinersterLiniebeidenLändern.AufBundesebenesindkeineProjektebekannt,diesichgezieltmitdiesem Bereich der Diskriminierung beschäftigen. 16.IstderBundesregierungdasvonzivilgesellschaftlichenAkteurengeplanteGedenkenzurAktion ArbeitsscheuReich am13.juni2008in Berlin bekannt, und wie nimmt sie zu diesem Gedenken Stellung? DieBundesregierunghatdurchdieöffentlichenAnkündigungenvonderGedenkveranstaltunginBerlinKenntnis.EbensowiedieBundesregierungdiebereitsausgeführtenErinnerungsveranstaltungendervonihrgefördertenEinrichtungenunterstützt (sieheantwortzufrage12),begrüßtsieöffentlicheveranstaltungenzurerinnerungandienationalsozialistischenverbrechenundzum GedenkenanihreOpfer,insbesonderewennsievonbürgerschaftlichemEngagement getragen werden und in Verbindungen zum authentischen Ort stehen.
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8 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83 91, Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbh, Amsterdamer Str. 192, Köln, Telefon (02 21) , Telefax (02 21) ISSN
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Deutscher Bundestag Drucksache 16/5460 16. Wahlperiode 24. 05. 2007 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer
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