Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft ausbauen
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- Lorenz Kerner
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1 Deutscher Bundestag Drucksache 17/ Wahlperiode Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE. Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft ausbauen Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: DieForschungs-undInnovationsförderungdesBundeshatindenvergangenen JahreneinenstarkenAufwuchserfahren.InsgesamtverausgabtedieBundesregierungimJahr2011etwa17,6Mrd.EurofürWissenschaft,Forschungund Entwicklung.DieserAufwuchsfandimRahmenderHightech-Strategiemit demerklärtenzielstatt,dietechnologieführungderdeutschenwirtschaftauf denwichtigstenexportmärktenzusichern.dementsprechendistdieförderung aufprodukteundtechnologienfokussiert,diechancenaufdenglobalen Märktenversprechen.Selbstdieregierungsnaheundwettbewerbsfreundliche ExpertenkomissionForschungundInnovation kritisiertediesineinemgutachtenalsproblem:esliegeeine starkeorientierunganrelativkurzfristigen kommerzielleninteressen (EFI2008,56)vor.SiehälteineNeufassungder StrategieundeinetransparenteEvaluierungderInnovations-undTechnologieförderungdesBundesfürnotwendig.DochauchinderNeuauflagederHightech-StrategieimJahr2010bleibtdieBundesregierungbeidiesemMuster, DeutschlandiminternationalenWettbewerb umtalente,technologienund Marktführerschaft ganz vorn zu platzieren. DieseAusrichtungderForschungs-undTechnologieförderunglässtsichkaum mitdenherausforderungeneinertransformationzumehrökologischerund sozialernachhaltigkeitineinklangbringen,vorwelchenwirtschaftundgesellschaftstehen.dasmodelldesstetigenexportwachstumsvontechnologieproduktenistmitderkriseineuropaunddenglobalenumwelt-undklimaproblemenökologischundökonomischgescheitert.esverschärftdiesekrisen undträgtkaumetwaszuihrerlösungbei.eineentwicklungetwaderschwellenländerbrasilien,chinaoderindiennachdemmustereuropasodernordamerikaslässtsichnichtmitdereinhaltungderbisherangestrebtenklimaziele umsetzen. Forschungs-undInnovationspolitikdarfsichdahernichtdaraufbeschränken, diewertschöpfungetablierterindustriezweigezuunterstützen.siemussdabei auchverantwortungundgestaltungskompetenzfürnotwendigetransformationsprozesseübernehmenundentsprechendeimpulsefürforschungundinnovationsentwicklungsetzen.gesellschaftlicheveränderungenfindeninvielschichtigensozialen,ökonomischen,kulturellenundtechnischenprozessen stattundsindvonauseinandersetzungenzwischenoftmalswiderstreitenden
2 Drucksache 17/ Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Interessengeprägt.UmdemZielbeispielsweiseeinesnachhaltigenMobilitätssystemsnäherzukommen,sindnichtnurtechnischeDetaillösungenzu fördern.dieseliegenoftsogarbereitsvor.fürdennotwendigentransformationsprozesswirdeinsozialrobustesorientierungswissenbenötigt,dasdietechnischenbausteineersthandhabbarmachtundsiedenalltagstestineinerkomplexen und pluralen Gesellschaft bestehen lässt. DiesesVerständnisvonForschungs-undInnovationspolitikkommtindentechnologiefixiertenFörderprogrammenderHightech-Strategiezukurz.SohatbeispielsweisederBunddieEntwicklungvonElektroautosmitmehrerenMilliardenEurogefördert,ohnedassmandienotwendigenumfassendenLösungsansätzefürgravierendeMobilitätsproblemeinBallungsräumenmitHilfedieses ProduktesindenBlickgenommenhätte.Von148MitgliedernindenArbeitsgemeinschaftender NationenPlattformElektromobilität stammen111aus derindustrieundlediglichdreiausdenbereichenumwelt-undverbraucherschutzoderverkehrspolitik.eszeigtsich,dassforschungsbedarfefüreine MobilitätswendeineinemsolcheneinseitigzusammengesetztenGremium nichtermitteltwerden.diemittelsinddaherweitgehendverpufftundhaben sichwederinneuenproduktennochinalternativenmobilitätsmodellenrealisiert.wennforschungs-undinnovationsförderungvongesellschaftspolitischen Ziel-undLeitvorstellungenflankiertwerdensoll,müssendieGremienund Prozesse,inwelchenForschungsbedarfeundInnovationenberaten,geplant,erforschtundumgesetztwerden,füreinedemokratischeTeilhabegeöffnetwerden.DasFördersystemfürForschungundInnovationeninderBundesrepublik Deutschland ist in dieser Hinsicht stark reformbedürftig. DerWissenschaftlicheBeiratderBundesregierungGlobaleUmweltveränderungen (WBGU)empfiehlthierzueinenneuenVertragzwischenWissenschaft undgesellschaft,umdieherausforderungenimumgangmitdemklimawandel,mitumweltverschmutzungundwachsenderarmutzubestehen.darin sollenstärkerproblemeausdergesellschaftandiewissenschaftadressiert werden,dielösungenfürentsprechendeforschungsfragenmithilfetransdisziplinärermethodenerforschenkann.diefreiheitderwissenschaftbleibt dabeifüreineoffeneerkenntnissucheunberührt.derwbguempfiehltauch, dasneueförderfelddertransformationsforschungsowieeinequerschnittsförderungsozialerinnovationeneinzurichten,umdievielfältigenbausteinedes sozialenundökologischenwandelsindiegesellschaftlichehandlungsrealität bringenzukönnen.auchandere,zivilgesellschaftlicheorganisationenhaben dieeinseitigkeitderderzeitigenförderpolitikkritisiertundsprechensich,wie etwadiedeutscheunesco-delegation,derbundfürumweltundnaturschutz,dernaturschutzbunddeutschland,füreinneuessozialesundökologisches Paradigma in der Forschungs- und Innovationspolitik aus. EinneuerVertragzwischenWissenschaftundGesellschaftbeginntmitmehr TransparenzundPartizipationimFördersystem.BereitsimStadiumstrategischerPlanungsprozessemusseinebreiteBeteiligungunterschiedlicherAkteure der Zivilgesellschaft angestrebt werden. BisherwirddasAgendasettingderForschungsförderunginderRegelinvon deröffentlichkeitabgeschottetengremienimministeriumunterstarkerbeteiligungderindustrieentworfen.dasgiltgleichermaßenfürdie ForschungsunionWissenschaftundWirtschaft,die NationalePlattformElektromobilität,den Bioökonomierat oderdenfrüheren RatfürInnovationundWachstum.DeutlichunterrepräsentiertsindArbeitnehmervertretungen,kleineund mittlereunternehmenundöffentlicheeinrichtungen.diebeteiligunggemeinnützigerzivilgesellschaftlicherexpertiseistbislangeinerandnotiz.hinzu kommt,dassfrauenindieberatungsprozesseundgremienzuwenigintegriert werdenunddamitdiegenderperspektiveinderforschungs-undinnovationsförderung kaum Beachtung findet.
3 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/13090 AuchderDeutscheBundestag,derbishervorallemimRahmenseinerFunktionalsHaushaltsgesetzgeberagierte,musszukünftigfrüherindiestrategische AusrichtungvonForschungs-undInnovationsförderprogrammeneinbezogen werden.diesgiltauchfürdieressortforschungseinrichtungen,derenwissenschaftlichetätigkeitalsdienstleisterderbundesregierungeinenunmittelbaren Mehrwert für Prozesse der Transformation bringen kann. DasFelddertransdisziplinärenForschungfüreinenachhaltigeTransformation dergesellschaftfindetbishernuringeringemumfangeineöffentlicheförderung.hieristeineumverteilungvonfördermittelnausdenmarktnahentechnologieförderprogrammeninneuefeldereinergesellschaftsorientierten,nachhaltigenwissenschafts-undinnovationsentwicklungnotwendig.derbundfür Umwelt-undNaturschutzDeutschlande.V. (BUND)hatvorgeschlagen,1Mrd. EuroausnichtnachhaltigenBereichenderForschungsförderungumzuverteilen. Trans-undinterdisziplinäresArbeitenstelltetablierteStrukturenundVerfahren deswissenschaftssystemsinfrage.sobietentransdisziplinäreprojekteund AnsätzejungenNachwuchswissenschaftlerinnenund-wissenschaftlernheute kaummöglichkeiten,reputationfürdenweiterenkarrierewegzuerlangen. DiePublikationinreputationsstarkenwissenschaftlichenZeitschriftenunddie TeilnahmeanDrittmittelausschreibungenetwaderDeutschenForschungsgemeinschaft (DFG)oderdesEuropeanResearchCouncil (ERC)istvorallem aufdergrundlagedisziplinärorientierterwissenschaftmöglich.esgilt,die symbolischenundfinanziellenanreizstrukturenzuverändern,umproblemorientierter,transdisziplinärerwissenschafteinehöherereputationundeine bessereausstattungzuverschaffen.indiesemsinnesolltenauchdieinneren StrukturenvonHochschulenundForschungseinrichtungenmodernisiert werden.vertikalehierarchien,wiesieetwaimlehrstuhlprinzipangelegtsind, erscheinen nicht mehr zeitgemäß. DieaußeruniversitärenForschungseinrichtungenhabenihrePositionimWissenschaftssystemdurchstetigefinanzielleAufwüchseausgeweitetundverausgabtenimJahr2010etwa10,4Mrd.Euro.DiestaatlicheSeitehatsichindenvergangenenJahrenausderDetailsteuerungderInstituteformalzurückgezogen etwadurchdassogenanntewissenschaftsfreiheitsgesetz.zugleichbesteht auchindenlenkungsgremien,bei-undaufsichtsräteneineeinseitigkeitzugunstenprivaterunternehmenundihrerverbände.wirbrauchenauchhiereine breiteredebatteüberdieunterschiedlichenaufgabenunddiekonkreten ForschungsmissionenderaußeruniversitärenEinrichtungen.DieAufsichtsgremien müssen aus breiteren Kontexten der Gesellschaft heraus besetzt werden. DasScheiternmehrererGroßprojekteinDeutschlandinjüngsterZeit,dasauf mangelndetransparenzundgesellschaftlichebeteiligungzurückgeht,ruftauch nachneuersensibilitätfüreinedemokratischebeteiligungskulturbeiweichenstellungeninderforschungs-undinnovationsförderung.zusätzlichkannder AustauschzwischenWissenschaftundGesellschaftdurchÖffnungsprinzipien wieopenaccessundopeninnovationbefördertwerden.indiesemsinnesolltenzukünftigauchdietradiertengrenzenzwischeninstitutionalisierteröffentlicherforschungeinerseitsundgroßenbereichenfreierwissenserarbeitungin zivilgesellschaftlichenorganisationen,freienforschungsinstituten,unternehmenundverwaltungenandererseitsimsinneeinerproblemorientiertenwissenschaftsentwicklung überwunden werden. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, ihrewissenschafts-undinnovationspolitikkonsequentaufdiegroßenzukunftsherausforderungendergesellschafteinzustellen.dazugehörenetwadieabsehbareverknappungdernatürlichenressourcen,derklimawandel,diesoziale
4 Drucksache 17/ Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode SpaltungimregionalenundglobalenMaßstab,diedigitaleRevolutionundder demographischewandel.imunterschiedzubisherigenwissenschafts-und industriegetriebeneninnovationsprogrammenwiederhightech-strategiesoll diezukünftigeleitagendadasergebniseinesbreitendialogsvonwissenschaft undgesellschaftsein.dieagendaprozessesollentransparentgestaltetwerden undzuverbindlichenprogrammatischenfestlegungenführen.eineneueförderstrategiesollteaufeinemganzheitlichenansatzsozialerundökologischernachhaltigkeitaufbauen,dergesellschaftlicheproblemeundbedarfeindenmittelpunkt stellt. III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung weiterhin auf, a)indenberatungs-undsteuerungsgremienzurforschungs-undinnovationspolitikdensachverstandderorganisiertengemeinnützigenzivilgesellschaft gleichberechtigtmitwirtschaftundinstitutionellerwissenschafteinzubeziehen; b)forschungsprogrammezukünftigineinemtransparentenundpartizipativen Prozesszuentwickeln,dernebenExpertenwissenauchgeeignete,etwadigitaleFormenderMitsprachederAllgemeinheiteinbindet.Programmesollen dieprioritätensetzunginangemessenerformdarlegenundimentwurfsstadiumdenjeweilszuständigenfachausschüssendesdeutschenbundestages zur Beratung vorgelegt werden; c)dievergabevonöffentlichenforschungs-undinnovationsfördermittelnmit Hilfevonöffentlicheinsehbaren,übersichtlichenundaggregierbarenDaten transparentzumachen.dazumüssendieentsprechendendatenbankenwie foerderkatalog.deundgepris (DFG)nachdemPrinzipvonOpenData erweitert, maschinenlesbar und besser handhabbar gestaltet werden; d)dasprinzipdesopenaccess,alsodiedigitale,kostenfreiezugänglichmachungundweitergabevonveröffentlichtenforschungsdatenundergebnissen, zum Grundprinzip öffentlicher Forschungsförderung zu machen; e)gemeinsammitdenländernanreizefürhochschulenundforschungseinrichtungenzusetzen,umdenaustauschzwischenwissenschaftundgesellschaftbeiderentwicklungvonforschungsfragenundzumgegenseitigen AustauschetwainBezugaufRisikotechnologienzubeleben.Hierkönnte etwa das Konzept der Wissenschaftsläden belebt werden; f)dievonwissenschaftundzivilgesellschaftangeregtenvorhabenzurtransformationswissenschaftzuunterstützenundalsförderbereichzubegründen. DasZielistdasErlangenvonWissenüberChancenundHemmnissesystemischerVeränderungenunsererGesellschaftzumehrsozialerundökologischerNachhaltigkeit.DabeigehtesumeinentransdisziplinärenAnsatzaus Geistes-undSozial-,Natur-undTechnikwissenschaften,dessenFörderung mitanfänglich120mio.eurojährlichauszustattenist.diesekönnenaus TechnologieförderprogrammenderHightech-Strategieumgewidmetwerden. HierbeiistinsbesonderediebereitsbestehendeLandschaftausInstitutender sozialökologischen Forschung zu stärken; g)beiderförderungvonanwendungswissenmittelfürdieanschließende breitereerprobungdererforschtenansätzeundmodellebereitzustellen. Zieldabeiistzumeinen,sozialrobustesErfahrungswissenzusammelnund zum anderen transformatives Wissen wirksam zu machen; h)dieförderungvonsozialeninnovationenundinnovativendienstleistungen angesichtsderbedeutungdiesesbereichsfürwirtschaftundgemeinwesen deutlich auszubauen;
5 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/13090 i)öffentlicheundgemeinnützigeträgersowiezivilgesellschaftlicheorganisationenalsförderpartnerinverbundprojekteverstärkteinzubeziehen.zu prüfenist,inwieweiteinmodellvonforschungs-bzw.innovationsgutscheinenaufverwaltungenunddenfreigemeinnützigenbereichübertragen werdenkann,umauchindiesembereichdenbedarfanforschungsdienstleistungen und Innovationsimpulsen zu decken; j)strategienderopeninnovationingeeignetenfeldernzumgegenstandvon Förderausschreibungenzumachen.DabeisollenModelleerprobtwerden, uminnovationenuntereinbeziehungvonnutzerinnenundnutzern,beschäftigten, Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen zu entwickeln; k)einsteuerungsmodellfürdieaußeruniversitäreforschungzuentwickeln, dasdiewissenschaftlicheautonomiederinstitutesichertundzugleich AnreizefürdenstärkerenAusbaunachhaltigerundtransformatorischer Forschungsgebietesetzt.ZugleichsollendieAufsichtsgremienderEinrichtungenauseinembreiterenSpektrumzivilgesellschaftlicherExpertisebesetzt werden; l)einressortübergreifendeskonzeptfürdieressortforschungzuerarbeiten, dasdieanforderungenandieeinrichtungendefiniertundnachhaltigkeitzu einem Maßstab ihrer Weiterentwicklung macht. Berlin, den 16. April 2013 Dr. Gregor Gysi und Fraktion
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